GASTKOMMENTAR: WAS MACHT KINO ATTRAKTIV? Gute Filme, tadelloses Kino, perfektes Marketing Von Kim Ludolf Koch, Rinke Medien Consult (rmc) Die vergangenen 24 Monate glichen einem Jammertal. Die Besucherzahlen sind rückläufig, und auch das letzte Quartal zeigte alles andere als eine konjunkturelle Erholung an. Die Faktoren, die für den Rückgang verantwortlich gemacht werden, sind allenthalben bekannt. Im folgenden Text gibt Kim Ludolf Koch, Geschäftsführer von Rinke Medien Consult, einen Überblick über den „bunten Reigen des Marketings“, der seiner Ansicht nach auch in nächster Zukunft das Alpha und Omega des attraktiven Kinos ausmacht. Gleichwohl gibt es einige kleine gallische Dörfer, die sich dem Besucherschwund zu widersetzen wissen. Was machen die Kollegen anders, mit welchen Anstrengungen gelingt es ihnen, den Branchenproblemen zu begegnen? Wie machen sie ihr Kino attraktiv für die Besucher, zeigen sie doch die gleiche Ware wie alle anderen auch? Die einfache Formel lautet: gute Filme, tadelloses Kino und perfektes Marketing. Besonders Augenmerk sollte dabei auf den dritten Punkt gelegt werden. Die Verpackung des Produkts Die Kinos, die den MainstreamBereich abdecken, müssen in der Regel einen Mehrwert für den Kunden schaffen. Dieser besteht darin, passend zu den Filmen oder anlässlich bestimmter jahreszeitlich bedingter Anlässe den Besucher offensiv anzusprechen. Hier ist Einfallsreichtum gefragt. Ein konsequentes und regelmäßiges Brainstorming zu den Themen der Filme ist zwingend notwendig. Ein gutes Beispiel liefert immer wieder das Cineworld in Dettelbach. Der vom Kino initlierte Kalender zum Film „Kalendergirls“ hat nicht nur zu einem überproportionalen Besuch beigetragen, sondern auch der Kinderkrebsklinik in Würzburg eine Spende von 20.000 Euro aus dem Verkauf der Kalender eingebracht. Die regelmäßigen Aktionen machen aber auch andere Filme, die häufig aus dem Mittelmaß des Angebots nicht herauskommen, attraktiv fürs Publikum. Theaterieiterin Julia Michel ist zu Recht schon mehrfach für ihre Marketingaktivitäten, die sich durch eine ständige Interaktion mit dem Kinobesucher und der Schaffung eines Kinoerlebnisses auszeichnen, prämiert worden. Dass Kino ein attraktives Medium ist, zeigen auch die Beispiele aus dem Cineplex in Marburg. Marion Closmann ruht sich nicht auf den technischen Vorzügen ihres neuen Kinos aus, sondern ist eine energische Propagandistin ihres Programms. Beiden Frauen ist gemein, dass sie für ihr Kino und das Programm auch in der Öffentlichkeit und Presse präsent sind. Tue Gutes und rede darüber, ist das Motto eines guten Kinomachers. Aber gutes Kino ist nicht nur Frauensache, wie man vielleicht meinen könnte. Zelluloid fließt auch in den Adern von Robert Huttenlocher aus Mannheim, der dort das Cineplex und seit kurzem auch das CinemaxX für die Familie Spickert leitet. Beispiele wie der erfolgreiche Lady‘s Day am Donnerstag, regelmäßige gemeinsame Aktionen mit Partnern aus der Stadt, bescheren auch hier überproportionale Erfolge. Dem Besucher stets etwas Neues zu bieten, ist auch das Credo von Dr. Thomas Negele aus Rosenheim. In seinem Citydome ist der Film nur der Anlass, den Besuchern durch immer neue Ideen das Gesamterlebnis Kino schöner als anderswo erleben zu lassen. Kommunikation ist eben immer noch alles! Diese Beispiele belegen, dass gutes und attraktives Kino besonders häufig in Klein- und Mittelstädten vorkommt – und vor allem bei inhabergeführten Filmtheatern. Es ist eben kein Zufall, dass der Chef vor Ort eine andere Einflussmöglichkeit auf alle Belange seines Kinos hat als der Chef zentral geführter Filialbetriebe. Dabei darf der Chef nicht nur im Hintergrund agieren, sondern hat auch Vorbildfunktion und muss den Kundenkontakt pflegen. Im Idealfall ist der Kinounternehmer eine öffentlich bekannte Persönlichkeit, ein Intendant. Da der einzelne Film oft genug als zunächst unbestimmte Ware in sein Haus kommt, muss er die Zielgruppen bestimmen und auf geeignetem Weg ansprechen. Dazu gehört die Fähigkeit, in seinem sozialen Umfeld die Meinungsführer zu kennen und den Impuls für einen Kinobesuch auszulösen. Das vielfältige Beziehungsgeflecht zwischen Lokalpolitik, Medienpartnern, Schulen, Unternehmen, städtischen Einrichtungen und den einzelnen Publikumssegementen muss er wie eine Klaviatur zu spielen verstehen. Der Intendant sollte ein Filmkenner mit Sendungsbewusstsein sein. Ferner hat er die Programmpolitik seines Hauses zu verantworten, zu vermarkten und zu leben. Sein Publikum vertraut ihm, was bedeutet, dass, wenn er einen Film zeigt, dieser wirklich sehenswert ist. Dem Image seines Kinos schadet derjenige, der sehenden Auges dem Publikum mindere Filme als scheinbare Qualitätsware anbietet. Ausüben kann er diese Programmhoheit nur dann, wenn er filmische Kompetenzen erworben hat und permanent pflegt. Neben Verpackungs- und Kommunikationsaufgaben sind strategische Aufgaben zu bewältigen. Denn die Angriffe auf das Kino werden immer heftiger. Angesichts der Piraterieprobleme wird die Neigung der Majors in den USA zu weltweiten Synchronstarts immer stärker. Da die Hauptsaison im Mutterland des Mainstreams nun mal der Sommer ist, kann man sich die Folgen ausmalen. Die großen Hits fallen bei uns in die problematische Zeit der Sommerferien. Da Lamentieren hier nur wenig nutzt, sind gemeinsam von Verleih und Kino entwickelte Marketingoffensiven zu ergreifen, welche die Besucher stärker als bisher in der schönen Jahreszeit in die gut gekühlten Säle kommen lässt. Ein weiterer Angriff sind die Monitormedien, sprich: das gute, alte Fernsehen als Abspielbasis für Video und DVD. Beamer und immer preiswertere Player sorgen schon heute für DVD-Kinoabende bei der jungen Kinogemeinde. Keine Werbung, Bonusmaterial, geringe Filmkosten und volle Flexibilität sind die Argumente für diese Art des Filmgenusses. Besseren Service, Gemeinschaftserlebnisse, Filmkompetenz und Mehrwert durch interessante Aktivitäten rund ums Kino und ein faires Preis-Leistungsverhältnis sind die Antworten darauf. Strategische MarketingAufgaben der Zukunft Das größte Problem wird aber die Alterspyramide darstellen. Der Nachwuchs fehlt, sodass bei selbst unverändertem Nutzungsverhalten eine rückläufige Besucherentwicklung eintreten wird. Deshalb ist es umso wichtiger, junge Menschen nicht nur als kurzfristige HeavyUser zu kultivieren, sondern sie auch medienpädagogisch auf das Medium Kino und Film einzustimmen. Betrachtet man den Konsum von Filmen bei den älteren Bevölkerungsgruppen, fällt auf, dass dort vornehmlich anspruchsvollere Filme konsumiert werden. Die Zuwendung zur Filmkunst kann nur dann erfolgen, wenn in der Kindheit eine Filmbildung angelegt wird und nicht nur rein vergnügungsorientiert konsumiert wird. Geradezu fahrlässig erscheint deshalb das Zerreden der geplanten Schulfilmaktivitäten des Instituts für Kino und Filmkultur. Hier werden professionelle Ansätze aus Eitelkeit und Besitzstanddenken verhindert und erste Erfolge wieder zunichte gemacht. Gelingt es nicht, die Jugend von der “Glotze“ weg ins Kino zu locken, hat die Branche verloren. Hier müssen die Aufgaben von Schule, Lehrern, Filmwirtschaft und Politik ansetzen, um die Zukunft zu sichern. Deshalb sind die Aktivitäten von Lernort Kino und vergleichbaren Aktivitäten nicht hoch genug einzuschätzen.