Rohstoffpreise, Konjunktur und Inflation

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Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Institut für Weltwirtschaft
Seminararbeit zur
„Konjunktur- und Wachstumspolitik“ im Wintersemester
2008/2009
Thema: Rohstoffpreise, Konjunktur und Inflation
Themensteller: Professor Dr. Joachim Scheide
Betreuer: Nils Jannsen
Inhaltsverzeichnis
II
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis ........................................................................................................ II
Abkürzungsverzeichnis............................................................................................... III
Symbolverzeichnis ......................................................................................................IV
Abbildungsverzeichnis ................................................................................................ V
1
Einleitung ............................................................................................................ 1
2
Historische Übersicht: Ölpreisentwicklung, Konjunkturverlauf und
Inflationsraten...................................................................................................... 2
3
3.1
Transmissionskanäle des Ölpreises ..................................................................... 5
Preisniveau und Inflation .................................................................................... 5
3.1.1 Erstrundeneffekte ....................................................................................... 5
3.1.2 Zweitrundeneffekte und Lohn-Preis-Spirale ............................................. 6
Konjunktur .......................................................................................................... 7
3.2
4
Warum reagiert die Wirtschaft asymmetrisch auf Veränderungen des
Ölpreises? ............................................................................................................ 9
5
5.1
5.2
Ist der Einfluss von Rohstoffpreisen auf die Inflationsrate ein
monetäres Phänomen? ....................................................................................... 11
Modell ............................................................................................................... 12
Ökonometrische Evaluation des Modells .......................................................... 14
6
Warum hat die Bedeutung von Ölpreisschocks abgenommen? ........................ 15
7
Fazit ................................................................................................................... 19
Literaturverzeichnis .................................................................................................... 20
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
OPEC
Organization of the Petroleum Exporting Countries
CPI
Consumer Price Index
VPI
Verbraucherpreisindex
HVPI
Harmonisierter Verbraucherpreisindex
c.p.
ceteris paribus
RHS
Rechte Hand Seite (einer Gleichung)
LHS
Linke Hand Seite (einer Gleichung)
VAR
Vektorautoregressives Modell
GDP
Gross Domestic Output
BIP
Bruttoinlandsprodukt
CRBSI
Commodity Research Bureau Spot Index
III
Symbolverzeichnis
Symbolverzeichnis
S
Träges Gut (Konsumgüter)
F
Flexibles Gut (Rohstoffe)
pS
Preis des trägen Guts
pF
Preis des flexiblen Guts
p
Allgemeines Preisnivau
Anteil von F am Handelsvolumen
Geldmengenänderung in der Schockperiode
IV
V
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Ölpreis 1970-2007 ($/Barrel) ................................................................3
Abbildung 2: Realer Preis der US-Rohölimporte und Rezessionen............................4
Abbildung 3: Realer Ölpreis und CPI-Inflation ..........................................................5
Abbildung 4: Impuls-Antwort-Folge für Schock durch Geldmenge M2 ..................15
Abbildung 5: Impuls-Antwort-Folge für einen Ölpreisschock (USA) ......................16
1 Einleitung
1
Einleitung
Diese Seminararbeit widmet sich dem Zusammenhang zwischen Rohstoffpreisen, Konjunktur und Inflation. Hierbei liegt der Fokus auf den
Auswirkungen der Rohstoffpreisentwicklung auf die Wirtschaft in den
Importländern. Stellvertretend für die Rohstoffpreise wird der Ölpreis
betrachtet, da unterstellt werden kann, dass er fast alle Wirtschaftsbereiche
betrifft.
In Folge der beiden Ölkrisen in den Siebziger Jahren galt der Ölpreisentwicklung und ihrer möglichen Auswirkungen auf die makroökonomische
Entwicklung in den erdölimportierenden Ländern sowohl in der Wirtschaftsforschung als auch in der breiten Öffentlichkeit großes Interesse.
Angesichts des signifikanten Ölpreisanstiegs der jüngeren Vergangenheit,
der im Juli 2008 seinen Höhepunkt fand und erst mit der derzeitigen Finanzund Wirtschaftskrise sein abruptes Ende nahm, wurde die Debatte um die
gesamtwirtschaftliche Relevanz von Ölpreisänderungen wiederbelebt.
Abschnitt 2 bietet eine Übersicht über die Ölpreisentwicklung seit den
Siebziger Jahren im Kontext politischer Ereignisse und stellt ihr den Verlauf
von Konjunktur und Inflation im gleichen Zeitraum gegenüber. Hiermit soll
gezeigt werden, woher einerseits die Vermutung eines engen Zusammenhangs zwischen Ölpreis, wirtschaftlicher Aktivität und Preissteigerungen
herrührt, und andererseits warum eine deutliche Abschwächung dieser
Beziehung für die jüngeren Preissteigerungen konstatiert wird.
In Abschnitt 3 werden die unterschiedlichen Transmissionskanäle dargestellt, durch die die Ölpreisentwicklung auf Inflation (3.1) und Konjunktur
(3.2) wirken kann.
Abschnitt 4 geht der Frage nach, weshalb Konjunktur und Inflation
asymmetrisch auf Ölpreisänderungen reagieren, d.h. warum Preiserhöhungen stärkere Effekte für die wirtschaftliche Aktivität zugesprochen
werden als Preissenkungen.
Ein alternativer Erklärungsansatz für den Zusammenhang zwischen Rohstoffpreisen und Inflation wird in Abschnitt 5 vorgestellt. Ein allgemeiner
Preisanstieg in Folge von erhöhten Rohstoffpreisen wird in diesem Modell
nicht mit Veränderungen auf den Rohstoffmärkten begründet, sondern durch
1
2 Historische Übersicht: Ölpreisentwicklung, Konjunkturverlauf und Inflationsraten
die unterschiedlichen Reaktionszeiten auf eine exogene Geldmengenerhöhung motiviert.
In Abschnitt 6 wird dargestellt, dass die Relevanz von Ölpreisänderungen
für die industrialisierten Importländer im Zeitablauf offensichtlich abgenommen hat. Darüber hinaus werden mögliche Ursachen für diese
Entwicklung beleuchtet.
Abschnitt 7 fasst die Ergebnisse der vorangegangenen Abschnitte zusammen und gibt eine abschließende Bewertung des Ölpreises hinsichtlich
seiner Bedeutung für die ölimportierenden Länder.
2
Historische Übersicht: Ölpreisentwicklung,
Konjunkturverlauf und Inflationsraten
Die lang anhaltende Phase relativ stabiler Ölpreise seit dem zweiten
Weltkrieg kam Anfang der Siebziger Jahre zu ihrem Ende, nachdem die
OPEC als Reaktion auf den Ausbruch des Jom-Kippur-Krieges im Jahr
1973 ihre Fördermenge gedrosselt hatte1. Infolgedessen stieg der Preis für
ein Barrel Öl binnen weniger Monate um 237% von ursprünglich 4,6 USD
im Oktober 1973 auf 15,5 USD im März des Folgejahres.2 Dieser Preisanstieg wird gemeinhin als erster Ölpreisschock bezeichnet.
Ende der Siebziger Jahre setzte ein weiterer Preisschub ein, der zweite
Ölpreisschock, wiederum aufgrund einer befürchteten Angebotsverknappung im Zusammenhang mit politischen Spannungen im Nahen Osten.
Zwischen dem Beginn der Iranischen Revolution im Oktober 1978 und dem
November 1979, in dem sich der Iran-Irak-Krieg bereits abzeichnete, stieg
der Ölpreis erneut, diesmal um 193%.3
Im Verlauf der 80er Jahre sank der Ölpreis zwar wieder, erreichte jedoch
nominal nie wieder das Niveau, das im Vorfeld der beiden Preisschocks
herrschte (s. Abbildung 1).
1
Vgl. Hamilton (1985, S. 110)
Vgl. ECB (2004, S. 52, Table 1)
3
Ebd.
2
2
2 Historische Übersicht: Ölpreisentwicklung, Konjunkturverlauf und Inflationsraten
Erst für den Ausbruch des zweiten Golfkrieges 1990 und der mit ihm
einhergehenden Sorge um die Ölförderung in der Kriegsregion zeigt der
Graph wieder eine Spitze in der Ölpreisentwicklung, die jedoch nicht die
Persistenz der beiden vorherigen Ölkrisen aufweist.
Abbildung 14: Ölpreis 1970-2007 ($/Barrel)
Quelle: Blanchard, Gali (2007, S.10)
Von 1999 bis Mitte 2008 lässt sich ein steter Aufwärtstrend des Ölpreises
beobachten, allein unterbrochen von einem kurzen Rückgang wegen der
weltweiten Konjunktureintrübung in Folge des Krisenjahres 2001.
James D. Hamilton (1983, S.245 f.) untersuchte den Zusammenhang
zwischen den beobachteten Schwankungen im Ölpreis und ihren möglichen
Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft und stellte fest, dass sieben der
acht von ihm untersuchten Rezessionen in den USA ein dramatischer
Ölpreisanstieg vorangegangen ist.
4
Die eingefärbten Flächen markieren die Zeiträume großer Ölpreisschocks nach Definition
von Blanchard und Gali (2007, S. 10)
3
2 Historische Übersicht: Ölpreisentwicklung, Konjunkturverlauf und Inflationsraten
Trägt man die Startzeitpunkte von US-Rezessionen5 in ein Diagramm mit
der Entwicklung des realen Rohölpreises ein (s. Abbildung 2), so lässt sich
dieser Befund erhärten: Alle fünf Rezessionen des beobachteten Zeitraums
fallen zeitlich mit größeren Ölpreisanstiegen zusammen.
Abbildung 2: Realer Preis der US-Rohölimporte und Rezessionen (1971.3-2003.12)
Quelle: Barsky, Kilian (2003)
Aus der Gegenüberstellung von Ölpreisentwicklung und CPI Inflation lässt
sich für diese beiden Variablen ebenfalls eine Abhängigkeit erkennen
(s. Abbildung 3). Obgleich sich natürlich kein perfekter Gleichlauf der
Graphen ergibt, ist ihre positive Korrelation offensichtlich. Erst die jüngere
Vergangenheit lässt eine Abschwächung dieser Beziehung vermuten. Der
rasante Anstieg des Ölpreises seit 2002 ging nicht wie vielleicht erwartet
mit einer erheblich höheren Inflation einher, stattdessen stieg die Inflationsrate nur moderat.
5
Nach Definition des National Bureau of Economic Research (NBER), Cambridge MA:
www.nber.org/cycles (Zugriff: 05.01.2008)
4
3 Transmissionskanäle des Ölpreises
Abbildung 3: (ln) Realer Ölpreis (1970=100) und CPI-Inflation
Quelle: Blanchard, Gali (2007, S.11)
3
Transmissionskanäle des Ölpreises
Im Folgenden werden die verschiedenen Transmissionskanäle dargestellt,
mit denen sich der in Abschnitt 2 gezeigte Zusammenhang zwischen
Ölpreisen, Inflation und Konjunktur erklären lässt.
3.1
Preisniveau und Inflation
Die möglichen Auswirkungen einer Ölpreiserhöhung können in sogenannte
„Erst- und Zweitrundeneffekte“ aufgegliedert werden.6 Erstere sind unvermeidlich, letztere werden seit den Stagflationserfahrungen in den Siebziger
Jahren als gefährlich eingestuft und von den Zentralbanken bekämpft.
3.1.1 Erstrundeneffekte
Ölerzeugnisse wie Heizöl oder Kraftstoffe sind Bestandteil der Warenkörbe,
die zur Bestimmung der unterschiedlichen Preisindizes herangezogen
werden. Die Vergangenheit zeigt eine hohe Korrelation zwischen dem
6
Vgl. ECB (2004, S. 54)
5
3 Transmissionskanäle des Ölpreises
Rohölpreis und den Preisen der Erzeugnisse7, demnach wird ein Ölpreisschock über diese Produkte unmittelbar inflationswirksam. Die Preise von
Ölsubstituten wie Erdgas oder Kohle folgen ebenfalls der Ölpreisentwicklung, beispielsweise durch die Bindung des Gaspreises an den Ölpreis in
den entsprechenden Lieferverträgen. Im Ergebnis steigen also nicht nur die
Preise von Ölprodukten, sondern auch die Preise in der Energiekomponente
des Verbraucherpreisindexes insgesamt. Diese nimmt im europäischen
HVPI beispielsweise ein Gewicht von ca. 8 % bis 9 % ein.8
Mit einer gewissen Verzögerung schlägt sich die Verteuerung von Öl und
Energie auch in den Preisen anderer Güter nieder, da Ölerzeugnisse und
Energie wichtige Inputfaktoren für die Bereitstellung von Waren und
Dienstleistungen sind: Durch die gestiegenen Faktorkosten sinken die
Gewinnmargen der anbietenden Unternehmen, die daher versuchen ihre
gestiegenen Erzeugerkosten über Preiserhöhungen auf die Verbraucher
abzuwälzen.9
Die Erstrundeneffekte wirken preistreibend, in welchem Ausmaß die
erhöhten Kosten mittels Preiserhöhungen weitergegeben werden können,
hängt allerdings von der Wettbewerbsintensität und der konjunkturellen
Situation der Volkswirtschaft ab.
3.1.2 Zweitrundeneffekte und Lohn-Preis-Spirale
Die in Abschnitt 3.1.1 betrachteten Erstrundeneffekte erhöhen bei Persistenz
des angestiegenen Ölpreises zwar kurz- und mittelfristig10 das allgemeine
Preisniveau, die Inflationsraten können sich allerdings nach Absorption des
Ölpreisanstiegs wieder normalisieren. Ein anderes Bild ergibt sich für die
Zweitrundeneffekte, die die Inflationsrate auch mittelfristig auf einem hohen
Niveau halten kann, sofern sie in eine Lohn-Preis-Spirale münden.
Dafür ist allerdings erforderlich, dass der durch den Ölpreisanstieg induzierte Anstieg des allgemeinen Preisniveaus in die Lohnforderungen der
Beschäftigten eingeht. Die Arbeitnehmer versuchen in diesem Fall ihren
7
Vgl. ECB (2004, S. 54 Chart 4)
Vgl. ECB (2004, S. 54)
9
Vgl. Schirwitz und Vogt (2005, S.4)
10
Langfristig kann eine Ölpreiserhöhung das allgemeine Preisniveau gemäß der Quantitätstheorie nur erhöhen, wenn der Preisanstieg von der Zentralbank monetär alimentiert
wird.
8
6
3 Transmissionskanäle des Ölpreises
Reallohn durch höhere Nominallöhne konstant zu halten, um keinen
Kaufkraftverlust in Folge des Ölpreisanstiegs zu erleiden. Können die
Beschäftigten ihre Forderungen durchsetzen, dann kommen auf die Unternehmen zusätzlich zu dem bestehenden Kostendruck aus den
Rohstoffmärkten weitere Kostensteigerungen von Seiten der Personalausgaben zu.
Setzen die Unternehmen diese zusätzlichen Ausgaben wiederum in höhere
Preise ihrer Endprodukte um, können sich die Inflationserwartungen
erhöhen und schließlich in die Lohn-Preis-Spirale führen. In dieser Situation
steigern sich Lohnforderungen und Preisniveau wechselseitig, um den
Anstieg der jeweils anderen Variablen zu kompensieren. 11
In der Vergangenheit wurden zahlreiche Versuche unternommen den
Inflationseffekt einer Ölpreiserhöhung zu quantifizieren, als Ergebnis hat
sich die sogenannte „Daumenregel“ etabliert. Diese besagt, dass eine
dauerhafte und nicht antizipierte Erhöhung des Ölpreises um 10% im
Euroraum jährlich eine durchschnittliche Erhöhung der Verbraucherpreise
um 0,1 Prozentpunkte in den drei Folgejahren nach sich zieht.12 Schneider
(2004, S. 36) setzt den Effekt nach Auswertung verschiedener Studien etwas
höher bei 0,1-0,2 Prozentpunkten an.
3.2
Konjunktur
Neben den Preissteigerungseffekten werden Ölpreiserhöhungen auch eine
dämpfende Wirkung auf die Konjunktur attestiert.13 Denkbar sind dafür
zahlreiche Wirkungskanäle und von denen einige im Folgenden kurz
erläutert werden. Die Kanäle konkurrieren nicht, sondern können sich
gegenseitig überlappen und verstärken.
Prominentes Erklärungsmuster für den negativen Effekt eines Ölpreisanstiegs für das Wirtschaftswachstum ist der klassische Angebotsschock: Die
Verknappung des Ölangebots, die der Preiserhöhung zu Grunde liegt,
bedeutet einen Mangel an einem wichtigen Inputfaktor für die Produktion.
Langfristig können die Unternehmen darauf zwar mit der Substitution ihrer
11
Vgl. Schirwitz und Vogt (2005, S. 4)
Vgl. Gutachten des Sachverständigenrats (2006, Ziffer 107)
13
Vgl. Brown und Yücel (2003, S. 2)
12
7
3 Transmissionskanäle des Ölpreises
Produktionsmittel reagieren und dadurch den Effekt abmildern, kurzfristig
schlägt sich der gestiegene Ölpreis allerdings in einem reduzierten Outputniveau bzw. einem niedrigerem Outputwachstum nieder. 14
Argumentiert man nachfrageseitig, ergibt sich der negative Effekt auf das
Wirtschaftswachstum aus der Einkommensumverteilung von den Nettoimportländern zu den Nettoexportländern. Eine Erhöhung des Rohölpreises
verschlechtert c.p. die Terms of Trade des Importlandes, d.h. das Verhältnis
von Export- zu Importgüterpreisen. Durch den Kaufkraftverlust der Konsumenten im Importland wird die Inlandsnachfrage geschwächt.15 Allerdings
wird dieser Effekt durch die erhöhte Exportgüternachfrage aus den Ländern
gedämpft, die von der Ölpreiserhöhung profitieren. Dieser Effekt wird auch
„Recycling der Öleinnahmen“ genannt. In welchem Umfang der Einkommenszuwachs der ölexportierenden Länder in den Importländern
nachfragewirksam wird, lässt sich allerdings nicht pauschal beantworten.
Dies hängt einerseits vom Ausmaß der Exportorientierung der betrachteten
Volkswirtschaft und anderseits von der Neigung der Erdölexporteure ab,
Güter aus dieser zu beziehen. Neuere Studien16 konstatieren sogar, dass das
Handelsbilanzsaldo Deutschlands gegenüber den Ölexporteuren auch nach
einem Ölpreisanstieg mittelfristig konstant bleibt. D.h. die Ölförderländer
fragen nach einer kurzen Verzögerung entsprechend mehr deutsche Exportgüter nach, wie ihre Einnahmen aus Ölexporten in die Bundesrepublik
vorher gestiegen sind.
Der aus der makroökonomischen Theorie bekannte Keynes-Effekt17 lässt
sich ebenfalls zur Erklärung der negativen Korrelation zwischen Ölpreis und
Konjunkturverlauf heranziehen. Mit dem Anstieg des allgemeinen Preisniveaus durch die Ölpreiserhöhung sinkt die Realkasse, woraufhin die
Wirtschaftssubjekte ihre Portfolios umschichten um ihre Überschussnachfrage nach Geld zu befriedigen. Dafür verkaufen sie Wertpapiere, deren
Kurswerte in Folge des Überschussangebots auf dem Wertpapiermarkt
sinken, was wiederum einen Zinsanstieg zur Folge hat. Aufgrund des
14
Vgl. Lescaroux, Mignon (2008, S. 11)
Vgl. Brown, Yücel und Thompson (2003, S. 3-4)
16
Vgl. IfW (2008, S. 63, Kasten 3)
17
auch: indirekter Realkasseneffekt
15
8
9
4
Warum reagiert die Wirtschaft asymmetrisch auf Veränderungen des Ölpreises?
höheren Zinsniveaus geht die Investitionsgüternachfrage zurück und damit
definitionsgemäß auch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage.18
Um den negativen Effekt von Ölpreisanstiegen auf den Konjunkturverlauf
zu erklären, wird häufig auch auf die Rolle der Geldpolitik verwiesen. Denn
reagiert die Zentralbank auf den durch einen Ölpreisschock induzierten
Inflationsdruck
mit
einer
kontraktiven
Geldpolitik
um
die
Geldentwertung einzudämmen, erhöht sich der Marktzinssatz und die
aggregierte Nachfrage geht zurück. Bernanke, Gertler und Watson
(1997, S. 122) gehen sogar so weit, der Zentralbank die Hauptschuld an den
US-Rezessionen in Folge der Ölpreisschocks der Siebziger Jahre zuzuweisen.
Die oben genannte „Daumenregel“ wird auch zur Quantifizierung des
dämpfenden Effekts einer Ölpreiserhöhung auf die wirtschaftliche Aktivität
genutzt.19 Folgt man ihr, dann führt ein unerwarteter dauerhafter Ölpreisanstieg um 10% im Euroraum in den drei Folgejahren zu einer jahresdurchschnittlichen Reduzierung der Zuwachsrate des BIPs um 0,1 Prozentpunkte. Schneider (2004, S. 36) geht von einer ähnlichen Größenordnung
aus. Allerdings gibt es auch Autoren, die einen engen Zusammenhang
zwischen Ölpreisentwicklung und Konjunktur bezweifeln. Barsky und
Kilian (2001, S.123) vertreten die Auffassung, dass die Rezessionen der
Siebziger Jahre durch die restriktive Geldpolitik ausgelöst wurden, die
schon vor den eigentlichen Ölpreisschocks einsetzte.
4 Warum reagiert die Wirtschaft
asymmetrisch auf Veränderungen des
Ölpreises?
Diverse Studien, die sich mit den Auswirkungen der Ölpreisentwicklung auf
die Konjunktur beschäftigen, haben gezeigt, dass der Effekt von Ölpreisänderungen auf die Wirtschaft asymmetrisch ist.20 D.h. eine Senkung des
Rohölpreises stimuliert die wirtschaftliche Aktivität eines Importlandes
18
Vgl. Brown, Yücel, Thompson (2003, S. 9)
Vgl. Gutachten des Sachverständigenrats (2006, Ziffer 107)
20
Vgl. exemplarisch Rodriguez, Sanchez (2004, S. 26) für einige OECD-Staaten
19
10
4
Warum reagiert die Wirtschaft asymmetrisch auf Veränderungen des Ölpreises?
nicht in dem gleichen Ausmaß, wie seine Erhöhung die konjunkturelle
Entwicklung dämpft. Die Literatur bietet für diese Nichtlinearität des
Zusammenhangs einige mögliche Begründungen.
Ein beliebter Erklärungsansatz sind Anpassungskosten, die unabhängig von
der Preisänderungsrichtung anfallen. Betrachtet man das Kapital eines
Unternehmens als Manifestation einer bestimmten Energie-Output-Relation
in der Produktion21, so kann ein Wandel dieses Verhältnisses, der nach einer
Ölpreisänderungen geboten sein mag, nur durch Veränderungen des
Kapitalstocks erreicht werden. Dessen Umstrukturierung bringt allerdings
Reibungsverluste mit sich und dämpft die wirtschaftliche Aktivität.
Für die intersektorale Reallokation ergibt sich ein ähnlicher Befund. Geht
man davon aus, dass eine Änderung des Rohölpreises Verschiebungen
zwischen energieeffizienten und energieintensiveren Branchen nach sich
zieht, entstehen auch hier volkswirtschaftliche Anpassungskosten, z.B. in
Form von einer höheren Arbeitslosigkeit oder einer Unterauslastung des
Kapitalstocks.
Beide oben genannten Umstrukturierungsprozesse wirken kurzfristig
verstärkend auf die negativen Auswirkungen eines Ölpreisanstiegs und
schwächend auf die positiven Effekte einer Senkung des Ölpreises.
Als weitere Begründung der asymmetrischen Reaktion wird in der Fachliteratur die Unsicherheit von Unternehmen in Folge einer signifikanten
Ölpreisänderung herangezogen. Durch die Volatilität des Rohölpreises
wächst demnach die Unsicherheit über die zukünftige Ölpreisentwicklung
und die Unternehmen verschieben ihre Investitionen in Sachkapital, solange
sie nicht wissen, ob der Preisanstieg Bestand hat.22 Denn mit Ihren Investitionen müssten die Unternehmen eine Entscheidung über die zukünftige
Energieintensität ihre Produktion treffen, wovor sie bei bestehender Unsicherheit zurückschrecken.
Die mangelnde Flexibilität der Löhne kann ebenfalls zur Erklärung der
beobachteten Asymmetrie dienen.23 Den höheren Lohnforderungen, den die
Arbeitnehmer tendenziell in Reaktion auf eine Ölpreiserhöhung fordern, um
21
Vgl. Brown, Yücel, Thompson (2003, S. 8)
Vgl. Bernanke (1980, S. 21)
23
Vgl. Schneider (2004, S. 30)
22
11
ihre Kaufkraft zu erhalten, stehen keine Lohnsenkungen bei fallenden
Ölpreisen gegenüber, wenn die Nominallöhne nach unten rigide sind. Die
entstehende Unterbeschäftigung kann so die positiven Effekte eines Ölpreisrückgangs abschwächen.
Schließlich gibt es auch die Vermutung, dass die Ursache der beobachteten
Asymmetrie originär eine Asymmetrie zwischen Rohölpreis und den
Preisen von Ölerzeugnissen wie Benzin und Heizöl ist.24 Das heißt, dass
Erhöhungen des Ölpreises sich zwar unmittelbar in den Preisen von Erdölerzeugnissen niederschlagen, umgekehrt ein Rohölpreisrückgang jedoch nur
verzögert an die Abnehmer von Ölprodukten weitergegeben wird. Ökonometrische Studien konnten diesen Befund erhärten25, ein Teil der
beobachteten Asymmetrie zwischen Rohölpreis und wirtschaftlicher
Aktivität dürfte demnach in der Asymmetrie der Preise von Rohöl und
Ölerzeugnissen begründet liegen.
5 Ist der Einfluss von Rohstoffpreisen auf
die Inflationsrate ein monetäres Phänomen?26
Bisher wurde davon ausgegangen, dass der Anstieg von Rohstoffpreisen
und der darauffolgende Anstieg der allgemeinen Preisniveaus ausschließlich
das Ergebnis von Entwicklungen auf den Rohstoffmärkten sind, d.h.
entweder durch eine Angebotsverknappung, beispielsweise in Folge von
Verwerfungen im Nahen Osten, oder einen weltweiten Nachfrageanstieg
verursacht werden. Alternativ lässt sich der Zusammenhang jedoch auch als
rein monetäres Phänomen modellieren, indem man Rohstoffpreisen eine
schnellere Reaktion auf eine exogene Geldmengenerhöhung unterstellt als
den Preisen anderer Güter. Im Folgenden wird ein einfaches Modell gezeigt,
dass aus dieser Annahme ein kurzfristiges Überschießen der Rohstoffpreise
24
Vgl. Huntington (1998, S. 18)
Vgl. Brown, Yücel (2000, S.24)
26
Die folgende Darstellung basiert auf Browne, Cronin (2007)
25
5 Ist der Einfluss von Rohstoffpreisen auf die Inflationsrate ein monetäres Phänomen?
über ihr langfristiges Gleichgewichtsniveau ableitet, wenn die Geldmenge
ausgeweitet wird. 27
5.1
Modell
Browne und Cronin (2007, S. 9) bedienen sich zweier monetaristischer
Annahmen für ihr Modell. Zum einen gehen sie davon aus, dass exogene
Änderungen der Geldmenge eine äquivalente prozentuale Änderung des
allgemeinen Preisniveaus nach sich ziehen, sofern die Geldnachfrage stabil
bleibt. Desweiteren wird angenommen, dass der durch die Geldmengenerhöhung induzierte Preisanstieg sich langfristig gleichmäßig auf die
unterschiedlichen Güter, d.h. in diesem Modell auf Rohstoffe und Konsumgüter, verteilt. Die Relativpreise verändern sich demnach c.p. in der langen
Frist nicht gegenüber ihrem Niveau vor der Geldmengenausweitung.
Die Güter werden im Modell anhand des Grades ihrer Preisflexibilität in
Güter mit trägen Preisen (S)28 und Güter mit flexiblen Preisen (F) unterteilt.
Erstere bezeichnen Konsumgüter, deren Preis ( pS ) nicht unmittelbar auf
eine Veränderung der Geldmenge reagieren kann, sondern erst in der
Folgeperiode. Letztere umfassen Rohstoffe, deren Preis ( pF ) bereits in der
Schockperiode auf eine Expansion des Geldangebots reagieren kann. Dieser
Unterschied in der Reagibilität der Preise wird mit der unterschiedlichen
Beschaffenheit von Konsumgüter- und Rohstoffmärkten gerechtfertigt. An
den auktionsbasierten Rohstoffmärkten träfen sich demnach Agenten mit
hoher und symmetrischer Informationsausstattung, wodurch weniger
Reibungen im Preisanpassungsprozess entstünden. Auf Änderungen der
wirtschaftlichen Gegebenheiten, also u.a. des Geldangebots, werde dort
demnach schneller reagiert, als auf den Konsumgütermärkten.
Im Modell existieren nur die Güter F und S, demnach ist das allgemeine
Preisniveau ( p ) eine entsprechend ihrer Anteile am Handelsvolumen mit und 1 gewichtete Kombination aus ihren Preisen:
1 27
0 1
(1)
Das Modell ist an das Dornbusch-Overshooting-Modell zur Erklärung von Wechselkursvolatilitäten angelehnt, das ebenfalls zwischen Märkten mit träger Preisanpassung
(Gütermärkte) und Märkten mit flexibler Preisanpassung (Finanzmärkte) unterscheidet.
28
„S“ wegen des englischen „sticky“ (dt. wörtlich: „klebrig“; hier: „träge“ )
12
5 Ist der Einfluss von Rohstoffpreisen auf die Inflationsrate ein monetäres Phänomen?
Darüber hinaus wird angenommen, dass das Verhältnis zwischen allgemeinen Preisniveau und Geldmenge (m) in jeder Periode der vereinfachten
Quantitätsgleichung (2) folgt, in der die Geldumlaufgeschwindigkeit ( v )
auf 1 normiert und konstant ist29.
(2)
Unterstellt man, dass sich das Outputniveau y ebenfalls nicht ändert, ergibt
sich in jeder Periode eine vollständige Anpassung des allgemeinen Preisniveaus an eine Geldmengenänderung.
Im oben dargestellten Modellrahmen wird nun eine einmalige Geldmengenerhöhung um (μ · 100 Prozent untersucht. Für das allgemeine Preisniveau
folgt dann in der Schockperiode ( t ) :
1 1 (3)
Da der Preis der Konsumgüter pS annahmegemäß in der Schockperiode
noch nicht auf die Geldmengenänderung reagiert und auf dem Niveau verharrt, muss der Anstieg des allgemeinen Preisniveaus vollständig von
dem Preisanstieg der flexiblen Güter, d.h. der Rohstoffe, getragen werden.
Erst in der folgenden Periode t+1 absorbiert auch der Preis der Konsumgüter den Geldmengenanstieg und das langfristige Gleichgewicht ist erreicht:
1 1 (4)
Da davon ausgegangen wird, dass in der Periode t+1 kein weiterer monetärer Schock erfolgt, nehmen und den gleichen Wert an. Demgemäß
kann die RHS von (3) mit der von (4) gleichgesetzt werden:
1 1 (5)
Die Substitution30 von durch ergibt nach Umformung:
⁄1 1 (6)
29
Diese Annahme deckt sich mit der weit verbreiteten Auffassung, dass sich die Geldumlaufgeschwindigkeit kurzfristig nur sehr geringfügig ändert und deshalb als konstant
angenommen werden kann.
30
Zur Erinnerung: Der Preis von Gut S ist zu träge um schon in der Schockperiode auf die
Geldmengenausweitung zu reagieren und entspricht deshalb in t dem der Vorperiode.
13
5 Ist der Einfluss von Rohstoffpreisen auf die Inflationsrate ein monetäres Phänomen?
Anhand von Gleichung (6) lassen sich mehrere Rückschlüsse hinsichtlich
der Beziehung von und nach einer exogenen Veränderung der
Geldmenge ziehen. Die LHS der Gleichung, d.h. die Veränderung des
Konsumgüterpreises von Periode t zur Folgeperiode, lässt sich unter
Beachtung der Gewichtungsparameter und 1 aus der Differenz
zwischen dem Preis von F in der Schockperiode ( und dem langfristi
gen Gleichgewichtspreis von F ( ) bestimmen. Desweiteren zeigt die
Gleichung auch das Überschießen der Rohstoffpreise in der Schockperiode.
Denn erhöht eine Geldmengenausweitung das langfristige Preisniveau
von S, was naheliegend ist, dann ist die LHS von (6) positiv und muss
größer als sein, um die Gleichung zu erfüllen.31 Auch das Verhältnis
der Anteile am Handelsvolumen von F und S ⁄1 beeinflusst das
Ausmaß des Overshootings in Periode t.
Im Ergebnis sind also die Preise von Rohstoffen und Konsumgütern bis zum
Ende der Periode t+1 proportional zur Geldmengenänderung gestiegen,
nachdem die Rohstoffpreise in der Schockperiode aufgrund der Preisanpassungsträgheit der Konsumgüter über ihrem neuen Langfristgleichgewicht
lagen.
5.2
Ökonometrische Evaluation des Modells
Ob die Ergebnisse des oben aufgezeigten Modells sich mit der Realität
decken, haben Browne und Cronin anhand von US-Daten aus dem Zeitraum
1959-2005 untersucht. Der Consumer Price Index (CPI) repräsentiert dabei
das träge Gut S aus dem Modell, das flexible Gut F wird von einem Rohstoffpreisindex abgebildet. Mittels eines Vektorautoregressiven Modells32
wurden dann die Auswirkungen einer Erhöhung der Geldmenge M2 auf den
CPI und den Rohstoffpreisindex analysiert. Abbildung 4 zeigt die ImpulsAntwort-Folge für CPI und CRBSI33 nach einer Geldmengenausweitung.
31
⁄1 ist immer positiv, da 0 1
Ein Vektorautoregressives Modell wird anhand von Zeitreihen geschätzt und dient der
Aufdeckung von Kausalitäten zwischen mehreren Variablen. Es ist nicht theoriefundiert, sondern bildet allein den statistischen Zusammenhang ab. Jede Variable hängt
ausschließlich von ihren eigenen Vergangenheitswerten und denen der anderen Variablen ab.
33
Commodity Research Bureau Spot Index (weitgefasster Index für Rohstoffpreise)
32
14
6 Warum hat die Bedeutung von Ölpreisschocks abgenommen?
Abbildung 4: Impuls-Antwort-Folge für einen Schock durch Geldmenge M2
Quelle: Browne, Cronin (2007, S. 30)
Vergleicht man den Graph mit den Ergebnissen des Modells aus
Abschnitt 5.1, findet man dessen wesentliche Resultate bestätigt. Auf den
Geldmengenschock folgt ein rapider Anstieg des Preisindexes für Rohstoffe,
der seinen Höhepunkt nach ca. 12 Quartalen erreicht. Der CPI reagiert
dagegen träge auf die Geldmengenerhöhung und nähert sich nur langsam
seinem neuen Gleichgewichtsniveau an. Ab dem zwölften Quartal sinkt der
CRBSI bis er schließlich wie auch der CPI sein neues Gleichgewicht
erreicht. Langfristig erhöhen sich beide Preisindizes proportional zur
Erhöhung der Geldmenge, das Overshooting der Rohstoffpreise ist nur von
kurzfristiger Natur.
Aus diesen Ergebnissen folgern Browne und Cronin, dass die Beziehung
von Rohstoffpreisen und Verbraucherpreisen in der Vergangenheit fälschlicherweise Veränderungen auf den Rohstoffmärkten zugeordnet wurde, in
Wahrheit allerdings geldmengengetrieben ist.
6
Warum hat die Bedeutung von
Ölpreisschocks abgenommen?
Die Ölkrisen der Siebziger Jahre gingen mit tiefen Rezessionen34 und
eklatanten Preisanstiegen35 in den großen Industrieländern einher. Wer
34
35
Vgl. Abbildung 2
Vgl. Abbildung 3
15
6 Warum hat die Bedeutung von Ölpreisschocks abgenommen?
jedoch ähnliches in Folge des rasanten Ölpreisanstiegs36 seit 2002 erwartete,
wurde eines besseren belehrt. Trotz der Vervielfachung des Ölpreises auf
bis zu $ 131,22 im Juli 2008,37 hatten die negativen Auswirkungen bei
weitem nicht die Schärfe der vergangenen Ölpreisschocks. Stattdessen
wurden in vielen Industrieländern weiterhin positive Wachstumsraten des
Outputs und relativ stabile Inflationsraten verzeichnet.38
Blanchard und Gali (2007) haben mit einem VAR-Modell39 die Beobachtung einer Abschwächung der Beziehung zwischen Ölpreis, Konjunktur und
Inflation untermauert. Abbildung 5 zeigt die Impuls-Antwort-Folgen auf
eine zehnprozentige Ölpreiserhöhung für die Variablen CPI und GDP.
Der linke Graph basiert auf den US-Daten für den Zeitraum bis 1984 und
deckt damit die beiden ersten Ölkrisen ab, der rechte Graph zeigt die
Reaktion von Verbraucherpreisen und Output für den Zeitraum ab 1984.
Abbildung 5: Impuls-Antwort-Folge für einen Ölpreisschock (USA)
Quelle: Blanchard und Gali (2007, S. 4)
Zwar zeigen beide Graphen eine dämpfende Wirkung auf die ökonomische
Aktivität und einen Preisanstieg in Folge des simulierten Ölpreisanstiegs,
36
Vgl. Abbildung 1
Im Monatsdurchschnitt, s. http://www.opec.org/home/basket.aspx (03.01.2008)
38
Campolmi (2008, S. 7)
39
Vgl. Fußnote 24
37
16
6 Warum hat die Bedeutung von Ölpreisschocks abgenommen?
der Graph auf Basis der neueren Daten verläuft allerdings deutlich flacher.
Die Auswirkungen jüngerer Ölpreisschocks haben sich demnach in der Tat
im Vergleich zu den Siebziger Jahren abgeschwächt.
Für diese Beobachtung kommen einige mögliche Erklärungen in Betracht.
Zum einen könnte die Abhängigkeit der Industrienationen von Öl bzw. von
Energie insgesamt seit den Siebziger Jahren abgenommen haben, so dass die
Effekte einer Ölpreisänderung nicht mehr so stark ins Gewicht fallen.40 Zum
anderen könnte die unterschiedliche Herkunft der Ölschocks die Erklärung
für die moderateren Auswirkungen jüngerer Preisanstiege liefern.41 Desweiteren sind Änderungen in der Geldpolitik und eine höhere Flexibilität der
Güter- und Arbeitsmärkte als Ursachen denkbar.42
Tatsächlich ist sowohl die Öl- als auch die Energieintensität der Produktion
in den industrialisierten Ländern seit den 70er Jahren signifikant zurückgegangen.43 Abbildung 6 zeigt, wie sich die Ölintensität44 der
Volkswirtschaften im Euro-Währungsgebiet im Zeitablauf verändert hat.
Abbildung 6: Verhältnis zwischen Ölverbrauch und realem BIP im Euro-Währungsraum
Quelle: ECB (2004, Chart 5)
Der Graph zeigt seit dem Ende der Siebziger Jahre einen steten Rückgang
des Ölverbrauchs im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt. Offensichtlich
40
Vgl. Blanchard und Gali (2007, S. 5)
Vgl. Campolmi (2008, S. 7)
42
Vgl. ECB (2004, S. 61)
43
Brown, Yücel, Thompson (2003, S. 15)
44
Verhältnis zwischen Ölverbrauch und realem BIP
41
17
6 Warum hat die Bedeutung von Ölpreisschocks abgenommen?
haben die Volkswirtschaften des Eurogebiets nach den Erfahrungen mit den
ersten beiden Ölkrisen ihre Abhängigkeit vom Inputfaktor Öl zurückgeführt.
Dafür sind neben der Substitution von Rohöl durch andere Primärenergieträger wie z.B. Gas auch die Effizienzsteigerungen und sektoralen
Verschiebungen innerhalb der industrialisierten Länder verantwortlich.
Dienstleistungsunternehmen haben zulasten von ölintensiven verarbeitenden
Betrieben an Stellenwert gewonnen.45
Entscheidend für die Auswirkungen eines Ölpreisschocks dürfte auch
dessen Ursprung sein. Die jüngeren Preisanstiege des Öls sind durch die
höhere Nachfrage aus aufstrebenden Schwellenländern wie China und
Indien induziert, während die Ursachen früherer Preisschocks in einer
Angebotsreduzierung durch die ölexportierenden Länder lagen. Steigt der
Ölpreis aufgrund des Wirtschaftswachstums in den neuindustrialisierten
Ländern, dann steigt auch die Nachfrage nach Importen in eben diesen
Ländern, wovon insbesondere exportorientierte Volkswirtschaften wie die
Bundesrepublik wiederum profitieren. Dadurch werden die negativen
Auswirkungen eines Ölpreisanstiegs auf die wirtschaftliche Aktivität
zumindest teilweise kompensiert.46 Auch das Ausbleiben starker
Preisanstiege in Folge jüngerer Ölpreisschocks lässt sich in diesem Kontext
erklären. Der Wettbewerb mit den Schwellenländern hat einen weltweiten
Abwärtsdruck auf Löhne und Erzeugerpreise generiert, wodurch auch die
Verbraucherpreise trotz des Ölpreisanstiegs verhältnismäßig konstant
blieben.47
Die EZB (2004, S. 55) sieht auch in der Zentralbankpolitik eine gewichtige
Einflussgröße für die Auswirkungen eines Ölpreisschocks. Die Neigung der
Arbeitnehmer, sich nach einer Ölpreiserhöhung schadlos zu halten, indem
sie eine kompensatorische Erhöhung ihrer Nominallöhne fordern, hänge im
hohen Maße von der Glaubwürdigkeit der Zentralbank ab. Die Gewährleistung mittelfristiger Preisstabilität durch die EZB habe verhindert, dass die
Inflationserwartungen bei den jüngeren Ölpreisschocks gestiegen sind, und
somit die Akzeptanz von Reallohneinbußen in Folge kurzfristig gestiegener
Inflationsraten erhöht. Auch die Verbreitung der Lohnindexierung, d.h. die
automatische Anpassung der Löhne an die Inflation, habe im Vergleich zu
45
Vgl. ECB (2004, S. 60)
Vgl. Schmidt und Zimmermann (2007, S. 6)
47
Ebd.
46
18
7 Fazit
19
den Siebziger Jahren abgenommen. Die Gefahr von Zweitrundeneffekten
ist demnach deutlich reduziert.
7
Fazit
In der Literatur wird ein Zusammenhang zwischen Ölpreisentwicklung,
Konjunktur und Inflation weitestgehend anerkannt. Diese Beziehung hat
jedoch seit den Ölkrisen der Siebziger Jahre an Bedeutung verloren.
Sinkende Ölintensität, gestiegene Zentralbankglaubwürdigkeit und die
Tatsache, dass jüngere Ölpreisanstiege nachfragegetrieben sind, erklären
diesen Wandel.
Die Auswirkungen einer Ölpreiserhöhung auf die Inflation können in Erstund Zweitrundeneffekte unterteilt werden. Für die Auswirkungen auf die
Konjunktur werden mehrere Transmissionskanäle verantwortlich gemacht.
Die Relevanz der einzelnen Transmissionskanäle ist jedoch umstritten. So
gibt es beispielsweise Anlass zur Vermutung, dass die zusätzlichen Ausgaben für Rohölimporte in Folge einer Ölpreiserhöhung durch höhere Exporte
in die ölfördernden Länder kompensiert werden.
Ölpreissenkungen stimulieren die wirtschaftliche Aktivität nicht im gleichen
Ausmaß, wie Erhöhungen des Ölpreises sie dämpfen; dieser asymmetrische
Zusammenhang ist empirisch gut belegt. Er wird mit Anpassungskosten,
Lohnsatzrigiditäten und Asymmetrien zwischen Rohöl und Ölerzeugnissen
erklärt. Auch die Verschiebung von Investitionsentscheidungen aus Unsicherheit über die zukünftige Ölpreisentwicklung liefert eine mögliche
Begründung.
Der Ansatz von Browne und Cronin modelliert den Verbraucherpreisanstieg
in Folge einer Erhöhung der Rohstoffpreise als monetäres Phänomen. Das
Modell überzeugt durch seine Einfachheit und dadurch, dass es von den USDaten gestützt wird. Angesichts der restriktiven Annahmen, die es trifft,
bedarf es jedoch der weiteren kritischen Hinterfragung.
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