Auszug aus dem Schülerbuch 045455 (PDF Datei 3 MB)

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Modellvorstellungen zum Gedächtnis
net werden. Je nach Forschungsansatz
unterscheidet man z. B. zeitbezogene oder
inhaltsbezogene Modelle.
1 Gedächtnisleistung
Als Gedächtnis bezeichnet man die Fähig‑
keit des Gehirns, Informationen aufzuneh‑
men, zu speichern und wieder abzurufen.
Informationen werden jedoch niemals
so wiedergegeben wie sie aufgenommen
wurden, da sie mit bereits vorhandenen
Informationen verknüpft werden. Das
Gedächtnis ist im Gehirn verortet. Durch
bildgebende Verfahren können Vorgänge
während des Lernvorgangs einzelnen
Gehirnabschnitten zugeordnet werden.
Die komplexen Funktionen und Zusam‑
menhänge dieser einzelnen Erkenntnisse
werden mit Modellvorstellungen erklärt,
welche die Daten zu einem sinnvollen
vereinfachten Erklärungsmuster zusam‑
menführen. Es gibt daher je nach Frage‑
stellung zu verschiedenen Zusammen‑
hängen unterschiedliche Modelle. Diese
gehen von mehreren Speichern aus, denen
unterschiedliche Funktionen zugeord‑
Zeitbezogenes Gedächtnismodell
Die verschiedenen Speicher werden bei
der Abspeicherung unterschiedlichen
Zeitfaktoren zugeordnet (Abb. 2):
– Das sensorische Gedächtnis (Ultrakurzzeit‑
gedächtnis) speichert die in Form von
Reizen aufgenommenen Informatio‑
nen nur innerhalb der verschiedenen
Sinnesorgane (1). Die Reize führen zu
Erregungen, die eine halbe bis mehrere
Sekunden zur Verarbeitung bereitge‑
stellt werden.
– Im Arbeitsgedächtnis, das aus zeitlicher
Sicht auch dem Kurzzeitgedächtnis zu‑
geordnet wird, bleiben die Informatio‑
nen ca. 10 Sekunden bis einige Minuten.
Je nach Interessenlage und Stimmung
werden die Informationen bewertet und
erhalten mit den bereits gespeicherten
Informationen eine Bedeutung (2). Die
Kapazität des Kurzzeitgedächtnisses
bleibt jedoch nur auf wenige Informati‑
onseinheiten beschränkt. Lernuntersu‑
chungen zu der Lernkapazität zeigten,
dass 7 plus / minus 2 als Begriffe oder
Zahlen gespeichert werden können, der
Rest geht verloren. Die neuen Informati‑
onen werden mit bereits gespeicherten
verknüpft. Neue Informationen werden
besonders dann weitergeleitet, wenn
Assoziationen dazu vorhanden sind.
Werden diese Informationen im Arbeits‑
gedächtnis nicht mit Inhalten aus dem
Langzeitgedächtnis verknüpft (assoziiert)
oder wird man abgelenkt, sind sie für
immer verloren.
1
Gedanken
Langzeitgedächtnis
3
sensorische
Verarbeitung:
Gefühle
Auge
Reize
Ohr
2
Arbeitsgedächtnis
Handlungen
Nase
Hand
Kurzzeitgedächtnis
2 ZeitbezogenesGedächtnismodell
144 Neurobiologie
Damit eine im Arbeitsgedächtnis abge‑
speicherte Information ins Langzeitge‑
dächtnis vordringen kann, muss sie also
gefestigt werden, d. h. mit Assoziationen
verknüpft oder so lange wiederholt
werden, bis eine kritische Schwelle zum
Langzeitgedächtnis überschritten ist.
Die neue Information wird im Langzeit‑
gedächtnis dauerhaft verankert. Erinnern
wir uns nicht mehr an hier gespeicherte
Informationen, kann dies daran liegen,
dass sie von anderen Informationen
überlagert werden oder der Vorgang des
Abrufens gehemmt wird. Gleichzeitig
werden sie mit Emotionen verbunden. Der
Lernprozess und auch das Abrufen der ge‑
speicherten Informationen ist immer an
Emotionen gebunden. Diese spielen eine
Rolle bei der Einschätzung der Bedeutung‑
von aufgenommenen Reizen (3).
Inhaltsbezogenes Gedächtnismodell
Die verschiedenen Speicher (Abb. 3)
werden unterschiedlichen inhaltlichen
Strukturen zugeordnet:
– Im episodischen Gedächtnis sind alle von
uns bewusst erlebten Lebensepisoden
gespeichert: der erste Kuss, der Tod
eines Freundes, die Ferien oder ein schö‑
ner Kinoabend. Es ermöglicht uns den
Blick in unsere Vergangenheit auf der
Zeitebene und ordnet hierbei das Erlebte
Räumen und Orten zu. Informationen
werden in das episodische Gedächtnis
erst dann eingespeichert, wenn sie im
perzeptuellen und Wissensgedächtnis
bereits verarbeitet wurden (Abb. 3).
– Das Wissensgedächtnis beinhaltet Fakten,
wie das Schul‑ und Allgemeinwissen.
Hier werden bewusst Informationen
gespeichert. Diese haben im Gegensatz
zu den Informationen im episodischen
Gedächtnis keinen Bezug zu unserem
Raum‑ Zeitgefühl. Sie werden ohne
Kontextbezug als reine Wissensfakten
abgelegt.
– Das perzeptuelle Gedächtnis ermöglicht
uns das bewusste Erkennen von Ge‑
genständen oder der Umgebung durch
Einordnung in eine Familiarität, wie
Fahrzeuge als Auto erkennen, weil man
schon viele Autos gesehen hat. Verän‑
derte Strukturen lassen sich mit diesem
Gedächtnis gut und effizient zuordnen.
Dadurch sind wir in der Orientierung
flexibel. Ein Wiedererkennen und eine
Orientierung wäre ohne perzeptuelles
Gedächtnis nicht möglich. Diese Zusam‑
menhänge wurden mit unvollständigen
Darstellungen an Testpersonen unter‑
sucht (s. Randspalte).
– Im unbewussten Bereich ist das prozedu‑
rale Gedächtnis angesiedelt. Hier werden
Fertigkeiten gespeichert. Diese können
rein motorischer Natur sein wie das
Radfahren oder aber komplexere Struk‑
turen beinhalten, wie sie z. B. für die
Tätigkeit des Schreibens und Autofah‑
rens notwendig sind. Viele Handlungen
und Tätigkeiten des täglichen Lebens
sind hier eingespeichert, ohne dass sie
uns noch bewusst werden.
– Beim Priming werden unbewusst bereits
bekannte Strukturen anhand von ihren
Teilen zusammengesetzt. Man hört das
Geräusch eines Helikopters und ohne
ihn zu sehen, haben wir sein Bild im
Kopf. Man kennt nach den ersten Noten
eines Liedes die ganze Melodie, ein
herabgefallenes Laubblatt wird einem
Baum zugeordnet. Im Gegensatz zum
perzeptuellen Gedächtnis, liegen hier
keine bewussten Vorgänge vor.
1
2
3
BildeinerLokomotive
A1 $ ErstellenSieeineMind-MapinderSie
dieTeiledesinhaltsbezogenenGedächtnismodellsbewusstemundunbewusstem
Lernenzuordnen.
Langzeitgedächtnis
episodisches Gedächtnis
perzeptuelles Gedächtnis
Wissensgedächnis
Eis
Dichteanomalie
Arbeitsgedächtnis
0 °C
3 InhaltlichesGedächtnismodell
145
Material
Intraspezifische und interspezifische Konkurrenz
Territorien bei Austernfischern
3 AusternfischermitJungvögel
1 Austernfischer
Austernfischer sind Vögel, die an der Nord‑
seeküste auch im Bereich des Watten‑
meers leben. Ihre Lebenserwartung liegt
bei ca. 35 Jahren. Ihre Nistplätze bauen sie
im Bereich des Strands oder der dahinter
liegenden Wiesen. Die Gelegegröße liegt
bei 4 bis 7 Eiern. Austernfischer ernäh‑
ren sich von kleinen Muscheln, Krebsen,
Schnecken und Würmern, die sie im Gezei‑
tenbereich finden (Abb. 3).
Ein Teil der Austernfischerpärchen ver‑
teidigt sowohl ein Nistterritorium in den
Salzwiesen weiter im Inland und ein Nah‑
rungsterritorium im Watt. Diese wurden in
der Untersuchung als Springer bezeichnet,
da sie die Nahrung für die Jungvögel
ständig zwischen den weiter auseinander
liegenden Territorien transportieren müs‑
sen. Die Jungvögel können den Eltern erst
ins Watt folgen, wenn sie flügge sind.
Bei einem anderen Teil der Austernfischer‑
pärchen liegen die beiden Territorien
nebeneinander in der Nähe des Watts.
Diese Pärchen wurden als Ansässige be‑
zeichnet (Abb. 2). Das Gelege befindet sich
in direkter Nähe zum Nahrungsterritorium.
Die etwas größeren Küken können den
Eltern die kurze Strecke zum Watt folgen.
Hier werden sie direkt gefüttert oder er‑
lernen Techniken, um das Futter zu suchen
und Muscheln und Schnecken zu öffnen.
Gemessen wurde bei den Untersuchungen
der Bruterfolg in den Monaten Mai und
Juni in einem bestimmten Küstenbereich
(Abb. 4). Gleichzeitig wurde die Zeit
gemessen, welche die einzelnen Pärchen
für den Flug zur Fütterung der Jungvögel
benötigten und die Menge des Futters,
welche den Jungvögeln gebracht wurde
(Abb. 5).
flügge Junge pro Paar
Die Nistplätze sind besonders umkämpfte
Reviere (Territorien). Ab dem vierten
Lebensjahr können Austernfischer mit
dem Brüten beginnen. Die Bedeutung ver‑
schiedener Territorien für Austernfischer
wurde an der niederländischen Küste über
mehrere Jahre wissenschaftlich unter‑
sucht. Bei den Untersuchungen stellte
man fest, dass bei den Austernfischern
sowohl Nistterritorien als auch Nahrungs‑
territorien existieren. Diese Territorien
verteidigen sie ihr Leben lang.
1,0
Ansässige
0,8
0,6
0,4
Seepocken haben Territorien
6 SeepockeimGehäuse
Seepocken gehören zu den Krebsen. Sie
sind sessile Tiere, die mit dem Untergrund
fest verwachsen sind. Sie können daher
als adulte Tiere ihren Standort nicht mehr
wechseln (Abb. 6). Die Ernährung erfolgt
während der Flut, indem die mit feinen
Borsten besetzten Beine eine Fangreuse
bilden, mit denen sie Plankton aus dem
Wasser filtern (Abb. 7).
Springer
0,2
0
Mai
Juni
Zeitpunkt der Beendigung der ersten Brut
4 MessungenzumBruterfolg
gebrachtes Futter (g Trockengewicht)
Konkurrenz ist eine Wechselbeziehung,
in der ein Organismus eine Ressource
verbraucht die dadurch anderen Organismen nicht mehr zur Verfügung steht.
Begrenzte Ressourcen spielen hierbei eine
besondere Rolle. Konkurrenz kann sowohl
intraspezifisch zwischen Individuen einer
Art als auch interspezifisch zwischen
Individuen verschiedener Arten auftreten.
Die interspezifische Konkurrenz kann zur
Reduktion der Abundanz, der Fruchtbarkeit und der Überlebenswahrscheinlichkeit einer Art führen.
Wissenschaftliche Untersuchungen an der
atlantischen Felsküste beschäftigten sich
mit der Besiedlung von zwei Seepocken‑
arten: der Sternseepocke (Chthamalus
stellatus) und der gemeinen Seepocke
(Balanusbalanoides). Beide Arten sind auf
dem Untergrund aufzufinden. Man findet
sie jedoch in verschiedenen Höhen der
Gezeitenzone (Abb. 8).
Dies hängt mit unterschiedlichen Empfind‑
lichkeiten gegen das Austrocknen zusam‑
men.
12
10
Seepocken sind Zwitter, die nur einen
Fortpflanzungserfolg aufweisen, wenn sie
dicht nebeneinander auf dem Untergrund
festsitzen. Der ausgestülpte Penis kann
dann in die Mantelhöhle des benachbar‑
ten Tieres eindringen und die Eier befruch‑
ten. Die Larven schlüpfen aus den Eiern
und verlassen die Gehäuse der Elterntiere.
Sie schweben im Wasser und verbreiten
sich in der Umgebung. Größere Individuen
haben mehr Nachkommen als kleinere.
Ab einem bestimmten Alter benötigen
sie einen festen Untergrund, an dem die
Strömung nicht zu groß ist. Die Larve
wächst mit ihrem Kopf auf dem Unter‑
grund fest und entwickelt sich zur adulten
Seepocke. Hierzu scheidet sie Kalkplatten
ab, die ein kegelförmiges Gehäuse bilden.
Zwei Platten bilden einen Deckel, mit dem
die Seepocken sich gegen Austrocknung
schützen.
Die Höhenlage wurde durch die mittleren
Wasserstände der verschiedenen Gezeiten
(Tide) festgelegt:
— MHWS: mittlerer Hochwasserstand bei
Springtide
— MNWS: mittlerer Niedrigwasserstand
bei Springtide
— MW: mittlerer Wasserstand
Tide sind die Gezeiten mit Ebbe und Flut.
Bei der Springtide fallen durch eine beson‑
dere Stellung von Sonne, Erde und Mond
die Unterschiede zwischen Ebbe und Flut
intensiver aus.
Die Untersuchungen wurden durch Kartie‑
rungen der Larven von Sternseepocken er‑
gänzt, die sich an den Felsen festsetzten.
Diese wurden besonders in der Zone der
gemeinen Seepocken ausgezählt. Hierbei
wurde an mehreren Stellen unabhängig
von der Höhe der Kontakt zu den gemei‑
nen Seepocken künstlich unterbunden.
Die Ergebnisse zeigten, dass bei diesen
Exemplaren die Höhenbeschränkung der
Sternseepocken nicht vorhanden war.
Die Überflutungsdauer kann daher keine
Rolle spielen. Beobachtungen in diesen
Bereichen zeigten, dass die gemeine
Seepocke die jungen Sternseepocken
überwuchert oder zerdrückt. Sternsee‑
pocken, die trotzdem überlebten, blieben
kleiner als die übrigen Individuen, was sich
auf die Fruchtbarkeit auswirkt.
Ansässige
8
7 NahrungsaufnahmederSeepocke
6
Springer
4
gemeine Seepocke
2
S161045455_G184_04
Ingrid 0Schobel
0
1000
2000
3000
im Flug verbrachte Zeit (s)
4000
Sternseepocke
MHWS
5 MessungenzurFuttermenge
Nistplatz
Springer
0
Nistplatz
Nahrungsterritorium
Ansässige
50 100 m
2 KüstengebietmitNist-undNahrungsterritorien
184 Ökologie
Nahrungsterritorium
Springer
A1 0 Beschreiben Sie die Abb. 2 und
erklären Sie mithilfe des Textes den
Unterschied zwischen den Springern
und den Ansässigen.
A2 $ Beschreiben Sie Abb. 4 und 5 und
erklären Sie die Ergebnisse der Unter‑
suchungen.
A3 . Erläutern Sie anhand der Springer
S161045455_G184_05
Ingridund
Schobel
der Ansässigen die biologische
Bedeutung der Verteidigung von
Territorien unter dem Aspekt der
Konkurrenz.
MW
8 GezeitenzoneanderFelsenküste
A4 0 Beschreiben Sie die verschiedenen
Messergebnisse in Abb. 8.
A5 $ Fassen Sie die Untersuchungen
MNWS
Ausintraspezifische adulte Larven
adulte Larven
trocknung
Konkurrenz
Tiere
Tiere
Verteilung
relative Auswirkungen
dieser Faktoren
Verteilung
8 SeepockenverteilunginderGezeitenzonederFelsküste
Ausintraspezifische
trocknung Konkurrenz mit
der gemeinen
Seepocke
relative Auswirkungen
dieser Faktoren
und deren Ergebnisse in einem zusam‑
menfassenden Bericht zusammen.
A6 . Erläutern Sie anhand der Unter‑
suchungen, ob unterschiedliche
Umweltbedingungen zu der Trennung
der beiden Arten führen oder ob die
interspezifische Konkurrenz die aus‑
schlaggebende Rolle spielt.
185
K- und r-Lebenszyklusstrategie
Dispersion — Verteilungsmuster in Populationen
1 WaldnachBrand
2 Neubesiedelung2JahrenachWaldbrand
Jährlich gibt es in Deutschland mehrere
Hundert Waldbrände. Der größte Teil ist
auf menschliche Einflüsse zurückzufüh­
ren. Selten sind Blitzeinschläge verant­
wortlich. Bereits nach zwei Jahren sind
die Flächen wieder stark besiedelt.
Sterblichkeit ist in jeder Altersphase hoch.
Ihre Populationen weisen hohe Wachs­
tumsraten auf und sie schwanken häufig.
Dagegen gibt es Lebewesen, die ihre
Biomasse in die Sicherung der eigenen
Existenz investieren. Diese sind häufig
konkurrenzstärker und langlebig. Die
Populationsgröße solcher Arten bewegt
sich nahe an der durch die Ressourcen
begrenzten Kapazitätsgrenz K: sie werden
deshalb K­Strategen genannt. Die einem
Lebewesen zur Verfügung stehende Ener­
gie ist begrenzt. Sie wird artspezifisch
unterschiedlich investiert. Die optimale
Strategie zum Überleben von Populationen
hängt wesentlich von der Konstanz der
Lebensbedingungen ab. So beherbergt ein
See mit seinen gleichbleibenden Lebensbe­
dingungen überwiegend K­Strategen wie
Fische. Eine Pfütze dagegen existiert nur
kurze Zeit; sie wird von r­Strategen wie
Einzellern und Wasserflöhen besiedelt.
Neubesiedlung
Durch einen Waldbrand werden viele
Samen des Bodens zerstört. Sameneintrag
von außerhalb spielt bei der Sekundärbe­
siedlung eines Waldes häufig eine große
Rolle. Aus diesem Grund unterscheidet
sich die Pioniervegetation meist von der
ursprünglichen Waldvegetation. Als eine
der ersten Pflanzen nach einem Brand fin­
det man das Waldweidenröschen. Wie alle
Pionierarten kann sich das Waldweiden­
röschen schnell ausbreiten. Eine einzige
Pflanze produziert in Kapseln mehrere
10 000 Samen, die aufgrund kleiner
Härchen gut vom Wind verbreitet werden
können. Zudem kann sich die Pflanze
vegetativ über die Wurzeln ausbreiten.
r-Strategie
K-Strategie
Lebensdauer
kurz
lang
Zeit bis zur ersten
Reproduktion
kurz
lang
Zahl der Nachkommen
viele
wenige
Elterliche Fürsorge
keine
häufig sehr
ausgeprägt
Entwicklung
schnell
langsam
Masse
gering
hoch
Sterblichkeitsrate
hoch
niedrig
Umweltbedingungen
wechselhaft
konstant
Populationsgröße
variabel < K
nahe bei K
Waldweidenröschen
Die starke Ausbreitung ist aber nur von
kurzer Dauer. Im weiteren Verlauf domi­
nieren konkurrenzstärkere, langsamer
wachsende Sträucher und Bäume, die den
Boden beschatten.
Nachkommenanzahl
Organismenarten, die ihre Biomasse
überwiegend in Fortpflanzungsprodukte
investieren, die deshalb viele Nachkom­
men haben, dafür aber weniger Energie
in Dauerhaftigkeit investieren, bezeichnet
man als r­Strategen (engl. r = rate). Sie sind
durch Kurzlebigkeit gekennzeichnet. Die
200 Ökologie
3 Merkmalevonr-undK-Strategen
Individuen breiten sich aus und entfernen
sich dadurch voneinander. Die Ausbrei­
tung kann passiv, z. B. durch Windver­
teilung bei Samen oder aktiv z. B. durch
Tierwanderungen erfolgen. Dies führt zu
einer Verteilung der Individuen inner­
halb einer Population. Die Anzahl der
Individuen in einer Population und deren
Verteilung spielen eine wichtige Rolle bei
Freilanduntersuchungen, z. B. bei Lebens­
zyklusstrategien oder Sukzessionen. Die
beobachteten räumlichen Verteilungs­
muster der Individuen in ihrem Lebens­
raum bezeichnet man als Dispersion. Man
unterscheidet drei Haupttypen, die jedoch
ineinander übergehen können: die zufäl­
lige, die regelmäßige und die aggregative
(geklumpte) Verteilung (Abb. 2).
Verschiedene Perspektiven
Die Verteilungsmuster sind durch die
relative Lage der einzelnen Individuen
zueinander definiert. Bei verschiedenen
Beobachtungsmaßstäben kann es jedoch
variieren. Betrachtet man Blattlauspopu­
lationen großräumig, sind sie auf Bäume
im Wald aggregiert. Betrachten wir die
Population auf den Blättern eines Baumes,
erscheint die Verteilung eher zufällig.
Bei der Untersuchung der Populations­
dichte in einer Population spielen diese
Zusammenhänge eine große Rolle für
die jeweiligen naturwissenschaftlichen
Fragestellungen.
3
2
1
aggregativ
regelmäßig
zufällig
2 DispersionvonIndividuen
Flächenraster zum Auszählen
Unter der Individuendichte einer Popu­
lation wird die Zahl der Individuen pro
Fläche angegeben. Man kann diese ermit­
teln, indem ein Flächenraster auf das zu
untersuchende Gebiet aufgelegt wird. In
dieses werden die gefundenen Individuen
eingetragen (Abb. 1). Die roten Punkte stel­
len einzelne Individuen dar. Im Quadrat 1
sind es fünf Individuen, in Quadrat 2 sind
es zwei und in Quadrat 3 ist kein Individu­
um vorhanden. Gründe für unterschied­
liche Anzahlen können in vielen Faktoren
liegen, wie z. B. in der Nachkommensrate,
der Sterberate oder der Ein­ und Auswan­
derung einzelner Individuen.
S161045455_G201_03
Ingrid Schobel
A1 $ Untersuchen Sie auf dem Schulhof
1 IndividuenaufeinerbestimmtenFläche
während der Pause in einem festgelegten
Raster die Anzahl der verschiedenen
Individuen und ordnen Sie sie begründet
einem Disperionstypus zu.
201
3 Wochen
2 Wochen
1 Woche
5 °C
1 SchmalblättrigesWeidenröschen
Licht ist nicht nur als Energiequelle bei
der Fotosynthese ein entscheidender
Faktor, sondern z. B. auch als abiotischer
Faktor bei der Erwärmung in Ökosystemen oder bei der Steuerung der Jahresrhythmik.
Waldlichtungen
Die meisten einheimischen Wälder sind
in eine Baum-, Strauch- und Krautschicht
unterteilt, die jeweils durch unterschiedliche Lichtverhältnisse charakterisiert
ist. Zusätzlich findet man in einem Wald
Lichtungen, die durch das Absterben von
Bäumen oder Windbruch entstanden sind.
Die erhöhte Lichtintensität in den Waldlichtungen führt zu einer Erwärmung des
Bodens. Die Aktivität von Bodenorganis-
3 Frühblüher(Buschwindröschen)imWald
214 Ökologie
8 °C
10 °C
Bodentemperatur
20 °C
2 ZersetzungvonHumus
men ist abhängig von der Temperatur des
Bodens. Bei dem Abbau der abgestorbenen
organischen Substanz auf dem Waldboden,
dem Humus werden Stickstoffverbindungen freigesetzt. Diese führen zu einem
verstärkten Wachstum Stickstoff liebenS161045455_G214_02
der
Pflanzen. Häufig auftretende Pflanzen
Ingrid Schobel
in
den Lichtungen sind entsprechend
Stickstoff
liebender
Kräuter Sollte
wie z. B.
dasnoch
((Was bedeutet
die Kurve??
evtl.
schmalblättrige
Weidenröschen
benannt werden,
oder??)) (Abb. 1) oder
der rote Fingerhut.
Frühblüher
Der jahreszeitliche Klimarhythmus bedingt in den Laubwäldern Mitteleuropas
eine typische Abfolge unterschiedlicher
Lichtverhältnisse. Im Frühjahr beginnt die
Belaubung, die im Herbst endet. Diese Veränderung der Belaubung in den einzelnen
Schichten des Waldes führt im Jahresverlauf zu unterschiedlichen Lichtwerten
in den verschiedenen Schichten und am
Waldboden (Abb. 5). Die Belichtungsintensitäten sind in Langley angegeben. 1 Ly
entspricht 11,6 kWh/mm 2. Im Frühjahr ist
mit 50 Ly ein Teil der Belichtung bis zum
Waldboden messbar. Dieser Wert sinkt
schnell mit der zunehmenden Laubentwicklung in den Baumkronen und ist nur
noch in anderen Höhen messbar. Bereits
im Vorfrühling vor der Blattentfaltung
der Bäume blühen in der Krautschicht
die Frühblüher. Im Sommer findet man
hauptsächlich noch Schattenpflanzen, die
oberirdischen Pflanzenteile der Frühblüher sterben ab. In den unterirdischen
Energiespeicher für Frühblüher
Buschwindröschen sind krautige Pflanzen die bis zu 25 cm groß werden und im
Frühsommer bereits absterben. Sie besitzen ein unterirdische Speicher- und Überdauerungsorgan, das Rhizom (Abb. 4). An
diesem sitzen Überdauerungsknospen die
im Frühjahr zur neuen Pflanze auswachsen. Der Bärlauch ist eine Zwiebelpflanze.
In der Zwiebel werden ähnlich wie im
Rhizom die Reservestoffe für das nächste
Jahr gespeichert. Auch beim Bärlauch
sterben die oberirdischen Pflanzenteile
bereits im Frühsommer ab. Während der
lichtreichen Zeit im Wald betreiben die
Frühblüher intensiv Fotosynthese. Ein Teil
der Fotosyntheseprodukte wird als Speicherstoffe in den Rhizomen und Zwiebeln
gespeichert.
Licht- und Schattenpflanzen
Laubblätter sind für die optimale Lichtabsorption gut angepasst. Die linsenförmigen Epidermiszellen fokussieren das
Licht auf die darunterliegenden Palisaden- oder Schwammgewebezellen. Das
nicht absorbierte Licht wird an den Zellen
des Schwammgewebes gestreut und hat
durch den verlängerten Lichtweg eine
verbesserte Absorption. Schattenpflanzen
können schon bei niedrigeren Belich-
200
150
250
300
350
400
450
450
350
400
300
250
Bestrahlungsintensität (ly/Tag)
200
40
150
Pflanzenteilen speichern sie energiereiche
Reservestoffe für das nächste Frühjahr. Zu
den Frühblühern gehören z. B. das Buschwindröschen oder der Bärlauch.
4 Wochen
Höhe über dem Waldboden (in m)
Umwandlungszeit von Humus (rel. Werte)
Licht und Schatten im Wald
35
30
25
20
15
10
100
5
50
0
Winter
50
Frühling
Sommer
Herbst
Winter
5 BestrahlungsintensitätinverschiedenenHöhen
tungsintensitäten einen höheren Kohlenstoffdioxid-Gewinn für die Glucosesynthese erzielen als Sonnenpflanzen. Dies wird
durch den unterschiedlichen Blattaufbau
ermöglicht: Blätter von Schattenpflanzen
haben ein großes Schwammgewebe. Das
Palisadengewebe der Schattenblätter ist
einschichtig und besteht aus Zellen mit
einer
niedrigeren Chloroplastenanzahl.
S161045455_G184_02
Ingrid
Schobel
Die
Sonnenblätter
haben hingegen viele
Palisadenzellen. Beinahe sämtliche Zellen
im Blattgewebe sind als Palisadengewebe
ausgebildet. Blätter von Sonnenpflanzen
haben eine große Menge an Proteinen im
Calvinzyklus für die Synthesereaktion. Sie
haben jedoch kleinere Lichtsammelkomplexe pro Fotosynthesesystem. Die Anzahl
der Granastapel in den Chloroplasten ist
bei den Schattenpflanzen stärker ausgeprägt als bei den Sonnenpflanzen und der
Lichtkompensationspunkt ist geringer,
bei dem sie noch eine Kohlenstoffdioxid
aufnehmen können.
A1 $ BeschreibenSieAbb.2underläutern
Sie,weshalbaufWaldlichtungenstickstoffliebendePflanzenverstärktauftreten.
A2 $ BeschreibenSieAbb.5underläutern
SiedieMesswerteimJahresverlauf.
A3 0 ErstellenSieeineTabelleundgebenSie
Rhizom
4 Buschwindröschen—Rhizom
dieUnterschiedezwischenSonnenpflanzenundSchattenpflanzenan.
Bärlauch
215
Übungen
Ökologie
1Wechselbeziehungen
2Wechselbeziehungen
3Laubwald
Der Wissenschaftler Timothy Wootton
führte Experimente in der Gezeitenzone
an der Nordwestküste der USA durch. Mithilfe von 10 m2 großen Drahtnetzen hielt er
Beringsmöven und Braunmantel-Austernfischer aus den Gebieten fern, in denen
er Veränderungen in der Zusammensetzung der Schneckenarten im Felsenwatt
untersuchen wollte. In den untersuchten
Gebieten findet man auf dem felsigen
Untergrund verschiedene Napfschneckenarten, wie Lottia pelta, Lottia strigatella,
Lottia digitalis sowie große Flächen mit Entenmuscheln und Miesmuscheln. Auf dem
Untergrund wachsen zudem verschiedene
festsitzende Algenarten.
Die Waldkiefer wächst an vielen Standorten und ist eine der meist verbreiteten
Baumarten Deutschlands. Der Grund
liegt darin, dass sie tolerant gegenüber
vielen Böden und Klimaten ist. Mit ihrer
Pfahlwurzel dringt sie zu tiefer liegenden
Wasserschichten vor.
In unseren Breiten hat der Laubwald zu
jeder Jahreszeit ein anderes Gesicht. Der
Ökologe bezeichnet das jeweilige Erscheinungsbild der Biozönose als deren Aspekt.
relative Einheiten in %
3 Napfschnecken
4 Festsitzende Alge
A1 $ Erklären Sie anhand der Daten in
der Abbildung 5 die Veränderungen,
die durch das Fernhalten der Beringsmöwen und Braunmantel-Austernfischer zustande kommen.
A2 . Erörtern Sie, weshalb während des
Experimentes die Anzahl von Lottia
pelta nicht zunimmt, obwohl sie von
den Seevögeln als Beute bevorzugt
werden. Benutzen Sie hierzu auch die
untersuchten Zusammenhänge (1—7)
zwischen den einzelnen Lebewesen.
262 Ökologie
A3 $ Beschreiben Sie vergleichend die
5 Miesmuschel
Häufigkeitsverteilung der Waldkiefer
in Abhängigkeit vom Faktor Bodenfeuchte in Versuchsbeeten und an
natürlichen Standorten nach Abb. 7
und Abb. 8.
A4 $ Erklären Sie mit Bezug auf die
Abbildungen die Begriffe ökologische
Toleranz und ökologische Potenz und
deuten Sie die Befunde unter diesen
Aspekten.
11 Waldmeister
A5 0 Beschreiben Sie den Frühjahrs-,
0
Sommer- und Herbstaspekt im
Buchenwald.
A6 $ Erläutern Sie mögliche Zusammenhänge der dargestellten abiotischen
und biotischen Faktoren im Jahreslauf.
Lichtintensität Kronenschicht
Lichtintensität Krautschicht
CO2-Assimilation der Sonnenblätter
10 Jahresgang im Buchenwald
JAN
FEB
MRZ
APR
MAI
JUN
JUL
AUG
SEP
OKT
NOV
DEZ
Scharbockskraut
Buschwindröschen
Goldstern
Hohler Lerchensporn
Wald-Bingelkraut
200
L. pelta
L. strigatella
L. digitalis
L. pelta
L. strigatella
relative Häufigkeit in %
Anzahl der Napfschnecken
pro m2
Vögel abwesend
400
L. digitalis
100
Waldmeister
Bärlauch
50
50
Einblütiges Perlgras
Waldziest
0
trocken frisch feucht feucht-nass nass
75
8 Häufigkeit im Versuchsbeet
25
Gewöhnliches
Hexenkraut
Erklärung:
Auftreten der Pflanze
Blütezeit
12 Blütenzeitdiagramm in krautreichen Rotbuchenwald
0
Entenmuscheln
Miesmuscheln
Entenmuscheln
Miesmuscheln
8
4
0
festsitzende Algenarten
6 Felswattbiozönose
festsitzende Algenarten
relative Häufigkeit in %
Bedeckung
in %
50
7 Waldkiefer
0
Bedeckung
in %
Laubfall
J F M A M J J A S O N D
Jahreslauf
Vögel anwesend
Viele Untersuchungen zur Veränderung
der Individuenzahl in diesen Gebieten
zeigten folgende Zusammenhänge:
1. Die beiden oben genannten Vogelarten
ernähren sich hauptsächlich von Entenmuscheln und Lottia pelta.
2. Miesmuscheln bilden auf freien Flächen
große zusammenhängende Muschelbänke.
3. Lottia digitalis hält sich hauptsächlich
auf Entenmuscheln auf.
4. Napfschnecken weiden Algen.
5. Lottia pelta lebt auf Miesmuscheln.
6. Lottia strigatella lebt in einer starken
Konkurrenzsituation zu den beiden
anderen Arten.
7. Muscheln filtrieren kleine Algen und frei
schwimmende Nährstoffe.
Laubentfaltung
100
1 Entenmuscheln
2 Austernfischer
Jahresgang der Lichtintensität im Buchenwald
und CO2-Assimilation der Sonnenblätter
100
50
0
trocken frisch feucht feucht-nass nass
9 Häufigkeit am natürlichen Standort
263
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