Metrisierbarkeit Technische Universität Wien Seminararbeit aus Analysis WS 2014 Sinan Özcaliskan 1 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung 3 2 Der Metrisierbarkeitssatz von Alexandroff-Urysohn 3 3 Der Metrisierbarkeitssatz von Nagata-Smirnov und der erste Metrisierbarkeitssatz von Bing 6 2 1 Einleitung In dieser Seminararbeit beschäftigen wir uns mit einem Problem aus der Topologie, dem Metrisierbarkeitsproblem. Dabei handelt es sich um die Frage, ob auf einem topologischen Raum eine Metrik definiert werden kann, die die Topologie induziert. Wir werden hier drei Metrisierbarkeitssätze beweisen, den Satz von Alexandroff-Urysohn, den Satz von Nagata-Smirnov und den ersten Metrisierbarkeitssatz von Bing. Unter einem Metrisierbarkeitssatz verstehen wir eine Aussage, die eine hinreichende und notwendige Bedingung für Metrisierbarkeit liefert. Bevor wir diese Sätze herleiten, wollen wir explizit die Definition von Metrisierbarkeit formulieren. Definition 1.1 Ein topologischer Raum (X, T ) heißt metrisierbar, falls eine Metrik d auf X existiert, sodass die von ihr induzierte Topologie T (d) mit T übereinstimmt. 2 Der Metrisierbarkeitssatz von Alexandroff-Urysohn Wir werden zunächst den Satz von Alexandroff-Urysohn beweisen. Dafür benötigen wir den Begriff der Verfeinerung und der Sternmenge. Definition 2.1 Es sei X eine Menge, x ∈ X, A ⊆ X und U ⊆ P(X). Dann definiert man: [ S(x, U) := {U ∈ U : x ∈ U }, [ S(A, U) := {U ∈ U : A ∩ U 6= ∅}, U ∗ := {S(U, U) : U ∈ U}. Die Menge S(x, U) heißt der Stern von x bezüglich U und die Menge S(A, U) der Stern von A bezüglich U. Definition 2.2 Es sei X eine Menge und U, V zwei Überdeckungen von X. 1. V heißt eine Verfeinerung von U, V < U, falls für jedes V ∈ V ein U ∈ U existiert mit der Eigenschaft V ⊆ U . 2. V heißt eine Sternverfeinerung von U, falls V ∗ eine Verfeinerung von U ist. Für den Beweis des Satzes von Alexandroff-Urysohn werden wir folgendes Lemma verwenden. Lemma 2.3 Es sei X eine Menge und A eine Teilmenge von X. Es seien U und V zwei Überdeckungen von X. Ist V eine Sternverfeinerung von U, dann gilt S(S(A, V), V) ⊆ S(A, U). S Beweis: Es gilt S(A, U) := {U ∈ U : A ∩ U 6= ∅} und [ S(S(A, V), V) = {V 0 ∈ V : S(A, V) ∩ V 0 6= ∅} = [ = {V 0 ∈ V :(∃V ∈ V : A ∩ V 6= ∅, V ∩ V 0 6= ∅)}. Kommt V 0 in dieser Vereinigung vor, dann wähle ein V ∈ V mit A∩V 6= ∅ und V ∩V 0 6= ∅. Wegen V ∗ < U existiert ein U ∈ U mit S(V, V) ⊆ U . Es gilt V 0 ⊆ S(V, V) ⊆ U und U ∩ A ⊇ S(V, V) ∩ A ⊇ V ∩ A 6= ∅, also folgt U ⊆ S(A, U). Daher erhält man V 0 ⊆ S(A, U). Insgesamt folgt damit die Behauptung. Satz 2.4 (Metrisierbarkeitssatz von Alexandroff-Urysohn) Es sei (X, T ) ein topologischer T0 Raum. Dann ist (X, T ) metrisierbar genau dann, falls eine Folge von offenen Überdeckungen (Un )n∈N von X existiert mit folgenden zwei Eigenschaften: ∗ (a) ∀n ∈ N : Un+1 < Un . 3 (b) ∀x ∈ X : B(x) := {S(x, Un ) : n ∈ N} ist eine Umgebungsbasis von x in (X, T ). Beweis: Sei zunächst (X, T ) metrisierbar. Sei d eine Metrik auf X, die die Topologie T induziert. Weiters sei U (x) die offene Kugel mit Radius und Mittelpunkt x bezüglich der Metrik d, dann sind die Mengensysteme Un := {U3−n (x) : x ∈ X}, n ∈ N, offene Überdeckungen von X und erfüllen die beiden obigen Eigenschaften. Sei n ∈ N. Das Un eine offene Überdeckung von X ist, ist klar. Nun wollen wir die ∗ erste Eigenschaft nachweisen. Wir betrachten ein W ∈ Un+1 . Es existiert ein x ∈ X mit der Eigenschaft W = S(U3−(n+1) (x), Un+1 ). Sei nun y ∈ W , daher existiert ein a ∈ X mit U3−(n+1) (a) ∩ U3−(n+1) (x) 6= ∅ und y ∈ U3−(n+1) (a). Daher existiert ein b ∈ U3−(n+1) (a) ∩ U3−(n+1) (x) mit d(y, x) ≤ d(y, a) + d(a, x) < 1 3n+1 + d(a, b) + d(b, x) < 1 , 3n also gilt y ∈ U3−n (x) und U3−n (x) ∈ Un . Damit ist Un+1 eine Sternverfeinerung von Un . Als nächstes zeigen wir, dass für jedes x ∈ X das Mengensystem B(x) := {S(x, Un ) : n ∈ N} eine Umgebungsbasis von x in (X, T ) ist. Sei daher x ∈ X. Es ist klar, dass jede Menge aus B(x) eine Umgebung von x ist. Nun betrachten wir eine Menge U ∈ U(x). Daher gibt es ein > 0 mit U (x) ⊆ U . Für 1 < gilt nun S(x, Un ) ⊆ U . Damit ist B(x) eine Umgebungsbasis von x. ein n ∈ N mit 3n−1 Wir setzen nun voraus, dass eine Folge (Un )n∈N mit den oben erwähnten beiden Eigenschaften existiert. Wir werden nun eine Metrik d auf X konstruieren, die die Topologie T induziert. Dafür definieren für jede rationale Zahl der Gestalt q = 2kn mit n ∈ N und k ∈ {1, 2, ..., 2n − 1} ein Mengensystem V( 2kn ). Dazu gehen wir induktiv vor. Für n = 1 definieren wir V( 12 ) := U1 . Sind im n-ten Schritt die Mengensysteme V( 2kn ) bereits definiert, dann definiert man im n + 1-ten Schritt 1 k k/2 := Un+1 , V n+1 := V , falls k gerade, n+1 2 2 2n [k/2] k }, falls k ∈ {3, 5, ..., 2n+1 − 1}. V n+1 := {S(V, Un+1 ) : V ∈ V 2 2n V Damit ist für jede rationale Zahl q, die sich in der Form q = 2kn schreiben lässt, ein Mengensystem V(q) wohldefiniert. Wir werden nun durch vollständige Induktion zeigen, dass jedes dieser Mengensysteme eine offene Überdeckung von X ist. n = 1: U1 ist eine offene Überdeckung von X. n 7→ n + 1: Un+1 k ist eine offene Überdeckung von X, V( k/2 2n ) ebenfalls nach Induktionsvoraussetzung, schließlich V( 2n+1 ) [k/2] ebenfalls, denn S(V, Un+1 ) ⊇ V und V( 2n ) ist eine Überdeckung nach Induktionsvoraussetzung. Weiters definieren wir V(1) := {X}. Wir zeigen nun induktiv die folgende Behauptung: Sei n ∈ N und k ∈ {1, 2, ..., 2n − 1}. Dann existiert 0 für jedes V ∈ V( 2kn ) ein V 0 ∈ V( k+1 2n ) mit S(V, Un ) ⊆ V . Es zeigen die Behauptung zunächst für n = 1. 1 2 Es gilt V( 2 ) = U1 und V( 2 ) = {X}, also ist die Behauptung richtig. n 7→ n + 1: Sei 1 ≤ k ≤ 2n+1 − 1. Betrachte zuerst den Fall, dass k gerade ist. Dann gilt V k k/2 [ k+1 ] 2 = V = V . 2n+1 2n 2n k Ist nun V ∈ V( 2n+1 ) gegeben, so ist nach der Definition von V( 2k+1 n+1 ) S(V, Un+1 ) ∈ V k + 1 2n+1 . Wir können also V 0 := S(V, Un+1 ) wählen. Nun betrachten wir den Fall, dass k = 1 ist. Dann ist 1 ∗ V( 2n+1 ) = Un+1 und V( 21+1 n+1 ) = Un . Wegen der ersten Voraussetzung des Satzes gilt Un+1 < Un . Ist 0 0 also V ∈ Un+1 , so gibt es ein V ∈ Un mit S(V, Un+1 ) ⊆ V . Wir betrachten schließlich den Fall k k ∈ {3, 5, ..., 2n+1 − 1}. Setze k 0 := [ k2 ], d.h. k = 2k 0 + 1, dann ist k 0 ∈ {1, 2, ..., 2n − 1}. Sei V ∈ V( 2n+1 ), 4 0 dann gibt es nach Definition ein V 00 ∈ V( 2kn ) mit V = S(V 00 , Un+1 ). Nach Induktionsvoraussetzung 0 0 ⊇ S(V 00 , Un ). Wir erhalten wegen der ersten Voraussetzung des Satzes und existiert V 0 ∈ V( k2+1 n ) mit V Lemma 2.3 die Aussage S(V, Un+1 ) = S(S(V 00 , Un+1 ), Un+1 ) ⊆ S(V 00 , Un ) ⊆ V 0 . 0 Es seien nun q, q 0 zwei rationale Zahlen der Gestalt q = 2kn und q 0 = 2kn mit k < k 0 und k, k 0 ∈ k0 {1, 2, ..., 2n − 1}. Wegen dem letzten Schritt gilt insbesondere V( 2kn ) < V( k+1 2n ) < ... < V( 2n ) und daher V(q) < V(q 0 ). Mit diesem Resultat erhält man allgemein die Aussage V(q) < V(q 0 ) mit q = 2kn und 0 0 q 0 = 2kn0 , wobei q < q 0 , k ∈ {1, 2, ..., 2n − 1} und k 0 ∈ {1, 2, ..., 2n − 1}. Wir definieren jetzt zwei Funktion φ und d. nk k o φ : X × X → R : (x, y) 7→ inf n : n ∈ N, k ∈ {1, 2, .., 2n − 1}, y ∈ S(x, V( n ) , 2 2 n o d : X × X → R : (x, y) 7→ sup |φ(x, z) − φ(y, z)| : z ∈ X . Wir zeigen nun, dass d eine Metrik auf X ist. Es gilt d(x, y) = d(y, x) und d(x, x) = 0 für alle x, y ∈ X. Seien nun x, y ∈ X mit x 6= y. Wir werden nun die Tatsache benutzen, dass d(x, y) ≥ |φ(x, y) − φ(y, y)| = φ(x, y). (1) Es seien x, y ∈ X und V eine beliebige Überdeckung von X. Nun gilt x ∈ S(y, V) genau dann, falls y ∈ S(x, V). Wegen der zweiten Voraussetzung des Satzes und da (X, T ) ein T0 −Raum ist, existiert daher ein n ∈ N mit y ∈ / S(x, Un ) = S(x, V( 21n )), und da V(q) < V( 21n ) für alle q mit q < 21n gilt, folgt y ∈ / S(x, V(q)), für jedes q mit dieser Eigenschaft. Daher gilt φ(x, y) ≥ 21n und daher insbesondere d(x, y) 6= 0. Es seien nun x, y, a ∈ X, dann gilt d(x, y) = sup{|φ(x, z) − φ(y, z)| : z ∈ X} ≤ sup{|φ(x, z) − φ(a, z)| : z ∈ X}+ sup{|φ(a, z) − φ(y, z)| : z ∈ X} = d(x, a) + d(a, y). Wir zeigen nun, dass die von der Metrik d induzierte Topologie gleich T ist. Im Folgenden bezeichnen wir mit U(x) den Umgebungsfilter von x im Raum (X, T ) und mit U (x) die Kugel von x im Raum (X, T (d)). Es sei ein U ∈ U(x) gegeben. Wegen der zweiten Voraussetzung des Satzes existiert ein n ∈ N mit S(x, Un ) ⊆ U . Sei 0 < < 21n und y ∈ U (x). Es gilt d(x, y) < und es folgt wegen (1.1), dass auch φ(x, y) < ist. Daher existiert ein 0 < δ < mit y ∈ S(x, V(δ)) ⊆ S(x, V( 21n )) = S(x, Un ). Damit folgt U (x) ⊆ U . Wir werden nun zeigen, dass es umgekehrt zu jeder Kugel U (x) ein U ∈ U(x) gibt mit U ⊆ U (x). Dazu benötigen wir folgende Hilfsaussage. Es seien x, y ∈ X und n ∈ N, sodass x ∈ S(y, Un+1 ), dann gilt folgende Aussage: ∀z ∈ X : φ(x, z) ≤ φ(y, z) + 3 . 2n+1 (2) Zum Beweis dieser Aussage betrachten wir drei Fälle: (1) φ(y, z) < 1 2n (2) ∃k ∈ {2, 3, ..., 2n−1 } : (3) 2n −1 2n k−1 2n ≤ φ(y, z) < k 2n ≤ φ(y, z) ad(1): Da φ(y, z) < 21n , folgt z ∈ S(y, V( 21n )), also existiert ein V 0 ∈ V( 21n ) mit z, y ∈ V 0 . Nun gilt 1 1 1 x ∈ S(y, V( 2n+1 )) und daher auch x ∈ S(V 0 , V( 2n+1 )). Offenbar ist auch z ∈ V 0 ⊆ S(V 0 , V( 2n+1 )). Nach Definition gilt V := S(V 0 , V( 1 2n+1 )) = S(V 0 , Un+1 ) ∈ V( 5 3 2n+1 ), 3 und wir schließen, dass z ∈ S(x, V( 2n+1 )), denn x, z ∈ V . Also haben wir φ(x, z) ≤ k 2n , x ∈ S(y, V( also z ∈ S(y, V( 2kn )), und daher gibt es ein V 0 ∈ V( 2kn ) mit 1 2n+1 )) ⊆ S(V 0 , Un+1 ) =: V ∈ V( 2k + 1 ), 2n+1 sowie z ∈ V 0 ⊆ V . Dadurch erhalten wir z ∈ S(x, V( 2k+1 2n+1 )) und damit φ(x, z) ≤ φ(x, z) ≤ n+1 und daher 3 . 2n+1 φ(x, z) − φ(y, z) ≤ φ(x, z) ≤ ad(2): In diesem Fall ist φ(y, z) < z, y ∈ V 0 . Es gilt 3 2n+1 2k+1 2n+1 . Also erhalten wir 2k − 2 3 3 + n+1 ≤ φ(y, z) + n+1 . 2n+1 2 2 n 3 3 + 2n+1 ≤ φ(y, z) + 2n+1 .Damit erhalten wir die Aussage ad(3): Es gilt φ(x, z) ≤ 1 < 2 2n+1+1 = 2 2−1 n (1.2). Es gilt x ∈ S(y, Un+1 ) genau dann, falls y ∈ S(x, Un+1 ). Daher kann man diese Hilfsaussage auch nachweisen, indem man die Rollen von x und y vertauscht. Damit erhält man auch die Aussage ∀z ∈ X : φ(y, z) − φ(x, z) ≤ 3 . 2n+1 (3) Aus (1.2) und (1.3) erhält man damit die Aussage ∀z ∈ X : |φ(x, z) − φ(y, z)| ≤ 3 2n+1 und daher schlussendlich d(x, y) ≤ 3 . 2n+1 3 Wir betrachten nun ein > 0 und ein x ∈ X. Wir wählen jetzt ein n ∈ N, sodass 2n+1 < . Weiters setzen wir U := S(x, Un+1 ). Da Un+1 eine offene Überdeckung von X ist, gilt U ∈ U(x). Für ein y ∈ U 3 gilt d(x, y) ≤ 2n+1 < und damit ist y ∈ U (x). Damit gilt U ⊆ U (x). Wir betrachten nun ein O ∈ T und ein x ∈ O. Da x ein innerer Punkt von O ist, existiert ein U ∈ U(x) mit U ⊆ O. Wir haben nachgewiesen, dass es jetzt ein > 0 gibt mit U (x) ⊆ U . Damit erhalten wir x ∈ U (x) ⊆ O. Damit ist O eine Umgebung von x in (X, T (d)) und daher gilt O ∈ T (d). Sei nun umgekehrt O ∈ T (d) und x ∈ O. Es existiert ein > 0 mit U (x) ⊆ O. Wir haben nachgewiesen, dass es jetzt ein U ∈ U(x) gibt mit U ⊆ U (x). Daher gibt es ein W ∈ T mit x ∈ W ⊆ O. Damit ist O eine Umgebung von x in (X, T ) und daher gilt O ∈ T . Damit erhalten wir T = T (d). 3 Der Metrisierbarkeitssatz von Nagata-Smirnov und der erste Metrisierbarkeitssatz von Bing In diesem Abschnitt wollen wir zunächst den Satz von Nagata-Smirnov beweisen und aus dieser Aussage den ersten Metrisierbarkeitssatz von Bing herleiten. Diese beiden Sätze sind ähnlich und man erhält unmittelbar aus dem Satz von Nagata-Smirnov den ersten Metrisierbarkeitssatz von Bing. Die beiden Aussagen wurden aber unabhängig voneinander bewiesen. Wir werden hier wieder einige neue Begriffe einführen, die im Laufe dieses Abschnitts immer wieder verwendet werden. Zuerst definieren wir den Begriff des (σ-)lokal endlichen bzw. des (σ-)diskreten Mengensystems. 6 Definition 3.1 Es sei (X, T ) ein topologischer Raum und U ⊆ P(X) ein Mengensystem. 1. U heißt lokal endlich, falls für jeden Punkt x ∈ X ein W ∈ U(x) existiert mit der Eigenschaft, dass W mit höchstens endlich vielen Mengen aus U nichtleeren Durchschnitt besitzt. 2. U heißt σ-lokal S endlich, falls eine Folge (Un )n∈N von lokal endlichen Mengensystemen existiert, sodass U = n∈N Un . 3. U heißt diskret, falls für jeden Punkt x ∈ X ein W ∈ U(x) existiert mit der Eigenschaft, dass W mit höchstens einer Menge aus U nichtleeren Durchschnitt besitzt. 4. S U heißt σ-diskret, falls eine Folge (Un )n∈N von diskreten Mengensystemen existiert, sodass U = n∈N Un . Hat man endlich viele Teilmengen eines topologischen Raums (X, T ), dann ist der Abschluss der Vereinigung dieser Mengen gleich der Vereinigung der Abschlüsse. Vereinigt man hingegen unendlich viele Mengen, dann muss dies nicht mehr gelten. Im folgenden Lemma werden wir nachweisen, dass bei lokal endlichen Mengensystemen Abschlussbildung und Vereinigung stets vertauscht werden können. Lemma 3.2 Es sei (X, T ) ein topologischer Raum und U ⊆ P(X) ein lokal endliches Mengensystem. Dann gilt [ [ U= U. U ∈U U ∈U S Beweis: Sei U eine lokal endliches Mengensystem und x ∈ / U ∈U U . Wir betrachten zunächst den Fall, dass es eine Umgebung W von x gibt, die mit jeder Menge U ∈ U leeren Schnitt besitzt. Damit würde dann gelten [ W∩ U = ∅. U ∈U Damit gilt x∈ / [ U. U ∈U Die umgekehrte Inklusion folgt aus der Tatsache, dass für jedes U ∈ U gilt [ U⊆ U. U ∈U Nun betrachten wir den Fall, dass eine Umgebung V von x existiert mit der Eigenschaft, dass V mit endlich vielen Mengen, U1 , ..., Un mit Ui ∈ U für alle i ∈ {1, ..., n}, nichtleeren Schnitt besitzt. Es gilt c x∈ / Ui , daher ist Ui eine offene Umgebung von x. Daher ist auch W := V ∩ n \ Ui c i=1 c eine Umgebung von x. Nun gilt W ∩ Ui = ∅, für alle i = 1, ..., n, denn Ui ∩ Ui = ∅. Ist U ∈ U und U∈ / {U1 , ..., Un }, dann gilt V ∩ U = ∅. Also folgt auch in diesem Fall W ∩ U = ∅. Daher erhält man [ W∩ U =∅ U ∈U und daher x∈ / [ U. U ∈U Die umgekehrte Inklusion erhält man wie beim ersten Fall. 7 Als nächstes wollen wir ein Aussage nachweisen, die eine hinreichende Bedingung für Normalität liefert. Lemma 3.3 Es sei (X, T ) ein topologischer T1 -Raum mit der Eigenschaft, dass für jede abgeschlossene Teilmenge F von X und jede offene Teilmenge W von X, die F enthält, eine Folge (Wn )n∈N von offenen S Teilmengen von X existiert, sodass F ⊆ n∈N Wn und Wn ⊆ W , für jedes n ∈ N. Dann ist der Raum (X, T ) normal. Beweis: Es seien A und B disjunkte abgeschlossene Teilmengen der Menge X. Wir setzen nun F := A und W := X\B, dann gibt es eine Folge (Wn )n∈N von offenen Teilmengen von X, sodass gilt [ A⊆ Wn und B ∩ Wn = ∅ für alle n ∈ N. n∈N Setzen wir F := B und W := X\A, dann gibt es analog zu oben eine Folge (Vn )n∈N von offenen Teilmengen von X, sodass gilt [ B⊆ Vn und A ∩ Vn = ∅ für alle n ∈ N. n∈N Wir definieren jetzt für jedes n ∈ N jeweils zwei Mengen, [ [ Gn := Wn \ Vk und Hn := Vn \ Wk . k≤n (4) k≤n Offensichtlich sind Gn und Vn für jedes n ∈ N offene Mengen. Wir definieren nun zwei Mengen U und V durch [ [ U := Gn und V := Hn . n∈N n∈N Offensichtlich ist U eine offene Menge die A enthält und V eine offene Menge die B enthält. Nun zeigen wir, dass die beiden Mengen disjunkt sind. Wegen (2.1) erhalten wir Gn ∩ Vk = ∅ für k ≤ n und daher Gn ∩ Hk = ∅ für k ≤ n. Analog erhält man Hk ∩ Wn = ∅ für n ≤ k und daher Gn ∩ Hk = ∅ für n ≤ k. Daher folgt Gn ∩ Hk = ∅ für alle n, k ∈ N und daher U ∩ V = ∅. Definition 3.4 Es sei (X, T ) ein topologischer Raum und A eine Teilmenge von X. 1. Die Menge A heißt eine Gδ -Teilmenge von X, falls sie dargestellt werden kann als der Durchschnitt von abzählbar vielen offenen Teilmengen von X. 2. Die Menge A heißt eine Fσ -Teilmenge von X, falls Ac eine Gδ -Teilmenge von X ist. 3. Der Raum (X, T ) heißt perfectly normal, falls er normal ist und falls jede abgeschlossene Teilmenge von X eine Gδ -Teilmenge ist. Im folgenden Korollar verwenden wir den Begriff der σ-lokal endlichen Basis. Das ist eine Basis des Raums, die dargestellt werden kann als Vereinigung von abzählbar vielen lokal endlichen Mengensystemen. Diese Mengensysteme müssen aber keine Basen des Raums sein. Korollar 3.5 Es sei (X, T ) ein regulärer topologischer Raum mit einer σ-lokal endlichen Basis. Dann ist (X, T ) perfectly normal. S Beweis: Es sei B = n∈N Bn eine σ−lokal endliche Basis des Raums (X, T ). Wir betrachten eine abgeschlossene Teilmenge F und eine offene Teilmenge W von X mit F ⊆ W . Da der Raum regulär ist, existiert für jedes x ∈ W ein n(x) ∈ N und eine offene Menge Ox ∈ Bn(x) mit x ∈ Ox ⊆ Ox ⊆SW . Wir S definieren jetzt für jedes n ∈ N die offene Menge Wn := x∈W {Ox : n(x) = n}. Es gilt W = n∈N Wn und wegen Lemma 3.2 S gilt Wn ⊆ W , für jedes n ∈ N. Die Normalität des Raums folgt nun mit Lemma 3.3 und wegen W = n∈N Wn ist der Raum sogar perfectly normal. 8 Wir kommen nun zu einer wichtigen Aussage in der Topologie, die aus historischen Gründen als das Lemma von Urysohn bezeichnet wird. Sie stellt einen Charakterisierung der topologischen Räume dar, die die Trennungseigenschaft T4 besitzen. Wir werden diesen Satz hier nicht beweisen, da er in den Grundlagenvorlesungen über Analysis bewiesen wird. Den Beweis dieses Satzes findet man natürlich auch in der Literatur. Satz 3.6 (Lemma von Urysohn) Es sei (X, T ) ein topologischer Raum. Dann erfüllt (X, T ) das Trennungsaxiom T4 genau dann, falls gilt: Sind A, B zwei disjunkte abgeschlossene Teilmengen von X, dann existiert eine stetige Funktion f : X → [0, 1] mit f (A) = {0} und f (B) = {1}. Korollar 3.7 Es sei (X, T ) ein topologischer T4 -Raum und A ⊆ X. Dann ist A eine abgeschlossene Gδ -Teilmenge von X genau dann, falls eine stetige Funktion f : X → [0, 1] existiert mit A = f −1 ({0}). Beweis: Sei A ⊆ X und es soll eine stetige Funktion f : X → [0, 1] existieren mit A = f −1 ({0}). Als Urbild einer abgeschlossen Menge unterTeiner stetigenTAbbildung ist A damit abgeschlossen. A ist eine Gδ -Teilmenge von X, da gilt A = f −1 ( n∈N [0, n1 )) = n∈N f −1 ([0, n1 )). Sei nun A eine abgeschlossene Gδ -Teilmenge eines TS 4 -Raumes X. Dann existiert eine Folge von abgeschlossenen Teilmengen (Fn )n∈N von X mit X\A = n∈N Fn , da das Komplement von A eine Fσ Teilmenge von X ist. Wegen dem Lemma von Urysohn existiert nun für jedes n ∈ N eine Funktion fP n : X → [0, 1] mit fn (Fn ) = {1} und fn (A) = {0}. Da fn für jedes n ∈ N stetig ist und die Folge m ( n=1 21n fn )m∈N gleichmäßig gegen die Funktion f : X → [0, 1] : x 7→ ∞ X 1 fn (x) 2n n=1 konvergiert, ist auch die Funktion f stetig. Nun gilt für ein x ∈ A, dass f (x) = 0 und für ein x ∈ / A existiert ein n ∈ N mit fn (x) = 1. Daher gilt f (x) ≥ 21n fn (x) = 21n > 0. Damit erhält man A = f −1 ({0}). Geht man im obigen Korollar zu den Komplementen über erhält man folgende Aussage. Korollar 3.8 Es sei (X, T ) ein topologischer T4 -Raum und A ⊆ X. Dann ist A eine offene Fσ -Teilmenge von X genau dann, falls eine stetige Funktion f : X → [0, 1] existiert mit A = f −1 ((0, 1]). Nun wollen wir den Begriff der kompatiblen Familie einführen und daraus eine Aussage gewinnen die stetige Funktionen charakterisiert. Definition 3.9 Es seien (X, T ) und (Y, R) zwei topologische Räume, (Ui )i∈I eine Überdeckung von X und (fi )i∈I eine Familie von Abbildungen mit fi : (Ui , T |Ui ) → (Y, R), für alle i ∈ I. 1. Die Familie (fi )i∈I heißt kompatibel, falls für alle i, j ∈ I gilt fi |Ui ∩Uj = fj |Ui ∩Uj . 2. Für eine kompatible Familie (fi )i∈I heißt die durch f (x) = fi (x) für x ∈ Ui definierte Abbildung von (X, T ) nach (Y, R) die Kombination der Familie (fi )i∈I . Lemma 3.10 Es seien (X, T ) und (Y, R) zwei topologische Räume, (Ui )i∈I eine offene Überdeckung von X und (fi )i∈I eine kompatible Familie von stetigen Abbildungen mit fi : (Ui , T |Ui ) → (Y, R) für alle i ∈ I. Dann ist die Kombination f dieser Familie ebenfalls stetig. Beweis: Sei U eine offene Teilmenge von Y . Es gilt [ f −1 (U ) = fi−1 (U ). i∈I fi−1 (U ) Für jedes i ∈ I ist die Menge offen in Ui und daher auch offen in X. Daher ist die Menge f −1 (U ) offen in X und deshalb ist f stetig. 9 Aus obigem Lemma erhält man unmittelbar folgende Aussage. Korollar 3.11 Es seien (X, T ) und (Y, R) zwei topologische Räume. Dann ist eine Abbildung f : (X, T ) → (Y, R) stetig genau dann, falls für jeden Punkt x ∈ X eine Umgebung U ∈ U(x) existiert mit der Eigenschaft, dass f |U : (U, T |U ) → (Y, R) stetig ist. Für den Beweis des Satzes von Nagata-Smirnov bzw. des ersten Metrisierbarkeitssatzes von Bing brauchen wir folgende wichtige Eigenschaft metrisierbarer Räume. Satz 3.12 Es sei (X, T ) ein metrisierbarer topologischer Raum und U eine offene Überdeckung von X. Dann existiert eine offene Verfeinerung V von U, die lokal endlich und σ-diskret ist. Beweis: Es sei U = {Us : s ∈ S} eine offene Überdeckung von X und d eine Metrik auf X, die die Topologie T induziert. Wir wählen nun auf der Indexmenge S eine Relation <, sodass (S, <) eine wohlgeordnete Menge ist. Weiters definieren wir für jedes i ∈ N ein Mengensystem Vi = {Vs,i : s ∈ S} von Teilmengen von X durch [ Vs,i = U 1i (c), 2 wobei in dieser Vereinigung ein c ∈ X genau dann vorkommt, falls es die folgenden 3 Bedingungen erfüllt: (1) s ist das kleinste Element der Menge S mit der Eigenschaft c ∈ Us (2) c ∈ / Vt,j für alle t ∈ S und j < i (3) U 3i (c) ⊆ Us 2 Die Mengen Vs,i sind offen und wegen (3) gilt auch Vs,i ⊆ Us . Sei nun x ∈ X. Wir betrachten das kleinste s ∈ S mit x ∈ Us und ein i ∈ N mit der Eigenschaft U 3i (x) ⊆ Us . Nun gilt entweder x ∈ Vt,j für ein j < i 2 S und ein t ∈ S oder x ∈ Vs,i . Damit erhält man insgesamt, dass V = i∈N Vi eine offene Verfeinerung von U ist. Wir zeigen nun, dass für jedes i ∈ N folgende Aussage gilt: 1 . (5) 2i Es genügt wenn wir den Fall s1 < s2 betrachten. Es seien x1 ∈ Vs1 ,i und x2 ∈ Vs2 ,i . Aufgrund der Definition der Mengen Vs1 ,i und Vs2 ,i existieren Punkte c1 , c2 ∈ X, die die Bedingungen (1)-(3) erfüllen mit x1 ∈ U 1i (c1 ) und x2 ∈ U 1i (c2 ). Aus (3) folgt U 3i (c1 ) ⊆ Us1 und aus (1) erhält man c2 ∈ / Us1 . Damit Für alle x1 ∈ Vs1 ,i und x2 ∈ Vs2 ,i mit s1 6= s2 gilt d(x1 , x2 ) > 2 folgt d(c1 , c2 ) ≥ 3 2i . 2 2 Wendet man nun zwei mal die Dreiecksungleichung an erhält man schlussendlich d(x1 , x2 ) ≥ d(c1 , c2 ) − d(x1 , c1 ) − d(x2 , c2 ) 1 und damit die Behauptung (2.2). Sei nun x ∈ X und i ∈ N. Dann kann die offene Kugel U i+1 (x) 2 wegen S (2.2) mit höchstens einer Menge aus Vi nichtleeren Schnitt besitzen. Damit ist das Mengensystem V = i∈N Vi σ-diskret. S Nun wollen wir nachweisen, dass V = i∈N Vi auch lokal endlich ist. Wir zeigen nun, dass für jedes t ∈ S, x ∈ X und alle natürlichen Zahlen j, k ∈ N folgende Aussage gilt: Aus U 1 2k (x) ⊆ Vt,j folgt U 1 2i+k (x) ∩ Vs,i = ∅ für alle i ≥ j + k, s ∈ S. (6) Seien also s, t ∈ S, i, j, k ∈ N mit i ≥ j + k und x ∈ X. Ein Punkt c ∈ X in der Definition von Vs,i ist wegen (2) und i ≥ j + k kein Element der Menge Vt,j . Wegen unserer Voraussetzung U 1k (x) ⊆ Vt,j folgt 2 daher d(x, c) ≥ 21k für jedes solche c. Aufgrund der Ungleichungen j + k ≥ k + 1 und i ≥ k + 1 erhält 1 man daher U j+k (x) ∩ U 1i (c) = ∅. Damit erhält man die Aussage (2.3). Sei nun x ∈ X, dann existieren 2 2 1 t ∈ S und j, k ∈ N mit U 1k (x) ⊆ Vt,j . Aufgrund von (2.3) kann nun die offene Kugel U i+k (x), wobei 2 2 i ≥ j + k, mit höchstens j + k − 1 Mengen aus V nichtleeren Schnitt besitzen. Daher ist V lokal endlich. 10 Das folgende Lemma liefert eine hinreichende Bedingung für die Metrisierbarkeit von T0 -Räumen. Lemma 3.13 Es sei (X, T ) ein topologischer T0 -Raum und (dn )n∈N eine Folge von Halbmetriken auf X mit folgenden drei Eigenschaften: (a) ∀n ∈ N, ∀x, y ∈ X : dn (x, y) ≤ 1. (b) ∀n ∈ N : dn : (X × X, T × T ) → (R, E) ist stetig, wobei E die euklidische Topologie auf R ist. (c) Für jedes x ∈ X und für jede nichtleere abgeschlossene Teilmenge A von X mit x ∈ / A existiert ein n ∈ N, sodass dn (x, A) := inf{dn (x, a) : a ∈ A} > 0. Dann ist der Raum (X, T ) metrisierbar, wobei die Funktion d : X × X → R : (x, y) 7→ ∞ X 1 d (x, y) n n 2 n=1 eine Metrik auf X ist, die die Topologie T induziert. Beweis: Aufgrund von (a) existiert d. Man sieht unmittelbar, dass d(x, x) = 0, d(x, y) = d(y, x) und d(x, z) ≤ d(x, y) + d(y, z) für alle x, y, z ∈ X gilt. Es seien nun x, y ∈ X mit x 6= y. Da (X, T ) ein / {x}. Aufgrund von (c) folgt damit d(x, y) > 0, also ist d eine Metrik T0 -Raum ist, gilt x ∈ / {y} oder y ∈ auf X. Wir wollen nun nachweisen, dass T = T (d) gilt. Dazu zeigen wir, dass A Teilmenge A von X gilt. Wir werden dabei die Tatsache A T (d) T = A T (d) für jede = {x ∈ X : d(x, A) = 0} T verwenden. Wir betrachten nun eine beliebige Teilmenge A von X. Sei x ∈ / A , dann gilt wegen (c), dass T ein n ∈ N existiert mit der Eigenschaft dn (x, A ) = r > 0. Damit folgt T d(x, A) ≥ d(x, A ) ≥ r >0 2n T (d) und daher x ∈ / A . Aufgrund von (b)Pist d : (X × X, T × T ) → (R, E) eine stetige Funktion, da dn m stetig ist, für alle n ∈ N, und die Folge ( n=1 21n dn )m∈N gleichmäßig gegen d konvergiert. Aufgrund der Stetigkeit von d erhält man auch die Stetigkeit der Funktion f : (X, T ) → (R, E) : x 7→ d(x, A). T T E Sei nun x ∈ A . Dann gilt f (x) ∈ f (A ) ⊆ f (A) = {0}. Daher folgt d(x, A) = 0 und daher x ∈ A T (d) . Lemma 3.14 Es sei (X, T ) ein topologischer Raum und B ⊆ T . Dann ist B eine Basis von (X, T ) genau dann, falls für jedes x ∈ X das Mengensystem B(x) := {O ∈ B : x ∈ O} eine Umgebungsbasis des Punktes x ist. Beweis: Wir setzen zunächst voraus, dass B eine Basis von (X, T ) ist. Es sei x ∈ X und V eine Umgebung von x. Daher existiert ein O0 ∈ T mit x ∈ O0 ⊆ V . Da B eine Basis ist, existiert ein O ∈ B mit x ∈ O ⊆ O0 ⊆ V , womit B(x) eine Umgebungsbasis von x ist. Wir setzen nun umgekehrt voraus, dass B(x) für jedes x ∈ X eine Umgebungsbasis S von (X, T ) ist. Es sei O ∈ T . Für jedes x ∈ O existiert nun ein Ox ∈ B mit x ∈ Ox ⊆ O. Daher gilt x∈O Ox = O, womit B eine Basis des Raums (X, T ) ist. Satz 3.15 (Metrisierbarkeitssatz von Nagata-Smirnov) Es sei (X, T ) ein regulärer topologischer Raum. Dann ist (X, T ) metrisierbar genau dann, falls eine σ-lokal endliche Basis existiert. 11 Beweis: Wir gehen zunächst davon aus, dass der Raum (X, T ) eine σ-lokal endliche Basis besitzt. Es existiert also eine Basis B von S (X, T ) und eine Folge von lokal endlichen Mengensystemen (Bn )n∈N mit der Eigenschaft, dass B = n∈N Bn . Es sei weiters Bn = {Ui : i ∈ In }. Für jede natürliche Zahl n ∈ N und jedes i ∈ In existiert wegen Korollar 3.5 und Korollar 3.8 eine stetige Funktion fi : X → [0, 1] mit der Eigenschaft Ui = fi−1 ((0, 1]). Für jedes n ∈ N ist das Mengensystem {Wi : i ∈ In } mit Wi := (Ui × X) ∪ (X × Ui ) lokal endlich in (X × X, T × T ) und es gilt |fi (x) − fi (y)| = 0, für alle (x, y) ∈ / Wi . Im Folgenden betrachten wir für jedes n ∈ N die Funktion X |fi (x) − fi (y)|. gn : (X × X, T × T ) → (R, E) : (x, y) 7→ i∈In Die Funktion gn existiert, da fast alle Summanden der Reihe Null sind. Weiters ist die Funktion wegen Korollar 3.11 stetig. Es ist leicht einzusehen, dass für jedes n ∈ N durch dn (x, y) :=min{1, gn (x, y)} eine Halbmetrik auf der Menge X definiert wird, die durch 1 beschränkt ist. Die Funktionen dn sind weiters für jedes n ∈ N stetig und erfüllen damit die ersten beiden Punkte vom Lemma 3.13. Sei nun x ∈ X und A eine nichtleere abgeschlossene Teilmenge von X mit x ∈ / A. Dann existiert ein U ∈ B mit der Eigenschaft x ∈ U und A ⊆ X\U . Da U in B liegt gibt es ein n ∈ N und ein i ∈ In mit U = Ui und Ui ∈ Bn . Aufgrund der Tatsache, dass eine stetige Funktion fi : X → [0, 1] existiert mit fi (x) > 0 und fi (A) = {0}, folgt inf{dn (x, a) : a ∈ A} ≥ fi (x) > 0. Damit ist auch der dritte Punkt von Lemma 3.13 erfüllt und daher ist der Raum (X, T ) metrisierbar. Wir wollen nun voraussetzen, dass der Raum metrisierbar ist. Für jedes n ∈ N sei Bn eine, aufgrund von Satz 3.12 existierende, lokal endliche offene Verfeinerung des Mengensystems Un := {U n1 (x) : x ∈ X}. S Wir definieren nun das Mengensystem B := n∈N Bn . Wir betrachten ein x ∈ X und eine Umgebung V 1 (x) ⊆ V . Nun betrachten wir ein W ∈ B2n(x) , dass des Punktes x. Damit existiert ein n(x) ∈ N mit U n(x) x enthält. Ein solches W existiert, da B2n(x) eine Überdeckung von X ist. Da B2n(x) eine Verfeinerung von U2n(x) ist, existiert ein y ∈ X mit 1 1 (x) ⊆ V. x ∈ W ⊆ U 2n(x) (y) ⊆ U n(x) Damit haben wir nachgewiesen, dass B(x) := {O ∈ B : x ∈ O} eine Umgebungsbasis des Punktes x ist. Wegen Lemma 3.14 ist B damit eine Basis des Raums (X, T ). Insgesamt erhalten wir, dass B sogar eine σ-lokal endliche Basis von (X, T ) ist. Korollar 3.16 (Erster Metrisierbarkeitssatz von Bing) Es sei (X, T ) ein regulärer topologischer Raum. Dann ist (X, T ) metrisierbar genau dann, falls eine σ-diskrete Basis existiert. Beweis: Wir gehen zunächst davon aus, dass der Raum (X, T ) eine σ-diskrete Basis besitzt, dann ist diese auch σ-lokal endlich und wegen dem Metrisierbarkeitssatz von Nagata-Smirnov ist der Raum (X, T ) metrisierbar. Wenn umgekehrt der Raum (X, T ) metrisierbar ist, dann sei Bn für jedes n ∈ N eine, aufgrund von Satz 3.12 existierende, σ-diskrete offene Verfeinerung des Mengensystems Un := {U n1 (x) : S x ∈ X}. Damit ist das Mengensystem B := n∈N Bn eine σ-diskrete Basis von (X, T ). 12 Literatur [1] Engelking, Ryszard: General Topology. Heldermann-Verlag, Berlin, 1989. [2] Woracek, Harald: Allgemeine Topologie. Vorlesungsskript, Technische Universität Wien, 2003. 13