Physik für Studierende der Biologie und Chemie Universität Zürich, HS 2009, U. Straumann Version 26. April 2010 Inhaltsverzeichnis 5.5 5.5 Zeitabhängige magnetische Felder: Das Faraday’sche Induktionsgesetz 5.5.1 Phänomenologie der Induktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.2 Das Faraday’sche Induktionsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.3 Anwendungen des Faraday’schen Induktionsgesetzes . . . . . . 5.5.3.1 Elementarer Generator . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.3.2 Wechselstromgenerator . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.3.3 Wirbelströme: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.3.4 Das Betatron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.3.5 Gegenseitige Induktion zweier Stromkreise . . . . . . 5.5.3.6 Die Selbstinduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.3.7 Der Transformator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5.4 Magnetfelder und Supraleiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.1 5.1 5.3 5.4 5.4 5.5 5.5 5.5 5.8 5.9 5.9 5.9 Zeitabhängige magnetische Felder: Das Faraday’sche Induktionsgesetz Michael Faraday lebte von 1791 bis 1867. Buchbinderlehrling, Chemielaborant, “self made man” ohne reguläre wissenschaftliche Ausbildung. Das Induktionsgesetz fand er 1831, aber auch das Verständnis von Elektrolyse, Dielektrikum, Magnetische Materialien, Polarisationsdrehung des Lichtes im Magnetfeld und vieles andere mehr wurde von ihm geprägt. Er wird oft als der bedeutendste Experimentator aller Zeiten gefeiert. 5.5.1 Phänomenologie der Induktion Beobachtung: Wir messen die elektrische Spannung an einer Drahtspule. Sie ist von null verschieden, 1. wenn sich das Magnetfeld zeitlich ändert. 2. wenn sich die Grösse der Fläche ändert, die von der Spule umrandet wird 3. wenn sich die Richtung der Fläche zu den Feldlinien ändert. Wir definieren den magnetischen Feldfluss durch die Fläche AC der Spule Z Φmagn = AC 5.1 ~ A ~ Bd (anschaulich die Anzahl Feldlinien, die durch die Fläche gehen.) Offenbar erzeugt eine zeitliche Aenderung des magnetischen Flusses ein elektrisches Feld. Dies wird im folgenden noch etwas illustriert: Der magnetische Fluss dΦmagn /dt ändert sich, wenn ~ = B(t), ~ • das Feld zeitabhängig ist (B auch bei konstanter Fläche), • sich die Fläche ändert (A = A(t), auch wenn das Feld konstant ist), • sich die Stellung der Fläche relative zum Feld ändert (ϕ = ~ ϕ(t), ϕ ist Winkel zwischen der Flächennormalen und B, ~ auch wenn A und B konstant sind). B dA dr Bn C E B (t) Ein zeitlich veränderliches Magnetfeld erzeugt man z. B. in dem man einen zeitlich variablen Strom durch eine Spule schickt. Umgekehrt registriert eine Spule, die einem zeitlich variablen Magnetfeld ausgesetzt wird, eine zeitabhängige, induzierte elektromotorische Kraft und damit einen zeitabhängigen Spulenstrom. So kann man z. B. die von Fernsehgeräten, oder anderen elektronischen Apparaten erzeugten Wechselfelder mit dem in einer Pickup-Spule induzierten Signal sichtbar machen. I (t) ~ Wenn man einen Stabmagneten auf eine Leiterschlaufe zu bewegt, vergrössert man den magnetischen Fluss durch die Schlaufe. Dies induziert einen Strom im Leiter. Die Lenz’sche Regel besagt, dass die induzierte Wirkung sich der äusseren widersetzt (sonst gäbe es ein perpetuum mobile). Dies sieht man an den nebenstehenden Abbildungen. Die Richtung des induzierten Stroms ist so, dass das durch diesen Strom erzeugte Feld eine entgegengesetzte Polarität wie das äussere Feld hat. Dies bewirkt einerseits eine abstossende Kraft, die die Bewegung des Magneten auf die Schlaufe hin bremst, zum anderen eine Reduktion der durch das Bewegen entstehenden Flussänderung. Statt den Stabmagneten auf die Schlaufe hin zu bewegen, kann man auch die Schlaufe in das Magnetfeld hineinund herausschieben, um eine Änderung der vom Magnetfeld durchsetzten Fläche zu erreichen. Je mehr Windungen man der Schlaufe gibt, desto grösser sind die induzierten Ströme. Die Flussänderung vervielfacht sich mit der Anzahl Windungen. 5.2 I S N N S I N S Induzierte Spannung und magnetischer Fluss beim Generator ω B φ n N V Abbildung 5.1: Wechselstromgenerator: Die Drehung einer Spule in einem Magnetfeld mit konstanter Winkelgeschwindigkeit erzeugt eine induzierte elektromotorische Kraft in der Spule. Die Amplitude der Wechselspannung nimmt mit der Drehzahl zu. In diesem Beispiel beginnt die Drehung mit der Spulenfläche parallel zum Feld. 5.5.2 Das Faraday’sche Induktionsgesetz F araday 0 sche Induktionsgesetz : Vind = − dΦmagn dt Auf der rechten Seite steht die zeitliche Änderung des magnetischen Flusses Φmagn durch die von C umrandete Oberfläche AC mit dem negativen Vorzeichen. Auf der linken Seite die in dem die Fläche umrandende Leiterschlaufe gemessene Spannung, wenn man die Leiterschlaufe an einer Stelle auftrennt. Etwas allgemeiner schreibt man für die Spannung (=PotenR ~ r. Mit der Defitialdifferenz) deren Definition: V = C Ed~ nition des magnetischen Flusse wird das Induktionsgesetz zu: Z I d ~ A ~ ~ Bd Ed~r = − dt AC C B 1111111 0000000 0000000 1111111 1010n 0000000 1111111 0000000 1111111 1010 dA 0000000 000 111 C1111111 0000000 1111111 000 111 000 111 dr A E C Die rechte Seite des Faraday’schen Induktionsgesetzes ist dann von Null verschieden, wenn sich ~ zeitabhängig ist, sich die Fläche AC ändert, oder sich die Stellung der Fluss ändert, d. h. wenn B 5.3 der Fläche relativ zum Feld ändert. Es gibt hier einen wichtigen Unterschied zur Elektrostatik: Für die durch elektrische Ladungen erzeugten Felder gilt I ~ r=0 Ed~ C Das Linienintegral des elektrischen Feldes entlang eines geschlossenen Weges C, der die Oberfläche AC begrenzt, verschwindet. Das Feld ist konservativ. Diese Eigenschaft der von Ladungen erzeugten Felder erlaubte uns, das elektrische Potential überall zu definieren. Im Gegensatz Hdazu sind durch Induktion erzeugte elektrische Felder nicht konservativ. Das ~ r entlang der Umrandung der Leiterschlaufe ist nicht mehr null. Vind kann Linienintegral C Ed~ man deshalb nur messen, wenn man die Leiterschlaufe an einer Stelle auftrennt. Dafür sind die so erzeugten elektrischen Feldlinien immer geschlossen. Das durch den magnetischen Fluss induzierte elektrische Feld ist ein Wirbelfeld. Das elektrische Feld besteht im allgemeinen also aus zwei Anteilen: 1. von Ladungen erzeugter Teil. Dessen Feldlinien beginnen und enden immer an Ladungen. Sie sind nie geschlossen. Das Feld ist konservativ, das Potential wohldefiniert. Quantitativ wird es durch den Gauss’schen Satz der Elektrostatik bestimmt. 2. von magnetischer Induktion erzeugter Teil: Dessen Feldlinien sind immer geschlossen, sie haben kein Anfang oder Ende, das Feld ist ein Wirbelfeld. Quantitativ wird dieses Feld durch das Induktionsgesetz von Faraday bestimmt. Beachte, dass die elektrischen Felder in 2. die gleichen Eigenschaften haben wie magnetische Feldlinien. 5.5.3 5.5.3.1 Anwendungen des Faraday’schen Induktionsgesetzes Elementarer Generator Bewegt man den Leiter mit der Geschwingkeit v in der positiven x-Richtung (nach aussen), so ändert man den magnetischen Fluss durch die vom Leiter begrenzte Fläche A = `x. Da das Magnetfeld konstant ist, gilt Z ~ A ~ = BA = B`x , Bd Φmagn = A ⇒ V0 = −Vind = dΦmagn dx = B` = B`v dt dt Das Vorzeichen der induzierten elektromotorischen Kraft kommt richtig heraus. 5.4 5.5.3.2 Wechselstromgenerator Beim Wechselstromgenerator (Abbildung 5.1) ändert sich der Winkel zwischen der Feld- und der Spulenrichtung. Mit einem mechanischen Antrieb wird die Spule gedreht. Ist die Winkelgeschwindigkeit konstant, so gilt ϕ = ωt , Φmagn = N AB cos ϕ = N AB cos ωt , wobei B das über die Spulenfläche konstante Magnetfeld und N die Zahl der Spulenwindungen ist. Die am Voltmeter ablesbare induzierte Spannung ist dann V =− dΦmagn = ωN AB sin ωt dt Wegen des induzierten Stroms wirkt im Magnetfeld auf die Spule eine abbremsende LorentzKraft (Lenz !). Dieses Abbremsen muss durch die Antriebskraft aufgewogen werden. Die entsprechende mechanische Arbeit entspricht abgesehen von den Reibungsverlusten in den Lagern der Energie, die in Form von Joule’scher Wärme im externen Kreis verloren geht. 5.5.3.3 Wirbelströme: Bewegen sich Leiter in inhomogenen Magnetfeldern, so werden Wirbelströme induziert. Die Lorentz-Kräfte auf diese Ströme bremsen die Bewegung ab. Im Hörsaal wird dies mit Münzen demonstriert, die in Magnetfelder fallen, bzw. mit einem Kupferpendel, das durch ein Feld schwingt. Je besser die Leitfähigkeit des Materials ist, umso grösser ist die Bremswirkung. Abbildung 5.2 illustriert die Bremswirkung an einem Beispiel. Man benützt derartige Effekte zur Dämpfung schwingender Systeme, oder allgemein zum Bremsen. 5.5.3.4 Das Betatron ~ Durch ein zeitlich veränderliches B-Feld wird nicht nur in einem Leiter, sondern auch im leeren ~ Raum ein E-Feld erzeugt. Es besitzt geschlossene Feldlinien (Wirbel), deren Verlauf von der ~ r) des B-Feldes abhängt. Oft reichen Symmetriebetrachtungen zur räumlichen Verteilung B(~ ~ aus, wie das Beispiel in Abbildung 5.3 zeigt. Gibt es bewegliche Ladungen Bestimmung von E ~ beschleunigt und durch die Lorentzim Feld, so werden sie durch die Coulomb-Kraft F~ = q E ~ abgelenkt. Dies wird im Betratron, einem in der Medizin häufig verwendeten Kraft F~ = q(~v × B) Elektronenbeschleuniger genützt. Im Betatron (Abbildung 5.4) werden Elektronen in ein torusförmiges Vakuumgefäss (Strahlrohr) eingeschossen, das sich axialsymmetrisch zwischen den kreisförmigen Polschuhen eines Elektro~ magneten befindet. Das Magnetfeld ist zeitabhängig. Mit dem Zunehmen des B-Feldes wird ~ das E-Feld induziert, dessen Feldlinien aus Symmetriegründen konzentrische Kreise sind (Ab~ bildung 5.3). Das E-Feld leistet Arbeit. Die kinetische Energie der Elektronen nimmt gemäss dem Energiesatz während vieler Umläufe zu, vom Anfangswert T1 auf den Endwert T2 T2 − T1 = e Z 2 1 ~ ind d~r = eVeff , E 5.5 v Abbildung 5.2: Das Prinzip der Wirbelstrombremse: Beim Eintauchen des Metallrings in das Magnetfeld ~ setzt die Lorentz-Kraft (F~L ) (B) die Leiterelektronen in Bewegung (~ve ), induziert also einen Strom (Iind ). Auf diesen Strom wirkt eine abbremsende Lorentzkraft (F~L,ind ), die das Fallen des Rings verlangsamt. Das vom induzierten Strom ~ ind reduziert das erzeugte Feld B äussere Feld. Sicht von vorne D B=0 I e ind x B B F L v I ind F ve L,ind B B ind B ind dΦmagn dx = BD = −Vind dt dt B v Iind Sicht von der Seite B ind während das Magnetfeld sie auf Kreisbahnen führt. Die dabei effektiv durchlaufene Spannung Veff kann viele Millionen Volt betragen. Werden dann die hochenergetischen Elektronen beim Aufprall auf eine Metallfolie abgebremst, so erzeugen sie harte Röntgenstrahlung. Die spezielle Form der Polschuhe (Abbildung 5.4), die ein nach aussen abnehmendes Magnetfeld erzeugen ergibt sich daraus, dass zur Führung und Beschleunigung das gleiche Feld verwendet wird: Kreisbahnbedingung : mv 2 dv dB(r) = evB(r) = FL , ⇒ mv = erB(r) , ⇒ m = er . r dt dt Das induzierte elektrische Feld auf der Bahn ergibt sich aus der Flussänderung, wobei B das mittlere Feld im Kreis ist: dΦmagn d − =− dt dt d 2 dB Bn dA = − πr B = −πr2 = dt dt A Z Das induzierte Feld beschleunigt: Z ~ ind ·d~r = 2πrEind , ⇒ Eind = − r dB E 2 dt ~ ind | = e r dB = m dv = er dB(r) |F~C | = | − eE 2 dt dt dt Aus der letzten Gleichung ergibt sich die sogenannte Betatron-Bedingung 5.6 1 B(r) = B . 2 + + + + + + + + + + + B + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + (c) B 4 + + + + + + + + + + + + 1 3 + + + + + + + R + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + 2 + + + + + + + + B + + + + + + + + + + + + + + (b) + + + + + + + + + + E + + + + + + + + + + + + r + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + + R E E (a) Elektrische Feldlinien + + + + + + + + i B R E + + + r + + R Kreisbahn + + + + + + Eind + + + + Kupferring (d) Abbildung 5.3: Induzierte elektrische Felder in einem mit konstanter Rate zunehmenden Magnetfeld zwischen kreisförmigen Polschuhen (Radius R): a) Induziertes Feld und induzierter Strom in einem Kupferring mit Radius r, b) induzierte elektrische Felder bei gleichem Radius ohne Kupferring, c) vollständiges Feldlinienbild. Abbildung d) zeigt vier gleiche, geschlossene Wege, an denen das Faraday’sche Induktionsgesetz noch einmal illustriert werden kann. Die Wege 1 und 2 verlaufen vollständig innerhalb des Magnetfelds, unterliegen der gleichen Flussänderung und es wird eine gleichgrosse Spannung induziert. Der Weg 3 liegt teilweise ausserhalb des Feldes und des induzierte Feld ist kleiner. Der Weg 4 liegt ausserhalb des Felds und es gibt daher auch keine Flussänderung. Symmetrieachse B (r,t) Zentraler Fluss D D Magnetpol R 5.7 Abbildung 5.4: Vertikaler Schnitt durch ein Betatron. Der horizontale Elektronenstrahl tritt aus dem linken Strahlrohrquerschnitt heraus und geht beim rechten hinein. Das Rohr ist aus nicht-leitendem Material. Die zeitabhängigen Magnetfeldlinien sind für einen festen Zeitpunkt gezeigt. 5.5.3.5 Gegenseitige Induktion zweier Stromkreise Wenn in einem ersten Stromkreis ein veränderlicher Strom I1 (t) fliesst, dann kann das entspre~ 1 (t) in einem zweiten Leiterkreis, den dieses Feld durchsetzt, einen Strom chende Magnetfeld B induzieren. Die induzierte Spannung V2 lässt sich aus der Flussänderung ~ 1 (t) in der Schlaufe 2 berechnen: dΦ12 (t)/dt des Feldes B B1(t) ~ 1 (t) → Φ12 (t) → Em,2 . I1 (t) → B Bei fester gegenseitiger Lage der Stromkreise ist Φ12 proportional zu B1 und damit zu I1 : Φ12 = L12 I1 , ⇒ V2 = − V2 dΦ12 dI1 = −L12 . dt dt I1(t) ~ Der Proportionalitätsfaktor L12 , der nur von geometrischen Grössen (gegenseitige Lage, Fläche und Windungszahl der Schleifen) abhängt, heisst Koeffizient der gegenseitigen Induktion und wird angegeben in der Einheit: [L12 ] = Henry = H = Vs . A Für einfache Geometrien lässt sich L12 berechnen. Man erhält z. B. für zwei konzentrisch gewickelte, lange Spulen gleicher Fläche mit den Längen `1 und `2 (`1 ≥ `2 ) mit N1 und N2 Windungen: I1 → B1 = µ0 N1 I1 µ0 N1 I1 µ0 N1 N2 A dI1 → Φ12 = N2 A = L12 I1 , ⇒ Em,2 = − . `1 `1 `1 dt L12 = Man findet also µ0 N1 N2 A `1 Vertauschen wir die Rolle der beiden Spulen, d. h. fliesst in der zweiten Spule der Strom I2 (t), so messen wir in der ersten Spule entsprechend Em,1 = −L21 µ0 N2 N1 `2 dI2 dI2 =− A . dt `2 `1 dt Der Faktor `2 /`1 rührt daher, dass das B2 -Feld, wenn `2 kürzer ist als `1 , nur den Bruchteil `2 /`1 der N1 Windungen der ersten Spule durchfliesst. Es ergibt sich so L12 = L21 , eine Beziehung, die unabhängig von diesem Beispiel allgemein gültig ist. Der Koeffizient L12 zweier Spulen ist umso grösser, je stärker die Kopplung ist, d. h. je grösser der Fluss Φ12 ist, was z. B. mit einem gemeinsamen Eisenkern erreicht wird (z. B. in Transformatoren). 5.8 5.5.3.6 Die Selbstinduktion Was oben für die Kopplung zweier Stromkreise gesagt wurde, gilt auch für einen ausgedehnten Einzelkreis, oder eine Spule. Der Fluss Φ11 des Feldes B1 durchsetzt auch den erzeugenden Kreis selbst und führt dort zu einer Spannung V1 : B (t) I1 (t) → B1 (t) → Φ11 (t) → Em,1 B1 = µ0 N1 I1 µ0 N1 I1 dI1 ⇒ Φ11 = N1 A = L11 I1 ⇒ Em,1 = −L11 . `1 `1 dt Der Faktor L11 ≡ L heisst Selbstinduktionskoeffizient [ Henry ]. Für die gezeichnete Spule gilt L = (µ0 N12 A)/`1 . Dieser Wert kann bedeutend vergrössert werden, wenn die Spule auf einen Eisenkern gewickelt wird. 5.5.3.7 I (t) ~ Der Transformator In einem einfachen Transformator sind zwei Spulen mit verschiedenen Windungszahlen um einen gemeinsamen Eisenkern gewickelt. Die gegenseitige Induktion wird mit L12 , die Selbstinduktion im Primaärkreis mit L11 bezeichnet. Die Anwendung der Maschenregel auf den Primärkreis (1) bzw den Sekundärkreis (2) ergibt: (1) V1 − L11 dI1 =0, dt (2) − L12 Em,1 dI1 = V0 . dt V0 = − Man erhält: L11 VO L12 L12 N2 V1 = − V1 , L11 N1 also für N2 > N1 eine Spannungsvergrösserung, für N2 < N1 eine Spannungsverkleinerung. Für das Verhältnis der Ströme ergibt sich das umgekehrte, denn d ie Leistung P = V I muss auf beiden Seiten die gleiche sein: I2 = −(N1 /N2 )I1 . Da die Verluste beim Transport elektrischer Energie mit einem Leiter des Widerstands R proportional zu I 2 sind (PV = I 2 R), die am Verbraucherende verfügbare Nutzleistung jedoch PN = IV , ist der Quotient PN /PV = V /(IR) kleiner, wenn für den Transport möglichst hohe Spannungen (mehrere hundert kV) verwendet werden (Hochspannungsleitungen). Aus Sicherheitsgründen werden sie vor dem Verbrauch wieder herunter transformiert. Aus den obigen Beziehungen ist ersichtlich, dass Transformatoren nur mit Wechselspannung gespiesen werden können. 5.5.4 Magnetfelder und Supraleiter Die Tatsache, dass Leiter bei genügend tiefen Temperaturen ihren Widerstand verlieren, also supraleitend werden, ist schon im Abschnitt 4.2.2 erwähnt worden, und seit den Versuchen von 5.9 S N N Supraleitende Magnete S Stabmagnete Abbildung 5.5: Schwebendes Scheibchen eines supraleitenden Materials (Yttrium-BariumKupfer-Oxid) über einem Permanentmagneten bei der Temperatur von flüssigem Stickstoff. S N N S Abbildung 5.6: Richtung und relative Stärke der Kräfte in einem inhomogenen Magnetfeld auf Permanentmagnete (Stabmagnete) und Supraleiter (diamagnetisches Material). Heike Kammerlingh Onnes (1853 - 1926) und Mitarbeitern im Jahre 1911 bekannt. Der Verlust des Widerstands ist nur eine der Eigenschaften, die Supraleiter interessant machen. Sie besitzen auch aussergewöhnliche magnetische Eigenschaften, wovon Abbildung 5.5 ein Beispiel gibt. Mit supraleitenden Drähten lassen sich sowohl extrem hohe Magnetfelder erzeugen, wie auch extrem schwache Magnetfelder nachweisen. Diese Anwendungen, hohe Felder z. B. in Magnetresonanztomographen in Spitälern, die Untersuchung der von Hirnströmen erzeugten Magnetfelder in SQUID’s (superconducting quantum interference devices) waren schon bekannt, bevor die Hochtemperatursupraleiter von Müller und Bednorz in Zürich entdeckt wurden. Nur waren die dafür notwendigen Temperaturen tiefer, im Bereich des flüssigen Heliums (4 K) und nicht im Bereich flüssigen Stickstoffs (77 K). Das Feld eines Permanentmagneten oder einer normalen, stromführenden Leiterschleife hat Dipolcharakter, d. h. hat einen Nord- und einen Südpol, wie in Abbildung 5.6 skizziert. In einem Permanentmagneten (man nennt diese Materialien ferromagnetisch) kommt das Feld daher, dass die atomaren Elektronen, die ebenfalls kleine magnetische Dipole darstellen, entlang einer Richtung orientiert sind. In einem äusseren Feld richtet sich dieser magnetische Dipol entlang der Feldlinien aus, in einem inhomogenen Magnetfeld bewegt sich eine solcher Dipol entlang der Feldlinien in die Richtung, wo das Feld stärker ist. Zwei solche Dipole ziehen sich, wie aus Abbildung 5.6 erkennbar, gegenseitig an. In einem Supraleiter sind die Elektronen paarweise so entgegengesetzt ausgerichtet, dass sich die Felder dieser elementaren Dipole aufheben. Wenn ein supraleitender Ring (ohne Widerstand und zunächst noch ohne Strom) in ein inhomogenes Feld gebracht wird, wird die Änderung des magnetischen Flusses eine elektromotorische Kraft, einen Strom und ein Magnetfeld induzieren, dessen Richtung (Lenz !) der des äusseren Felds entgegengesetzt ist. Die induzierte elektromotorische Kraft verschwindet, sobald die Schleife zur Ruhe kommt und der Fluss nicht mehr zunimmt. Ohne Widerstand hört aber der Strom nicht auf zu fliessen, da keine Joule’sche Wärme entsteht. In einem inhomogenen Feld zeigt nun die Kraft weg von der Region, wo das Feld stärker wird (diamagnetische Materialien), d. h. statt der vorher beobachteten Anziehung 5.10 finden wir nun Abstossung. Für einen Supraleiter muss man noch einen Schritt weiter gehen. Wenn der Ring abgekühlt wird in einem Magnetfeld, dann gibt es keine Flussänderung und mit dem Faraday’schen Induktionsgesetz auch keine induzierte Magnetisierung. Trotzdem wird der Supraleiter diamagnetisch, dies nennt man den 1933 erstmals beobachteten Meissner-Ochsenfeld Effekt. Der Supraleiter wird daher auch abgestossen, wie Abbildung 5.5 zeigt. Magnetisch suspendierte Schienenfahrzeuge gehören zu den weiteren technisches Anwendungen, die in Prototypen erprobt werden. Das reibungslose Schweben erlaubt höhere Geschwindigkeiten. 5.11