Elektrische Eigenschaften teilgeschmolzener Gesteine an der mittelozeanischen Spreizungsachse BAGDASSAROV N., MAUMUS J., SCHMELING H. Institut für Meteorologie und Geophysik, J. W. Goethe Universität Frankfurt, Feldbergstrasse 47, D-60323 Frankfurt/Main Im Schwerpunkt der Meeresbodenforschung stand seit langem die Bestimmung physikalischer Parameter, z. B. die elektrischen und viskoelastischen Eigenschaften der Gesteine an der Spreizungsachse der mittelozeanischen Rücken. Kenntnisse solcher Parameter sind notwendig für die geodynamische Modellierung der Entstehungsprozesse der ozeanischen Kruste und für den Vergleich der modellierten Mechanismen der Spreizungsachsen mit geophysikalischen Feldbeobachtungen in verschiedenen Regionen. Die neuen Labormessungen an mittelozeanischen Gesteinen können den physikalischen Zustand des oberen Mantels und die Zonen mit partiellen Schmelzen unter Spreizungsachsen der mittelozeanischen Rücken charakterisieren und eine Antwort auf die Frage geben: wieviel Prozent von Schmelze in teilgeschmolzenen Gesteinen können die beobachteten geophysikalischen Anomalien verursachen? In der letzen Zeit erlaubt die Qualität geophysikalischer Messungen (seismische Tomographie, Elektromagnetik) eine gute Auflösung der Struktur des oberen Mantels in den Regionen der mittelozeanischen Rücken (Wilcock et al., 1995; Sinha et al., 1997, Forsyth et al., 1998a; Hammond & Toomey, 2003). Als Beispiel ist in Abb. 1 (oben rechts) eine Region des mittelatlantischen Rückens dargestellt (Heinson et al., 2000). Unter mittelozeanischen Rücken findet der Schmelzprozess des oberen Mantelmaterials in der Tiefe von ca. 60-100 km statt. Oberhalb dieser Zone befindet sich in der Tiefe von 4-8 km eine axiale Magmakammer (AMC). Seismische und elektromagnetische Felduntersuchungen weisen auf eine Kette von permanenten oder langandauernden axialen Magmakammern an schnellen Spreizungsachsen mittelozeanischer Rücken hin, z. B. an der Spreizungsachse des ostpazifischen Rückens (White et al., 1998; Forsyth et al., 1998b). An der langsamen Spreizungsachse des mittelatlantischen Rückens vermutet man dagegen axiale Magmakammern mit typischen Aufenthaltszeiten von ca. 104 Jahren (Sinha et al., 1997). In beiden Fällen vermutet man, dass die Regionen mit teilgeschmolzenem Material mit den Zonen der erhöhten seismischen Dämpfung (Q-1) und der erhöhten elektrischen Leitfähigkeit korrelieren. Mehr als eine Tradition ist es geworden, dass jede Zone mit Anomalien des elektrischen Widerstands und der seismischen Dämpfung im oberen Mantel als eine Zone mit Schmelzprozessen oder mit erhöhten Temperaturen oberhalb Solidus Temperatur interpretiert wird (Sobolev et al., 1996). Alternative Erklärung zu den beobachteten elektrischen und seismischen Anomalien ist die mögliche Anwesenheit des erhöhten Wassergehalts in Olivinkristalle in Peridotitgesteinen unter den mittelozeanischen Rücken (Karato, 1990). Aber solche Interpretationen berücksichtigen den spezifischen elektrischen Widerstand der teilgeschmolzenen Gesteine oder Gesteine mit erhöhtem Wassergehalt nicht genau. So wird in der Regel die Änderung bzw. Wechselwirkungen im Chemismus der Schmelzen und der kristallinen Restitphasen vernachlässigt. Die elektrischen Eigenschaften hängen von der chemischen Zusammensetzung und Benetzung der Teilschmelzen und der kristallinen Phasen ab, und eine präzise Modellierung des Materialzustandes unter den mittelozeanischen Spreizungsachsen sollte auf experimentellen elektrischen Daten aus dem Gesteinslabor basieren. Obwohl die systematische Forschung des Schmelzprozesses in mafischen Gesteinen des oberen Mantels unter ozeanischer Lithosphäre vor langer Zeit begonnen wurde, gibt es gegenwärtig keine ausreichenden Kenntnisse über den Zusammenhang zwischen den Temperaturprofilen, dem Beginn des Schmelzprozesses und den Anomalien der elektrischen Eigenschaften in mafischen und ultramafischen Gesteinen bei hohen Temperaturen und Drücken. Das generelle Ziel der Laborexperimente der Arbeitsgruppe war es, elektrische Eigenschaften partiell geschmolzener ultramafischer (Peridotit) und mafischer (Gabbro, Olivinit) Gesteine zu untersuchen und dadurch den Prozess des Schmelztransportes aus den Quellregionen im Erdmantel heraus besser zu verstehen. Hierzu bieten die experimentellen und theoretischen Voraussetzungen und Erfahrungen der Frankfurter Arbeitsgruppe folgende Voraussetzungen: in Torsionsdeformationsexperimenten wurde die innere Reibung Q-1 der Scherwellen in Abhängigkeit des Volumenanteils der Schmelzphase und Temperatur studiert, in der Stempelzylinderapparatur wurde die elektrische Leitfähigkeit der teilgeschmolzenen Gesteine bestimmt. Von besonderer Bedeutung für den physikalischen Zustand des Erdmantels ist es, wenn man die verschiedenen elektrischen Leitfähigkeitsmechanismen im Inneren des Mantels versteht. So ist zum Beispiel der Vergleich der in Feldexperimenten beobachteten elektrischen Leitfähigkeit mit der theoretisch vorhergesagten und der im Labor gemessenen elektrischen Leitfähigkeit der Gesteine unter Hochdruck-Hochtemperatur-Bedingungen sehr aussagekräftig. Diese Annährung ist bis jetzt vielleicht die beste Methode, den physikalischen Zustand und die thermischen Bedingungen in der Tiefe des oberen Mantels und der Kruste abzuschätzen. In Laborexperimenten haben wir die experimentellen Untersuchungen der elektrischen Eigenschaften von teilgeschmolzenem Gabbro, Olivinit, Peridotit und Olivinaggregaten mit der Impedanz-Spektroskopie unter hohem Druck gemessen. Diese Untersuchung wurde in Zusammenhang mit der Charakterisierung der Schmelzgeometrie und Anisotropie der Proben durchgeführt. Für die Laborexperimente mit Gesteinen wurde eine Hochdruckzelle entwickelt, die die Messungen der elektrischen Leitfähigkeit von Gesteinsproben im Frequenzbereich 200 kHz – 0.02 Hz erlaubt. Die Zelle besteht aus einem co-axialen zylindrischen Kondensator, orientiert parallel zur Richtung des Stempels (Bagdassarov et al., 2001, Maumus, 2003). Impedanz-Spektroskpie wurde an teilgeschmolzenen Mantelgesteinen unter hohem Druck von 0,5 bis 2 GPa durchgeführt. Anhand des zeitlichen Verlaufs der elektrischen Leitfähigkeit kann der Grad der Gleichgewichtseinstellung verfolgt werden. Der Sättigungswert der elektrischen Leitfähigkeit muss einem Sättingungswert der Permeabilität der Proben entsprechen. Nach Abschreckung der Proben mit verschiedenen Schmelzanteilen sind Dünnschliffe und Anschliffe angefertigt worden. Als ozeanisches litosphärisches Gestein wurde Gabbro aus Oman Ophioliten untersucht. Diese Gabbroproben zeigen eine einheitliche Korngrößenverteilung von ca. 250-300 µm und eine Abwesenheit von Mikrorissen und Mineralveränderungen. Das Gestein besteht aus ca. 50-55 Vol% Plg, 35% Cpx und 15% Opx (Bagdassarov, 2000). Die elektrische Leitfähigkeit wurde bei Drücken von 0,3 , 0,5 und 1 GPa und bis zu einer Temperatur von etwa 1200°C gemessen (Abb. 1, oben links). Die abgeschreckten Proben der Gabbro-Experimente werden auch mit Hilfe eines Mikrosondenanalysators charakterisiert. Die Schmelzphase befindet sich im Raum zwischen 3-4 Kristallkörnern. Als erste Mineralphase schmilzt Orthopyroxen, deswegen befindet sich die Schmelzphase am häufigsten an Korngrenzen zwischen Klinopyroxenen und Plagioklasen. Eine kontinuierliche Benetzung bei niedrigen Schmelzgraden wurde effektiv durch die grossen Oberflächenspannungen zwischen Schmelphase und KlinopyroxenKristallen verhindert. Der geschätzte Schmelzgrad, der der beobachteten elektrischen Leitfähigkeit in einer Tiefe von 5-10 km unter der Spreizungsachse des mittelatlantischen Rückens entspricht, liegt bei etwa 25-30 Vol % (Abb. 1, oben rechts). In dieser Tiefe vermutet man auch eine axiale Magmakammer mit bis zu 30 Vol% Schmelzphase (Sinha et al., 1997). Die geraden Linien in Abb. 7 sind Daten von Sato & Ida (1984), Sato et al (1986) gemessen bei normalem Druck im Olivin-Gabbro Gestein. Die Anwesenheit der Olivin-Kristalle im Oman Gabbro führt zu einer um etwa 0,5 Größenordnungen niedrigeren elektrischen Leitfähigkeit. Das untere Rechteck zeigt die typischen Werte der elektrischen Leitfähigkeit in der Umgebung einer axialen Magmakammer unter dem mittelatlantischen Rücken (Sinha et al., 1997). Die gemessene elektrische Leitfähigkeit von nicht geschmolzenem Gabbro stimmen mit der elektrischen Leifähigkeit der Gesteine in der Umgebung einer Spreizungsachse überein (Abb. 1, oben links). Die Messungen an verschiedenen Peridotitproben ergaben ähnliche Temperaturabhängigkeiten der elektrischen Leitfähigkeit während eines Schmelzprozesses (Abb. 1, unten links). Zwei Peridotitproben aus Spitzbergen (Norwegen) und Ronda (Süd Spanien) zeigen bei einem Schmelzanteil von ca. 10-12 % eine elektrische Leitfähigkeit, die mit den Feldbeobachtungen aus den Quellzonen fast vergleichbar ist. Die Messwerte zeigen deutliche Sprünge der elektrischen Leitfähigkeit bei 1340°C und 1 GPa bzw. bei 1450°C und 2 GPa. Unter diesen Druck- und Temperaturbedingungen bewirkt die Schmelzphase eine kontinuierliche Benetzung der Kristallkornzwischenräume. Diese Temperaturen sind höher als zu Beginn des Schmelzprozesses in trockenem Peridotit (Herzberg & Zhang, 1996). Wegen der Anwesenheit von Pyroxen-Kristallen, wird die kontinuierliche Benetzung der Schmelzphase bis zur einem Schmelzgrad von ca. 10 % verhindert. Die Messungen zeigen deutlich, dass mit zunehmendem Druck der Beginn des Schmelzprozesses und der Aufbau einer kontinuierlichen Benetzung zu höheren Temperaturen hin verschoben wird. Die Schmelzverteilung in einem kristallinen Gestein spielt eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit den elektrischen und anelastischen Eigenschaften. Eine kleine Schmelzmenge kann großen Einfluß auf die elektrischen Eigenschaften und den Dämpfungsfaktor des gesamten teilgeschmolzenen Materials haben. Bei Schmelzprozessen in kristallinen Gesteinen ist die Änderung der elektrischen Impedanz ein glaubwürdiger Indikator für die Benetzung der Matrix mit der Schmelzphase. (In Peridotiten eine gute Benetzung und Sprung der elektrischen Leitfähigkeit entspricht einer Schmelzgrade 10-13 % wegen grossen Benetzungswinkel zwischen Schmelphase und Pyroxen-Kristalle). Die Temperatur bei der Erhöhung der elektrischen Leitfähigkeit ist ca. 30° höher als während der Anfangsphase des Schmelprozesses. Es war möglich, in partiell geschmolzenen Peridotiten und Gabbro den Anfang des Schmelzprozesses zu identifizieren und mit beobachteten Felddaten aus den Spreizungsachsen der mittelozeanischen Rücken zu vergleichen. Durch den Vergleich der Laborexperimente und der Feldbeobachtungen konnte eine grobe Einschätzung des Schmelzanteils und der Temperatur in den axialen Magmakammern mittelozeanischer Rücken vorgenommen werden, der maximale Schmelzanteil im Kern einer mittelatlantischen Magmakammer beträgt ca. 12-15 %. Eine Variation des Druckes hat kaum einen Effekt auf die Leitfähigkeit der teilgeschmolzenen Gesteine, hingegen aber auf den Schmelzpunkt der Gesteine. Literaturverzeichnis: Bagdassarov, N.S. (2000). Anelastic and viscoelastic behaviour of partially molten rocks and lavas. In: Bagdassarov N., Laporte D., Thompson A. (Eds.), Physics and chemistry of partially molten rocks. Kluwer, Dordrecht, 29-66 Bagdassarov, N., C.-H. Freiheit & A. 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Abb. 1: (oben rechts) Anatomie der elektrischen Impedanz-Verteilung unter der Spreizungsachse eines mittelozeanischen Rückens von Heinson et al., 2000. (oben links) Schmelzgrad von 10-12 % von Gabbrogestein enspricht die beobachteten elektrischen Anomalien in der mittelozeanischen achsialen Magmakammer. (unten links) Quellezone entspricht dem ca. 17-20 % von teilgeschmolzenen Peridotit mit PyroxenKristalle oder dem ca. 4-5 % von Schmelzgrad in Olivingesteinen ohne Pyroxenen (Maumus, 2003).