Atom- und Molekülphysik Vorlesungsskript A. Stampa Universität GH Essen (Version 1999) 2 INHALT A. Einleitung 1. Welches Wissen wird vorausgesetzt? 2. Lehrbücher 6 7 B. Das Spektrum von Atomen mit einem Elektron 1. Das beobachtete Spektrum a) Die Balmerformel b) Spektrum des Wasserstoffs c) Wasserstoffähnliche Atome d) Ellipsenbahnen e) Das Spektrum der Alkalimetalle 2. Theorie des Wasserstoffatoms a) Quantenmechanische Grundlagen b) Das Wasserstoffproblem c) Inversionssymmetrie 8 8 9 10 12 13 16 16 17 25 C. Spin- Bahn- Magnetismus 1. Magnetisches Moment und Bahnbewegung a) Was ist Spin - Bahn- Magnetismus? b) Magnetisches Moment eines kreisenden Elektrons c) Das gyromagnetische Verhältnis 2. Spin des Elektrons a) Stern - Gerlach Versuch b) Landé - Faktor des Spins c) Aufbau der Elektronenhülle 3. Spin - Bahn - Kopplung a) Einleitung b) Die Addition von l und s c) Die Energie der Aufspaltung d) Multipletts der Alkalimetalle e) Intensitätsregeln f) Feinstruktur des Wasserstoffs 4. Kopplung in Mehrelektronensystemen a) Einleitung b) LS - Kopplung c) jj - Kopplung 27 27 27 28 29 29 29 30 31 31 31 31 33 33 34 36 36 36 38 D. Atome im äußeren Feld 1. Atome im B - Feld a) Einleitung b) Aufspaltungsmuster im Zeeman - Effekt c) Polarisation d) Energiedifferenzen e) Paschen - Back - Effekt 2. Atome im elektrischen Feld 39 39 39 40 41 44 46 3 a) Einleitung b) Linearer und quadratischer Starkeffekt c) Starkeffekt im Wasserstoff d) Starkeffekt als quantenmechanisches Störungsproblem 46 46 47 48 E. Die Verbreiterung von Spektrallinien 1. Einleitung 2. Dopplerverbreiterung 3. Stoßverbreiterung (Weißkopftheorie) a) Fourieranalyse b) Wahrscheinlichkeit für freie Flugzeit c) Wichtung mit W(t)dt 4. Zusammenwirken von Stoß- und Dopplerverbreiterung a) Faltungsintegral b) Voigtprofile c) Verallgemeinerungen 5. Quasistatische Verbreiterung a) Einleitung b) Wahrscheinlichkeit für ein Störteilchen zwischen r und r + dr c) Das Linienprofil d) Abgrenzung zwischen quasistatischer und Stoßverbreiterung 52 55 57 57 57 59 61 61 61 62 63 63 64 65 66 F. Übergangswahrscheinlichkeiten 1. Einleitung a) Grundbegriffe b) Abhängigkeit der Einsteinkoeffizienten untereinander c) Zusammenhang mit der Lebensdauer d) Zusammenhang mit εν und κν e) Lichtverstärkung 2. Oszillatorstärken a) Zusammenhang von Absorptionskoeffizient und Brechungsindex b) Klassische Dispersionstheorie c) Definition der Oszillatorenstärke d) Real- und Imaginärteil des Brechungsindexes e) Zusammenhang von f12 und B12 3. Experimentelle Bestimmung der Übergangswahrscheinlichkeiten a) Messung der Oszillatorenstärke in Absorption b) Bestimmung von f aus der Dispersion (Hakenmethode) c) Experimentelle Bestimmung der Übergangswahrscheinlichkeiten aus der Emission 4. Quantenmechanische Bestimmung der Übergangswahrscheinlichkeiten a) Einleitung b) Ansatz c) Entwicklungskoeffizienten d) Störoperator H´ e) Umrechnen von E2 auf Energiedichte f) Halbklassische Berechnung von A12 g) Auswahlregeln 67 67 68 68 69 70 71 71 71 72 72 73 75 75 75 76 78 78 78 79 80 82 83 84 4 G. Bemerkungen zu Röntgenspektren 1. Einleitung a) Übergänge eines äußeren Elektrons bei hochionisierten Atomen b) Übergänge zwischen inneren Schalen c) Augereffekt 88 88 89 H. Molekülphysik 1. Bildung eines Moleküls aus zwei Atomen a) Symmetrie des Kernpotentials b) Zusätzliche Freiheitsgrade 2. Struktur des Energieschemas a) Größenordnung der beteiligten Energien b) Das Termschema Das Spektrum 90 90 92 92 92 94 94 I. Bindungsenergie 1. Das Wasserstoffion H2+ a) Der Hamiltonoperator b) Ansatz c) Berechnen von c1 und c2 d) Die Wellenfunktion 2. Das Wasserstoffmolekül a) Problem b) Der Hamiltonoperator c) Ansätze 3. Die Hybridisierung a) s- und p- Wellenfunktionen b) Digonale Hybridisierung (sp) d) Trigonale oder sp2 -Hybridisierung 96 96 97 97 98 99 99 99 100 102 102 104 105 J. Symmetrien 1. Einleitung a) Warum Symmetriebetrachtungen? b) Einige Symmetrieoperationen 2. Punktgruppen a) Symmetrieoperationen b) Punktgruppen c) Reduktion der Matritzen d) Charaktertafeln e) Konstruktion von Charaktertafeln 107 107 107 108 108 110 113 115 118 K. Molekülspektren 1. Rotationsspektrum a) Energieniveaus zweiatomiger Moleküle b) Intensitäten c) Rotations - Ramanspektrum d) Der nichtstarre Rotator e) Isotopieeffekt f) Mehratomige Moleküle 120 120 121 123 124 125 125 5 2. Schwingungsspektrum a) Potential eines zweiatomigen Moleküls b) Harmonische Näherung c) Der anharmonische Oszillator d) Rotations - Schwingungsspektrum c) Mehratomige Moleküle 3. Elektronisches Spektrum a) Terme zweiatomiger Moleküle mit einem Valenzelektron b) Kopplung mehrerer Elektronen im zweiatomigen Molekül c) Intensitäten d) Photodissoziation 4. Ramanspektrum a) Die klassische Beschreibung des Schwingungs - Ramaneffektes b) Ramanaktivität c) Quantenmechanische Beschreibung d) Kohärente Ramanstreuung 126 126 126 127 129 131 134 134 136 139 140 140 140 141 141 6 KAPITEL A Einleitung 1. Welches Wissen wird vorausgesetzt? Das vorliegende Skript gibt den Inhalt der Vorlesung "Atom- und Molekülphysik" wieder, die im SS 97 in Essen für Physikstudenten im Hauptstudium gelesen wurde. Die Vorlesung Grundlagen IV, die eine allgemeine Einführung in die Vorstellungen zum Aufbau der Materie liefert, wird vorausgesetzt, d.h. die geschichtliche Entwicklung, die zu der Vorstellung geführt hat, daß die Materie aus Atomen zusammengesetzt ist, sollte bekannt sein. Dazu gehört die Vielzahl von Beobachtungen auf sehr unterschiedlichen Gebieten, die schließlich zu quantitativen Angaben wie der Avogadrozahl, also der Anzahl von Molekülen in einem Mol eines Stoffes, der Masse, der Ladung, der Größe und anderer Eigenschaften von Atomen geführt hat. Ebenso sollten die experimentellen Grundlagen der Quantenphysik bekannt sein, also die drei Schlüsselexperimente zum Photonencharakter des Lichts: α) Hohlraumstrahlung Die Gesetze der Hohlraumstrahlung sollten geläufig sein. Was sagte die klassische Thermodynamik voraus? Wo waren die Prognosen korrekt? Wo führten sie auf einen Widerspruch? Wie wurde dieser mit der Quantenhypothese gelöst? β) Der äußere Photoeffekt Was sagt die klassische Vorstellung voraus? Was wurde beobachtet? Wie konnten mit Hilfe der Quantenvorstellung die Diskrepanzen beseitigt werden? γ) Der Comptoneffekt Welche Wellenlängenverschiebung gegenüber der Rayleigh-Streuung mißt man bei genügend harter Röntgenstrahlung? Wie erklärt man sie mit dem Photonenbild? Diese drei Experimente führen zusammen mit den Beugungsversuchen von Teilchenstrahlen, die den Wellencharakter von Teilchen zeigen, zum Dualismus Teilchen-Welle. Wie machen sie bei einem Beugungsversuch der Teilchencharakter, wie der Wellencharakter bemerkbar? Eine wichtige Vorraussetzung für die Atom- und Molekularphysik ist die Kenntnis der Hülle-Kern-Struktur. Der Rutherfordsche Streuversuch sollte bekannt sein. In der "Atom- und Molekülarphysik" läßt man die Physik des Kerns soweit wie möglich außen vor. Die wesentliche Information erhält man aus dem Spektrum zum Teil auch aus Elektronen-Stoßversuchen wie dem Franck-Hertz-Versuch. Im vorliegenden Skript wird zum weitaus überwiegenden Teil auf die Spektroskopie zurückgegriffen. Einen ersten Erklärungsversuch für die verwirrende Vielzahl von spektroskopischen Daten lieferte die halbklassische Theorie von Bohr und Sommerfeld. Für uns ist sie eine Merkformel, um relativ mühelos spektroskopische Phänomene ins Gedächtnis zu rufen. Wichtige Ergebnisse sind die Balmerformel für Einelektronensysteme sowie ihre Abwandlungen für Atome mit Rumpfelektronen und einem Leuchtelektron und das charakteristische Röntgenspektrum. Alle 7 diese Tatsachen wurden im Grundkurs IV bereits behandelt, werden aber im vorliegenden Skript um der Geschlossenheit der Darstellung willen wiederholt. Das gleiche gilt für die Phänomenologie des Spins, den Stern-Gerlach und den Einstein-de Haas Versuch. Von der Theorie sollte die Schrödingergleichung und ihre Anwendung auf einfache Probleme, z.B. das eindimensionale Problem des Teilchens im Potentialtopf bekannt sein. Dazu gehören auch der Umgang mit Operatoren und ihren Eigenfunktionen. In einigen Fällen wird von der Störungsrechnung und anderen Näherungsverfahren Gebrauch gemacht. 2. Lehrbücher Die Ausführungen stützen sich im wesentlichen auf die folgenden Lehrbücher: 1. H. Haken, H.C. Wolf: Atom- und Quantenphysik (Springer, Berlin) 2. H. Haken, H.C. Wolf: Molekülphysik und Quantenchemie (Springer, Berlin) 3. W. Demtröder: Laserspektroskopie (Springer, Berlin) Folgende zusammenfassende Ausgaben enthalten ebenfalls den gesamten Stoff: 4. W. Finkelnburg: Einführung in die Atomphysik (Springer, Berlin) 5. K. Bethge, G. Gruber: Physik der Atome und Moleküle (VCH, Weinheim) 6. K.H. Hellwege: Einführung in die Physik der Atome (Springer) Kurze Zusammenfassungen in Taschenbuchformat, z.T. nur der Atom- oder Molekülphysik liefern: 7. T. Mayer-Kuckuck: Atomphysik (Teubner) 8. P. Zimmermann: Einführung in die Atom- und Molekülphysik (Akad. Verlagsges. Wiesbaden) 9. U. Gradman/ H. Wolter: Grundlagen der Atomphysik (Akad. Verlagsges. Frankfurt) 10. A. Beiser: Atome, Moleküle, Festkörper (Vieweg, Braunschweig) 11. W. Döring: Atomphysik und Quantenmechanik Bd.I. (de Gruyter, Berlin) Die spektroskopischen Aspekte berücksichtigen besonders: 12. H.E. White: Introduction to Atomic Spectra (Mc Graw-Hill) 13. K.G. Woodgate: Elementare Struktur der Atome (R. Oldenbourg, München) 14. A. Corney: Atomic Laser Spectroscopy (Clarendon Press, Oxford) 8 KAPITEL B Das Spektrum von Atomen mit einem Elektron 1. Das beobachtete Spektrum a) Die Balmerformel Das einfachste Atomspektrum zeigt der Wasserstoff. Es läßt sich vollständig und mit einer sehr hohen Genauigkeit mit dem Bohrschen Modell konstruieren. Im einfachsten Bild geht man von einem ruhenden Kern der Ladung Ze aus, der von einem Elektron umkreist wird. Abb. 1: Die Bahn des Elektrons in der einfachsten Form des Bohrschen Modells Die Kraft ist durch das Coulombgesetz gegeben 2 F = Ze 2 4πε 0 r Die Quantenbedingung von Planck ∆E = hν wird verallgemeinert zu ∫ pdq = nh q ist eine allgemeine Ortskoordinate, p der dazugehörige Impuls, z.B. • q = ϕ → p = mr 2 ϕ Es wird über eine geschlossene Bahn im Phasenraum integriert. Im allgemeinen benötigt man für jeden Freiheitsgrad eine Quantenbedingung. Ohne Berücksichtigung des Kernspins, d.h. der Hyperfeinstruktur hat das Elektron 4 Freiheitsgrade, drei räumliche der Bahn und einen Spinfreiheitsgrad. Als sinnvolle Quantenzahlen für ein Einelektronensystem haben sich ergeben: n: Hauptquantenzahl. Sie bestimmt die Gesamtenergie der Bahn l: Bahndrehimpulsquantenzahl ml: magnetische Quantenzahl. Sie bestimmt die Projektion von l auf eine vorgegebene Richtung z.B. ein Magnetfeld j: Gesamtdrehimpulsquantenzahl. Der Gesamtdrehimpuls ist die Summe aus Bahn- und Spinanteil 9 Für manche Zwecke ist es günstiger statt j die Spinquantenzahl ms zu wählen, die bei einem Elektron die Werte ±1/2 annehmen kann. Das Bohrsche Modell liefert - wie im Grundkurs gezeigt - sofort den Radius der Bahn r= n 2 h/ 2 (4πε 0 ) 2 Für n = 1, Z = 1 ergibt sich der Radius des Wasserstoffatoms im Grundzustand, der Bohrsche Radius r0 = 0,5 · 10-10 m Die Energiestufen ergeben sich zu E n = Z 2 R ∗ 12 n Läßt man die Mitbewegung des Kerns zu, indem man die Elektronenmasse me durch die reduzierte Masse ersetzt, kann R* auf die massenunabhängige Konstante R*∞ zurückgeführt werden R∗ = R ∗∞ 1 + m e /m i mit R ∗∞ = e4m 2(4πε 0 ) 2 h/ 2 In der Spektroskopie rechnet man gerne mit Wellenzahlen ν = 1 = νc = hν λ hc R in Wellenzahleinheiten heißt die Rydbergkonstante R = R ∗∞ /hc = 109737, 31cm −1 b) Spektrum des Wasserstoffs Die Wellenzahlen der Spektrallinien ergeben sich dann aus den Termdifferenzen ν = R 12 − 12 mit ganzzahligen m und n. Die Linien gruppieren sich in Serien für festes n und laufendes m. m = n + 1 führt jeweils zur hellsten Linie der Serie. Sie liegt an der roten Seite der Serie. Für wachsendes m konvergieren 10 Abb.2: Die Spektralserien des Wasserstoffs die Linien gegen die Seriengrenze, wobei die Intensitäten abnehmen und die Linien i.a. verbreitern. An die Seriengrenze schließt sich das Seriengrenzkontinuum an. Die hellste Linie hat den Übergang n = 1 → n = 2 . Sie heißt Lyman α (Lα) mit der Wellenlänge λLα = 121 nm. Für n = 1, m → ∞ ergibt sich die Ionisierungsenergie Eion = R* = 13,6 eV. c) Wasserstoffähnliche Atome Abb. 3: Die Abhängigkeit der Rydbergkonstanten von der Masse Die Rydbergkonstante hängt von der Masse des Atoms ab, was experimentell durch Vergleich von Spektren von Atomen unterschiedlicher Masse bestätigt wurde (Abb. 3). Diese Aussage führte zur Entdeckung des schweren Wasserstoffs durch Urey (1932). Der Deuteriumkern besteht aus einem Proton und einem Neutron und ist damit doppelt so schwer wie ein Wasserstoffkern. Atome, die durch Ionisation alle Elektronen bis auf eins verloren haben, zeigen wasserstoffähnliche Spektren, in denen alle Details gleich sind wie bei H, wenn man R durch Z2R ersetzt (Z ist die Kernladungszahl). Pickerung entdeckte im Stern ζ Puppis eine Serie von Spektrallinien, bei der jede 2. Linie mit einer Wasserstofflinie zusammenfiel. Diese erklärt sich zwanglos aus der Bohrschen Formel als Serie des ionisierten Heliums mit Z = 2. ν = 4R H 12 − 12 n1 n2 Die Mitglieder der Pickerung-Serie fallen wegen des Isotopie-Effektes nicht genau mit den Wasserstofflinien zusammen. 11 In der Spektroskopie nennt man üblicherweise das Spektrum des neutralen Elementes A das AI-Spektrum, des einfach ionisierten AII usw.. Die Spektren des wasserstoffählichen Ionen HI, He II, Li III haben folgende Gestalt: Abb. 4: Termschemata von Wasserstoffähnlichen Atomen Die Resonanzlinien liegen bei 30,3 nm und 13,5 nm.In Fusionsplasmen erzeugt man wasserstoffähnliche Spektren, z.B. von Eisen. Myonenatome Man kann in einem Atom das Leuchtelektron durch ein Myon ersetzen. Das Myon hat die gleiche Ladung wie das Elektron, aber eine 207 mal größere Masse und eine Lebensdauer von 2,2 · 10-6s. Es entsteht bei Beschuß von Materie mit energiereichen Protonen. Zunächst entstehen Pionen p + n → p + p + π− (mπ = 273me) Diese zerfallen in 2,5 · 10-8s in ein Myon und ein Myonneutrino: π− → µ− + νµ Myonen können von ionisierten Kernen eingefangen werden und ersetzen dann ein Elektron. Der Radius der Bahn ist um das Massenverhältnis kleiner als die Bahn des Elektrons und kann in der Nähe des Kernradius liegen. Die Strahlung der Myonenatome liegt im harten Röntgengebiet, klingt mit der Halbwertzeit der Lebensdauer der Myonen ab und erlaubt Aussagen über das Kernpotential in der Nähe der Kernoberfläche. Eine mögliche Anwendung der Myonenatome ist die myonenkatalytische Fusion. 12 Innere Schalen Die betrachteten Termschemata, z.B. der Alkalimetalle, beziehen sich nur auf das äußerste Elektron (Leuchtelektron). Die inneren Elektronen befinden sich auch in diskreten Energiezuständen, deren Gesamtenergien aber gegenüber den Werten, die eine Balmer-Formel ergeben würde, durch Störung benachbarter Elektronen verschoben sind. Man kann den Energiezuständen aber ebenfalls Quantenzahlen n, l, m, s zuordnen. Ein Energiezustand mit einer bestimmten Kombination von Quantenzahlen kann nach dem Pauli-Prinzip nur von einem Elektron besetzt werden. In Termtabellen wird die Elektronenkonfiguration im Grundzustand durch Angabe der Elektronen für jedes n und l angegeben, z.B. für Na: (1s)2 (2s)2 (2p)6 3s Das 3s Elektron ist das Leuchtelektron, der Rest der Rumpf. Die Energiedifferenzen zwischen inneren Schalen sind größer als die im Termschema des Leuchtelektrons. Übergänge können erfolgen, wenn z.B. durch Elektronenbeschuß ein inneres Elektron ausgelöst wird und auf den frei werdenden Platz ein Elektron von einer höheren Schale nachfällt. Dies ist der Mechanismus zur Erzeugung diskreter Röntgenstrahlung. d) Ellipsenbahnen Läßt man Ellipsenbahnen für die Bewegung des Elektrons zu, so muß wegen des zusätzlichen Freiheitsgrades eine neue Quantenzahl, die Drehimpulsquantenzahl l, eingeführt werden: l = 0, 1, 2, ...n - 1 Zu jedem n gehört ein Satz von n Ellipsen unterschiedlicher Exzentrizität, und zwar ist für l = 0 die Exzentrizität am größten, für l = n - 1 erhält man eine Kreisbahn. (Abb. 5). Abb. 5: Zuordnung der Elliptizität zum Drehimpuls Im klassischen Bild haben alle Bahnen die gleiche Energie. Man sagt, die Energie ist n-fach entartet. Man bezeichnet die Zustände mit S, P, D, F, ..., wobei die Zuordnung in Tabelle i gegeben ist. Tabelle I: Termbezeichnung Drehimpulsquantenzahl und 13 Bei Berücksichtigung der relativistischen Massenzunahme ergibt sich durch die größere Geschwindigkeit der Elektronen in Kernnähe bei Bahnen größerer Elliptizität eine etwas kleinere Energie. Nach Sommerfeld wird im Wasserstoff 2 α 2 Z2 E n = Z 2 R 1 + 2 n − 3 l+1 4 n n e 2 = 1 , die sogenannte Feinstrukturkonstante, eine dimensionslose Zahl ist. 2ε 0 hc 137 Sie gibt das Verhältnis der Geschwindigkeit des Elektrons auf der 1. Bohrschen Bahn zur Lichtgeschwindigkeit an. Die entsprechende quantenmechanische Rechnung liefert einen Ausdruck, bei dem im ersten Term der runden Klammer l + 1/2 statt l + 1 im Nenner steht. Außerdem ergibt sich eine weitere Korrektur durch Spin/Bahn-Wechselwirkung. Die Feinstrukturaufspaltung in Wasserstoff kann bei genügendem Auflösungsvermögen beobachtet werden. Bei den Alkalimetallen taucht das Elektron in die Wolke der Rumpfelektronen. Die Abschirmung der Kernladung durch die Rumpfelektronen wird dadurch vermindert, die Bindungsenergie wird dadurch größer. Die Terme der Alkalimetalle liegen daher tiefer als die entsprechenden Wasserstoffterme. wobei α = Abb. 6: Eine Tauchbahn e) Das Spektrum der Alkalimetalle Die Alkalimetalle Na, Li, K, Rb, Cs besitzen ein Valenzelektron, dessen Anregung für ihr Spektrum verantwortlich ist, und mehr oder weniger Elektronen in abgeschlossenen Schalen, die man als Rumpfelektronen zusammenfaßt. Diesen Rumpf stellen wir uns als eine kugelförmige Ladungswolke mit einer Gesamtladung (Z - 1)e0 vor. Befindet sich das Elektron auf einer Kreisbahn (l = n - 1), wird es nicht vom Rumpf beeinflußt. Es sieht die Zentralladung eo(Z - 1 Elementarladungen werden vom Rumpf abgeschirmt), und die Energie ist die des Wasserstoffs. Je kleiner l wird, desto elliptischer ist die Bahn und desto tiefer taucht das Elektron in den Rumpf. Dadurch ist es im Zeitmittel einer kleineren Abschirmung ausgesetzt als für l = n - 1, und die Bindung wird stärker. D.h. je elliptischer die Bahn, also je kleiner l und je näher sie am Rumpf verläuft, also je kleiner n, desto größer werden die Abweichungen von den entsprechenden Wasserstofftermen. Die Energien liegen tiefer als die der Wasserstoffterme. 14 Als Resultat wird die l-Entartung aufgehoben. Jedes Niveau mit der Hauptquantenzahl n spaltet in n Unterniveaus auf mit der Bahndrehimpulsquantenzahl l. Die Bezeichnung ist in Tabelle I wiedergegeben. Die Energien der Terme sind durch E n,l = R 1 2 (n − µ l ) gegeben. Die Korrektur gegenüber den Energiewerten des Wasserstoffs, der Quantendefekt µl hängt in erster Näherung nur von l ab, ist also innerhalb einer Serie im wesentlichen konstant. Das Termschema ("Grotriandiagramm") zeigt Abb. 7. Das beobachtete Spektrum erhält man, wenn man als Auswahlregel einführt, daß nur Übergänge mit ∆l = ±1 erlaubt sind. Abb. 7: Termschema der Alkalimetalle Bezeichnet man die Terme mit l = 0 mit nS, l = 1 mit nP, l = 2 mit nD, usw. so erhält man folgende Serien (Tabelle II). Tabelle II: Serien der Alkalimetalle Die Grundniveaus sind bei Na: 3S, K: 4S, Rb: 5S. Bei größer werdender Auflösung zeigt sich, daß das, was vorher als eine Linie angesprochen worden war, oft aus mehreren Komponenten besteht. Die Aufspaltung von Termen mit bestimmter Hauptquantenzahl n und Drehimpulsquantenzahl l nennt man Feinstruktur. Sie hängt mit der Spin/Bahndrehimpuls-Wechselwirkung zusammen (Kap. C). Die Aufspaltung jeder Feinsrukturkomponente nennt man Hyperfeinsruktur. Sie hängt mit der Kernspin/Bahndrehimpuls-Wechselwirkung zusammen. Die Doublett-Aufspaltung der Alkalimetall-Terme gehört zur Feinstruktur. 15 Der Quantendefekt bei den Alkalimetallen ist innerhalb einer Serie nicht genau konstant. Eine gute Übereinstimmung (∆λ < 0,01 nm) läßt sich erzielen mit einer allgemeineren Formel nach Ritz ν=A− B n + a + b n2 2 Im allgemeinen kann man den Quantendefekt wenigstens durch eine glatte Kurve interpolieren. Bei komplizierten Atomen kann es vorkommen, daß der Quantendefekt unregelmäßig mit n fortschreitet. 16 2. Theorie des Wasserstoffatoms a) Quantenmechanische Grundlagen Während die klassische Mechanik den Zustand eines Teilchens durch Angabe seiner Orts- und Impulskoordinaten zu einer bestimmten Zeit festlegt, ist in der Qantenmechanik die gesamte Information über das Teilchen (bzw. das berachtete System) in der Wellenfunktion ψ enthalten. ψψ∗ wird als Wahrscheinlichkeitsdichte interpretiert, das Teilchen zur Zeit t bei r zu finden. Das dynamische Verhalten, d.h. die zukünftige Entwicklung von ψ wird durch eine Differentialgleichung für ψ beschrieben, die Schrödinger Gleichung. Gegenüber dem klassischen Verhalten von Teilchen ergibt sich als einschneidende Neuerung, daß das zukünftige Verhalten durch eine Beobachtung prinzipiell beeinflußt wird. Dies liegt daran, daß eine Beobachtung eine Wahrscheinlichkeitsverteilung unstetig ändert, denn unmittelbar nach der Beobachtung ist z.B. der Ort eines Teilchen genau bekannt. Da die augenblickliche Form von ψ das zukünftige Verhalten bestimmt, ändert sich also auch das zukünftige Verhalten unstetig. Die Form der Schrödingergleichung rufen wir uns an dem Verhalten einer ebenen Materiewelle ins Gedächtnis ψ = ψ 0 e i(k•r−ωt) in der wir k und ω durch die de-Broglie und die Einsteinbeziehung ersetzen E = h/ ω p = h/ k Man erhält ψ = ψ 0 e (i/h/ (p•r−Et)) und die Beziehungen ∂ψ iE ∂ = ψ , d.h. ih/ ψ = Eψ ∂t h/ ∂ ip ∇ψ = ψ , d.h.−ih/ ∇ψ = pψ h/ (3.1) ∂ bzw. −ih/ ∇ sind. ∂ Dies gibt uns die Jordanschen Ersetzungsregeln an die Hand, die angeben, daß man von den klassischen Gleichungen zu den entsprechenden quantenmechanischen kommt, indem man ersetzt: Die Beziehungen 3.1 besagen, daß E und p Eigenwerte der Operatoren ih/ 17 ∂ ∂t p → −ih/ ∇ E → ih/ (3.1) Im allgemeinen gibt es zu einem Operator einen ganzen Satz von Eigenfunktionen und dazugehörigen Eigenwerten, die diskret oder kontinuierlich liegen können. Ist ψ nicht gerade eine Eigenfunktion, so kann sie als Linearkombination von Eigenfunktionen dargestellt werden. Die zeitabhängige Schrödingergleichung erhält man, indem man vom Energiesatz ausgeht und die Jordanschen Relationen anwendet: p2 E = T + V(r, t) = m + V(r, t) 2 ∂ ih/ ψ = h/ ∇ 2 ψ + V(r, t)ψ ∂t 2m ∂ ih/ ψ = Hψ ∂ mit 2 H = − h/ ∇ 2 + V(r, t) 2m Wenn das Potential V nicht explizit von der Zeit abhängt, kann man die Schrödingergleichung nach r und t abhängigen Anteil separieren. Man geht mit dem Ansatz ψ = R(r)T(t) in die Schrödingergleichung ∂ T(t)HR(r) = R(r)ih/ T(t) ∂ 1 HR(r) = 1 ih/ ∂ T(t) (3.2) R(r) T(t) ∂t Diese Gleichung ist nur dann für alle r und t erfüllbar, wenn jede Seite konstant ist. Die Konstante E muß die Gesamtenergie sein, da H der Operator der Gesamtenergie ist. b) Das Wasserstoffproblem α) Schrödingergleichung für das Coulombpotential Beim Wasserstoffproblem ist das Elektron dem Coulombpotential ausgesetzt 2 V(r) = − Ze 4πε 0 r 18 Abb. 8: Kugelkoortdinaten Durch Transformation auf den Schwerpunkt, d.h. Einführung der reduzierten Masse statt der Elektronenmasse läßt sich wie in der klassischen Theorie die Behandlung der Schwerpunktsbewegung vermeiden. Da die Ortsabhängigkeit im Potential durch r beschrieben wird, ist es ratsam, den Laplace-Operator in Kugelkoordinaten umzuschreiben. ∂ 2∂ 1 ∂ sin ϑ ∂ + 1 ∂ 2 ∇ 2 = 12 r + ∂ϑ sin 2 ϑ ∂ϕ 2 r ∂r ∂r sin ϑ ∂ϑ Die Schrödingergleichung lautet dann 2 ∂ψ ∂ 1 ∂ ψ + 2m E + Ze 2 ψ = 0 1 ∂ r 2 ∂ψ + 1 sin ϑ + ∂ϑ r 2 sin2 ϑ ∂ϕ 2 h/ 2 4πε 0 r r 2 ∂r ∂r r 2 sin ϑ ∂ϑ β) Separation der Variablen Durch Separation der Variablen trennt man zunächst Winkel- und Radialanteil ψ(r) = R(r)Y(ϑ, ϕ) 1 d r 2 dR + 2mr 2 E + Ze 2 = − 1 1 ∂ sin ϑ ∂Y + 1 ∂ 2 Y Y sin ϑ ∂ϑ 4πε 0 r R dr dr ∂ϑ sin 2 ϑ ∂ϕ 2 h/ 2 Es ergeben sich also zwei Gleichungen mit einer noch unbekannten Separationkonstanten A. mit E + Ze 2 − A = 0 R // + 2r R / + R 2m 2 4πε 0 r r 2 h/ R / = dR dr 1 ∂ sin ϑ ∂Y + 1 ∂ 2 Y + AY = 0 ∂ϑ sin 2 ϑ ∂ϕ 2 sin ϑ ∂ϑ Der Winkelanteil wird separiert Y(ϑ, ϕ) = Θ(ϑ)Φ(ϕ) (3.3) 19 wobei eine neue Separationskonstante B eingeführt wird. Φ // (ϕ) = −BΦ(ϕ) (3.4) 1 sin ϑ d sin ϑΘ / (ϑ) + A sin 2 ϑ = B ] [ Θ(ϑ) dϑ γ) Lösung für Φ(ϕ) Die Lösung für Φ(ϕ) ist Φ(ϕ) = Φ 0 e i Bϕ Damit die Lösung sinnvoll ist, muß sie verschiedene Bedingungen erfüllen, z.B. muß sie eindeutig sein und im Unendlichen verschwinden. Dies ist wie für eine stehende Welle in einem Medium nur für gewisse Sonderfälle möglich. Dadurch wird die Menge der möglichen Konstanten A und B eingeschränkt. Φ(ϕ) ist nur eindeutig, wenn m = B ganzzahlige Werte annimmt: m = 0, ±1, ±2,... Φ0 ergibt sich aus einer Normierung, d.h. Φ(ϕ) = e ±imϕ (3.5) Interpretation: Vom klassischen Bild her vermuten wir, daß m die z-Komponente des Drehimpulses bestimmt. Wir betrachten daher den Drehimpulsoperator, den wir uns konstruieren, indem wir im Drehimpuls L=rxp p nach Gl. 3.1 ersetzen L = −ih/ r×∇ in kartesischen Koordinaten ∂ ∂ L x = −ih/ y − z ∂z ∂y ∂ ∂ L y = −ih/ z − x ∂ ∂ ∂ ∂ L z = −ih/ x − y ∂y ∂x Durch Transformation auf Kugelkoordinaten 20 y = r sin ϑ sin ϕ x = r sin ϑ cos ϕ z = r cos ϑ Durch Anwendung der Kettenregel folgt hieraus: ∂ψ ∂ψ(x(ϕ), y(ϕ), z(ϕ)) ∂ψ ∂x ∂ψ ∂y ∂ψ ∂z ∂ψ (r sin ϑ(−sin ϑ)) + = + + = r sin ϑ cos ϕ ∂ϕ ∂x ∂ϕ ∂y ∂ϕ ∂z ∂ϕ ∂x ∂y ∂ψ ∂ψ ∂ψ = −y +x ∂ϕ ∂x ∂y Ähnlich leitet man ab, daß ∂ ∂ ∂2 (3.6) L 2 = −h/ 2 1 sin ϑ + 12 ∂ϑ sin ϑ ∂ϕ 2 sin ϑ ∂ϑ Man sieht, daß ∂ψ ∂ϕ und durch Anwendung auf Φ(ϕ) nach 3.5, daß L z = −ih/ L z ψ = mh/ ψ also der Erwartungswert von Lz ist. Im halbklassischen Bild heißt dies, daß die Projektion des Drehimpulses auf eine (z.B. durch ein Magnetfeld) vorgegebene Richtung ganzzahlige Vielfache von h/ annehmen kann. m heißt deshalb die magnetische Quantenzahl Abb. 9: Quantelung der Drehimpulses anschaulich z-Komponente des δ) Lösung für Θ(ϑ) Die Gleichung für Θ(ϑ) ,(Gl. 3.4) kann durch geeignete Substitution auf eine Differentialgleichung für Legendre Polynome zurückgeführt werden. B wird durch m2 ersetzt. Die Substitution: x = cos ϑ ergibt (1 − x 2 )Θ // − 2xΘ / + [A − m 2 /(1 − x 2 )]Θ = 0 (3.7) (Θ / = dΘ ) dx und Θ = (1 − x 2 ) m/2 y(x) führt zu (1 − x 2 )y // − 2(m + 1)xy / + [A − m(m + 1)]y = 0 (3.8) 21 Versucht man, diese Differentialgleichung mit einem Reihenansatz zu lösen, y = Σ akxk so erhält man für die Koeffizienten ak die Rekursionsformel: 2 2 a k+2 = k + k + 2mk + m + m − A a k (k + 2)(k + 1) (k + m) 2 + (k + m) − A a k+2 = ak (k + 2)(k + 1) Die unendliche Reihe divergiert, d.h. man erhält nur brauchbare Lösungen, wenn die Reihe abbricht, d.h.für solche A und m, bei denen der Zähler verschwindet. Dies ist der Fall für A = l 2 + l = l(l + 1), (l = 0, 1, 2, 3,...) und m ≤ l Interpretation Aus Gl. 3.3 und Gl. 3.6 mit der Bedingung A = l(l+1) erhält man L 2 Y = l(l + 1)h/ 2 Y Daraus liest man ab, daß l(l + 1) h/ der Erwartungswert von |L| ist. l heißt deshalb die Bahndrehimpulsquantenzahl. Die Gleichung 3.8 ist für m = 0 die Legendresche Differentialgleichung. Die Lösungen sind die Legendre Polynome, die auch Kugelfunktionen genannt werden. d l (x 2 − 1) P l (x) = 1l l l (3.9) Für die ersten Werte von l sind sie in Abb. 10 dargestellt. Abb. 10: Legendre Polynome 22 Durch Rücktransformation erhält man Θ(ϑ ). Θ = (1 − x 2 ) m/2 d m P (x) = P m l l dx m Plm sind die zugeordneten Kugelfunktionen. Die zugeordneten Kugelfunktionen niedriger Ordnung sind in Tabelle III aufgeführt. Tabelle III: Zugeordnete Kugelfunktionen Die gesamte Winkelabhängigkeit kann dann folgendermaßen dargestellt werden: Y lm (ϑ, ϕ) = e imϕ sin m ϑ d m P (cos ϑ) l d cos ϑ m Ylm sind Kugelfunktionen. Zu jedem l gibt es 2l + 1 Lösungen mit −l ≤ m ≤ +l ε) Lösung für R(r) Um die Differentialgleichung für den radialen Anteil auf eine übersichtliche Form zu bringen, sind zwei Maßnahmen erforderlich: 1. Um die vom Maßsystem abhängigen Konstanten loszuwerden, wird r auf den Bohrschen Radius a und E auf die Rydbergkonstante R normiert. r = aρ, E = R H η h/ 2 (4πε 0 ) me 4 a= , R = H me 2 2(4πε ) 2 h/ 2 Die Differentialgleichung für R(ρ ) nimmt dann die Form an 2 R / + η + 2Z − l(l + 1) R = 0 R // + ρ ρ ρ2 (3.10) 23 2. Um das Verschwinden von R bei ρ → ∞ zu erzwingen, wird 3.10 für ρ → ∞ untersucht. 3.10 lautet für den asymptotischen Grenzfall d 2 R + ηR = 0 dρ 2 mit der Lösung R asym = Ke −ρ −η Daher geht man mit dem Ansatz R(ρ) = U(ρ)e −ρ rentialgleichung für U(ρ) : −η in Gl. 3.10. Man erhält dann eine Diffe- ρ 2 U // + 2 1 − ρ −η ρU / + 2 z − −η ρ − l(l + 1) U = 0 die mit einem Reihenansatz gelöst werden kann. Der Reihenansatz führt zu der Rekursionsformel cν = 2 −η ν − Z ν(ν + 1) − l(l + 1) c ν−1 Wie für den Winkelanteil divergiert die Reihe. Die einzigen sinnvollen Lösungen ergeben sich, wenn die Reihe abbricht. Dies ist der Fall für −η ν − Z = 0 woraus sofort die Balmerformel folgt 2 E n = −R Z 2 n Die Forderung, daß der Nenner nicht verschwindet, führt zu der Bedingung l<n Die Lösung des Radialanteils hat damit die Form R nl (r) = N nl e − ρ L 2l+1 n+l 2 −η ρ −η ρ l Dabei ist Nnl ein Normierungsfaktor, L 2l+1 hängt mit den Laguerreschen Polynomen n+l zusammen, die man ähnlich wie die Kugelfunktionen mit einer Differentiationsvorschrift konstruieren kann: 24 ν L ν = e ρ d ν (e −ρ ρ ν ) dρ Die zugeordneten Polynome erhält man dann aus µ µ Lν = d µ Lν dρ Die Darstellung der Radialanteile der Wellenfunktion zeigt, daß für l ≠ 0; Rnl(0) = 0. Für l = 0 gibt es eine endliche Aufenthaltswahrscheinlichkeit bei r = 0. Diese Tatsache hat für die Hyperfeinstruktur Bedeutung. Die Größe des Atoms wird durch den Erwartungswert von r beschrieben. ∞ 〈r k 〉 = ∫ R ∗ln r k R ln r 2 dr 0 <1/r> entspricht genau dem reziproken Wert des Bohrschen Radius. Die Gesamtlösung schreibt sich dann ψ n,l,m = e imϕ P ml (cos ϑ)R nl (r) Abb. 11: Die Funktionen Plm(cosθ). Die Funktionen Rnl(r) und Plm (cosϑ ) sind in Abb. 11 und Abb.12 dargestellt. Abb. 12: Die radialen Funktionen Die Funktionen ψ l,n,m nennt man auch Orbitale. Eine räumliche Vorstellung von Orbitalen mit kleinen Quantenzahlen bietet Abb. 13. Das s-Orbital ist kugelsymmetrisch. Das pz-Orbital mit l = 1 und m = 0 erstreckt sich entlang der z-Achse (Y1,0 = cosϑ ). Entsprechende Orbitale entlang den anderen beiden Achsen erhält man durch Linearkombination p x = Y 1,1 + Y 1,−1 ∼ x sin ϑ 25 p y = Y 1,1 − Y 1,−1 ∼ y sin ϑ unter Verwendung von Y 1,±1 = sin ϑe ±iϕ = sin ϑ(x ± iy) Abb. 13: s- und p- Orbitale c) Inversionssymmetrie von ψ l,n,m Für viele Zwecke, z.B. die Berechnung von Übergangswahrscheinlichkeiten sind Symmetrieeigenschaften von Wellenfunktionen von zentraler Wichtigkeit. Symmetrieeigenschaften bleiben oft erhalten, wenn Elektronenorbitale durch andere Teilchen gestört werden, etwa beim Aufbau eines Moleküls aus Atomen. Symmetrieeigenschaften sind daher vorteilhaft zur Kennzeichnung von Zuständen. Eine wichtige Symmetrieeigenschaft ist die Symmetrie gegenüber Spiegelung an einem Punkt, für den man den Koordinatenursprung wählt. In Kugelkoordinaten ist diese Inversion gleichbedeutend mit Ersetzung von ϕ durch ϕ+π θ durch θ+π und Belassen von r. In der Physik beschreibt man das Symmetrieverhalten gegenüber Inversion durch die Parität. Eine gerade Funktion (im Beispiel für eine Variable) mit fg(x) = fg(-x) hat die Parität 1, eine ungerade mit fu(x) = -fu(-x) hat die Parität -1. Formal kann man die Parität als Eigenwert einführen. Der Inversionsoperator I macht aus einer Funktion f(x) die invertierte Funktion If(x) = f(−x) d.h. für gerade bzw. ungerade Funktionen gilt If g (x) = f g (x) mit dem Eigenwert 1 If u (x) = −f u(x) mit dem Eigenwert -1 Das Produkt von zwei Funktionen mit definierter Parität ist gerade, wenn beide gleiche Parität haben, sonst ungerade. Die Parität von Ylm ergibt sich aus folgender Überlegung. 26 Die Legendrepolynome werden durch l-malige Differentiation eines geraden Polynoms erzeugt. Daher gilt für die Parität P P(P l ) = (−1) l Ebenso entstehen die zugeordneten Kugelfunktionen aus Pl durch Differentiation. Wegen ist also d m P (x) l dx m P(P ml ) = (−1) l (−1) m = (−1) l+m P ml = (1 − x 2 ) m/2 Diese Eigenschaft läßt sich direkt aus Tabelle III ablesen. eimϕ hat die Parität wie sinmϕ oder cosmϕ, P(e imϕ ) = (−1) m so daß insgesamt die Parität für eimϕ Plm unabhängig von m ist. Damit ergibt sich P(Y l,m ) = (−1) l 27 KAPITEL C Spin-Bahn-Magnetismus 1. Magnetisches Moment und Bahnbewegung a) Was ist Spin-Bahn-Magnetismus? In der bisherigen Betrachtung wurde die magnetische Wechselwirkung außer Betracht gelassen. Eine kreisende elektrische Ladung erzeugt aber einen Dipol. Wenn wir das magnetische Dipolmoment mit µ bezeichnen, wird durch ein äußeres Feld B auf ihn ein Drehmoment M0 = µ × B ausgeübt und eine potentielle Energie W magn = µ • B erzeugt. Hierdurch ergibt sich eine Beeinflussung der Energieterme in einem äußeren Magnetfeld, die im Zeeman-Effekt beschrieben wird. Es zeigt sich, daß das Elektron neben dem mit dem Bahndrehimpuls verknüpften magnetischen Moment µl ein mit dem Spin (im klassischen Bild der Drehung um den eigenen Schwerpunkt) verknüpftes magnetisches Moment µs besitzt. Dieses wechselwirkt mit µl. Man sieht klassisch sofort ein, daß die Energie eines Systems von zwei Dipolen von der gegenseitigen Ausrichtung abhängt. Da diese Ausrichtung gequantelt ist, ergibt sich eine Aufspaltung in eine endliche Anzahl von Niveaus, bei einem Leuchtelektron in zwei Niveaus. Diese Aufspaltung, die also ohne äußeres Magnetfeld vorhanden ist, nennt man Feinstruktur. Abb. 15: Die Gesamtenergie eines Systems von Magneten hängt von der gegenseitigen Ausrichtung ab b) Magnetisches Moment eines kreisenden Elektrons Auf eine Drahtschleife im Magnetfeld wird ein Drehmoment Mp = I A x B ausgeübt, wobei der Vektor A als Betrag die Fläche der Stromschleife und als Richtung die Richtung der Flächennormalen der Stromschleife besitzt. Analog zum elektrischen Dipol, bei dem Mp = p x E ist, nennt man daher µ =I•A 28 das magnetische Dipolmoment der Stromschleife. Für ein kreisendes Elektron der Ladung -e0 ist ω e0 = − v e0 2π 2πr 1 2 µ = πr I = − rve 0 2 I = −νe 0 = − Da der Drehimpuls der Bahn l = mevr ist und l in Richtung der Flächennormalen liegt ergibt sich e µ = − 1 m0 l 2 c) Das gyromagnetische Verhältnis Man schreibt allgemein µ = −γl und nennt γ das gyromagnetische Verhältnis. Hier ist e γ = 1 m0 2 Für l = h ist µ= e0 h/ = µ B = 9 ⋅ 10 −24 Am 2 2m das Bohrsche Magneton. Mißt man µ in Einheiten von µB und l in Einheiten von h, nennt man das Verhältnis µ'/l' den Landéschen g-Faktor. Dieser ist also ein Maß für das gyromagnetische Verhältnis in dimensionsloser Form. g= µ/µ B l/h/ µ/µ B da µ = µ B l , ist = 1 für die Bahnbewegung. g läßt sich direkt über den Einstein-del/h/ h/ Haas-Effekt oder spektroskopisch gewinnen. 29 2. Der Spin des Elektrons a) Stern-Gerlach Versuch Abb.16: Stern - Gerlach Versuch Im Stern-Gerlach Versuch führt man einen Atomstrahl durch ein inhomogenes magnetisches Feld. Im klassischen Bild erfahren Atome mit einem magnetischen Moment eine seitliche Ablenkung, die von der Ausrichtung des magnetischen Momentes relativ zum Magnetfeld abhängt. Wenn wir uns vorstellen, das magnetische Moment rühre von einer Bahnbewegung von Elektronen im Atom her, ergibt sich die Richtungsquantelung von µ aus der Quantelung der z-Komponente des Drehimpulses (z ist die Richtung von B). Lz = mh mit m = 0, ±1, ±2,...±l Die Gesamtzahl von möglichen Einstellungen ist also 2l + 1. Dies erlaubt die Bestimmung von l durch Abzählen der unterschiedlichen Ablenkungswinkel im Stern-Gerlach Versuch. Der ursprüngliche Stern-Gerlach Versuch wurde mit Silberatomen durchgeführt. Er zeigte eine Aufspaltung in zwei Teilstrahlen, d.h. einen Drehimpuls sh mit 2 s + 1 = 2 s = 1/2 h Für die Deutung muß man wissen, daß Silber, wie aus dem Spektrum bekannt ist, ein s-Niveau als Grundzustand besitzt. D.h. l = 0 und mit der Bahnbewegung des Leuchtelektrons ist kein magnetisches Moment verbunden. Der Rumpf hat immer einen Gesamtdrehimpuls l = 0. Der gemessene Drehimpuls 1/2 h wird dem Spin zugeordnet, der im klassischen Bild der Eigenrotation des Elektrons um den Schwerpunkt entspricht. b) Landé-Faktor des Spins Wie der Einstein-de Haas-Versuch zeigt, ist mit dem Spin des Elektrons ein Landé-Faktor 2 verbunden. Klassisch würde man g = 1 erwarten, wenn die Ladung an die Masse gebunden ist. Man spricht deshalb vom anomalen gyromagnetischen Verhältnis. Die Dirac-Theorie sagt g = 2 für den Spin voraus. Präzisionsmessungen an einzelnen Elektronen in Teilchenfallen ergeben eine geringfügige Abweichung von 2 g = 2,0023 Man interessiert sich für den genauen Wert von g, da die Abweichung von 2 durch Effekte der Quantenelektrodynamik erzeugt werden. 30 c) Aufbau der Elektronenhülle Der vollständige Satz von Quantenzahlen für ein Elektron in einem Atom ist n, l, ml, ms. Dabei kann n die Werte n = 1,2,3,... annehmen. Von Elektronen mit n = 1,2,3,... sagt man, sie befinden sich in der K, L, M, ... Schale. l charakterisiert die Unterschalen und hat die Werte l = 0, 1, ..., n - 1. ml beschreibt die Richtung von l gegenüber einer Vorzugsrichtung, z.B. einem äußeren Feld oder einer Molekülachse. ml nimmt die Werte -l bis +l an. ms gibt die Ausrichtung des Spins an und hat die Werte ±1/2. In einem Mehrelektronensystem ändert sich für das einzelne Elektron das Potential und damit die Wellenfunktion. Die Wellenfunktion behält aber ihre Symmetrie bei und kann nach wie vor durch die gleichen Quantenzahlen beschrieben werden. Schreitet man im periodischen System vom Wasserstoff zu den schwereren Elementen vor, indem man dem Proton des H-Kerns weitere Protonen (und Neutronen) und die gleiche Anzahl Elektronen in der Hülle zufügt, so werden alle möglichen Zustände von tieferen Energien her aufgefüllt. Dabei können nach dem Pauliprinzip Zustände jeweils nur von einem Elektron besetzt werden. In seiner einfachsten Form besagt das Pauliprinzip, daß sich in einem Atom zwei Elektronen nur in Zuständen befinden können, die sich mindestens in einer Quantenzahl unterscheiden. Es folgt ursprünglich aus spektroskopischen Beobachtungen, hat sich aber als universell für Teilchen mit halbzahligen Spin erwiesen. Tabelle IV: Aufbau der Elektronenhülle der Elemente im periodischen System Quantenmechanisch drückt man das Pauliprinzip durch eine Symmerieforderung an die Wellenfunktion mehrerer identischer Teilchen mit Spin 1/2 aus: ψ(1, 2, ...) muß antisymmetrisch gegenüber Vertauschung der Teilchen sein. Löst man die Wellenfunktion für mehrere identische Teilchen in einem Potential, so muß, da ψ2 die Aufenthaltswahrscheinlichkeit beschreibt ψ 2 (1, 2) = ψ 2 (2, 1) ψ(1, 2) = ψ(2, 1) d.h. ψ(1, 2) = −ψ(1, 2) oder (2.1) Nur der antisymmetrische Fall erfüllt das Pauliprinzip, da Gleichung 2.1 nur erfüllbar ist, wenn ψ bei einem identischen Satz von Quantenzahlen für die beiden Elektronen verschwindet. 31 3. Spin-Bahn-Kopplung a) Einleitung Ähnlich wie im Stern-Gerlach-Versuch verschiedene Einstellmöglichkeiten des Elektronenspins zu einem Magnetfeld bestehen, können auch in der Atomhülle die Spins der Elektronen relativ zu den inneren Magnetfeldern der Hülle unterschiedlich ausgerichtet sein und dadurch einen Beitrag zur Energie des Zustandes liefern. Um die hiermit verbundene Energie zu berechnen, greifen wir ein Elektron heraus, das im klassischen Bild im elektrostatischen Feld des Kerns kreist. Nach den Regeln der Elektrodynamik ist mit der Bewegung im elektrostatischen Feld E ein Magnetfeld B v = − 12 (v × E) c verbunden. Man kann sich die Entstehung dieses Feldes veranschaulichen, indem man sich ins Bezugssystem des Elektrons setzt. Der positiv geladene Kern umkreist dann das Elektron und erzeugt an dessen Ort ein magnetisches Feld. b) Die Addition von l und s Bei Vorliegen einer Vorzugsrichtung z gibt es für ein System mit einem Drehimpuls l 2l + 1 Zustände. Diese veranschaulicht man sich mit dem Vektormodell, indem man sie sich als die 2l + 1 möglichen Ausrichtungen des Drehimpulses relativ zu der Vorzugsrichtung vorstellt, die dadurch entstehen, daß die lz ganzzahlige Differenzen aufweisen. Bei einem Spin mit s = 1/2 gibt es im allgemeinen also 2s + 1 = 2 Möglichkeiten der Einstellung, d.h. Doubletts mit den Gesamtdrehimpulsquantenzahlen j = l ± 1/2. Nur für l = 0, d.h. S-Terme existiert keine Vorzugsrichtung gegenüber der s sich einstellen könnte. S-Terme zeigen also keine Feinstruktur. Für einen P-Term mit l = 1, s = 1/2 gibt es also die zwei Möglichkeiten 2P1/2, 2P3/2 mit der Termbezeichnung 2s +1Lj. s und j können also halbzahlige Werte annehmen, ∆j ist immer ganzzahlig. c) Die Energie der Aufspaltung Eine zusätzliche potentielle Energie des Spin-Dipols ist ∆W = µ • B v 1 mit B v = − 2 (v × E) und E = Ze r erhält man 4πε r 3 32 −Ze (v × r) 4πε 0 c 2 r 3 v x r kann man durch den Drehimpuls ersetzen Bv = also Bv = l = −mv×r Ze l 4πε 0 c 2 m e r 3 Durch Mittelung mit der Wellenfunktion ψl,n,m erhält man 1 r3 3 ∼ Z 3 men Da B ~ l und µs ~ s wird ∆ · W = µ · B = as · l. Die klassische Berechnung liefert hier einen Fehler von genau einem Faktor 2, dem Thomasfaktor, der durch eine relativistische Betrachtung beseitigt werden kann. Z ist die Kernladungszahl. ∆W nimmt also mit wachsendem n ab und mit wachsendem Z zu. Bei Wasserstoff ist die Feinstruktur nur schwer beobachtbar. In Na ist sie mit einfachen Mitteln auflösbar (589,0 589,6). In Cs ist der Abstand einzelner Doublettkomponenten über 40 nm entfernt (894 nm 852 nm). s · l läßt sich durch den Kosinussatz in die entsprechenden Quantenzahlen umschreiben. (s + l) 2 = s 2 + l 2 + 2l • s → l • s = 1 (j 2 − s 2 − l 2 ) 2 W = a [j(j + 1) − s(s + 1) − l(l + 1)] 2 In Doubletts von Alkalimetallen hat man s = 1, j = l ± 1 2 2 W + = a l + 1 l + 3 − 1 3 − l(l + 1) = a l 2 + 2l + 3 − 3 − l 2 − l = a l 2 2 4 4 2 2 22 2 W − = a l − 1 l + 1 − 3 − l 2 − l = a l 2 − 1 − 3 − l 2 − l = − a (l + 1) 2 2 4 4 2 2 4 2 Wir merken uns, daß die Aufspaltung mit steigendem l wächst und daß im allgemeinen in einem Doublett der Term mit dem größeren j die höhere Energie besitzt. Abb. 17: Die Feinstruktur in Einelektronensystemen 33 d) Multipletts der Alkalimetalle Das Spektrum ergibt sich aus der Aufspaltung des oberen und unteren Terms und den Auswahlregeln. Die Auswahlregeln stellen zunächst Erfahrungssätze dar, können aber quantenmechanisch begründet werden. (s. Kap.F). Für Einelektronensysteme heißen sie ∆l = ±1 ∆j = 0, ±1 (wobei der Übergang von j = 0 nach j = 0 immer verboten ist), d.h. nur solche Übergänge werden beobachtet, für die die Auswahlregeln gelten. Die Auswahlregel ∆l = ±1 beinhaltet anschaulich, daß sich beim Übergang der Drehimpuls des Elektrons um den des ausgesandten Photons ändert. Abb. 18 zeigt die verschiedenen Möglichkeiten der Termanordnung im Einelektronensystem und das resultierende Spektrum. Abb. 18: Erlaubte Übergänge in den Serien der Alkalimetalle und dazugehörige Spektren e) Intensitätsregeln Die Intensitäten der Linien innerhalb eines Multipletts ergeben sich für die Linien, die die Auswahlregeln erlauben, im wesentlichen aus den statistischen Gewichten. Sie werden in den Regeln von Burger und Dorgelo, auch Summenregeln genannt, zusammengefaßt: Die Summe der Intensitäten aller Linien in einem Multiplett, die von einem gemeinsamen Anfangsniveau ausgehen (auf einem gemeinsamen Niveau enden), zu der Summe der Intensitäten aller Linien, die von einem anderen gemeinsamen Niveau ausgehen, (auf einem anderen enden) ist proportional zu den statistischen Gewichten dieser Niveaus Das statistische Gewicht ist dabei durch den Entartungsgrad der Niveaus gegeben: g = 2J + 1 Als Beispiel wird ein Übergang S→P 34 betrachtet. Der P-Term spaltet auf in 2P3/2 und 2P1/2 mit den statistischen Gewichten g = 4 und g = 2. Das Intensitätsverhältnis ist hier also einfach gleich dem Verhältnis der statischen Gewichte I1 : I2 = 2 : 1. Bei einem Übergang P → D sind die Verhältnisse in Tabelle V dargestellt. Tabelle V: Anwendung der Summenregeln X, Y, Z sind die unbekannten Intensitäten. Sie ergeben sich aus den Summenregeln X = 6, X + Y = 4 Z 2 Y+Z 4 Sucht man die kleinsten ganzen Zahlen, die diese Gleichungen erfüllen, erhält man X:Y:Z=9:1:5 f) Feinstruktur des Wasserstoffs Im Wasserstoff ist die Feinstrukturaufspaltung ∆We,s = as · l so gering, daß sie von der gleichen Größenordnung wie die relativistische Korrektur durch die Massenvergrößerung bei hohen Geschwindigkeiten ∆Wrel ist. Wn,l,j = Wn,l + ∆Wrel + ∆Wl,s Berücksichtigt man beide Effekte, so erhält man ∆W FS = ∆W rel + ∆W l,s = mit α= Rα 2 Z 2 n −3 2 n j + 1/2 4 e2 (Feinstrukturkonstante) 4πε 0 h/ c Die Formel unterscheidet sich von der Sommerfeldschen Formel dadurch, daß l durch j ersetzt ist. Es ergibt sich also eine Aufspaltung, die unabhängig von l ist (Abb. 19). Abb. 19: Feinstruktur beim Wasserstoff 35 Eine genaue experimentelle Analyse der Feinstruktur wurde durch Lamb und Retherford 1947 vorgenommen. Abb. 20: Versuch von Lamb und Retherford Die Mikrowellenfrequenz wird variiert. In der Resonanz des Übergangs 22S1/2 - 22P3/2 nimmt die Anzahl der metastabilen Atome im Atomstrahl ab (nachgewiesen durch die abgegebene Energie an der Metalloberfläche). Gleichzeitig nimmt die Intensität von Lα ab. Die Lamb-Verschiebung kann mit Hilfe der Quantenelektrodynamik berechnet werden. Sie ist von der Größe ∆ν = 0,035 cm-1 36 4. Kopplung in Mehrelektronensystemen a) Einleitung Bei mehreren Elektronen muß man außer den besprochenen Kräften der Spin-Bahn Kopplung, Kräfte zwischen den Spins und den Bahndrehimpulsen der einzelnen Elektronen berücksichtigen. Da die Kräfteverhältnisse unterschiedlich sein können, ergeben sich unterschiedliche Kopplungsmöglichkeiten. Von diesen sind zwei Grenzfälle besonders einfach: α) Die Spin-Bahn-Kopplung ist schwach gegenüber der Spin-Spin bzw. Bahn-Bahn Kopplung. Da ∆W ~ Z4/mn4, ist dies besonders bei Atomen mit kleiner Kernladungszahl, also leichten Atomen der Fall. Diese Kopplungsart nennt man Russel-Saunders oderLS Kopplung. β) Die Spin-Bahnkopplung ist stark. Diesen Fall nennt man jj-Kopplung. Sie gilt für schwerere Atome (Atome großer Kernladungszahl Z). b) Die LS-Kopplung Bei der LS-Kopplung addieren sich zunächst die Spins der Einzelelektronen zu einem Gesamtspin S = Σsi Die Spins werden dabei algebraisch addiert, d.h. für jedes Elektron wird 1/2 zugezählt oder abgezogen, so daß der Gesamtspin positiv ist. Bei 4 Elektronen kann S also die Werte 0, 1, 2 annehmen. Ebenso addieren sich die Bahndrehimpulse zu einem Gesamtbahndrehimpuls L = Σ li Die Addition erfolgt hier vektoriell, d.h. die 2l + 1 Einstellmöglichkeiten werden berücksichtigt. L und S addieren sich dann vektoriell zum Gesamtdrehimpuls J J = L + S, Abb. 21: Addition von l und s wobei J immer nur positive Werte annimmt. 37 Als Beispiel wird das Zweielektronensystem Helium besprochen. Helium hat im Grundzustand die Elektronenkonfiguration (1s)2. Wie He verhalten sich die Elemente der zweiten Gruppe des periodischen Systems Be, Mg, Ca, Sr, Ba und der zweiten Nebengruppe: Zn, Cd, Hg. Die Kombination der Spins ergibt S = 1/2 - 1/2 = 0 und S = 1/2 + 1/2 = 1. Im ersten Fall hat man die Multiplizität 2S + 1 = 1, d.h. ein System von Singulett-Termen, im zweiten Fall 2S + 1 = 3, also ein System von Triplett-Termen. Da Übergänge, bei denen gleichzeitig der Spin umklappt, sehr selten sind, hat man in den meisten Systemen eine relativ rigorose Auswahlregel ∆S = 0, d.h. es finden praktisch keine Übergänge zwischen Termen des Triplett- und des Singulettsystems statt. Ursprünglich vermutete man zwei verschiedene Sorten Helium. Die S-Terme sind auch im Triplettsystem nicht gespalten. Das Termschema des He ist in Abb. 22 wiedergegeben. Abb. 22: Termschema des HeI Auffällig ist, daß es zwar einen 11S Term, aber keinen 13S Term gibt. Dieses Phänomen und viele andere in der Atom- und Molekülspektroskopie haben zur Formulierung des Pauliprinzips geführt. Es besagt hier, daß es keine zwei Elektronen geben kann, bei denen alle Quantenzahlen gleich sind. Die Quantenzahlen der beiden Zustände wären: 1 1 S : n 1 = 1, n 2 = 1, s 1 = . 1 3 S : n 1 = 1, n 2 = 1, s 1 = 1 , s = − 1 , l = 0, l = 0 2 1 2 2 2 1 , s = + 1 , l = 0, l = 0 2 1 2 2 2 Im 13S Zustand wären alle 4 Quantenzahlen der beiden Elektronen identisch, was nach dem Pauliprinzip verboten ist. Dieser Zustand kommt also nicht vor. Als Beispiel für ein Dreielektronensystem wird das Termschema von NI besprochen. NI hat im Grundzustand die Konfiguration (1s)2 (2s)2 (2p)3. Ähnlich verhalten sich Elemente der Gruppe Vb der periodischen Systeme wie P, As, Sb, Bi Bei der Addition der Spins gibt es zwei Möglichkeiten 38 Abb.21: Addition der Spins bei drei Elektronen Man beachte: Die Spins addieren sich nur kollinear, d.h. die Möglichkeit mit S = 1 existiert nicht. Der Grundzustand ist ein 4S3/2-Zustand, der nicht aufspaltet. 4P-Terme bestehen nur aus 3 Mitgliedern J = 5/2, 3/2, 1/2. Andere Terme mit J ≥ 0 gibt es nicht bei L = 1. Allgemein gilt, daß ein Term nur dann die maximale Anzahl von Feinstrukturelementen enthält, wenn L ≥ S. Wegen der kollinearen Addition der Spins erhält man bei einer geradzahligen Anzahl von Elektronen ungeradzahlige Multiplizität und bei einer ungeradzahligen Anzahl geradzahlige Multiplizität. Schreitet man daher im Periodensystem von Element zu Element fort, so erhält man abwechselnd geradzahlige und ungeradzahlige Multiplizitäten. c) jj-Kopplung Bei der jj-Kopplung addiert man zunächst s und j für jedes Elektron si + li = j i und addiert dann die Gesamtdrehimpulse jedes Elektrons zum Gesamtdrehimpuls des gesamten Systems. Σ ji = J Der Gesamtbahndrehimpuls L ist nicht mehr definiert. Als Beispiel wird Blei mit Z = 82 betrachtet. Blei hat im Grundzustand die Elektronenkonfiguration ( )6p 7s Die Quantenzahlen der äußeren Elektronen sind also l1 = 1, l2 = 0, s1 = 1/2, s2 = 1/2 Es ergeben sich folgende Terme j1 = l1+s1 = 3/2 j2 = l2+s2 = 1/2 mit den Kombinationen J = 2 und J = 1 Bezeichnung (3/2,1/2)2, (3/2, 1/2)1 j1 = l1 - s1 = 1/2 j2 = l2 + s2 = 1/2 mit den Kombinationen J = 1 und J = 0 Bezeichnung (1/2, 1/2)1 und (1/2, 1/2)0 39 KAPITEL D Atome im äußeren Feld 1. Atome im B-Feld a) Einleitung Bei Vorliegen eines äußeren Feldes können Drehimpulse im halbklassischen Bild gegenüber diesem diskrete Richtungen einnehmen. Man unterscheidet den Zeeman-Effekt im B-Feld und den Starkeffekt im E-Feld. Die Aufspaltungsbilder unterscheiden sich deutlich. Außerdem unterscheiden sie sich für schwache und starke Felder, wobei das Vergleichsfeld das sein kann, das zu einer Termverschiebung führt, die mit der Feinstruktur vergleichbar ist, d.h. bei der die Wechselwirkungsenergie mit dem Magnetfeld mit der Energie der Spin-Bahnkopplung vergleichbar wird, oder das Feld, bei dem die magnetische Wechselwirkungsenergie vergleichbar mit der elektrostatischen Energie im Atom wird. Bei der Aufspaltung im Magnetfeld spricht man im ersten Fall vom Paschen-Back Effekt, im zweiten vom Landaubereich. b) Aufspaltungsmuster im Zeeman-Effekt Im Magnetfeld kann im Prinzip L, S oder J Richtungsquantelung zeigen. Bei LS-Kopplung und schwachem B-Feld, also im Bereich des Zeeman-Effektes nimmt S relativ zu L eine feste Richtung ein. J gyriert um die Magnetfeldrichtung, wobei L und S gemeinsam um J gyrieren. Hierbei mitteln sich die Komponenten aller Drehimpulse zu Null bis auf Jz. Die Quantenbedingung muß also auf Jz angewandt werden J z = mh/ m nennt man die magnetische Quantenzahl. Sie kann die Werte m = 0, ±1, ±2,...±J annehmen. Der Term spaltet also in 2J + 1 Unterniveaus auf. Da ∆W = µ · B und µz ~ Jz, ist die Term- aufspaltung äquidistant. Der Zeeman-Effekt ist ein wichtiges Werkzeug für die Termanalyse. Er wird außerdem zur Ausmessung von Magnetfeldern in Plasmen, z.B. an der Sonnenoberfläche ausgenutzt. Als Beispiel wird das Doublett der Na-D Linien betrachtet. Die Linien entsprechen einem Übergang 32S - 32P Die Feinstruktur führt für l ≠ 0 zu Termen mit j = l ± s. Der untere Term 32S1/2 spaltet nicht auf, der obere spaltet in die Terme 32P3/2 und 32P1/2 auf. Der Übergang 32S1/2 - 32P3/2 führt zu λ1 = 589,0 nm, 32S1/2 - 32P1/2 führt zu λ2 = 589,6 nm. Durch den Zeeman-Effekt spaltet 32S1/2 in 2 Terme mit m = ± 1/2 32P3/2 in 4 Terme mit m = ± 1/2, ± 3/2 32P1/2 in 2 Terme mit m = ± 1/2 siehe Abb. 24 40 Abb. 24: Zeeman Effekt der Na D Linien Bei Beobachtung senkrecht zum Magnetfeld zeigen die Übergänge mit ∆m = ±1 lineare Polarisierung senkrecht zu B (σ-Komponente), die mit ∆m = 0 lineare Polarisierung parallel zu B (π-Komponenten). Die Polarisierung überlegt man sich am besten am klassischen Zeeman-Effekt (s. nächsten Abschnitt). c) Polarisation Man betrachte ein schwingendes Elektron im Magnetfeld. Um die im allgemeinen komplizierte Bewegung besser zu überblicken, zerlege man sie in drei Komponenten entsprechend der drei räumlichen Freiheitsgrade. Eine Komponente sei parallel zu B. Diese Bewegung wird durch B nicht beeinflußt. Es ergibt sich hierdurch eine unverschobene Komponente. Die Strahlung eines Dipols in B-Richtung ist parallel zu B nicht beobachtbar und senkrecht zu B linear polarisiert mit E || B0. Abb. 25: Polarisation und Beobachtbarkeit der π-Linien im Zeeman Effekt Die Bewegung senkrecht zu B wird in zwei Kreisbewegungen zerlegt mit entgegengesetztem Umlaufsinn, da diese im Magnetfeld einfacher zu behandeln sind als lineare Bewegungen. Stellt man sich vor, anfangs sei B = 0, und B werde auf B0 hochgefahren, so wird dabei durch Induktion eine der Rotationsbewegungen beschleunigt, die andere verzögert. Es entstehen also zwei gegenüber der Linie ohne Magnetfeld verschobene Linien. 41 Abb. 26: Polarisation bei den σ-Linien im Zeeman Effekt Parallel zum Magnetfeld wird zirkular polarisiertes Licht ausgesandt, senkrecht zu B linearpolarisiertes mit E in der Rotationsebene. Der klassische Zeeman-Effekt führt also zu einer Aufspaltung in drei Linien: eine unverschobene (π-)Linie, die parallel zu B nicht beobachtet wird und bei Beobachtung senkrecht zu B linear polarisiert ist mit E || B und zwei σ-Linien, die parallel zu B beobachtet zirkular polarisiert sind und senkrecht zu B beobachtet linear polarisiert mit E ⊥ B sind. Im Experiment zeigt sich dieser sogenannte normale Zeeman-Effekt nur, wenn die Aufspaltung der oberen und unteren Niveaus gleich groß ist, so daß alle Linien mit gleichem ∆m zusammenfallen. Der häufiger vorkommende sogenannte anomale Zeeman-Effekt tritt wie bei den Na-D-Linien auf, wenn die Termaufspaltung unterschiedlich ist. Zusammenfassend läßt sich also sagen: Bei Beobachtung senkrecht zu B - bei ∆m = ± 1 linear polarisiertes Licht ⊥B "σ-Komponente" - bei ∆m = 0 linear polarisiertes Licht || B "π-Komponente" Bei Beobachtung parallel zu B - ∆m = ±1 zirkulare Polarisation "σ-Komponente" - ∆m = 0 verboten "π-Komponente" d) Energiedifferenzen Um zu entscheiden, ob ein bestimmter Übergang normalen oder anomalen Zeeman-Effekt zeigt, ist es notwendig, die Größe der Energiedifferenz bei der Aufspaltung zu ermitteln. Diese ist gegeben durch ∆W = µ•B Die Schwierigkeit bei der Berechnung von µ · B, besteht darin, daß j bestimmte Ausrichtungsmöglichkeiten zum Magnetfeld hat, µ aber als Folge der gyromagnetischen Anomalie nicht parallel zu j liegt, so daß µ um j präzediert und nur die Komponente µj zur Energie beiträgt. ∆W = µ j • B 42 Abb. 27: Vektorgerüst zur Ableitung der Energiedifferenzen bei der Zeeman Aufspaltung J = L+S Da µ = µ L + µ s und µ L = γ L L, µ s = 2γ LS folgt µ = γ L (L + 2S) mit γL = e 2m Die relevante Komponete µj ist µ j = γ L (L + 2S) • J J Vektoriell: µ j = γ L (L + 2S) • J J J J µ/µ B ist, definiert man ein gj jetzt analog µ j = g j e J = gγ L J 2m l/h/ und nennt gj wie vorher den Landé-Faktor. Dieser ist hier also: Da g = g= (L + 2S) • J (L + 2S) • (L + S) L 2 + 3S • L + 2S 2 = = J2 J2 J2 S · L wird nach dem Kosinussatz ersetzt: (L + S) 2 = L 2 + S 2 + 2L • S L • S = 1 (J 2 − L 2 − S 2 ) Wir ersetzen jetzt die Drehimpulsvektoren durch ihre Quantenzahlen nach der Regel 43 J 2 = J(J + 1) g=1+ J(J + 1) + S(S + 1) − L(L + 1) 2J(J + 1) Da J z = m j h/ ist ∆W = gm j µ B B 0 Die Termenergie in Einheiten von µB · B0 ist gegeben durch g·mj. Da mj ganzzahlige Differenzen hat, haben die Zeeman-Niveaus konstante gegenseitige Energieabstände, die proportional B0 sind. Beispiel: NaD 32P3/2: j = 3/2, s = 1/2, l = 1/2 g=1+ 3 2 ⋅ 52 + 12 ⋅ 32 − 1 ⋅ 2 2⋅ 15 2 = 1 + 15 + 3 − 8 = 4 4 ⋅ 15/2 3 m = ±1 , ±3 2 2 mg = ± 2 , ± 6 3 3 32P1/2: j = 1/2, s = 1/2, l = 1 ⋅ 32 + 34 − 2 g=1+ =1+ 3+3−8 = 2 6 3 3/2 1 m=± 2 mg = ± 1 3 1 2 32S1/2: j = 1/2, s = 1/2, l = 0 + 34 g=1+ =2 3/4 ⋅ 2 m = ±1 2 3 4 mg = ±1 44 Normale Zeeman-Tripletts treten in Singulettsystemen auf, da hier die gyromagnetische Anomalie keine Rolle spielt. Wegen S = 0 ist J = L g=1+ L(L + 1) − L(L + 1) =1 2L(L + 1) Die Aufspaltung des oberen und unteren Terms ist gleich groß. Eine andere Möglichkeit für die Entstehung eines normalen Zeeman Tripletts besteht in Übergängen zwischen speziellen Niveaus wie 3 P0 - 3S1 da hier überhaupt nur 3 Übergänge möglich sind. Abb. 28: Übergänge, die zum normalen Zeeman Effekt führen e) Paschen-Back-Effekt Im Zeeman-Effekt wachsen die Termabstände mit dem Magnetfeld. Wenn die Termabstände vergleichbare Größe wie die Feinstrukturaufspaltung haben, wird die Wechselwirkungsenergie zwischen µj und dem äußeren Feld vergleichbar mit der LS-Kopplung. Die LS-Kopplung bricht also zusammen und L und S gyrieren einzeln um B. Diese Grenze für starkes Feld, B0, ist bei leichten Atomen schneller erreicht als bei schweren, da bei leichten die Spin-Bahn-Kopplung schwächer ist. Für B >> B0 vereinfacht sich das Aufspaltungsbild. Man spricht vom PaschenBack-Effekt. Die Termaufspaltung ∆W = −(m l + 2m s )µ B B mit den Auswahlregeln ∆m l = 0 : π Übergänge ∆m l = ±1 ∆m s = 0 σ Übergänge 45 Abb. 29: Zeeman und Paschen - Back Effekt der Na D Linien 46 2.Atome im elektrischen Feld a) Einleitung Die Aufspaltung oder Verschiebung von Spektrallinien im elektrischen Feld nennt man Starkeffekt. Er wurde experimentell von Johannes Stark (1874 - 1957) entdeckt (1913). Die theoretische Erklärung durch Epstein und Schwartzschild 1916 galt als eine der wichtigsten Erfolge der Bohrschen Theorie. Zu seiner Beschreibung war die Einführung von parabolischen Koordinaten erforderlich (s. Abb.30). Abb. 30: Für die Beschreibung des klassischen Starkeffekt sind parabolische Koordinaten erforderlich Auch experimentell ist der Starkeffekt schwerer zugänglich als der Zeeman-Effekt, da es schwierig ist, entsprechend starke elektrische Felder in einem leuchtenden Gas, das ja immer eine gewisse Leitfähigkeit besitzt, aufrecht zu erhalten. Der Hauptunterschied im Aufspaltungsbild, verglichen mit dem Zeeman-Effekt, besteht darin, daß ein Term in etwa die Hälfte von Untertermen aufspaltet. Dies liegt im halbklassischen Bild daran, daß die Energieabsenkung ∆W unabhängig von der Umlaufrichtung des Elektrons ist, da diese mit ∆W verbundenen Kräfte elektrostatischer Natur sind. Daher ergibt sich für ±ml die gleiche Energie. Abb. 31: Termverschiebung beim Starkeffekt b) Linearer und quadratischer Stark-Effekt Die Termverschiebung ist p · E, wobei jetzt p das elektrische Dipolmoment ist. Bei Atomen, die auch ohne äußeres Feld ein Dipolmoment besitzen, ergibt sich eine Termverschiebung, die dem E-Feld proportional ist ∆W = αE 47 Dies ist der lineare Starkeffekt. Er kommt nur bei im engeren Sinne wasserstoffähnlichen Atomen vor wie H, HeII, LiIII, ...Im mechanischen Modell rührt dies daher, daß die Ellipsenbahnen nicht durch Rumpfelektronen gestört werden und daher die großen Halbachsen der Ellipsen fest im Raum stehen, so daß im Zeitmittel für die positive und negative Ladung unterschiedliche Ladungsschwerpunkte existieren können. Bei allen anderen Atomen muß das äußere Feld zunächst ein elektrisches Dipolmoment induzieren p = αpE Daher ist ∆W =βE2. Dieser quadratische Starkeffekt existiert auch neben dem linearen im Wasserstoff. Die Termverschiebung ist aber klein gegenüber der durch den linearen Starkeffekt. c) Starkeffekt im Wasserstoff Im Wasserstoff hat wegen der geringen Feinstrukturaufspaltung der Schwachfeldeffekt praktisch keine Bedeutung. Man hat es also immer mit dem Effekt im starken Feld zu tun. Den wesentlichen Beitrag liefert der lineare Starkeffekt. Bei genauer Ausmessung der Linien macht sich der quadratische Anteil als Störung bemerkbar. Die Spin-Bahnkopplung führt zu einer Korrektur ~amlms der primären Aufspaltung. Sie wird im folgenden außer acht gelassen. Zur Beschreibung der Aufspaltung benötigt man folgende Quantenzahlen: n = 1, 2, ..., ∞ , Hauptquantenzahl wie bisher ml = 0, ±1, ±2,..., ±n - 1 n1 = 0, 1, 2, ..., n -1 n2 = 0, 1, 2, ..., n - 1 mit der Nebenbedinung ml + n1 + n2 + 1 = n und der Auswahlregel ∆ml = 0, ±1. n1 und n2 nennt man auch die elektrischen Quantenzahlen. Für wasserstoffähnliche Atome ergibt sich nach Epstein und Schwartzschild ∆W = 3eh/ n (n 1 − n 2 )E + am l m s 2αm c Z (α ist die Feinstrukturkonstante) Der Faktor von n/Z kann umgeschrieben werden in e0a0·3/2, wobei e0 die Elementarladung und a0 der Bohrsche Radius ist. e0a0 ist die relevante Größe für einen elementaren atomaren Dipol. Um die Anzahl der Terme zu ermitteln, in die ein Term mit der Hauptquantenzahl n aufspaltet, sucht man alle möglichen Kombinationen von n1, n2, n, die die Bedingung n1 ≤ n-1, 48 n2 ≤ n-1 erfüllen. n(n2-n1) gibt dann das Aufspaltungsmuster. Dabei fallen im allgemeinen einige Niveaus zusammen. Das für die Auswahlregeln notwendige ml ergibt sich dann aus der Bedingung ml = n - (n1 - n2) (s.Tabelle VI). Ein Term bestimmter Hauptquantenzahl n spaltet in 2n-1 äquidistante Terme auf. Tabelle VI: Quantenzahlen zur Ermittlung des Aufspaltungsbildes beim Stark Effekt d) Starkeffekt als quantenmechanisches Störungsproblem Zur quantenmechanischen Beschreibung benutzt man die Störungstheorie, d.h. man geht von einem Atom aus, dessen Verhalten ohne elektrisches Feld bekannt ist. D.h. die SchrödingerGleichung ohne äußeres Feld ist gelöst: (0) H (0) ϕ ν = W ν ϕ ν H (0) = p2 + V(r) (1) p → −ih/ ∇ 2 H (0) = − h/ ∆ + V(r) 2m Das hinzukommende elektrische Potential V = eE·r wird als kleine Größe angesehen, so daß der Gesamthamiltonoperator geschrieben wird H = H (0) + εH (1) , H (1) = eE • r (2) ε kennzeichnet Terme kleiner Größe mit der Maßgabe, daß Terme mit ε2 gegenüber solchen mit ε vernachlässigt werden. ε hat den Wert ε = 1. Als Lösungsansatz nimmt man eine Überlagerung der Lösungen des ungestörten Problems 49 ψ(r) = ∞ Σ c ν ϕ ν (r) ν=1 (3) Einsetzen in die Schrödinger-Gleichung mit Hamilton-Operator (2) ergibt: H (0) Σ c ν ϕ ν + εH (1) Σ c ν ϕ ν = W Σ c ν ϕ ν (4) außerdem gilt noch: H (0) Σ c ν ϕ ν = Σ c ν W ν ϕ ν (0) Damit kann der erste Term in (4) ersetzt werden. Man multipliziert links mit ϕ ∗µ und integriert über V, dabei nutzt man aus, daß ∫ ϕ ∗µ ϕ ν dV = δ µν Im ersten und letzten Glied bleiben nur Terme mit Index µ übrig. Im mittleren Glied ergeben sich Ausdrücke der Form (1) (1) H µν = ∫ ϕ ∗µ H (1) ϕ ν dV = H νµ Die Matrixelemente des Störoperators H (1) . Damit ergibt sich für jedes µ eine Gleichung der Form (1) (0) ε Σ H µν c ν = W − W µ c µ ν (5) Es soll die Störung für ein bestimmtes Ausgangsniveau WK berechnet werden. Dann ist ψ (0) (r) = ϕ K (0) (1) (2) c K = c ν + εc K + ε 2 c K + ... Da für ν = K die ungestörte Lösung herauskommen soll, muß (1) (2) c K = 1 + εc K + ε 2 c K + ... (1) (2) c ν = εc ν + ε 2 c ν + ..., W= (0) WK (1) + εW K (ν ≠ K) (2) + ε2 WK + ... 50 Gleichung (5) wird damit mit Gliedern bis ε2 (1) (0) (1) (2) (0) (0) (1) (2) (0) (1) (2) ε Σ H µν c ν + εc ν + ε 2 c ν = +W K + εW K + ε 2 W K − W µ c µ + εc µ + ε 2 c µ ... Für ansteigende ε muß die Gleichung zunächst für alle Glieder ohne ε erfüllt sein (bzw. mit ε0), dann für alle Glieder mit ε usw.. Man kann also einen Koeffizientenvergleich für Glieder mit gleichem εn durchführen. Dabei läßt sich in jeder Ordnung n Wν und cν mit Hilfe der Lösung der niedrigeren Ordnungen ausrechnen. Wegen der unterschiedlichen Form von cν für ν = Κ und ν ≠ Κ müssen diese beiden Fälle gesondert betrachtet werden. Koeffizientenvergleich für ε0: (0) (0) µ = K, (c K = 1), → W K = W K identisch erfüllt (0) µ ≠ K, (c K = 0), da c µ = 0 für ν ≠ K identisch erfüllt Koeffizientenvergleich für ε1 (1) H KK = 0 µ = K, (1) (1) (1) W K = H KK Es stellt sich heraus, daß (da H µν = ∫ ϕ ∗µ Erϕ ν dV und E = const., hat der Integrand bei µ = ν = Κ die Parität von r und ist deshalb ungerade.) (0) (1) (1) W (0) µ≠K µ − W K c µ = −H µK −H (1) µK (1) c µ = (0) (0) Wµ − WK In zweiter Ordnung erhält man für den Fall µ = Κ die Energie W = W K + H KK + Σ (0) (1) (1) 2 H Kν (0) (0) WK − Wν wobei die Symmetrie von Hκν ausgenutzt wurde. (0) (0) Man erkennt, daß diese Art der Störungsrechnung nur möglich ist, wenn W K ≠ W ν , d.h. (1) wenn die Terme nicht entartet sind. Da H Kν ∼ E , erhält man den quadratischen Starkeffekt. Die Verschiebung ist besonders groß, wenn sich andere Terme in der Nähe des betrachteten Terms befinden und Hκν nicht gleichzeitig sehr klein wird. 51 Im entarteten Fall, d.h. in wasserstoffähnlichen Atomen überwiegt der Beitrag der Terme, die zu den entarteten Wellenfunktionen gehören. Daher berücksichtigt man bei der Überlagerung der Wellenfunktionen nur diese und geht mit dem Ansatz ψ(r) = Σ c ν ϕ ν (r) (0) in Gl. (5). Man erhält ein homogenes Gleichungssystem für die Koeffizienten cν(0). Aus der Lösbarkeitsbedingung erhält man ein Polynom, das zusammen mit der Normierungsbedingung cν(0) bestimmt. Es ergibt sich eine Energieverschiebung, die proportional ~ E ist. 52 KAPITEL E Die Verbreiterung von Spektrallinien 1. Einleitung Bei den bisherigen Betrachtungen wurden die Energieniveaus als unendlich scharf angenommen. Die emittierten Spektrallinien wären dann - solange ihre Breite nicht durch das Auflösungsvermögen des Spektralapparates begrenzt ist - beliebig scharf. In der Praxis gibt es keine unendlich schmalen Spektrallinien. Dies liegt allein schon an der endlichen Lebensdauer eines angeregten Niveaus. Wegen der Heisenbergschen Unschärferelation ∆E∆t ≥ h/ ergibt sich bei einer Lebensdauer τ eine Unschärfe ∆E ≥ hτ/ Im klassischen Bild wird diese Verbreiterung durch Strahlungsdämpfung hervorgerufen: Ein kreisendes Elektron strahlt aufgrund seiner Beschleunigung kontinuierlich ab. Die pro Zeit abgegebene Energie ist 2 dW = −2e 2 •• x 3 dt Daraus ergibt sich eine Dämpfung des emittierten Wellenzuges. E(t) = E 0 e −δt cos (ω 0 t + ϕ) Eine gedämpfte Schwingung kann aber nicht durch eine Sinusfunktion bestimmter Frequenz wiedergegeben werden. Die Fourieranalyse ∞ ∞ 0 0 a(ω) = ∫ E(t)e −iωt dt = E 0 ∫ e (i(ω 0 −ω)−δ)t dt = ergibt eine Intensitätsverteilung I ∼ aa ∗ ∼ 1 ω−ω 1 + δ 0 2 1 i(ω 0 − ω) − δ 53 Abb. 32: Die Strahlungsdämpfung hat ein Lorentz Profil zur Folge d.h. ein Lorentzprofil mit einer Halbwertsbreite δ. Diese sogenannte natürliche Linienbreite ist im klassischen Fall unabhängig von der Wellenlänge der Linie 1,18 · 10-5 nm. Da in realen Systemen die Lebensdauer der Anregungsstufen sehr unterschiedlich sein können, sind auch die Linienbreiten unterschiedlich. Verbotene Übergänge haben besonders kleine natürliche Linienbreiten. Die obige Betrachtung gilt nur für ein einzelnes ruhendes Atom ohne störende Nachbarn. Durch die Bewegung wird eine Spektrallinie über den Dopplereffekt verschoben, durch störende Nachbarn wird die Lebensdauer verkürzt oder die Energieniveaus werden durch den Starkeffekt im elektrischen Feld der Störteilchen verschoben. Im Mittel über viele Teilchen ergibt sich somit eine verwaschene Linie. Für Messungen, bei denen es auf eine möglichst gute Auflösung oder genaue Messung der Wellenlänge ankommt, ist die Verbreiterung ein störender Effekt. Solche Messungen macht man daher an möglichst dünnen, kalten Gasen, z.B. Atomstrahlen. Andererseits ist es möglich, aus Messungen an Linienprofilen Informationen zu gewinnen. So kann aus der Ausmessung der natürlichen Linienbreite die Lebensdauer von Atomen bestimmt werden. Lebensdauermessungen sind wichtig für die Bestimmung von Übergangswahrscheinlichkeiten, mit denen Linienintensitäten berechnet werden können. Die Ausmessung der Dopplerbreite ergibt die Geschwindigkeitsverteilungsfunktion der strahlenden Teilchen und damit die Temperatur. Die Störung durch Nachbarteilchen gibt Auskunft über die Anzahl dieser Teilchen. Mechanismen, bei denen die Linienbreite von der Teilchendichte der Störteilchen abhängt, heißen Druckverbreiterungsmechanismen. Je nach Wechselwirkungsgesetz kann die Druckverbreiterung durch geladene Teilchen nach dem linearen oder quadratischen Starkeffekt erfolgen oder durch ungeladene gleichartige oder fremde Atome. Eigendruck- und Fremdgasverbreiterung spielt in einigen astrophysikalischen Plasmen eine Rolle. In all diesen vier Fällen der Druckverbreiterung unterscheidet man zwei Grenzfälle: die Stoßverbreiterung, bei ihr ist die Stördauer kurz gegen die Strahlungsdauer. - Das Linienprofil ergibt sich dann aus der Fourieranalyse des gestörten Wellenzuges - und der statistischen oder auch quasistatischen Verbreiterung, bei der das strahlende Teilchen sich praktisch dauernd in einem Störfeld befindet. Das Linienprofil wird aus einer statistischen Betrachtung der Häufigkeit von Verschiebungen im Mikrofeld gewonnen, es spiegelt daher die Mikrofeldverteilung wider. 54 Systematik der Linienverbreiterungsmechanismen unabhängig von p abhängig von p (Druckverbreiterung) Stoßverbreiterung quasistatische Verbreiterung 1. natürliche Linienbreite linearer Starkeffekt linearer Starkeffekt 2. Dopplerbreite quadratischer Starkeffekt quadratischer Starkeffekt Eigendruckverbreiterung Eigendruckverbreiterung Fremdgasverbreiterung Fremdgasverbreiterung 55 2. Dopplerverbreiterung Wir nehmen an, die strahlenden Atome besitzen eine Maxwellsche Geschwindigkeitsverteilung, d.h. die Anzahl der Teilchen mit einer Geschwindigkeit zwischen vx und vx+dvx, wobei x die Richtung der Sichtlinie angibt, ist f(v x )dv x = e − 2 mvx /kT dv x = e −vx /vth dv x 1 2 2 2 (1) wobei als Abkürzung v 2th = 2kT m gesetzt wurde. Die Intensität des Linienprofils bei ∆λ ist proportional zu der Anzahl der Teilchen, die aufgrund ihrer Geschwindigkeit vx genau die Dopplerverschiebung ∆λ erzeugen. Abb. 33: Zusammenhang von Linienprofil und Verteilungsfunktion bei der Dopplerverbreiterung I(∆λ)dλ = f(v x )dvx mit (2) ∆λ = v x c λ (3) Es genügt hier die Näherung v << c. Führt man als weitere Abkürzung analog ∆λ0 ein: d.h. ∆λ 0 v th = c λ ∆λ 0 = λc v th und ersetzt in der rechten Seite von (2) f(vx) durch (1) und vx mit Hilfe von (3) und diese Abkürzungen durch ∆λ, so erhält man das Linienprofil I(∆λ) = e −(∆λ/∆λ 0) (Die Normierung ist hier so gewählt, daß I(0) = 1.) 2 56 ∆λ 0 = λc vth , vth = 2kT m Man erhält ein Gaußprofil mit einer 1/e-Breite ∆λ0, die mit der Wurzel T wächst. Bei einer nichtmaxwellschen Geschwindigkeitsverteilung spiegelt das Dopplerprofil diese wider. Dopplerverbreiterung ist eine inhomogene Linienverbreiterung, d.h. die Wahrscheinlichkeit der Emission von h/ ω, P(ω), ist für die einzelnen Atome unterschiedlich. Dies ermöglicht durch Auswahl von Teilchen, z.B. dadurch, daß man nur Teilchen mit einer gewissen Geschwindigkeit an dem betrachteten spektroskopischen Prozeß teilnehmen läßt, die Verbreiterung zu unterdrücken. Im Gegensatz dazu ist bei einer homogenen Linienverbreiterung wie der natürlichen Linienbreite P(ω) für alle Atome gleich. 57 3. Stoßverbreiterung (Weißkopf-Theorie) a) Fourieranalyse Während der freien Flugzeit τ wird ein sinusförmiger Wellenzug ausgesandt. Das Linienprofil, d.h. die Intensitätsverteilung im Frequenzraum ergibt sich aus den Formeln des Fourierintegrals Abb. 34: Der Wellenzug bei Stoßverbreiterung +∞ a(ω) = ∫ x(t)e −iωt dt −∞ +∞ 1 x(t) = a(ω)e iωt dω ∫ 2π −∞ Das Profil a(ω) 2 wird üblicherweise so normiert, daß seine Fläche ∫ +∞ −∞ a 2 dω = 1 ist. Wir in- teressieren uns im folgenden nicht für den Zahlenfaktor. e iωt , t ≤ t/2 x(t) = t ≥ t/2 0, a(ω) ∼ ∫ a ⋅ a∗ = ∆ωt i∆ωt/2 − e −i∆ωt/2 = sin 2 e i(ω 0 −ω)t dt = e ∆ω −t/2 i∆ω +t/2 (e ix − e −ix )(e −ix − e ix ) 2 i∆ωt − e −i∆ωt a ⋅ a∗ = 2 − e ∆ω 2 2 = 2−e 2ix −e −2ix 2 (4) b) Wahrscheinlichkeit für freie Flugzeit Die Wahrscheinlichkeitsverteilung der freien Flugzeit t ergibt sich aus einer Betrachtung der Stöße eines Teilchenstrahls mit einem Gas von ruhenden Teilchen ("Feldteilchen"), deren Querschnittsfläche bekannt ist. Abb. 35: Zur Definition des Wirkungsquerschnittes 58 Wir nehmen an, in ein Volumen mit n Feldteilchen pro Volumeneinheit, die eine Querschnittsfläche σ aufweisen, treffen N0 Strahlteilchen. Die Teilchen stoßen wie starre Kugeln. Die Strahlteilchen werden durch den Stoß aus dem Strahl gestreut. Die Wahrscheinlichkeit für eine Streuung in dx ist dann W + dx = dN = nAdxσ = nσdx N A Die Strahlteilchen nehmen durch Stöße ab N(x) = N 0 e −nσx N(x) = e −nσx = W − (x) kann man als Wahrscheinlichkeit auffassen, daß ein Teilchen N0 bis x keinen Stoß erlitten hat. Die Größe Die Wahrscheinlichkeit für ein Teilchen, das bei x = 0 gestartet ist, zwischen x und x + dx einen Stoß zu erfahren, ist das Produkt der Wahrscheinlichkeit, bis x nicht gestoßen zu haben mal der Wahrscheinlichkeit, in dx zu stoßen. Man kann auch sagen, in dx stoßen nur die Teilchen, die bis x gekommen sind, N(x) W(x)dx = W + W − dx = nσdxe −nσx (5) Hieraus ergibt sich die mittlere freie Weglänge λ durch Mittelung des mit W(x) gewichteten freien Weges x. ∞ ∞ 0 0 λ = ∫ xW(x)dx = ∫ xnσe −nσx dx Das Integral läßt sich mit Hilfe der partiellen Integration ausrechnen. Mit der Substitution u = x, v = e −nσx 1 . Der Übergang zur freien Flugzeit t ergibt sich über die Beziehung x = vt. erhält man λ = nσ Mit λ = vτ definiert man analog die mittlere freie Flugzeit τ. 1 τ = nσv W(t)dt = e −t/τ dt τ (6) 59 c) Wichtung mit W(t)dt Das Linienprofil erhält man aus Wichtung der Intensitätsverteilung (4) mit der Verteilung der freien Flugzeiten (6) ∞ I(ω) = 1τ ∫ I(ω, t)W(t)dt 0 ∞ 1 1 =τ∫ [2e −i/τ − e [i∆ω−1/τ]t − e [−i∆ωt−1/τ]t ]dt 0 ∆ω 2 τ2 = 1 + ∆ω 1/τ 2 Es ergibt sich ein Lorentzprofil (Dispersionsprofil) mit der halben Halbwertsbreite ∆ωH = 1/τ. Abb. 37: Lorentz Profil Die Stoßfrequenz ν läßt sich mit dem Stoßquerschnitt verknüpfen 1 = nσv τ σ ist ein optischer Stoßquerschnitt, v ist die thermische Geschwindigkeit. Um eine Aussage über die Abhängigkeit der Halbwertsbreite ∆ωH von der Temperatur T und der Störteilchendichte n zu erhalten, wird der Stoßquerschnitt abgeschätzt. Dieser hängt von dem speziellen Wechselwirkungsgesetz ab. Beim quadratischen Starkeffekt gilt ∆ω ∼ E 2 ∼ 14 Abb. 36: Vorbeiflug eines Störteilchens an einem strahlenden Atom ∆ω = C 4 14 60 Allgemein hat man ∆ω = Cp · 1/rp, wobei p = 4 bei quadratischem Starkeffekt, p = 2 bei linearem Starkeffekt, p = 3 bei Eigendruckverbreiterung, p = 6 bei Fremdgasverbreiterung (van der Waals-Kräften) zu setzen ist. Wir definieren als Stoß einen Vorbeiflug, bei dem eine bestimmte +∞ Phasenverschiebung ϕ = ∫ ∆ω(r(t))dt , z.B. ϕ = 1 erzeugt wird. −∞ ϕ=∫ +∞ −∞ +∞ Cp C p dt p dt = ∫ p/2 r −∞ r 2 + v 2 (t − t ) 2 0 0 Der Radius, bei dem ϕ = 1 wird, bestimmt den Wirkungsquerschnitt. Man nennt ihn Weißkopfradius α p C p 1/(p−1) rw = v Bei quadratischem Starkeffekt ist p = 4 σ ∼ r 2w ∼v −2/3 , ∆ω H ∼ nv 1/3 ∼ nT 1/6 Die Abhängigkeit mit v1/3 zeigt, daß Elektronen einen um eine Größenordnung größeren Effekt liefern als Ionen. Die Halbwertsbreite ist nur schwach von der Temperatur abhängig, aber proportional zur Anzahl der Störteilchen pro Volumen, hier proportional zur Elektronendichte ne. Sie eignet sich, da keine detaillierten Annahmen zur Temperatur gemacht zu werden brauchen, besonders zur Bestimmung der Störteilchendichte. Die Starkeffektkonstante Cp beschreibt die Empfindlichkeit des Terms gegenüber Störungen. Die Linienbreite wird durch die Breite des oberen und unteren Terms bestimmt. Bei einer Aufspaltung muß der Effekt der verschiedenen Termkomponenten überlagert werden. Im allgemeinen wächst die Starkeffektkonstante mit wachsender Hauptquantenzahl n, so daß der obere Term den Hauptbeitrag liefert. Üblicherweise wird bei einer Eichmessung die Linienbreite bei bekannten Bedingungen ausgemessen und zur Bestimmung von ne die Proportionalität ∆ωH ~ ne ausgenutzt. Bei einer Messung muß sichergestellt werden, daß der dominante Effekt der quadratische Starkeffekt ist. Wasserstofflinien werden durch die quasistatische Verbreiterung bestimmt. Hier gilt nicht ∆ωH ~ ne. Ähnliches gilt, wenn der Dopplereffekt dominiert. Im Linienkern unterscheiden sich die Linienprofile, die durch verschiedene Verbreiterungsmechanismen erzeugt werden, nur geringfügig. In den Linienflügeln können die Unterschiede hingegen drastisch sein. Stoßverbrei2 terungsprofile fallen in den Flügeln mit 1/∆λ2 ab, Dopplerprofile mit e −(∆λ) Eine genauere Theorie (Lindholm) berücksichtigt den Einfluß der vielen Fernstöße mit kleiner Phasenverschiebung. Diese bewirken eine Verschiebung des Linienschwerpunktes. Außerdem wird die adhoc Annahme ϕ = 1 nicht erforderlich. 61 4. Zusammenwirken von Stoß- und Dopplerverbreiterung a) Faltungsintegral Um das Profil, das aus der Überlagerung von Doppler- und Stoßverbreiterung entsteht, zu berechnen, unterteilt man z.B. das Gaußprofil f(λi) in schmale Streifen gleicher Breite ∆λ. Jeder Streifen entspricht der Ausstrahlung eines durch Stöße ungestörten Atoms. Im Grenzfall ∆λ→0 kann man diese Strahlung als δ - Funktion darstellen x = δ(λ) anschaulich als eine Rechteckfunktion, bei der die Fläche I konstant gehalten wird, während die Breite ∆λ gegen Null geht. Jede dieser nadelförmigen Verteilungen führt zu einem stoßverbreiterten Profil I·h(λ), der Impulsantwort. Das Gesamtprofil ergibt sich also aus der Überlagerung der entsprechend verschobenen und mit der Intensität gewichteten Impulsantworten: Abb. 38: Wie das Faltungsintegral zustande kommt y(λ) = Σ I i h(λ − λ i ) mit I i = f(λ i )∆λ y(λ) = Σ f(λ i )h(λ − λ i )∆λ Im Grenzübergang wird daraus das Faltungsintegral. y(λ) = ∫ +∞ −∞ f(λ / )h(λ − λ / )dλ / b) Voigtprofile Die Faltung von Gauß- und Lorentzprofil nennt man Voigtprofil. Mit der Normierung der Wellenlängenskala auf die Dopplerbreite ∆λ0 v = ∆λ , ∆λ 0 α= ∆λ Stoß ∆λ 0 haben sie die Form α H(α, v) = π +∞ ∫ −∞ e −y dy 2 α 2 + (v − y) 2 62 Im Experiment paßt man oft beliebige Profile an Voigtprofile an und ermittelt damit den Gauß- und Lorentzanteil. Bei weiterer Verarbeitung, z.B. Faltung mit Apparateprofilen sind Lorentz- und Gaußprofile besonders bequem. Z.B. addieren sich Halbwertsbreiten von Gaußprofilen quadratisch von Lorentzprofilen linear: ∆λ 2Hges = ∆λ 2H1 + ∆λ 2H2 (bei Gaußprofilen) ∆λ Hges = ∆λ H1 + ∆λ H2 (bei Lorentzprofilen) Um dies zu beweisen, benutzt man den Faltungssatz, der besagt, daß die Fouriertransformierte der gefalteten Funktion gleich dem Produkt der Fouriertransformierten der einzelnen Funktionen ist. y(λ) = ∫ f(λ / )h(λ − λ / )dλ / → F(y) = F(f) ⋅ F(h) c) Verallgemeinerungen Die Faltung zweier Funktionen ist ein nützliches Instrument auf vielen Gebieten der Physik. In der Spektroskopie wird die Verzerrung einer Spektrallinie durch die Apparatebreite des Spektrografen durch eine Faltung von Apparateprofil und Linienprofil ausgedrückt. Optische Abbildungen kann man mit einer Faltung im Ortsraum beschreiben. Man ermittelt zunächst das Bild einer Punktlichtquelle Iδ(x,y). Dieses habe die Verteilung Ih(x,y). Das wahre Bild einer Intensitätsverteilung f(x,y) ergibt sich dann aus einer Faltung von f(x,y) und der Impulsantwort h(x,y). Im Prinzip ist so z.B. Bei bekannter Impulsantwort durch den umgekehrten Prozeß, die Entfaltung, eine Verbesserung der Bildwiedergabe möglich. Eine Begrenzung entsteht nur durch die Ungenauigkeiten von Meßwerten, da bei einer Entfaltung Schwankungen verstärkt werden. In der Schaltungstechnik interessiert man sich für die zeitliche Verzerrung eines Signals durch einen Übertrager. Hier ermittelt man für den Übertrager die zeitliche Impulsantwort h(t) und erhält die Form eines Ausgangs bei beliebigem Eingang f(t) durch Faltung. 63 5. Quasistatische Verbreiterung a) Einleitung Geladene Teilchen in der Umgebung eines strahlenden Atoms führen zum Starkeffekt, d.h. einer Aufspaltung oder Verschiebung der Linien. Wenn man sich auf eine Komponente einer Spektrallinie konzentriert, hat man in jedem Fall eine Verschiebung ∆ω, die vom elektrischen Feld und damit vom Abstand des Störteilchens r abhängt. In der Linienverbreiterungstheorie macht man allgemein den Ansatz ∆ω = Cp rp wobei Cp eine Konstante, die Starkeffektkonstante, ist und p je nach Mechanismus die Werte 2, 3, 4 oder 6 annimmt (s. Abschnitt 3). Für den zeitlichen Verlauf der Störung gibt es zwei Grenzfälle (s. Abb. 39). Abb. 39: Das Zeitverhalten der Störung: oben im Grenzfall der Stoßverbreiterung, unten der quasistatischen Verbreiterung α) Das Atom strahlt die meiste Zeit ungestört (∆ω = 0). Die Störung ist auf sehr kurze Zeiträume konzentriert. Diesen Fall nennt man die Stoßnäherung. β) Die Frequenz ist ununterbrochen gestört, wobei ∆ω schwankt. Diesen Fall nennt man die quasistatische Näherung, die im folgenden behandelt wird. Die Intensität der Spektrallinie bei ∆ω ist dann proportional zu der Wahrscheinlichkeit, mit der sich ein Störteilchen im Abstand r vom strahlenden Atom aufhält. Abb. 40: Die Intensitätsverteilung spiegelt die Wahrscheinlichkeit W(r) wider, daß sich ein Störteilchen im Abstand r befindet 64 I(∆ω)dω = W(r)dr b)Wahrscheinlichkeit für ein Störteilchen zwischen r und r+dr Die Wahrscheinlichkeit, daß sich ein Teilchen in einem Volumenelement dV befindet, ist W + (dV) = ndV (7) Die Wahrscheinlichkeit, daß sich kein Teilchen in dV befindet, ist W − (dV) = 1 − ndV Die Wahrscheinlichkeit, daß sich kein Teilchen in einem größeren Volumen V befindet, ermittelt man, indem man V in V/dV Teilvolumina unterteilt und W − (dV) für alle Teilvolumen multipliziert: W − (V) = W − (dV)W − (dV)... = W − (dV) V/dV = (1 − ndV) V/dV Nach Definition von x = 1 bei dV → 0 dV en: e n = lim 1 + nx x→∞ x ergibt sich mit der Substitution W − (V) = e −nV Damit ist die Wahrscheinlichkeit, daß sich ein Teilchen genau im Volumen zwischen r und r + dr befindet W(r) = W + (4πr 2 dr) ⋅ W − 4π r 3 = n4πr 2 dr ⋅ e − 3 r 3 2 −(r/r 0 ) 3 W(r) ∼ r dre 4π 3 n mit (8) 4πr 30 r 30 = 3 oder n=1 4πn 3 4π r 3 n ist die Teilchenzahl im Volumen mit Radius r . r ist also bis auf einen Faktor der Grö0 0 3 0 ßenordnung 1 der mittlere Abstand der Teilchen. 65 c) Das Linienprofil Um mit Hilfe von G. (7) das Intensitätsprofil zu ermitteln, muß über die Formel ∆ω = Cp rp der Zusammenhang von ∆ω und ∆r hergestellt werden. Aus dieser Formel und der analogen Definition von ∆ω0 ∆ω 0 = Cp p r0 erhält man sofort die dimensionslose Variable r = ∆ω 0 r0 ∆ω 3 3/p und mit r 2 dr = C∆ω −(3/p+1) dω die Intensitätsverteilung nach Gl. (8) I(∆ω)dω = K 1 ∆ω (ω+p)/p e − ∆ω 0 3/p ∆ω dω (9) Abb. 41: Das Linienprofil bei quasistatischer Verbreiterung Das Profil ist unsymmetrisch und der Schwerpunkt gegenüber der ungestörten Linie ∆ω = 0 ∆ω verschoben. Es läßt sich darstellen als Funktion von , d.h. bei einem bestimmten ∆ω β0 = ∆ω H ∆ω hat das Profil die halbe Zentralhöhe. ∆ωH ist die Halbwertsbreite ∆ω H = β 0 ∆ω 0 mit p ∆ω 0 = C p /r 0 und r 0 = 3 3/4πn erhält man die Abhängigkeit der Halbwertsbreite von der Störteilchendichte ∆ω 0 = Cn p/3 (10) 66 Bei linearem Starkeffekt (p = 2) nimmt die Halbwertsbreite also mit n2/3 zu, bei quadratischem 1 also bei linearem mit n4/3. Der Abfall in den Flügeln geht nach Gleichung (9) mit (3+p)/p ∆ω Starkeffekt mit 15/2 bei quadratischem Starkeffekt mit 17/4 Bei genauerer Betrachtung ∆ω ∆ω muß die Störung durch mehrere Teilchen und die vektorielle Überlagerung der Störfelder berücksichtigt werden. Man erhält die Holtsmarkverteilung W ∆ω 2∆ω 0 = ∆ω 0 π∆ω ∞ ∫0 vsinve − vω 0 ∆ω 3/p dv die ein Maß für die Mikrofeldverteilung in einem Plasma darstellt. Eine weitere Verfeinerung der Theorie erfolgt dadurch, daß man die gegenseitige Beeinflussung der Störteilchen. z.B. durch Debye-Abschirmung berücksichtigt. Für die Berechnung eines realen Linienprofils muß der Beitrag aller einzelner Komponenten addiert werden. Die Abhängigkeit der Halbwertsbreite von der Störteilchendichte bleibt dabei erhalten. c) Abgrenzung zwischen quasistatischer und Stoßverbreiterung Bei der Untersuchung der Frage, wann quasistatische Verbreiterung bzw. Stoßverbreiterung eine Rolle spielt, stellt man fest, daß im allgemeinen beide Effekte gleichzeitig wirken. Bei Stoßdämpfung wird während der Stoßzeit die Linie verschoben. Hierdurch wird eine quasistatische Verbreiterung verursacht. Diese beeinflußt das Profil im Flügel, die Stoßdämpfung im Kern. Die Grenze wird durch die Holsteinsche Grenzfrequenz gegeben. p/(p−1) ∆ω G = v 1/(p−1) Cp (v ist hier die thermische Geschwindigkeit). Bei Wasserstofflinien liegt diese nahe am Zentrum, so daß das ganze Profil durch die quasistatische Verbreiterung bestimmt wird. Bei allen übrigen Spektren liegt sie im allgemeinen für Elektronenstoß im Flügel. Ionenstöße, die nur eine Korrektur zu dem durch Elektronenstöße erzeugten Profil liefern, führen auch bei quadratischem Starkeffekt zu einem quasistatischen Profil. Dieses muß dann mit dem Stoßprofil der Elektronen gefaltet werden. 67 KAPITEL F Übergangswahrscheinlichkeiten 1. Einleitung a) Grundbegriffe Abb. 43: Betrachtet werden zwei Niveaus eines Atoms 1 und 2 mit den statistischen Gewichten g1 und g2. Die Übergangswahrscheinlichkeiten oder Ratenkoeffizienten sind ein Maß für die Geschwindigkeit, mit der ein Übergang von einem Anfangszustand in einen Endzustand übergeht. Nach Einstein beschreibt man diese für die zwei stationären Zustände mit den Energien E2 und E1 durch die Koeffizienten A21, B21, B12, die definiert sind durch dN 2 = A 21 N 2 + u ν B 21 N 2 dt dN 1 = u ν B 12 N 1 dt A21 ist der Koeffizient für spontane Emission, B21 für erzwungene Emission, B12 für Absorption. uν ist die Energiedichte der Strahlung zwischen ν und ν+dν, wobei ν mit der Energiedifferenz durch die Einsteinsche Beziehung ∆E = E 2 − E 1 = hν verknüpft ist. uν hängt mit der Intensität Iν zusammen über u ν = 4π c Iν (1) und Iν mit der durch einen Querschnitt A in den Raumwinkel Ω im Frequenzintervall abgestrahlten Leistung über P ν = I ν ∆A∆Ω∆ν (2) 68 Die Kenntnis der Übergangswahrscheinlichkeiten ist für die Atomphysik wichtig, da sie die verbotenen und erlaubten Übergänge, die relativen Linienintensitäten und die Lebensdauern von angeregten Zuständen angeben. Sie werden für die quantitative Analyse von leuchtenden Gasen, etwa Sternplasmen, benötigt. b) Abhängigkeit der Einsteinkoeffizienten untereinander Die Einsteinkoeffizienten sind voneinander abhängig. Die Abhängigkeit ermittelt man am besten über die Hohlraumstrahlung. N Atome sollen sich im thermischen Gleichgewicht in einem Hohlraum befinden. Dann muß für Strahlungsübergänge detailliertes Gleichgewicht herrschen: dN 1 dN 2 = dt dt (A 21 + B 21 u ν )N 2 = B 12 u ν N 1 Mit der Boltzmann - Formel N 1 g 1 hν/kT = e N 2 g2 erhält man für die Dichte des Strahlungsfeldes uν = A 21 g1 hν/kT g 2 B 12 e − B 21 Dies muß mit der Planckschen Formel identisch sein. Das ist der Fall, wenn g 2 B 21 = g 1 B 12 A 21 8πhν 3 = B 21 c3 Die rechte Seite ist der Vorfaktor der Rayleigh - Jeans Formel. D.h. bei Kenntnis eines der Koeffizienten lassen sich die anderen ermitteln. c) Zusammenhang mit der Lebensdauer Wenn die spontane Emission sehr viel häufiger ist als die erzwungene, was bei themischem Gleichgewicht fast immer der Fall ist, lautet die Differentialgleichung für den Zerfall des oberen Niveaus dN 2 = −N 2 Σ A 2u dt u 69 wobei die Summe über alle tiefer als das Niveau 1 gelegenen Niveaus zu erstrecken ist. Man erhält das Zerfallsgesetz N 2 = N 20 e −t/τ mit 1τ = Σ A 2u u τ nennt man die Lebensdauer. d) Zusammenhang mit εr und κν Der Absorptionskoeffizient κν ist definiert über den Intensitätsverlust ∆Iν entlang einer durchstrahlten Strecke ∆s ∆I ν = −I ν κ ν ∆s Um vom Intensitätsverlust auf Leistungsverlust ∆Pν zu kommen, muß man mit ∆A∆Ω∆s multiplizieren (Gl. 2), also ∆P ν = dN 1 hν = −I ν κ ν ∆s∆A∆Ω∆ν dt Ersetzt man rechts Iν nach (1) und integriert über ∆ν und ∆Ω mit ∫ ∆Ω = 4π erhält man dN 1 hν = c u ν ∫ κ ν dν4π∆Ω∆V 4π dt daraus ergibt sich schließlich, da dN 1 N = B 12 N 1 u ν und n 1 = 1 dt ∆ ∫ κ ν dν = hν B n c 12 1 Entsprechend erhält man für die Leistung der erzwungenen Emission nach der Definition von B21 hν dN 2 = B 21 u ν n 2 ∆Vhν dt 70 Dies muß nach der Definition des Emissionskoeffizienten I ν = ε ν ∆s und der Intensität ∆P = ∆I ν ∆ν∆A∆Ω gleich sein ε ν ∆s∆A∆Ω∆ν Damit erhält man ∫ ε ν dν = 4π u ν n 2 B 21 hν für die spontane Emission entsprechend hν dN /2 = hνA 21 n 2 ∆s∆A dt ∫ ε /ν dν = 4π n 2 A 21 hν e) Lichtverstärkung Die gesamte Abnahme eines Lichtstrahls in einem Gas aus Atomen mit zwei Niveaus (∆E = hν) ergibt sich aus Absorption und Verstärkung durch erzwungene Emission. ∆I = −κI∆s + ε∆s 4π hν = − hν c B 12 n 1 + B 21 n 2 c 4π I∆s = (B 21 n 2 − B 12 n 1 ) hν c I∆s da B 12 = B 21 g 2 g 1 , erhält man g2 ∆I = n 2 − g n 1 B 21 hν c I∆s 1 g2 Man erkennt, daß der Lichtstrahl verstärkt wird, wenn n 2 > g n 1 . Für g2 = g1 heißt dies, wenn 1 mehr Teilchen im angeregten Niveau sind als im Grundniveau. Im thermischen Gleichgewicht ist wegen der Boltzmannformel immer n2 < n1 , und der Strahl wird geschwächt. In Lasern oder Laserverstärkern erreicht man eine Besetzungsinversion. In einem realen System müssen noch die Verluste, z.B. durch spontane Emission berücksichtigt werden. 71 2. Oszillatorstärken Häufig spricht man statt von Übergangswahrscheinlichkeiten von Oszillatorenstärken. Die Oszillatorenstärke ist ein Begriff aus der Dispersionstheorie, der eng mit den Übergangswahrscheinlichkeiten verknüpft ist. a) Zusammenhang von Absorptionskoeffizient und Brechungsindex Der Raum - Zeitfaktor einer ebenen Welle e i(ωt−kz) = e iω t− ωk z läßt sich mit der Beziehung n = c/v umschreiben in n e iω(t− c z) Führt man einen komplexen Brechungsindex ein, n = n r − in i so beschreibt der Imaginärteil die Dämpfung der Welle e iω(t− c z) = e − n niω c z nr e iω(t− c z) Man erkennt, daß der erste Faktor die Amplitudenabnahme beschreibt mit der Dämpfungskonstanten nω κ = ci (3) b) Klassische Dispersionstheorie Der Brechungsindex läßt sich über die Polarisierbarkeit eines Atoms berechnen. n2 = εr = 1 + χ χ = Nα p = αε 0 E (Suszeptibilität) (Dipolmoment) 72 Wir gehen von dem einfachsten Bild für das Atom aus: Ein gedämpfter harmonischer Oszillator werde durch eine harmonische Welle angeregt. Die Bewegungsgleichung lautet: •• • e E e iωt x +ω 20 x + γ x= m 0 Mit dem Ansatz x = x 0 e iωt erhält man für x0 eE 1 x0 = m 0 −ω 2 + ω 2 + iγω 0 und damit für das Dipolmoment p = ex0 2 p = em E 0 2 1 2 = αε 0 E 0 −ω + ω + iγω 0 und für χ = Nα Ne 2 1 χ = mε = n2 − 1 0 −ω 2 + ω 2 + iγω 0 c) Definition der Oszillatorenstärke Quantenmechanisch ergibt sich unter Berücksichtigung aller vom Niveau 1 ausgehenden Übergänge N1e2 χ = mε 0 Σo −ω 2 + ω1o2 + iγω f (4) 0 f12 nennt man die Oszillatorenstärke für Absorption. Sie gibt die Anzahl der Oszillatoren an, die das reale System ersetzen, wobei f ≤ 1 und Σ f 1o = 1 ist. (o sind alle erreichbaren oberen o Niveaus). Bei Vorliegen von nur zwei Niveaus muß man also N im Ausdruck der klassischen Elektronentheorie durch Nf12 ersetzen, um zum quantenmechanischen Ausdruck zu kommen d) Real- und Imaginärteil des Brechungsindexes Da die Dämpfung in Atomen i. a. klein ist, kann man in Gleichung (4) ω 20 − ω 2 = (ω 0 − ω)(ω 0 + ω) = 2∆ωω 0 73 ersetzen 2 1 = Ne 2 χ = Ne mε 0 (γω) 2∆ω mε 0 (γω) γ +i 2∆ω γ −i 1 + 2∆ω γ 2 (5) Ebenso kann man im komplexen Brechungsindex ni gegen nr vernachlässigen und nr überall durch 1 ersetzen, wenn nicht eine Differenz zu 1 gefragt ist. nr − 1 = ni = Ne 2 mε 0 γ 2 ω 0 ∆ω 1 + 2∆ω γ 2 Ne 2 1 2mε 0 (γω) 1 + 2∆ω γ (6) Der Imaginärteil spiegelt den Verlauf der Absorptionslinie wider, der Realteil den Brechungsindex. Abb.44: Der Verlauf von Real- und Imaginärteil des Brechungsindexes in der Umgebung einer Absorption c) Zusammenhang f12 und B12 Der Absorptionskoeffizient wird mit Gleichung (3) und Gleichung (6) 2 nω κ = ci = Ne 2mε 0 γc 1 1 + 2∆ω γ 2 Die Absorption der gesamten Linie ergibt sich durch Integration +∞ ∫ −∞ mit x= κd(∆ω) = Ne 2 γ 2mε 0 γc 2 2∆ω 2 γ , dx = γ d(∆ω) +∞ ∫ −∞ 1 + x 2 dx 1 74 Das Integral ergibt π. Damit wird die Gesamtabsorption Ne 2 π κd(∆ω) = ∫ −∞ 4ε 0 mc +∞ Durch Ersetzen von N durch Nf12 wird daraus +∞ ∫ −∞ κ(∆ω) = N 1 f 12 e 2 π 4ε 0 mc Bei der Absorption in der klassischen Dispersionstheorie wurde nur eine Polarisationsrichtung berücksichtigt, während bei der Definition von B von natürlichem Licht ausgegangen wurde. Daher muß die rechte Seite von obiger Gleichung mit 2 multipliziert werden. Vergleicht man nun mit Gleichung (2): +∞ ∫ −∞ κdν = hν B N c 12 1 erhält man schließlich: f 12 = g 2 mc 3 ε 0 2ε 0 mhν B = 12 g 1 π 2 2 ν 2 A 21 π 2 75 3. Experimentelle Bestimmung der Übergangswahrscheinlichkeiten Abb. 45: Bestimmung der Oszillatorenstärke im Kingschen Ofen a) Messung der Oszillatorenstärke in Absorption Die Anordnung ist in Abb. 45 skizziert. Der zu untersuchende Stoff wird in einem Kingschen Ofen, d.h. einem Rohr aus Kohle oder Keramik, das elektrisch geheizt wird, verdampft. Die Absorption an einem von außen eingestrahlten Licht wird spektral aufgelöst gemessen. Die Messung ergib ∫ κ ν dν. Die Teilchen befinden sich im Grundzustand. Ihre Dichte wird über den Dampfdruck, der sich aus der Temperatur ergibt, gemessen. Andere Anordnungen benutzen statt des Kingschen Ofens einen Atomstrahl. Die Teilchendichte wird dann aus einer Wägung des auf ein Target aufgedampften Materials bestimmt. Das Wiegen der entsprechend geringen Mengen von Material geschieht über die Verstimmung eines Quarzoszillators. b) Bestimmung von f aus der Dispersion (Hakenmethode) Der Realteil des Brechungsindexes ergibt sich nach der Dispersionstheorie aus N 1 f 12 e 2 (n r − 1) = mε γ ω 0 2 0 ∆ω 1 + 2∆ω γ 2 Man erkennt, daß für große ∆ω die rechte Seite unabhängig von der Dämpfung γ wird. Hier läßt sich also aus dem Verlauf der Dispersion außerhalb der Linie N1f12 bestimmen. Eine andere Methode benutzt den Abstand der beiden Extrema (s. Abb. 46). Es zeigt sich, daß dieser direkt zu N1f12 führt: N1f12 ~ ∆2. Abb. 46: Der Hakenabstand N1 muß dann wieder z.B. über eine der unter α angegebenen Methoden bestimmt werden. 76 Zur Aufnahme der Dispersionskurve in der Umgebung einer Linie schaltet man vor den Spektrografen ein Interferometer, so daß die Streifenverschiebung durch n senkrecht zur Dispersionsrichtung des Monochromators erfolgt. Abb. 47: Aufbau zur Hakenmethode Am Ausgang des Spektrografen erhält man ein Interferenzmuster. In großer Entfernung von der Linie steigen die Streifen linear mit der Wellenlänge, da die Position für Auslöschung d ~ λ (Abb. 48a). In der unmittelbaren Umgebung der Linie erfahren die Streifen eine zusätzliche Verschiebung gemäß der Änderung des Brechungsindexes (Abb. 48b). Im Zentrum der Linie ist wegen der Absorption kein Streifensystem zu beobachten, aber das Maximum und Minimum rechts und links erscheinen als hakenförmige Muster und erlauben die Bestimmung des Abstandes ∆ und damit von N1f12 Abb. 48: Das Interferenzmuster in der Spaltebene bei der Hakenmethode c) Experimentelle Bestimmung der Übergangswahrscheinlichkeit aus der Emission. Der Emissionskoeffizient hängt, wie im Abschnitt 1 dieses Kapitels gezeigt wurde, mit den Übergangswahrscheinlichkeiten zusammen. Setzt man ein optisch dünnes Plasma voraus, so ist uν << B(ν,T), wobei B(ν,T) die Planckfunktion darstellt. Außerdem ist n2 << n1 im thermischen Gleichgewicht, was dazu führt, daß der zweite Term praktisch immer zu vernachlässigen ist. Man mißt also ∫ ε r dν , wobei man sich vergewissert, daß die Linie aus dünner Schicht emittiert wird. Man erhält daraus sofort A21 n2. n2 muß dann aus den Gleichungen des thermischen Gleichgewichtes ermittelt werden. Dies sind die Boltzmannformel n 2 g 2 −W2 /kT n 0 = u0 e (u0 ist die Zustandssumme der Teilchen im Grundzustand, n0 ihre Dichte.) 77 Die Saha-Formel neni 3/2 −Wion /kT n 0 S(T) ∼ T e Ladungsneutralität ne = ni und eine weitere Gleichung, z.B. das ideale Gasgesetz (n0 + 2ne)kT = pges. pges ist der äußere Druck, im Lichtbogen z.B. der Atmosphärendruck. Die Gleichungen erlauben, die unbekannten n0, ne, ni, A12, T zu bestimmen. Etwas problematisch ist dabei der Begriff des Gleichgewichtes, da im strengen thermodynamischen Gleichgewicht die Strahlung dem Planckgesetz folgt, was der Voraussetzung optisch dünner Schicht widerspricht. Bei Überwiegen von Stoßprozessen vor Strahlungsprozessen wird die Besetzung der Niveaus und der Ionisierungsgrad nach wie vor durch Boltzmann- und Sahaformel bestimmt, während die Strahlung optisch dünn sein kann. Wenn diese Bedingungen vorliegen, spricht man vom lokalen thermodynamischen Gleichgewicht. 78 4. Quantenmechanische Bestimmung der Übergangswahrscheinlichkeiten a) Einleitung Zur quantenmechanischen Berechnung der Übergangswahrscheinlichkeiten muß die zeitabhängige Schrödingergleichung für das System Atom - Strahlungsfeld gelöst werden. Durch das strenge Verfahren, in dem sowohl Feld wie Atom quantenmechanisch beschrieben werden, lassen sich alle drei Einsteinkoeffizienten ausrechnen. Man benötigt allerdings die Dirac Theorie. Wir benutzen ein halbklassisches Verfahren, bei dem die Welle klassisch, das Atom quantenmechanisch betrachtet wird. Dies erlaubt mit Hilfe der nichtrelativistischen Quantenmechanik B12 zu berechnen. A21 und B21 ergeben sich dann aus den im vorigen Abschnitt abgeleiteten Beziehungen zwischen den Einsteinkoeffizienten. In dieser Näherung bleibt das Atom in einem stationären Zustand, solange es nicht gestört wird. Durch eine äußere Störung entsteht im Laufe der Zeit eine Mischung von Zuständen, so daß eine gewisse Wahrscheinlichkeit entsteht, das Atom auch in einem anderen Zustand zu finden. b) Ansatz Wir gehen von der zeitabhängigen Schrödingergleichung des Problems aus. ih/ ∂Ψ = HΨ ∂t (7) Wir nehmen an, daß der Hamiltonoperator H aus einem Anteil besteht, der das stationäre Atom beschreibt, H o und einer kleinen Störung durch die Welle H / . Das ungestörte Problem ist gelöst. H0ψn = Enψn (8) wobei wir der Einfachheit halber annehmen, daß die Eigenwerte En diskret und nicht entartet sind. Der Zeitfaktor der Wellenfunktion für das ungestörte Problem ergibt sich dann durch einen Separationsansatz. (Man beachte, daß auch das ungestörte Atom, d. h. ohne störende Welle, eine Zeitabhängigkeit zeigen kann, z.B. bei geeigneten Anfangsbedingungen, etwa durch Anregung vor der betrachteten Zeit.) Ψ = ψ(r)T(t) ∂T ih/ ψ = TH 0 ψ ∂t ⇒ T(t) = e −iE n t/h/ ih/ ∂T ∂t H0ψ = ψ = En T 79 Die Wellenfunktion des gestörten Systems stellen wir uns als eine Überlagerung aus den Wellenfunktionen des ungestörten Systems vor, wobei die durch die Störung hervorgerufene Zeitabhängigkeit dadurch berücksichtigt wird, daß die Entwicklungskoeffizienten als zeitabhängig angesehen werden. Ψ = Σ c n (t)ψ n e −iE n t/h/ (9) Um die Übergangswahrscheinlichkeit von einem Niveau 1 nach 2 zu berechnen, wird angenommen, daß sich das Atom zur Zeit t = 0 im Zustand 1 befindet. D.h. c 1 (0) = 1, c j (0) = 0 für alle j ≠ 1 . Durch Störung wird sich nach einiger Zeit ein endlicher Wert für c2 ergeben. Die Wahrscheinlichkeit, das System dann im Zustand 2 zu finden, ist c 2 (t) 2 . Diese wird im ersten Moment linear mit der Zeit ansteigen. Abb. 49: Die zeitliche Änderung der Aufenthalts wahrscheinlichkeit des Atoms in den Zuständen 1 und 2 Die Übergangswahrscheinlichkeit ist dann c 2 (t) 2 /t . Es geht also darum, aus der Schrödingergleichung (7) mit dem Ansatz (9) einen Ausdruck für c 2 (t) 2 zu finden. c) Die Entwicklungskoeffizienten In die Schrödingergleichung ih/ ∂Ψ = H 0 + H / Ψ ∂t wird mit dem Ansatz (9) gegangen: ih/ Σ c n ψ n e −E n t/h/ + Σ c n ψ n E n e −iE n t/h/ = H 0 Σ c n ψ n e −iE n t/h/ + H / Σ c n ψ n e −iE n /t/h/ • Wegen der Gültigkeit von (8) hebt sich der zweite Term links gegen den ersten rechts weg. Auf der rechten Seite wird die Lösung des ungestörten Systems mit c1 = 1 und cj = 0 für j ≠ 1 80 eingesetzt. Dies ist möglich, da die Abweichung der eigentlichen Lösung von der des stationären Atoms im Zustand 1 als klein angesehen wird und daher zusammen mit dem ebenfalls als Störung angesehenen Hamiltonoperator H / einen Term zweiter Ordnung ergibt. ih/ Σ c n ψ n e −iE n t/h/ = H / ψ 1 e −iE 1 t/h/ • Um die Summe auf der linken Seite zu reduzieren, wird die Gleichung von links mit ψ2* multipliziert und über den gesamten Raum integriert. Hierbei macht man sich zunutze, daß die Eigenfunktionen des ungestörten Atoms ein Orthonormalsystem bilden. ∫ ψ ∗2 ψ 2 dV = 1 ∫ ψ ∗2 ψ n dV = 0, für n ≠ 2 • ih/ c 2 e −iE 2 t/h/ = ∫ ψ ∗2 H / ψ 1 dVe −iE 1 t/h/ Die Matrixelemente des Störoperators schreiben wir in Dirac Notation. ∫ ψ ∗2 H / ψ 1 dV = 2 H/ 1 Der e - Faktor wird auf die rechte Seite gebracht und abgekürzt E2 − E1 = ω 12 h/ • c 2 = 1 2 H / 1 e iω 12 t ih/ (10) Gleichung (10) wird Fermis goldene Regel genannt. d) Der Störoperator H / Den Hamiltonoperator für die Bewegung eines Elektrons im elektromagnetischen Feld erhält man aus dem des freien Elektrons H= p2 durch ersetzen des Impulses durch einen verallgemeinerten Impuls 81 p = p / + eA H = 1 p + eA 2m 2 Das Vektorpotential A ergibt sich dabei aus der Amplitude der elektromagnetischen Welle rotA = B • rotE = −B • also E = −A= −iωA , wenn A = A 0 e i(ωt−k•r) + cc. (11) (In Gleichung (11) ist die Tatsache ausgenutzt, daß man für ein Wellenphänomen ∇ϕ = 0 setzen darf). Damit wird H : H = 1 p 2 + epA + eAp + e 2 A 2 2m (12) e2A2 wird als Term zweiter Ordnung gegenüber epA vernachlässigt. p und A vertauschen, da pA − Ap ψ = −ih/ (∇A − A∇)ψ ∇ Aψ = ψ∇ • A + A∇ψ Setzt man wie üblich ∇A = 0 , so können also die mittleren Terme in Gl. (12) zusammengefaßt werden und der Störoperator wird, da H 0 1 p 2 2m e pA = e pA e i(ωt−k•r) + e −i(ωt−k•r) H/ = m ) m 0( Setzt man dies in Gleichung (10) ein, so ergibt sich für c2 • eA c 2 = 1 m0 (〈2 pe −ikr 1〉e i(ω 12 +ω)t + 〈2 pe ikr 1〉e i(ω 12 −ω)t ) ih/ Bei der Integration über die Exponentialfunktionen erscheint im Nenner des ersten Terms i(ω12+ω), des zweiten Terms der Faktor ∆ω = ω12 − ω, so daß dieser Term dominiert. Man 82 erkennt, daß sich nur große Werte für c2 ergeben, solange ω nicht allzu verschieden von ω 12 = ∆E 21 /h ist, d.h. die Bohrsche Frequenzbedingung erfüllt ist. Damit wird c2 = t eA 0 e i∆ωt 〈2 pe ikr 1〉 ∆ω 0 h/ m c2 = eA 0 1 − e i∆ωt 〈2 pe ikr 1〉 ∆ω h/ m (13) Um zum gewünschten Ergebnis zu gelangen, muß mit dem konjugiert komplexen Wert multipliziert und über die gesamte Spektrallinie integriert werden. Der letzte Faktor wird dabei (1 − e i∆ωt )(1 − e −i∆ωt ) 2 − e i∆ωt − e −i∆ωt sin 2 (∆ωt/2) = = ∆ω 2 ∆ω 2 (∆ω/2) 2 mit x = ∆ωt/2 wird +∞ sin 2 (∆ωt/2) +∞ sin 2 x dω = 2t ∫ −∞ (∆ω/2) 2 ∫ −∞ x 2 dx = 2tπ In Gleichung (13) eingesetzt c 2 (t) 2 = 2πe 2 A 20 2 2 pe ikr 1〉 t 2 2 〈 h/ m (14) Die Wahrscheinlichkeit, das Atom im Zustand 〈1 zu finden, nimmt also linear mit t zu. e) Umrechnen von E2 auf Energiedichte Für die Anzahl der Übergänge pro Atom gilt die Einsteinsche Beziehung dN 1 = B 12 u ν dt (15) wobei uν die Energiedichte der Welle im Frequenzbereich der Spektrallinie ist. Um einen Vergleich mit Gleichung (14) zu ermöglichen, muß die dort angegebene Amplitude der Welle mit der Energiedichte des Wellenfeldes verknüpft werden. Diese ist gleich der maximalen Energiedichte des elektrischen Feldes, da dies die Gesamtenergie aus dem oszillierenden elektrischen und magnetischen Feld ist. uν = ε 0 E 20 2 83 Setzt man dies in Gl. (14) ein, so kann man im Prinzip durch Vergleich mit Gl. (15) B12 bestimmen. Bei der Definition von B12 mit 15 geht man allerdings von Oszillatoren aus, bei denen die Richtung des Dipols statistisch im Raum verteilt ist. Außerdem hat man zwei unabhängige Polarisationsrichtungen und ein isotropes Feld, so daß über den Raumwinkel integriert werden muß. Alle diese Einflüsse zusammen bewirken, daß das Ergebnis für |c|2 noch durch 3 · 2 · 4π geteilt werden muß. Man erhält schließlich, wenn man auch noch die Amplitude des • Impulses p durch die des Dipolmomentes ersetzt p = m r = miωr = iω m e pe B 12 = 1 M2 12 6ε 0 h/ 2 (16) Den genauen numerischen Faktor vor dem Matrixelement des Dipols erhält man am besten aus folgender klassischer Betrachtung. f) Halbklassische Berechnung von A21 In der klassischen Elektrodynamik wird gezeigt, daß ein Dipol pro Zeit die gesamte Leistung 2 d2pe 1 S = 2 13 3 c dt 2 4πε 0 ausstrahlt. Dabei ist pe = er das elektrische Dipolmoment. Wird der Dipol durch eine ebene Welle angeregt, kann man schreiben p e = ere i(k•r−ωt) Im Zeitmittel erhält man 〈p ges 〉 = 2 1 ω4 (p e ) 3 4πε 0 3c Zu dem quantenmechanischen Ausdruck kommt man, indem man pe durch das Matrixelement des Dipoloperators ersetzt, genauer p e → 〈ψ 2 p e ψ 1 〉 + 〈ψ 1 p e ψ 2 〉 = 2〈ψ 2 p e ψ 1 〉 = 2M 〈p ges 〉 = Man erhält ω4 3 1 = A h/ ω M 221 πε 21 0 84 A 21 = ω3 M 221 3πε 0 c 3 h/ (17) Übersichtlicher bezüglich der Dimensionen ist die Darstellung 4α A 21 = 2 ω 3 〈r 12 〉 2 e2 die Feinstrukturkonstante ist. h/ c4πε 0 Mit unserem Beziehungen zwischen den Einsteinkoeffizienten ergibt sich für B21 wobei α = B 21 = 1 M2 21 6ε 0 h/ 2 Diese Formel ist bis auf den Querstrich über M21 mit Gl. (16) identisch. Die Abmessungen eines Atoms sind im allgemeinen klein gegen die Wellenlänge der eingestrahlten elektromagnetischen Welle: λ r 0 >> 1 Man kann daher das in M 21 enthaltene e ik•r entwickeln: p e = p e0 e ik•r = p e0 (1 + ik • r + ...) In erster Näherung ist p e = p e0 = er. Diese Näherung heißt Dipolnäherung und führt zu M12 = M 12 Ist ein Übergang in Dipolnäherung verboten, so können die höheren Näherungen wichtig werden. Der lineare Term z.B. ergibt die elektrische Quadrupolstrahlung bzw. die magnetische Dipolstrahlung. g) Auswahlregeln α) Einfluß der Parität Quantenmechanisch folgern die Auswahlregeln aus Symmetriebetrachtungen zum Matrixelement des Dipoloperators. M 12 = ∫ ψ ∗2 erψ 1 dV 85 Wie man am eindimensionalen Problem erkennt, verschwindet das Integral, wenn der Integrand eine ungerade Funktion ist, d.h. wenn seine Parität -1 ist (s. Kap. B/2). Da das Dipolmoment die Parität von x, also eine ungerade Parität hat, wird die Parität des Integranden bei einem Übergang zwischen zwei Zuständen mit gleicher Parität negativ (Paritäten multiplizieren sich!) und das Integral wird Null. Dipolübergänge zwischen Niveaus mit gleicher Parität sind daher grundsätzlich verboten. β) Einelektronensysteme In Einelektronensystemen sind die Symmetrieeigenschaften der Wellenfunktion für einen bestimmten Satz von Quantenzahlen die gleichen wie die des Wasserstoffatoms. Wir diskutieren die Auswahlregeln daher an den Wellenfunktionen des Wasserstoffes. ψ = R nl (r)Y ml (ϑ, ϕ) Die Kugelflächenfunktionen Ylm lassen sich dabei durch die Legendrepolynome Y ml (ϑ, ϕ) = e imϕ sin m ϑNP ml (cos ϑ) darstellen. N ist eine Normierungskonstante, die noch von den Quantenzahlen abhängt, m ≥ 0. Um die Parität zu untersuchen, wird r festgehalten und ϑ durch π − ϑ, ϕ durch π − ϕ ersetzt. Die Parität von ψ ist daher durch die Parität von Y gegeben. Diese ist, wie in Kap. B/2 gezeigt wurde Y ml (π − ϑ, π − ϕ) = (−1) l Y ml (ϑ, ϕ) D.h. bei einem erlaubten Dipolübergang muß ∆l eine ungerade Zahl sein. Auswahlregeln für ∆m Wir denken uns ein schwaches Magnetfeld entlang der z-Achse. Für das Dipolmoment der z Komponente des Dipols gilt dann p = ez = er cos ϑ mit festem ϑ. Zunächst betrachten wir nur die Symmetrie bezüglich der ϕ-Abhängigkeit, d.h. 〈ψ m p el ψ m / 〉 ∼ ∫ 2π 0 e imϕ e −im ϕ dϕ / 86 Steht als Integrand eine sinusförmige Funktion, so verschwindet das Integral über eine ganze Zahl von Perioden, also für m ≠ m'. Für m = m' verschwindet das Integral nicht. Hieraus folgt die Auswahlregel ∆m = 0. Beim Zeeman-Effekt ist dies die π-Polarisation. Bei der σ-Polarisation ist p = er sin ϑ cos ϕ so daß ein zusätzlicher Kosinusterm unter dem Integral erscheint. Ersetzt man cos ϕ durch 1 e iϕ + e −iϕ ( ) 2 so erkennt man, daß 〈ψ m p ψ m / 〉 ∼ ∫ 2π 0 e imϕ cos ϕe −im ϕ dϕ = ∫ / 2π 0 e i(m−m +1)ϕ dϕ / Hier verschwindet der Exponent nur, wenn m' = m± 1. Dies ist die Auswahlregel für σ-Polarisation. Ohne Magnetfeld sind Übergänge mit ∆m = 0 und ∆m = 1 erlaubt. Auswahlregeln für ∆l Hierfür wird nur die ϑ-Abhängigkeit betrachtet. Für die Auswahlregeln maßgeblich ist jetzt das Integral ∫ P l p el P l dV mit dV = r sin ϑdϕdrdϑ m m / d.h. für die z Komponente des Dipol mit p = ez = er cos ϑ ∫ P l cos ϑP l sin ϑdϑ m m / Die Diskussion erfolgt am besten über eine Rekursionsformel für die Legendre-Polynome. m cos ϑP ml = [(l − m + 1)P ml+1 + (l + m)Pl−1 ]/(2l + 1) Berücksichtigt man die Orthogonalität der Legendre-Polynome ∫ P l P l sin ϑdϑ = %δ ll m m / so ergibt sich / 87 ∫ P l cos ϑP l sin ϑdϑ = 0 m m / außer für l / = l + 1 d.h. ∆l = ±1 . Für die andere Polarisation px,y = ex, ey geht man von der Rekursionsformel m m − Pl−1 Pl+1 sin ϑP m−1 = l 2l + 1 aus und erhält ebenfalls ∆l = ±1 88 KAPITEL G Bemerkungen zu Röntgenspektren 1. Einleitung Röntgenspektren sind Spektren mit Wellenlängen unter 10 nm, d.h. mit im Vergleich zum sichtbaren Licht verhältnismäßig hohen Photonenenergien. Zu diesem kommt man im Prinzip auf zwei verschiedenen Wegen a) Übergänge eines äußeren Elektrons bei hochionisierten Atomen. Wegen der Balmerformel ν = RZ 2 12 − 12 n 1 n2 erreicht man bei genügendem Z dann die entsprechenden Energien. b) Übergänge zwischen inneren Schalen. Bei inneren Schalen wird das Kernfeld entsprechend wenig abgeschirmt, so daß mit dem Übergang entsprechend große Energien verbunden sind. Auch hier kann man mit einer modifizierten Balmerformel die Termenergien abschätzen, wenn man die restliche Abschirmung berücksichtigt. Abb. 50: Röntgenübergänge, die zu K und L Linien führen Bei Übergängen zwischen den am tiefsten liegenden Schalen, der K und der L Schale gilt das sogenannte Mosleysche Gesetz, das es erlaubt, die Lage eines Elementes im periodischen System anhand seiner charakteristischen Strahlung zu identifizieren. ν Kα = R(Z − 1) 2 12 − 12 1 2 Für Übergänge von der L in die M-Schale gilt ν Lα = R(Z − 7, 4) 2 12 − 12 89 Die Linienspektren im Röntgenbereich geben also Auskunft über den inneren Aufbau der Elektronenhülle. Z.B. besagt die Beobachtung, daß freie und chemisch gebundene Atome das gleiche Röntgenspektrum zeigen, daß bei der Bindung die inneren Elektronen nicht beteiligt sind. Man muß beachten, daß sich der Anregungsmechanismus von inneren und äußeren Elektronen grundsätzlich unterscheidet, da wegen des Pauliverbots innere Elektronen i.a. nicht auf die nächst höhere Bahn gehoben werden können. Die Anregung erfolgt über Auslösung eines inneren Elektrons aus der Hülle. Der Übergang, der zur Ausstrahlung führt, wird dann durch ein anderes Elektron bewerkstelligt. Abb. 51: Röntgenübergänge, die zu kontinuierlicher Strahlung führen Neben der Linienstrahlung gibt es kontinuierliche Röntgenstrahlung. Im Atom kann diese durch frei-gebunden oder frei-frei Übergänge erfolgen. Die am besten definierte kontinuierliche Röntgenstrahlung ist die Synchrotronstrahlung von Elektronen, die sich im Magnetfeld mit relativistischen Energien bewegen. c) Der Augereffekt Beim Augereffekt handelt es sich um einen strahlungslosen Übergang, bei dem die Anregungsenergie zur Emission eines Elektrons verwendet wird. Das emittierte Elektron hat eine charakteristische Energie, die zur Identifizierung des emittierenden Atoms geeignet ist. Man kann sich das Zustandekommen des Augereffekt analog zum Photoeffekt vorstellen: Bei einem Übergang in der Elektronenhülle wird Strahlung frei, die bevor sie das Atom verläßt, ihre Energie auf ein gebundenes Elektron abgibt. Man nennt den Augereffekt deshalb auch inneren Photoeffekt. Mit dem Augereffekt verwandt ist die Photoelektronenspektroskopie (ESCA). Hier bestrahlt man Materie mit elektromagnetischer Strahlung bekannter Frequenz und mißt die Energie der abgelösten Elektronen, die dann Aufschluß über die Energien der inneren Terme gibt. 90 KAPITEL H Molekülphysik: Einleitung Die Molekülphysik beschäftigt sich mit den physikalischen Grundlagen der Chemie. Während die Chemie die faszinierende Vielfalt der Stoffe, die sich aus den etwa 100 Elementen zusammensetzen lassen, zum Thema hat, ist die Physik im allgemeinen mehr an den einfachen Systemen interessiert, da hier die Mechanismen besser durchschaubar sind. Wir haben daher häufig zweiatomige Moleküle im Auge, wollen aber den Blick auf mehratomige Moleküle nicht ganz verlieren. Abb. 52: Der Übergang von zwei Einzelatomen über das Molekül zum Atom der vereinigten Kerne 1. Bildung eines Moleküls aus zwei Atomen Nähert man zwei gleichartige Atome, etwa neutrale Wasserstoffatome, so hat man bei großem Abstand zwei einzelne Atome a und b mit den uns bekannten Zuständen.ϕa und ϕb. Bei einem Kernabstand Rab, der klein gegenüber dem Bohrschen Radius ist, halten Kernkräfte die beiden Kerne zusammen. Jetzt umkreisen im klassischen Bild beide Elektronen gemeinsam den zweifach positiv geladenen Kern. Die Zustände gehen bei Rab → 0 über in die des Heliumatoms bis auf Abweichungen, die durch das Fehlen der beiden Neutronen hervorgerufen werden (Isotopieeffekt). Im Zwischengebiet hat man das Verhalten einzelner Atome, die durch den Partner gestört werden, also Zeemann-Aufspaltung, Verbreiterung der Linien usw.. Zusätzlich zu diesem Verhalten, das uns von den Atomen her bekannt ist, oder das wir von den Eigenschaften der Atome extrapolieren können, kommen einige neuartige Aspekte hinzu. a) Symmetrie des Kernpotentials Bei zwei gleichartigen Kernen ist das Kernpotential symmetrisch zum Schwerpunkt. Da |ψ(r)|2 die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen angibt, muß bei einem bezüglich r symmetrischen Potential |ψ(r)|2 = |ψ(-r)|2 sein. 91 Hierfür gibt es zwei Möglichkeiten: Die Wellenfunktion ist ungerade ψu(r) = −ψu(-r) oder gerade ψg(r) = ψg(r) Abb. 53: Bei einem symmetrischen Kernpotential ist die Wellenfunktion symmetrisch oder antisymmetrisch Aus Symmetriegründen muß bei der ungeraden Funktion ψu(0) = 0 sein, während bei der geraden Funktion ψg(0) ≠ 0 sein kann. Dies hat zwei Konsequenzen: α) Bei einsetzender Störung durch den Partner spaltet sich die Wellenfunktion, die zu einem bestimmten Zustand gehört, in zwei Wellenfunktionen auf, eine gerade und eine ungerade, zu denen natürlich unterschiedliche Energien gehören. Wie wir später sehen werden, kann man die Gesamtwellenfunktion des Systems aus beiden Atomen annähern, indem man die der ungestörten Atome addiert bzw. subtrahiert ψg = ψa + ψb ψu = ψa - ψb Dieser Vorgang hat sein klassisches Analogon in zwei gekoppelten Pendeln. Durch die Kopplung ergeben sich zwei Normalschwingungen, d.h. Schwingungen, aus denen man alle Schwingungsformen des Gesamtsystems durch Linearkombination zusammensetzen kann. β) Da bei der geraden Funktion ψg(0) ≠ 0, hat das Elektron eine gewisse Wahrscheinlichkeit, sich zwischen den Kernen aufzuhalten und damit die Abstoßung der beiden Kerne abzuschirmen. Die gerade Wellenfunktion führt daher beim Wasserstoff zu einem bindenden Zustand, die ungerade zu einem nicht bindenden. Die potentielle Energie des H2 Moleküls in Abhängigkeit vom Kernabstand ist in Abb. 54 dargestellt. Im Kapitel I werden wir zeigen, wie man diese berechnet. Ohne Quantenmechanik war diese sogenannte homöopolare Bindung, auch kovalente Bindung genannt, völlig unverständlich. Außer mit der homöopolaren Bindung werden wir uns in Kap. I mit der Hybridisierung befassen, die ebenfalls mit einer Linearkombination von Wellenfunktionen erklärbar ist. 92 Abb. 54: Die potentielle Energie in Abhängigkeit vom Kernabstand bei gerader und ungerader Wellenfunktion b) Zusätzliche Freiheitsgrade Zusätzlich zu den Freiheitsgraden der Elektronen haben Moleküle Freiheitsgrade der Kernbewegung α) Rotation β) Vibration, Abb. 55: Die Freiheitsgrade der Rotation und der Vibration im zweiatomigen Molekül die man sich beim zweiatomigen Molekül mit dem Hantelmodell vorstellen kann, wobei bei der Rotation die Verbindung der Atome in erster Näherung starr, bei der Vibration elastisch ist. Durch diese zusätzlichen Freiheitsgrade ergibt sich eine wesentliche Verkomplizierung des Termschemas. 2. Struktur des Energieschemas a) Größenordnung der beteiligten Energien Führt man einem Molekül Energie zu (oder gibt es Energie ab), so kann sich die Energie der Elektronenhülle, der Schwingung oder der Rotation ändern. Dabei können sich diese Energieformen einzeln ändern oder mehrere gleichzeitig. Die Behandlung der Übergänge wird dadurch vereinfacht, daß die zugehörigen Energien sich um jeweils eine bis zwei Größenordnungen unterscheiden, so daß man die Vorgänge als unabhängig voneinander betrachten darf. Die Situation ist ähnlich wie bei einem Pendel der Eigenfrequenz ω0, das einer Störung - etwa einer periodischen Änderung des Potentials - die mit einer Frequenz ωs<< ω0 verläuft, ausgesetzt ist. Man hat dann über viele Schwingungen praktisch keine Änderung des Potentials, so daß man die statische Lösung zugrunde legen kann. In der Molekülphysik spricht man dann von der Born-Oppenheimer Näherung. Im Folgenden werden mit einem groben Modell Größenordnungen der unterschiedlichen Energien abgeschätzt. 93 α) Elektronenenergie Nimmt man die kleinste Energie, die aufgrund der Heisenbergschen Unschärferelation im Bereich einer Bahn mit Bohrschen Radius a untergebracht werden kann, erhält man: 2 p2 E ges = 2E kin = m = h/ 2 ≈ 8eV e 4ma p2a = h/ p = h/ 2a (1) β) Rotationsenergie Klassisch ist die Rotationsenergie 1 Jω 2 = 1 L 2 2 2 J Für L = h/ erhält man 2 2 E rot = h/ = 2h/ 2 2J 2 a da J = M , wenn M die Kernmasse. 2 Vergleich mit Gl. (1) zeigt E rot = 8 m E el M Für Wasserstoff ist M/m 1840, für schwere Atome entsprechend größer. Die Rotationsenergie ist also um mindestens einen Faktor 250 kleiner als die elektronische Energie. Sie liegt im Bereich 10-2 - 10-3eV. Die Terme werden schon bei Zimmertemperatur bevölkert (Tzim = 30 m eV). E vib h/ ω vib = = E el h/ ω el me M γ) Vibrationsenergie Zur Abschätzung der Vibrationsenergie muß man berücksichtigen, daß die Bindung der Kerne im Molekül durch die Elektronen verursacht wird. Die Bindungsenergie der Kerne ist also von der gleichen Größenordnung wie die eines Elektrons. Drückt man die entsprechenden kinetischen Energien durch Massen und Frequenzen aus, erhält man m e a 2 ω 2el ≈ Ma 2 ω 2vib Die Vibrationsenergie ist also bei Wasserstoff 1/40 der elektronischen Energie, bei schwereren Atomen entsprechend weniger. Sie liegt im Bereich 0,1 - 1 eV. 94 b) Das Termschema Für die gesamte Anregungsenergie des Moleküls gilt also E = Eel + Evib + Erot wobei Eel >> Evib >> Erot Das Termschema besteht also aus elektronischen Zuständen, in deren unmittelbarer Nähe jeweils eine Reihe vibratorischer Zustände liegt, von denen jeder in seiner Nachbarschaft einen Satz von Rotationsniveaus besitzt (Abb.56) Abb. 56: Die Struktur des Termschemas im Molekül c) Das Spektrum Wenn sich nur die Rotationsquantenzahl ändert, hat man reine Rotationsübergänge. Die Wellenlänge liegt im fernen Infraroten ( λ = 0,1 - 1 mm ). Zur Aufnahme des Spektrums benutzt man die Mikrowellenspektroskopie. Die Energien sind bei Raumtemperatur thermisch angeregt. Abb. 57: Struktur des Spektrums von Molekülen 95 Reine Schwingungsübergänge liegen im Infraroten (λ = 10-3 - 10-1 mm). Man benutzt Infrarotlaser und Infrarotdioden. Die Terme sind normalerweise nicht angeregt. Bevorzugte Techniken sind also Absorptionsspektroskopie. Elektronische Übergänge führen zu Strahlung im Sichtbaren bis Ultravioletten wie bei Atomen. In den seltensten Fällen beobachtet man reine elektronische oder vibratorische Spektren. Statt dessen finden gleichzeitig Übergänge zwischen den unterschiedlichen Termen statt, d.h. es ändert sich nicht nur die Elektronenenergie, sondern gleichzeitig die Schwingungs- und Rotationsenergie. In diesem Fall spricht man auch von einem elektronischen Übergang. Man erhält im Spektrum also neben einer elektronischen Linie ein System von vibratorischen Linien, von denen jede wieder in Rotationslinien aufspaltet. Die Rotationslinien liegen im sichtbaren Spektralbereich meist so dicht nebeneinander, daß man sie nicht auflöst. Es ergibt sich das Bild eines Intensitätsbandes im Spektrum mit einer scharfen Kante und einer Intensität, die von der Kante aus abnimmt. Ein solches Spektrum nennt man Bandenspektrum Die Struktur des gesamten Spektrums ist in Abb. 57 dargestellt. 96 KAPITEL I Bindungsenergie 1. Das Wasserstoffion H2+ Das einfachste Molekül ist das H2+ . Es besteht aus zwei Protonen und einem gemeinsamen Elektron. Im folgenden wird die Bindungsenergie in Abhängigkeit vom Abstand der beiden Protonen ausgerechnet. Hierzu wird die Schrödingergleichung des Elektrons streng formuliert. Als Lösungsansatz nimmt man eine Linearkombination von Wellenfunktionen im Grundzustand des Wasserstoffs. Über die Schrödingergleichung lassen sich die Koeffizienten bestimmen. a) Der Hamiltonoperator Abb. 58: Geometrische Verhältnisse im H2+-Molekül Die Kerne werden mit a und b bezeichnet. Das Problem für die Einzelatome ist gelöst. − h/ 2 ∆ − e 2 ϕ (r ) = E 0 ϕ (r ) a a a 2m a 4πε 0 r a a a − h/ 2 ∆ − e 2 ϕ (r ) = E 0 ϕ (r ) b b b 2m b 4πε 0 r b b b d.h. ϕa und ϕb sind die uns vom Wasserstoffproblem her bekannten Wellenfunktionen, z.B. die des Grundzustandes mit Ea(0) = Eb(0) = E0 und ∆ a und ∆ b die Laplaceoperatoren bezüglich der Koordinaten xa, ya, za bzw. xb, yb, zb. Der Hamiltonoperator wird wie üblich aufgestellt, indem die Gesamtenergie des Systems gebildet wird. Hier muß die potentielle Energie des Elektrons bezüglich der beiden Kerne bee2 rücksichtigt werden und die potentielle Energie ∆W Kern = bezüglich der Abstoßung 4πε 0 R ab der Kerne untereinander. Wir interessieren uns für die Wellenfunktion des Elektrons ψ . Für diese ist aufgrund der Born-Oppenheimer-Näherung ∆W Kern eine Konstante, die wir zunächst weglassen können, aber am Schluß, wenn es um die Bindungsenergie der Kerne geht, zur Gesamtenergie hinzuzählen müssen. Damit heißt die Schrödingergleichung − h/ 2 ∆ − e 2 − e 2 ψ = Eψ 2m 4πε 0 r a 4πε 0 r b (2) 97 Die Bestimmung von E ist das Ziel der Rechnung. Man beachte, daß bei expliziten Angaben von ra und rb der Kernabstand mit eingeht, so daß E von Rab abhängt. b) Ansatz Für ψ wird der Ansatz gemacht ψ = c1ϕa + c2ϕb Dies ist ein häufig verwendeter Ansatz in der Molekülphysik. Man nennt ihn Linearkombination atomarer Orbitale (LCAO). Durch Einsetzen in die Schrödingergleichung (2) wird hieraus − h/ 2 ∆ − e 2 − e 2 c ϕ + − h/ 2 ∆ − e 2 − e 2 c ϕ = E(c ϕ + c ϕ ) 1 a 2 b 1 a 2 b 2m 2m 4πε 0 r a 4πε 0 r b 4πε 0 r b 4πε 0 r a Da das Problem der Einzelatome gelöst ist, kann man ersetzen − h/ 2 ∆ − e 2 ϕ = E a 0 2m 4πε 0 r a (Hierbei wurde ausgenutzt, daß ∆ a ϕ a = ∆ϕ a ) entsprechend für ϕb. Mit der Abkürzung E0- E = ∆ E ergibt sich dann ∆E − e 2 c ϕ + ∆E − e 2 c ϕ = 0 1 a 2 b 4πε 0 r b 4πε 0 r a (3) c) Berechnen von c1 und c2 Die Konstanten erhält man durch Multiplikation mit ϕa (bzw. ϕb) und Integration über das Volumen. Die dabei entstehenden Integrale kürzen wir ab, wobei wir ausnutzen, daß ϕa ,ϕb in unserem speziellen Beispiel reell sind. ∫ ϕ a ϕ b dV = S (ϕa und ϕb sind hier nicht orthogonal!) 2 2 −e ϕ a ∫ 4πε 0 r b dr = C −e 2 ∫ ϕ a ϕ b 4πε 0 r a dr = D Dieses Integral, das sich als maßgeblich für die Bindung herausstellt, heißt das Austauschintegral. Die damit verbundenen Kräfte sind die Austauschkräfte, wobei man sich vorstellt, es beschreibt den Austausch des Elektrons zwischen den beiden Kernen. Gl. 3 wird damit (∆E + C)c 1 + (∆ES + D)c 2 = 0 (4,a) 98 Durch Vertauschen von 1 und 2 erhält man die entsprechende Gleichung, die durch Multiplikation von Gl. 3 mit ϕb entsteht (∆ES + D)c 1 + (∆E + C)c 2 = 0 (4,b) Auflösung nach c1, c2 ist möglich, wenn die Determinante der Koeffizienten verschwindet: (∆E+C) 2 − (∆ES+D) 2 = 0 (∆E+C) = ±(∆ES+D) d) Wellenfunktion Nach den Koeffizienten aufgelöst, ergeben hiermit die Gleichungen 4 für das + Zeichen c 2 = −c 1 = c, ψ = c(ϕ a − ϕ b ) für das - Zeichen c 2 = c 1 = c, ψ = c(ϕ a + ϕ b ) d. h. praktisch die Lösungen, die man bereits durch reine Symmetrieüberlegungen gewinnen kann. Die Gesamtenergie wird damit E = E 0 − ∆E = E 0 + D ± C 1±S Hier muß man noch ∆W Kern zuzählen. Bei großem Abstand muß E gegen Null gehen. Die Bindungsenergie ist dann 2 EB = C ± D + e 1 ± S 4πε 0 R ab Abb. 59 : Die berechnete Energie im H2+ - Molekül Rechnet man die Integrale aus, so erhält man für die beiden Vorzeichen, die in Abb.59 skizzierte Kurve. Die symmetrische Lösung ergibt den bindenden Zustand. Man beachte, daß E berechnet wird, ohne daß die Modifizierung der Wellenfunktion durch den zweiten Partner irgendwie eingeht. 99 2. Das Wasserstoffmolekül a) Das Problem Abb. 60: Die geometrischen Verhältnisse im H2 - Molekül Das neutrale Wasserstoffmolekül besteht aus zwei Protonen und zwei Elektronen (Abb.60). Wir werden den Rechengang, der nicht schwierig, aber etwas mühselig ist, nicht in allen Einzelheiten durchziehen. Neu gegenüber dem Einelektronenproblem ist, daß wir jetzt die Wellenfunktion so konstruieren müssen, daß sie das Pauliprinzip erfüllt, d.h., daß sie bei Vertauschung der beiden Elektronen das Vorzeichen wechselt. ψ(1, 2) = −ψ(2, 1) Hierfür muß die Gesamtwellenfunktion betrachtet werden, einschließlich der Spinfunktion. b) Hamiltonoperator Den Hamiltonoperator gewinnen wir wie gewöhnlich, indem wir die Gesamtenergie der beiden Elektronen aufstellen. Dabei sind die Koordinaten des Elektrons 1 (x1 ,y1 ,z1 ), abgekürzt r1, des Elektrons 2 (x2, y2 , z2), abgekürzt r2. Bei der Ersetzung des Impulses gehen in den Laplace-Operator nur die Koordinaten des jeweiligen Elektrons ein: ∆1 = ∂2 ∂2 ∂2 + 2+ 2 2 ∂x 1 ∂y 1 ∂z 1 ∆2 = ∂2 ∂2 ∂2 + + ∂x 22 ∂y 22 ∂z 22 2 2 2 2 2 2 2 2 H = − h/ ∆ 1 − e − h/ ∆ 2 − e − e − e + e + e 2m 4πε 0 r 1a 2m 4πε 0 r 2b 4πε 0 r 1b 4πε 0 r 2a 4πε 0 r 12 4πε 0 R ab 100 c) Ansätze Zur Lösung der Schrödinger Gleichung Hψ(r 1 , r 2 ) = Eψ(r 1 , r 2 ) werden Ansätze gemacht, in denen die Wellenfunktionen der Einzelatome so kombiniert werden, daß das Pauliprinzip für die Gesamtwellenfunktion bezüglich Vertauschung der beiden Elektronen antisymmetrisch ist. Um die Gestalt dieser Kombinationen zu ermitteln, konstruieren wir uns zunächst die Lösung des Zweiatom-Problems für den Fall, daß sich die Partner nicht beeinflussen. Die Schrödingergleichung für die Atome a und b mit ihren Elektronen 1 und 2 heißen dann: H 1 ϕ a (r 1 ) = E 0 ϕ a (r 1 ) H 2 ϕ b (r 2 ) = E 0 ϕ b (r 2 ) wobei H 1 und H 2 die Anteile des Hamiltonoperators sind, die sich nur auf jeweils ein Atom beziehen: 2 2 H 1 = − h/ ∆ 1 − e 2m 4πε 0 r 1 2 2 H 2 = − h/ ∆ 2 − e 2m 4πε 0 r 2 mit ∆1 = ∂2 ∂2 ∂2 + 2+ 2 2 ∂x 1 ∂y 1 ∂z 1 ∆2 = ∂2 ∂2 ∂2 + + ∂x 22 ∂y 22 ∂z 22 Diese Gleichungen werden gelöst durch ψ = ϕ a (r 1 )ϕ b (r 2 ) Um den Einfluß des Spins auf die Symmetrie zu untersuchen, führen wir Spinfunktionen ein, wobei bedeuten soll: α (1): α (2): β (1): β (2): Elektron 1 hat Spin nach oben Elektron 2 hat Spin nach oben Elektron 1 hat Spin nach unten Elektron 2 hat Spin nach unten Ein Ansatz ϕ a (r 1 )ϕ b (r 2 )α(1)α(2) erfüllt nicht das Pauliprinzip! Durch Probieren erhält man folgende antisymmetrische Ansätze 101 ψ = ϕ a (r 1 )α(1)ϕ b (r 2 )α(2) − ϕ a (r 2 )α(2)ϕ b (r 1 )α(1) = α(1)α(2)ψ u ψ u = [ϕ a (r 1 )ϕ b (r 2 ) − ϕ a (r 2 )ϕ b (r 1 ) ] Übersichtlicher schreibt sich diese Funktion als Determinante ψu = ϕ a (r 1 )α(1) ϕ a (r 2 )α(2) ϕ b (r 1 )α(1) ϕ b (r 2 )α(2) Solche Determinanten heißen Slaterdeterminanten. Andere Ansätze mit einer symmetrischen Spinfunktion und einer antisymmetrischen Raumfunktion sind ψ = β(1)β(2)ψ u ψ = [α(1)β(2) + α(2)β(1)]ψ u Ein Ansatz mit antisymmetrischer Spinfunktion und symmetrischer Ortsfunktion ist ψ = [α(1)β(2) − α(2)β(1)][ϕ a (r 1 )ϕ b (r 2 ) + ϕ a (r 2 )ϕ b (r 1 ) Mit diesem Ansatz rechnet man nach der Methode von Heitler und London. Er enthält Produkte ϕ a (r 1 ) ⋅ ϕ b (r 2 ) , d. h. er beschreibt Situationen, in denen Elektron 1 bei Atom a und Elektron 2 bei Atom b ist (oder umgekehrt), ohne auch Situationen zu enthalten, bei denen beide Elektronen sich bei einem Atom aufhalten. Um auch Situationen zu berücksichtigen, bei denen sich beide Elektronen bei einem Kern aufhalten, - man spricht dann von kovalent ionischer Resonanz - macht man den Ansatz ψ KIR = ψ HL + cψ ion mit ψ ion = ϕ a (r 1 )ϕ a (r 2 ) + ϕ b (r 1 )ϕ b (r 2 ) c muß dann aus der Forderung nach minimaler Energie bestimmt werden. (ψHL ist der Ansatz nach Heitler und London) Ein anderer Ansatz geht davon aus, daß man zunächst ein Elektron an beiden Atomen hat und dann ein zweites Elektron hinzufügt. Dies ist der Ansatz nach Hund-Mulliken-Bloch ψ HMB = [ϕ a (r 1 ) + ϕ b (r 1 )][ϕ a (r 2 ) + ϕ b (r 2 )] 102 Man kann diese drei Fälle zusammenfassen, wenn man davon ausgeht, daß Elektron 1 mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sich bei Atom a und Atom b aufhält, d.h. man ersetzt in dem Ansatz von Heitler und London ϕ a → ϕ a + dϕ b ϕ b → ϕ b + dϕ a und erhält für die Ortsfunktion ψ all = [ϕ a (r 1 ) + dϕ b (r 1 )][ϕ b (r 2 ) + dϕ a (r 2 )] + [ϕ a (r 2 ) + dϕ b (r 2 )][ϕ b (r 1 ) + dϕ a (r 1 )] wobei die Konstante d durch Variation von E bestimmt werden muß. Setzt man d = 0, erhält man die Methode nach Heitler und London, für d = 1 die nach Hund-Mulliken-Bloch und für 2d = c die Methode von Heitler und London mit ionischem Anteil. Die Bindungsenergie 1 + d2 erhält man, indem man aus den verschiedenen Ansätzen denjenigen auswählt, der zu der kleinsten Energie führt. Ein Ergebnis für die Methode von Hund-Mulliken-Bloch ist in Abb. 61 angegeben. Abb. 61: Die Potentialkurven für die niedrigsten Energien nach Hund-Mulliken und Bloch für H2 3. Die Hybridisierung Unter einem Hybridsystem versteht man allgemein die Kombinierung von zwei Wesen aus verschiedenen Welten zu einem Gebilde. Unter Hybridisierung in der Theorie der Bindung versteht man die Überlagerung von s- und p-Wellenfunktionen eines Atoms, das sich in einem Molekülverband befindet, zu einer Wellenfunktion. a) s- und p Wellenfunktionen Die Hybridisierung läßt sich am einfachsten am Kohlenstoff erklären, hat hier auch die größte Bedeutung, da sie die Grundlage der Vielfalt der Bindungsmöglichkeiten in der organischen Chemie ist. Kohlenstoff hat im Grundzustand eine vollbesetzte K-Schale (n = 1), eine voll besetzte n = 2, O = 0 Unterschale und zwei zusätzliche p-Elektronen in der L-Schale (n = 2). Auch im freien Atom kann eins der 2s - Elektronen zu einem p-Elektron angeregt werden, da die Energielücke zwischen 2s und 2p Zuständen gering ist. Durch Störungen im Molekülverband kann es dazu kommen, daß die 4 Elektronen in der L-Schale praktisch gleiche Energie besitzen. 103 Abb. 62: Besetzung der Schalen im Grundzustand und im ersten angeregten Zustand beim Kohlenstoff Von der Störungsrechnung mit Entartung wissen wir, daß dann der Gesamtzustand durch eine Linearkombination der Wellenfunktionen aller beteiligter Elektronen dargestellt werden kann, in diesem Fall durch die Überlagerung von s- und p- Wellenfunktionen. Von unserer Theorie des Wasserstoffatoms wissen wir, daß die s-Funktion unabhängig von der Winkelkoordinate ist. Man kann sie sich (ohne Normierungsfaktor) von der Form f(r) = e −r/r0 vorstellen. Im folgenden wird sie graphisch durch eine Kugel symbolisiert, wobei klar sein sollte, daß es keine scharfe Begrenzung an einer Oberfläche (r = r0) gibt. (Abb. 63 ) Als p-Zustände nehmen wir die in Abb. 63 skizzierten Funktionen ϕ px ∼ xf(r) , ϕ py ∼ yf(r) und ϕ pz ∼ zf(r). Diese auf ein kartesisches Koordinatensystem angepaßten Funktionen ergeben sich durch einfache Linearkombinationen der früher in Kugelkoordinaten gewonnenen Funktionen. Abb. 63: s und p Orbitale b) Digonale Hybridisierung (sp) In Abb. 64 ist der Effekt einer Überlagerung von ϕs und ϕpx erläutert. Abb. 64: Durch Überlagerung von s- und p- Orbitalen verschiebt sich der Ladungsschwerpunkt Man erkennt, daß sich der Ladungsschwerpunkt in Richtung der x-Achse verschiebt. ψ2 hat dann die in Abb.64b skizzierte Gestalt. 104 c) Die tetragonale Hybridisierung (sp ) Hier überlagert man ϕs und alle drei ϕp - Funktionen. Durch geschickte Wahl der Vorzeichen erhält man für die 4 Elektronen in der L-Schale Ladungsschwerpunkte, die vom Mittelpunkt des Tetraeders aus in Richtung der Tetraederecken verschoben sind. ψ 1 = 1 (ϕ s + ϕ px + ϕ py + ϕ pz ) 2 ψ 2 = 1 (ϕ s + ϕ px − ϕ py − ϕ pz ) 2 ψ 3 = 1 (ϕ s − ϕ px + ϕ py − ϕ pz ) 2 ψ 4 = 1 (ϕ s − ϕ px − ϕ py + ϕ pz ) 2 Die Funktionen ψ1 - ψ4 sind orthogonal, wie sich unter Benutzung der Orthogonalität der Wasserstoff-Funktionen nachrechnen läßt. Um die Verschiebung der Ladungsschwerpunkte durch die Funktionen ψ1 - ψ4 zu ermitteln, stellen wir uns vor, daß gemäß Abb. 64 durch die Überlagerung von ϕs und ϕpx eine Ladung entsteht, die an der Spitze eines Vektors x0 angebracht ist, der in x-Richtung weist, entsprechend für ψpy in y-Richtung und ψpz in z-Richtung. Abb. 65: Ladungsschwerpunkte bei der tetragonalen Hybridisierung Abb. 65 zeigt, daß die Ladungsschwerpunkte dann auf den Ecken eines Tetraeders liegen. Man erhält also für ein C-Atom die Grundstruktur des Methan-Moleküls. Die s-Elektronen der H-Atome bilden dann mit je einem Elektron des C aus einer der 4 Hybridzustände eine Wasserstoffbrücke, z.B. für die Ecke 1 des Tetraeders erhält man die Wellenfunktion der beiden an der Bindung beteiligten Elektronen durch Linearkombination der zugehörigen Wellenfunktionen ψ(r) = ψC1 + ψHS wobei für ψC1 die Funktion ψ1 aus den 4 Linearkombinationen einzusetzen ist. ψ1 = 1/2 (ϕs + ϕpx + ϕpy + ϕpz) Man erhält also mit dieser Betrachtung tatsächlich ein CH 4-Molekül der beobachteten Gestalt. Um zu zeigen, daß dies die einzige vernünftige Kombination der Ausgangswellenfunktionen ist, müßte man alle Kombinationsmöglichkeiten durchgehen. Man wird vermutlich feststellen, daß die Anordnung im Tetraeder die geringste Energie hat. 105 d) Trigonale oder sp2- Hybridisierung Hier kombiniert man nur zwei der p-Wellenfunktionen des Kohlenstoffs mit der des s-Elektrons, die dritte bleibt frei und kann zu einer weiteren Bindung beitragen. ψ1 = ψ2 = ψ3 = 1 3 1 3 1 3 ϕs + ϕs + ϕs − 2 ϕ px 3ϕ − 1ϕ py px 2 2 3ϕ − 1ϕ py px 2 2 ϕpz bleibt übrig. Die Ladungsschwerpunkte liegen dann auf den Ecken eines gleichseitigen Dreiecks (s. Abb. 66) Abb. 66: Lage der Ladungsschwerpunkte bei der trigonalen Bindung des Kohlenstoffs Mit der trigonalen Hybridisierung läßt sich die Doppelbindung beim Ethylen C2H4 erklären. Von den Funktionen ψ1 - ψ3 sorgt je eine Funktion ψ1 für die eine C-C-Bindung. Die anderen machen die CH-Brücken mit ψ(r) = ψ C1 + cψ H1 ψ C1 = ψ 2 aus obiger Tabelle Abb. 67: σ und π Elektronen im Ethylen Die Symmetrieachsen der Wellenfunktionen dieser sogenannten σ - Elektronen liegen in einer Ebene. Die pz-Funktionen stehen mit ihren Achsen senkrecht auf dieser Ebene und sorgen für eine zusätzliche Bindung. Die zugehörigen Elektronen heißen π-Elektronen. Bei der Dreifachbindung in Acetylen C2H2 wird eine C-C-Bindung und die C-H-Brücken durch σ-Elektronen 106 gebildet, während die beiden übrig bleibenden p-Orbitale zu zwei zusätzlichen C-C-Bindungen führen (Abb. 68). Abb. 68: Dreifachbindung beim Acetylen 107 KAPITEL J Symmetrien 1. Einleitung a) Warum Symmetriebetrachtungen? Je komplizierter die Probleme, desto mehr spielen Symmetriebetrachtungen eine Rolle. Die Symmetriebetrachtungen in der Molekülphysik haben- z.B. gegenüber denen in der Hochenergiephysik - den Vorteil, daß sie mit sehr anschaulichen Operationen, nämlich einfachen Abbildungen wie Drehungen und Spiegelungen zu tun haben. Durch die Berücksichtigung der Geometrie, die oft aus dem Experiment bekannt ist, erleichtert man sich die mathematischen Probleme, etwa die Aufstellung der Wellenfunktion. Diese wird z.B. benötigt, um etwa Bindungskräfte zu berechnen, aus denen dann die mit den Schwingungsfrequenzen der Atome berechnet werden können. Die Geometrie der Normalschwingungen, d.h. der Schwingungsmoden, bei denen jedes Atom mit gleichbleibender Amplitude und Phasenbeziehung schwingen kann und aus denen man alle möglichen Schwingungsformen durch Linearkombination erhalten kann, können unmittelbar aus den Symmetriebetrachtungen gewonnen werden. Last not least: Jede Symmetrie ist mit einem Erhaltungssatz verbunden. b) Einige Symmetrieoperationen Eine Symmetrieoperation ist eine Abbildung, durch die man ein Molekül in sich selbst überführt. Ein Wassermolekül z.B. besteht aus einem O- und zwei H-Atomen, die in einer Ebene liegen (Abb. 69 ) Abb. 69: Moleküle mit Rotationssymmetrie bezüglich einer Achse Durch eine Drehung um die Symmetrieachse in dieser Ebene um 180° vertauscht man beide H-Atome. Da die H-Atome nicht unterscheidbar sind, ist das Atom vor und nach der Drehung ebenfalls nicht unterscheidbar. Man sagt, H2O ist gegenüber C2 invariant. Allgemein bezeichnet man mit Cn eine Drehung um ϕ = 360/n. Das Ammoniakmolekül NH3 ist symmetrisch gegenüber C3, das JCl4- - Ion gegenüber C4, das Benzol gegenüber C6. (Man beachte, daß im Benzol die Wellenfunktionen in einer trigonalen Form vorliegen und völlig symmetrisch gegenüber Drehung um 60° sind.). 108 2. Punktgruppen a) Symmetrieoperationen Wir unterscheiden 4 nicht triviale Arten von Symmetrieoperationen α) Drehung um eine Achse Cn Diese Operation wird mit Cn bezeichnet, wobei n angibt, wie oft man Cn hintereinander ausführen muß, um eine Drehung von 360° zu vollführen. Ist der Drehwinkel ϑ , wird n = 360/ϑ Wenn das Molekül mehrere Achsen hat, wird die mit dem maximalen n als Hauptachse genommen und in z-Richtung gelegt. Die z-Richtung ist die vertikale Richtung. Z.B. ist bei einem H2 Molekül die Verbindungslinie der Atome eine C ∞ -Achse. Diese wird als z-Achse gewählt. Die x und die y-Achse (sowie alle senkrecht auf z stehenden Achsen sind C2-Achsen. Bei einer Drehung des Moleküls um ϑ sind die neuen Koordinaten der Atome x = x cos ϑ − y sin ϑ y = x sin ϑ + y cos ϑ z=z In Vektorschreibweise hat diese Gleichung die Form r´ =Cr mit cos ϑ −sin ϑ 0 Cn = sin ϑ cos ϑ 0 0 1 0 Cn ist die Matrixdarstellung der Drehoperation. Für C2 ist ϑ = 180° und damit −1 0 0 C 2 = 0 −1 0 0 0 1 Hintereinanderausführung zweier Operationen ist in der Matrizendarstellung äquivalent zur Multiplikation der zugehörigen Matrizen. Aus der Definition erkennt man sofort, daß C4C4 = C4 2 = C 2 Unser erstes Ziel wird sein, die vollständige Gruppe der Operationen für eine bestimmte Symmetrie hinzuschreiben. Dazu benötigen wir ein neutrales Element und das hierüber definierte inverse zu jeder Operation. β) Identität E E läßt das Molekül unverändert 109 x´ = x y´ = y z´ = z in Vektorschreibweise r = Er mit 1 0 0 E = 0 1 0 0 0 1 Das inverse Element Op-1 eines Operators Op ist dann definiert über Op-1Op = OpOp-1 = E z.B. C43C4 = C44 = E C4-1 = C43 γ) Spiegelung an einer Ebene σ Wenn eine Achse vorgegeben ist, unterscheidet man zwischen Spiegelung an einer horizontalen Ebene (σh), d.h. einer Ebene, die senkrecht zur Achse liegt, und einer vertikalen Ebene, die dann die Achse enthält. Für eine horizontale Ebene heißt die Transformation x’ = x y' = y z' = -z und die zugehörige Matrix 1 0 0 0 1 0 0 0 −1 1 0 0 0 −1 0 0 0 1 für die xz-Ebene entsprechend Abb. 70: horizontale und vertikale Spiegelebene 110 Als Beispiel zeigt Abb.70a die Spiegelsymmetrie des H2 Moleküls bezüglich σh, Abb. 70b die Spiegelsymmetrie des H2-Moleküls bezüglich zweier σv-Ebenen. Es muß darauf hingewiesen werden, daß σv die Atome in ihrer Lage beläßt, daß σv aber nicht das gleiche wie E bewirkt. Z.B. wird ein Pfeil, der senkrecht auf σv steht, durch die Spiegelung umgedreht, während er bei der Identität natürlich seine Richtung beibehält. Man muß daher σv und E unterscheiden. δ) Inversion i (Spiegelung an einem Punkt) Bei der Inversion wird jede Koordinate durch ihr Negatives ersetzt. x´ = -x y´ = -y z´ = -z Die Matrix, mit der dies durch Multiplikation mit einem Vektor erreicht wird, hat die Form −1 0 0 i = 0 −1 0 0 0 −1 ε) Drehspiegelung Sn Bei der Drehspiegelung führt man zunächst eine Drehung um eine Cn-Achse aus und danach eine Spiegelung an einer Fläche senkrecht zu Cn. Als Beispiel für ein Molekül, das symmetrisch gegenüber Drehspiegelung ist, wird Allen C3H4 betrachtet. Abb. 71: Allen ist symmetrisch gegenüber Drehspiegelung Dreht man zunächst um eine Achse, die durch die drei Kohlenstoffatome geht, um 90° und spiegelt dann an der Ebene, die senkrecht zur Achse steht und durch das mittlere Kohlenstoffatom geht, erhält man das ursprüngliche Molekül. Die Drehachse und die Spiegelebene nennt man Symmetrieelemente. Allgemein sind Symmetrieelemente Flächen oder Punkte, die bei der Operation fest bleiben. b) Punktgruppen Die Operationen bilden die Elemente einer Gruppe, wobei die Verknüpfung dieser Elemente durch Hintereinanderausführen der Operationen gegeben ist. Die Bezeichnungen der verschiedenen Gruppen erfolgt in der Molekülphysik nach Schönflies (in der Festkörperphysik wird ein System nach Hermann-Mauguin bevorzugt). 111 α) C1 Die Gruppe C1 umfaßt alle Moleküle, die überhaupt keine Symmetrie aufweisen. Sie enthält als einzige Operation die Identität E. Als Beispiel ist in Abb.72 HNClF dargestellt Abb. 72: Ein Molekül ohne Symmetrie β) Cs Moleküle dieser Gruppe besitzen als einziges Symmetrieelement eine Spiegelebene σ. Die Gruppe enthält die Operationen σ und E. Beispiele s. Abb. 73 Abb. 73: Moleküle der Punktgruppe Cs γ) Ci Moleküle der Gruppe Ci besitzen als einziges Symmetrieelement ein Inversionszentrum. Operationen sind i, E. Als Beispiel wird in Abb. 74 1,2 Difluor - 1,2 - Dichlorethan angeführt Abb. 74: Ein Molekül, das nur gegenüber Inversion symmetrisch ist δ) Cn Moleküle dieser Gruppe besitzen als einziges Symmetrieelement eine Cn-Drehachse. Operationen sind Cn , Cnm, (m < n), E Abb. 75 zeigt als Beispiel Borsäure BO3H3 Abb. 75: Borsäure hat als einziges Symmetrieelement eine Drehachse 112 ε) Cnv Symmetrieelemente: Eine Drehachse Cn und n senkrechte Spiegelebenen, d.h. Ebenen, die Drehachse enthalten. Operationen Cn, (Cnm), σv, σv’, ...E Als Beispiel wird in Abb.76 das Wassermolekül betrachtet, die der Gruppe C2v angehört. Bild Abb. 76: Wasser gehört der Symmetriegruppe C2v an Die Operationen sind E, C2, σv, σv’ Die Multiplikationstabelle zeigt das Ergebnis der verschiedenen Verknüpfungen, das man am besten aus der Geometrie von Abb. 76 abliest. Tabelle VII: Die Gruppe C2v ζ) Cnh Symmetrieelemente: Cn, σh Operationen Cn, Cnm, σh bei geradem n : i. η) Dn Symmetrieelement Cn, n C2 Achsen senkrecht zu Cn ϑ ) Dnd Wie Dn zusätzliche Symmetrieelemente: vertikale Ebenen auf den Winkelhalbierenden zu den C2-Achsen. Dnh wie Dnd, aber zusätzlich horizontale Ebene, Sn: SnAchse T: Tetraedersymmetrie O: Oktoedersymmetrie D ∞h und C ∞v sind Gruppen zweiatomiger Moleküle mit einer Drehachse, auf der alle Atome angeordnet sind. D ∞v sind symmetrisch zu einer horizontalen Ebene, z.B. homonukleare 113 zweiatomige Moleküle, C ∞h haben keine solche Symmetrie, z.B. zweiatomige heteronukleare Moleküle. c) Reduktion der Matrizen Die Matrizen, mit denen die Gruppe dargestellt werden, können reduziert werden, d.h. man kann sie ersetzen durch Matrizen kleinerer Dimension, die der gleichen Multiplikationstabelle folgen. Hierzu verwendet man eine Ähnlichkeitstransformation α) Ähnlichkeitstransformation Eine Ähnlichkeitstransformation einer Matrix A hat die Form A´ = Q-1AQ wobei Q die Transformationsmatrix ist. Unterzieht man drei Matrizen A, B, C, für die AB = C gilt einer Ähnlichkeitstransformation, so ist A´B´ = Q-1AQQ-1BQ = Q-1ABQ = Q-1CQ = C´ d.h. das transformierte Produkt ist das Produkt der transformierten Matrizen. Man setzt sich also zum Ziel, eine Transformationsmatrix Q zu finden, die alle Darstellungsmatrizen einer Gruppe, etwa E, Cn , i vereinfacht. Die transformierten Matrizen E', Cn ', i' stellen dann die gleiche Gruppe dar. ß) Jordansche Normalform Eine einzelne Matrix A kann man unter sehr weiten Voraussetzungen durch eine Ähnlichkeitstransformation auf eine Diagonalform bringen, d.h. in eine Einheitsmatrix überführen. Eine gleichzeitige Überführung aller Matrizen, die die Gruppe bilden, in eine Einheitsmatrix ist i.a. nicht möglich. Man kann aber die transformierten Matrizen optimal an die Diagonalform annähern, d.h. die transformierte Matrix besteht aus Blöcken, die nur in der Umgebung der Diagonalen von Null verschieden sind. Außerhalb dieser Blöcke stehen nur Nullen. Diese Form heißt die Jordansche Normalform. Bei zwei Matrizen A und B in Blockform mit gleicher Dimension der Blöcke, ist auch das Produkt in Blockform mit A1' · B1' = C1', A2' · B2' = C2' , ... 114 Die ursprünglichen großen Matrizen zerfallen also in Untermatrizen, wobei jede der Multiplikationstabelle der Gruppe folgt. In unseren Beispielen haben die ursprünglichen Matrizen die Dimension 3, d.h. durch die Reduzierung werden 1 x 1 Matrizen, die im allgemeinen eine 1 oder -1 enthalten oder 2 x 2 Matrizen entstehen. Bei Symmetriebetrachtungen hat man es manchmal auch mit größeren Matrizen zu tun. Wenn wir z.B. die Symmetrieeigenschaften der Schwingungen der Atome des Wassers untersuchen wollen, werden wir an jedes Atom ein Koordinatensystem xi yi zi anbringen. Abb. 79: Geometrie zur Ermittlung einr 9 dimensionalen Matrixdarstellung der Gruppe C2v Bei einer Symmetrieoperation, etwa C2 muß dann die Transformation aller 9 Koordinaten betrachtet werden. Abb. 80: 9 dimensionale Matrix der C2 Operation Bei der praktischen Konstruktion der irreduziblen Darstellungen beschreitet man nicht den Weg über Ähnlichkeitstransformationen, sondern man operiert mit den Charakteren der Matrizen. Der Charakter einer Matrix ist ihre Spur, d.h. die Summe der Diagonalelemente. γ) Irreduzible Darstellungen der Gruppe Während es eine beliebig große Anzahl von reduziblen Darstellungen einer Gruppe gibt, die davon abhängen, auf welches Objekt oder welche Funktion man sein Augenmerk richtet, ist die Charakterisierung durch irreduzible Darstellungen eindeutig. Es gibt genau K unterschiedliche irreduzible Darstellungen, wobei K die Anzahl der Operationsklassen der Gruppe ist. Eine Operationsklasse oder Ähnlichkeitsklasse ist ein vollständiger Satz von Operationen X, mit denen die Ähnlichkeitstransformation Y =Z-1XZ für alle Z der Gruppe zu einem Element 115 führt, das der Ähnlichkeitsgruppe angehört. Bei Abelschen Gruppen bildet jedes Element eine Ähnlichkeitsklasse für sich. Wie man durch Ausprobieren feststellen kann, gibt es in der Punktgruppe C3v drei Klassen σv , σv' , σv'' C3 , C32 E E bildet immer eine Klasse für sich. Im übrigen finden sich in einer Klasse i.a. gleichartige Symmetrieoperationen wie Spiegelungen an einer vertikalen Ebene, Drehungen um eine Achse usw. Es gibt also in C3v drei irreduzible Darstellungen. δ) Bezeichnungen der irreduziblen Darstellungen Die irreduziblen Darstellungen werden nach Konvention durch einen Buchstaben mit gewissen Indizes und durch einen Satz von Charakteren bezeichnet. Bei linearen Molekülen werden die irreduziblen Darstellungen mit großen griechischen Buchstaben bezeichnet, z.B. in C ∞v heißt A1 ≡ Σ + A2 ≡ Σ − E1 ≡ Π E2 ≡ ∆ d) Charaktertafeln Der Charakter einer Operation χ(Op) ist gleich der Spur der zugehörigen Matrix n χ = Σ a ii i=1 (n ist die Dimension der Matrizen) 116 α) Konstruktion einer reduziblen Darstellung Die Darstellung hängt davon ab, für welches geometrische Element man die Symmetrie bezüglich der verschiedenen Operationen der Gruppe betrachtet. Abb. 81: Bei der Konstruktion einer reduziblen Darstellung sucht man die Transformationsmatrizen für irgendeine geometrische Größe, hier ∆R1, ∆R2. Als Beispiel wird das ebene Molekül H2N2 behandelt, das der Punktgruppe C2n angehört. Diese hat die Elemente E, C2,i und σh. Als geometrische Objekte für die Symmetriebetrachtung werden die HN-Verbindungen ∆R1 , ∆R2 hergenommen. Diese transformieren sich wie folgt: E: ∆R 1 1 0 ∆R 1 ∆R 1 E = = ∆R 2 0 1 ∆R 2 ∆R 2 C2: ∆R 1 0 1 ∆R 1 ∆R 2 C2 = = ∆R 2 1 0 ∆R 2 ∆R 1 χ(C 2 ) = 0 i: ∆R 1 0 1 ∆R 1 ∆R 2 i = = ∆R 2 1 0 ∆R 2 ∆R 1 χ(i) = 0 σ: ∆R 1 1 0 ∆R 1 ∆R 1 σh = = ∆R 2 0 1 ∆R 2 ∆R 2 χ(σ h ) = 2 χ(E) = 2 β) Charaktertafel der irreduziblen Darstellung von C2h Die Charaktere der irreduziblen Darstellungen von C2h sind in Tabelle X dargestellt. Die Gruppe hat 4 Operationsklassen. Es gibt also 4 irreduzible Darstellungen. Die Charaktere bestimmt man nicht über Reduktion mit Hilfe von Ähnlichkeitstransformationen, sondern mit Hilfe von Sätzen über die Charaktere, die im nächsten Abschnitt vorgeführt werden. Tabelle X: Charaktertafel der irreduziblen Darstellung der Gruppe C2h Am oberen Rand stehen die 4 Operationen der Gruppe, am linken Rand die Bezeichnungen der irreduziblen Gruppen. Im Hauptfeld stehen die Charaktere. Die Bezeichnung A wird verwendet, wenn bei C2 +1 steht, B, wenn unter C2 -1 steht. Der Index g deutet auf χ(i) = +1; u auf χ(i) = -1. 117 γ) Basis der irreduziblen Darstellungen Die Basis zeigt an, welche Funktionen wie die entsprechende irreduzible Gruppe transformieren. Als Beispiel machen wir uns wieder wie oben bei ∆R1 , ∆R2 mit Hilfe der Geometrie klar, wie x(y, z) transformieren. Abb. 82: Wie transformieren die Koordinaten unter den Operationen von C2h? Ein Vergleich mit der Charaktertafel zeigt, daß x (und ebenso y) wie Bu transformieren. Man sagt, x (und auch y) ist eine Basis zu Bu. Man erkennt eine Anwendung: Die Charaktere von eindimensionalen Darstellungen lassen sofort erkennen, ob die dazugehörige Basis symmetrisch oder antisymmetrisch bezüglich der angesprochenen Operation ist. Rx, Ry, Rz beschreiben Rotationen um die als Index angegebenen Achsen. Abb. 83: Transformation von Rotationen Wir leiten - wie oben - für x die Transformation bezüglich der verschiedenen Operationen aus der Geometrie ab. Dabei ist hilfreich, den Pfeil, der die Drehrichtung symbolisiert, Punkt für Punkt zu transformieren E: C2: i: σh: Rx/ = Rx Rx/ = -Rx Rx/ = Rx Rx/ = -Rx χ(Ε) = 1 χ(C2) = -1 χ(i) = 1 χ(ση) = -1 Rx und damit Ry transformieren wie Bg und sind daher Basis zu Bg. δ) Zerlegung einer reduziblen Darstellung in irreduzible Ähnlich wie man einen Vektor zerlegen kann in eine Linearkombination von Basisvektoren, läßt sich eine beliebige Darstellung einer Punktgruppe aus einer Linearkombination von irreduziblen Darstellungen bilden. Am einfachsten faßt man die Charaktere χ als Komponenten eines Vektors auf. Die Zerlegung schreibt man dann: χ(Op) = Σνιχi(Op) 118 χ ist der Charakter der reduziblen Darstellung, der zur Operation Op gehört. χi der entsprechende der irreduziblen Darstellung. νi gibt an, wie oft eine bestimmte irreduzible Darstellung in der reduziblen vorkommt. νi ist also eine ganze Zahl. In unserem obigen Beispiel ist Damit ergibt sich Γred = Ag + Bu e) Konstruktion von Charaktertafeln Die Sätze von Charakteren, die zu einer irreduziblen Darstellung gehören, haben noch andere Eigenschaften von Vektoren. Satz 1: χ i (Op)χ j (Op) = δ ij h Σ Op h ist die Ordnung der Gruppe, d.h. die Anzahl ihrer Elemente. Diese Formel entspricht der Orthogonalitätsrelation von Basisvektoren. Außerdem gilt für die Dimensionen der irreduziblen Darstellung ni Satz 2: Σ n 2i = h Da eine Ähnlichkeitstransformation den Charakter nicht ändert, gilt Satz 3: Innerhalb einer Operationsklasse sind die Charaktere für eine Darstellung gleich. Schließlich hatten wir bereits Satz 4: Die Anzahl der reduziblen Darstellungen einer Gruppe ist gleich der Anzahl der Operationsklassen der Gruppe. Zur Konstruktion einer Charaktertafel, etwa für die Punktgruppe C3v können wir zunächst die totalsymmetrische Darstellung, die aus lauter Einsen besteht, eintragen. Sodann können wir meist über Satz 2 die Charaktere für die Operation E gewinnen, da χi(E) die Ordnung der irreduziblen Darstellung Γi angibt. (E ist immer diagonal und enthält in der Diagonalen so viele Einsen wie die Ordnung der Matrix ist. Die übrigen Einträge lassen sich über die Orthogonalitätsbeziehung erraten. 119 Für die Gruppe C3v, für die oben die Multiplikationstafel ermittelt wurde, läßt sich dieser Vorgang nachvollziehen. Tabelle XII: Die Charaktertafel der Gruppe C3v Da E zweidimensional ist, ist die Basis ein Vektor aus zwei Elementen. 120 Kapitel K Molekülspektren 1. Rotationsspektrum a) Energieniveaus zweiatomiger Moleküle Wir betrachten zunächst den Anteil im Spektrum, der mit den kleinsten Energieänderungen verbunden ist, das Rotationsspektrum. Dabei setzen wir voraus, daß sich bei einem Rotationsübergang der Vibrationszustand und der elektronische Zustand nicht ändern. Von der quantenmechanischen Behandlung des Wasserstoffproblems her ist bekannt, daß der Drehimpuls quantisiert ist: L = J(J + 1) h/ Mit L = Θω (Θ ist das Trägheitsmoment)wird die Rotationsenergie 2 2 W rot = L = h/ J(J + 1) 2Θ 2Θ W rot = BJ(J + 1) 2 B = h/ B = B = h/ in Joule und in cm-1. 2Θ hc 4πcΘ Die Höhe der Energieniveaus nimmt also quadratisch mit J zu. Mit der Auswahlregel ∆J = ±1 ergibt sich für das Spektrum (in Wellenzahlen) mit ν = 1/λ = B[J(J + 1) − (J − 1)J)] = 2BJ Es besteht aus äquidistanten Linien im Abstand 2B. Aus dem Linienabstand läßt sich also B und damit Θ bestimmen. Abb. 84: Termschema und Spektrum von reinen Rotationsübergängen 121 b) Intensitäten α) Innerhalb einer Rotationsstruktur Die Intensität ist wie bei Atomen gegeben durch I = h/ ωN 1 A 12 I bei Emission, d.h. im wesentlichen durch die Besetzungszahl des Ausgangsniveaus, (bei Absorptionsspektroskopie durch die Besetzung des unteren Niveaus) und die Übergangswahrscheinlichkeit. Die Übergangswahrscheinlichkeit kann man in erster Näherung innerhalb der Rotationsstruktur als konstant ansehen. Die Besetzungszahlen hängen von den statistischen Gewichten der Zustände gJ = 2J + 1 und ihrer Energie ab. N 1 g j −E/kT = e ∼ (2J + 1)e −BJ(J+1)/kT N 0 g0 Dies ergibt wie xe-x2 eine Kurve mit einem Maximum bei Jmax . Jmax hängt von der Temperatur ab. Abb. 85: Intensitätsverteilung in einer Rotationsbande Aus der Bestimmung der Quantenzahl Jmax, bei der die Intensität ein Maximum besitzt, läßt sich die Temperatur ermitteln. β) Infrarotaktivität Rotierende Moleküle können nach dem klassischen Bild nur strahlen, wenn mit der Bewegung eine Beschleunigung von Ladung verbunden ist, d.h. wenn sie ein permanentes Dipolmoment besitzen. Das gleiche gilt für Vibration. D.h. Moleküle ohne permanentes Dipolmoment zeigen kein Rotations- und Vibrationsspektrum. Man sagt, sie sind infrarot inaktiv. Hierzu gehören alle zweiatomigen Moleküle aus gleichen Atomen (homonukleare Atome) wie H2, N2, O2 und mehratomige lineare Moleküle mit Inversionszentrum wie CO2. Das Rotationsspektrum dieser Moleküle ist aber bei der Raman-Streuung oder im elektronischen Spektrum beobachtbar. γ) Einfluß des Kernspins (IK) Der Kernspin führt zu einer Hyperfeinstrukturaufspaltung, die mit genügend hoher Auflösung beobachtet werden kann. Es gibt allerdings Einflüsse des Kernspins über statistische Effekte, die auch mit geringer Auflösung leicht beobachtbar sind. Es handelt sich um einen der Effekte, bei denen quantenmechanische Regeln zu makroskopischen Auswirkungen führen, ähnlich wie 122 das Fehlen des 1s Grundzustandes im Triplettsystem des Helium. Dies wird am Wasserstoffmolekül H2 erörtert. Der Kernspin der beiden Protonen im H2 kann parallel ausgerichtet sein, man spricht dann von Orthowasserstoff oder o - H2, oder antiparallel beim Parawasserstoff p - H2. Die Übergangswahrscheinlichkeit zwischen beiden Modifikationen ist gering (Auswahlregel ∆IK= 0). Im thermischen Gleichgewicht hat man stets eine Mischung von o- und p-Modifikation. Das Verhältnis wird durch die statistischen Gewichte bestimmt. Beim o - H2 ist IK = 1, bei p - H2 IK = 0, die statistischen Gewichte und damit die Konzentrationen verhalten sich wie 3 : 1. Der Kernspin beeinflußt nun über seine Parität bezüglich Vertauschung der beiden Kerne die Parität der Gesamtwellenfunktion und da diese für Fermionen nach dem Pauliprinzip -1 sein muß, ist die Parität vom Produkt alle übrigen beteiligten Funktionen wie der elektronischen, der Vibration, der Rotation zusammen vorherbestimmt. Im elektronischen Grundzustand (s) ist die Parität der Elektronenfunktion gerade. Ebenso hat der Grundzustand bezüglich Vibration eine gerade Parität, denn das System ist symmetrisch gegenüber Austausch der beiden Kerne. Die Parität der Gesamtwellenfunktion ist also durch Pges = Prot · PKern = - 1 bestimmt. Da - wie wir für das H-Atom gezeigt haben - die Rotationsniveaus eine Parität P = (-1)J besitzen, sind die einzigen möglichen Rotationsniveaus für o - H2: J = 1,3,5,... p - H2: J = 0,2,4,.. Abb. 86: Mögliche Übergänge beim Ortho- und Parawasserstoff Mit der Auswahlregel ∆J = ±1, ∆I K = 0 ist damit überhaupt kein Übergang erlaubt. H2 strahlt aber sowieso nicht bei Rotation, da es infrarot inaktiv ist. Die Rotationsstruktur läßt sich aber mit der Ramanstreuung oder im elektronischen Spektrum beobachten. Im Ramanspektrum gilt die Auswahlregel ∆J = ±2 . Das Ramanspektrum besteht also aus einer Überlagerung der Spektren des o-H2 und p-H2, wobei die Linien abwechseln und einen Intensitätsunterschied von 3:1 entsprechend der Konzentrationen der beiden Modifikationen aufweisen. Da o-H2 als tiefsten Zustand den metastabilen Zustand mit J = 1 hat, zerfällt o-H2 in p-H2. Die Zerfallszeit ist allerdings in einem Gas von nicht zu hohem Druck von der Größenordnung eines Jahres. Man kann den Zerfallsprozeß katalytisch beschleunigen und sich so p-H2 herstellen und lagern. 123 Deuterium hat IK = 1, ist damit ein Boson. Für ein D2-Molekül führt daher die obige Betrachtung zu dem umgekehrten Ergebnis, da gegenüber Vertauschung von Bosonen die Gesamtwellenfunktion gerade sein muß. Folgende Rotationszustände sind also erlaubt p - D2: o - D2: J = 1, 3, 5 J = 0, 2, 4 In diesem Fall ist also die o-Modifikation stabil. Ein ähnliches Ergebnis wie für H2 erhält man für 14N2, aber wegen unterschiedlicher statistischer Gewichte ist hier das Intensitätsverhältnis der Linien 1/2. Bei 14N 15N, also einem Stickstoffmolekül aus Isotopen mit unterschiedlicher Masse ist kein Intensitätswechsel in der Rotationsbande zu beobachten, da die Symmetrie des Atoms durch die unterschiedlichen Massen verlorengegangen ist. Bei 16O2 ist der Kernspin IK = 0. Daher kommen im Rotationspektrum nur Terme mit ungeradem J vor. c) Rotations-Ramanspektrum Infrarotspektroskopie wird im allgemeinen in Absorption betrieben (Abb. 87). Die Probe wird entweder mit einer kontinuierlichen Lichtquelle bestrahlt und mit einem Monochromator analysiert, oder mit schmalbandiger, abstimmbarer Laserstrahlung beleuchtet und die Absorption gemessen. Probleme gibt es außer mit empfindlichen Detektoren mit Streulicht, das im Infraroten besonders schwer zu unterdrücken ist. Monochromatoren werden daher häufig als Doppelmonochromatoren oder in Littrow-Aufstellung betrieben. Bei der Ramanstreuung strahlt man mit sichtbarem Licht ein und beobachtet das unter 90° gestreute Licht in der Umgebung der Rayleigh-Linie. Abb. 87: Anordnug für Infrarot- und Ramanspektroskopie Wird dem eingestrahlten Licht Energie zur Anregung von Rotation entnommen, erniedrigt sich die Frequenz der Streustrahlung. Man spricht von Stokes-Linien. h/ ω s = h/ ω L − h/ ω rot Gibt ein rotierendes Molekül Energie an das Streulicht ab, spricht man von Antistokeslinien. h/ ω s = h/ ω L + h/ ω rot Da die Abregung von einem höheren Niveau aus erfolgt, das nach Boltzmann schwächer besetzt ist, sind die Antistokeslinien weniger intensiv als die Stokeslinien. 124 Man erreicht mit dem Raman-Effekt eine Transformation des Rotationspektrums in den Spektralbereich des Lasers, also z.B. in das Sichtbare. Ein anderer Nutzen des Ramaneffektes ist die Möglichkeit, die veränderten Auswahlregeln auszunutzen. Da die Ramanstreuung ein Zweiphotonenprozeß ist, gilt hier ∆J = ±2 . Außerdem zeigen viele Moleküle, die infrarot inaktiv sind, ein Ramanspektrum, da hierfür kein permanentes Dipolmoment vorhanden sein muß, sondern sich nur die Polarisierbarkeit mit dem Kernabstand ändern muß (s. Kap. L). Abb. 88: So etwa sieht ein Rotations-Ramanspektrum aus Im H2 sieht man also das Rotations-Ramanspektrum: 1. da H2 Raman aktiv ist und 2. da ∆J = ±2 jetzt erlaubte Übergänge darstellen. Das Spektrum ist eine Überlagerung des p - H2 und o - H2 Spektrums, d.h. die mit den geraden Quantenzahlen verbundenen Übergänge, die zum p - H2 gehören sind um einen Faktor 1/3 weniger intensiv als die, die zu den geraden gehören. Insgesamt wechseln sich also Linien mit dem Intensitätsverhältnis 3/1 ab. Abb. 89: Rotations-Ramanspektrum des H2 d) Der nichtstarre Rotator Das Modell der starren Hantel ist nicht streng gültig. Wegen der Elastizität der Bindung erwartet man eine Erhöhung des Abstandes und damit des Trägheitsmomentes bei stärkerer Rotation. Rechnet man dies für gegebene Federkonstante k klassisch durch und ersetzt zum Schluß L durch J(J + 1) h/ , so erhält man für die Rotationsenergien W rot = BJ(J + 1) − D[J(J + 1)] 2 wobei D ~ 1/k ist. Diese Abnahme von ∆ν zwischen den einzelnen Linien einer Rotationsbande bei hohen J läßt sich tatsächlich beobachten und mit den Federkonsten, die genauer aus dem Vibrationsspektrum gemessen werden, korrelieren. 125 e) Isotopie-Effekt Die verschiedenen Massen von Isotopen machen sich im Rotationsspektrum bemerkbar. Nimmt man an, daß die Potentialkurve V(Rab) nicht von der Atommasse abhängt, so verhalten sich die Trägheitsmomente wie die Massen und damit B umgekehrt wie die Massen. Dieser Effekt ist besonders groß bei D2 und H2, wo BD = 1/2 BH. f) Mehratomige Moleküle Mehratomige Moleküle besitzen immer drei Hauptträgheitsachsen, die senkrecht aufeinander stehen. Wir legen das Koordinatenkreuz so, daß x, y, z mit den drei Trägheitsachsen, zu denen die drei Hauptträgheitsmomenten Θx, Θy, Θz gehören, zusammenfallen. Die Gesamtenergie der Rotation läßt sich dann schreiben L 2y L 2x L2 W= + + z 2Θ x 2Θ y 2Θ z Bei einem unsymmetrischen Kreisel - wie etwa H2O - sind alle Trägheitsmomente unterschiedlich. In diesem Fall sind Lx, Ly, Lz nicht gequantelt. Jedes Molekül muß individuell behandelt werden. Wenn zwei der Hauptträgheitsmomente gleich sind, etwa Θx =Θy ≠ Θz , spricht man vom symmetrischen Kreisel (Beispiel NH3). Dann hat man zwei Quantisierungsbedingungen L = J(J + 1) h/ L z = Kh/ K = 0, ±1, ±2, ...,±J K hat also eine ähnliche Funktion wie die magnetische Quantenzahl m im Atom, die Projektion von L bezieht sich allerdings nicht auf eine außen vorgegebene Richtung, etwa ein Feld, sondern auf die Molekülachse. Die Energie schreibt sich dann W rot = BJ(J + 1) + CK 2 1 mit B = h/ , C= h/ − 1 4πcΘ z 4πc Θ y Θ x Bei einem prolaten Molekül, d.h. einem zigarrenförmigen, ist C > 0 und damit wächst die Gesamtenergie mit steigendem K, während bei einem oblaten Molekül, also einem diskusförmigen etwa wie Benzol C < 0 und damit ∆W mit steigendem K abnimmt. 126 2. Schwingungsspektren a) Potential eines zweitatomigen Moleküls Abb. 90: Potential eines zweiatomigen Moleküls in Abhängigkeit vom Kernabstand Abb. 90 zeigt den qualitativen Verlauf des Potentials in Abhängigkeit vom Abstand R der beiden Atome, die das Molekül bilden. Für viele Zwecke ausreichend läßt sich die Form durch ein Morsepotential annähern V(R) = D e [1 − e −a(R−R e ) ] 2 Hierin ist De die Dissoziationsenergie vom Minimum der Potentialkurve aus gerechnet, Re ist der Gleichgewichtsradius des Moleküls und a ist ein Maß für die Krümmung im Potentialminimum und damit für die Rückstellkraft. Bei Ionenbindung ist manchmal eine Näherung durch eine Art Lennard-Jones Potential günstiger 2 V(R) = −e + 19 4πε 0 R R Wie bei der Rotation ist die Vibration im Infrarotspektrum nur beobachtbar, wenn das Molekül ein permanentes elektrisches Dipolmoment besitzt. Homonukleare zweiatomige Moleküle zeigen also kein Vibrations- (d.h. Rotations-Vibrations) Spektrum. b) Harmonische Näherung Im Potentialminimum kann V(R) entwickelt werden. Die einfachste nichttriviale Näherung des Potentials ist ein parabelförmiges Potential, also das Potential eines linearen Oszillators: V(R) = k (R − R e ) 2 2 Klassisch ergibt sich als Schwingungsfrequenz ω 20 = µk wobei k die Rückstellkraft und µ die reduzierte Masse ist. 127 Abb. 91: Potential, Energieniveaus und Übergänge beim harmonischen Osszillator 1 1 1 µ = m1 + m2 Quantenmechanisch erhält man äquidistante Energieniveaus W vib = h/ ω 0 v + 1 2 die durch die Vibrationsquantenzahl v = 0, 1, 2, .... charakterisiert werden. In Wellenzahleneinheiten schreibt man üblicherweise W vib = ϖ e v + 1 2 h/ ω 0 = ν die Dimension einer Wellenzahl hat und nicht mit einer Kreisfrequenz hc verwechselt werden darf. Das tiefste Niveau liegt nicht bei V(Re) = 0, sondern bei V 0 = 1 h/ ω 0 . V0 ist die Nullpunktse2 nergie. Die Auswahlregel heißt ∆ v= ±1 , woraus folgt, daß nur eine einzige Frequenz beobachtet wird: ω = ω0. wobei ϖ e = c) Der anharmonische Oszillator Das Schrödingerproblem mit Morsepotential ist vollständig lösbar. In der Umgebung des Potentialminimums geht natürlich die Lösung in die des harmonischen Oszillators über, wobei die Rückstellkraft k = 2Dea2 ist. Die Tatsache, daß das Potential nicht harmonisch ist, hat zwei Konsequenzen: α) Die Energieniveaus sind nicht mehr äquidistant. Sie können approximiert werden durch 2 2 h/ ω 0 1 = h/ ω v + 1 + x h/ ω v + 1 W vib = h/ ω 0 v + 1 + v + 0 e 0 4D 2 2 2 2 xe hat die Größenordnung 0,01. Für genauere Vergleiche mit Messungen werden auch höhere Potenzen von (v + 1/2) mitgenommen. Die Abstände zwischen den Niveaus nehmen also mit wachsendem v ab. 128 β) Die Auswahlregeln lassen nun außer ∆v= ±1 auch ∆v= ±2 und ∆v= ±3 zu. Dabei schwingt der Oszillator mit den Frequenzen ω = ω0 , ω = 2ω0 . also den Oberschwingungen zur Grundfrequenz. Man spricht auch von Obertönen. Die Obertöne nehmen mit steigender Ordnung an Intensität ab. Die Anzahl der Vibrationsniveaus, vmax, die bis zur Dissoziationsgrenze in die Potentialmulde passen, ist beim Morsepotential endlich. 2 h/ ω 0 v max + 1 + x e v max + 1 = D e 2 2 für HCl mit ν 0 = 2900 cm-1, xe = 0,017 ergibt sich z.B. vmax = 22. Abb. 92: Die Dissoziationsenergie D0 und die Tiefe der Potentialmulde De unterscheiden sich Die Dissoziationsenergie D0 ist nicht durch den Abstand V(R → ∞) − V(R e ) = D e gegeben, sondern durch den Abstand zur Nullpunktsenergie D0. Die Nullpunktsenergie k D e − D 0 = 1 h/ ω 0 = h/ m 2 2 hängt von der Masse der beteiligten Atome ab. Nimmt man an, daß die Bindungskräfte und damit die Potentialkurve nicht von der Masse der beteiligten Atome abhängt, so ergibt sich aus den gemessenen Dissoziationsenergien die Nullpunktsenergie. Z.B. sind die Grundschwingungen des Wasserstoffs (1H2) und Deuteriums (2D2) ν 0H = 4115cm −1 ν 0D = 2990cm −1 Die Differenz der Nullpunktsenergien wird damit 1 (v 0H − ν 0D ) = 584cm −1 Dies muß der Differenz der Dissoziationsenergien entsprechen (D e − D 0 ) D − (D e − D 0 ) H Für den Fall gleicher Potentialkurven von H und D wird dies DeH - DeD . der gemessene Wert für die Differenz der Dssotiationsenergien ist: ∆ν = 621cm-1. 129 Das Bild ist also im großen und ganzen korrekt und der obige Vergleich kann als Nachweis der Nullpunktsenergie angesehen werden. Die Differenz der Ionisierungsenergie von Isotopen ist die Grundlage für Isotopentrennung mit Laserstrahlung. d) Rotation-Schwingungsspektrum α) Ohne Kopplung Genaugenommen sind Rotations- und Schwingungsenergie nicht unabhängig voneinander, denn z.B. bei Anregung von Vibration vergrößert sich der mittlere Abstand der Atome und damit das Trägheitsmoment. Wenn man von dieser Kopplung absieht, ergeben sich die Energieniveaus zu W = Wvib + Wrot 2 W = h/ ω 0 v + 1 + x e h/ ω 0 v + 1 + BJ(J + 1) 2 2 Mit den Auswahlregeln ∆J = ±1 und ∆v = ±1, ± 2, ± 3, ... resultiert das bekannte Vibrationsspektrum, das in der unmittelbaren Umgebung eine Rotationsstruktur aufweist. Die Bedingung ∆J = ±1 besagt, daß Vibrationsspektren alleine nicht vorkommen, sondern daß mit jeder Vibration auch eine Rotation angeregt wird. Abb. 93: Übergänge im Rotations-Schwingungsspektrum Abb. 93 zeigt einen Ausschnitt aus dem Termschema der Rotations-Vibrationsniveaus für 2 unterschiedliche Vibrationsquantenzahlen und drei Rotationsquantenzahlen. Den unteren Term versieht man normalerweise mit zwei Strichen. Den Zweig mit ∆J = -1, d.h. J' = J''- 1 nennt man den P-Zweig, den mit ∆J = +1 , d.h. J' = J'' + 1 den R-Zweig. Es gibt Ausnahmen, in denen der Q-Zweig mit ∆J = 0 ebenfalls erlaubt ist, dann weist das Spektrum an der Stelle des reinen Vibrationsüberganges eine Linie auf. Sonst fehlt diese sogenannte Null-Linie. Abb. 94: Rotations-Vibrationsstruktur 130 β) Kopplung Rotation-Vibration Abb. 95: Die Abhängigkeit des mittleren Abstandes von der Vibrationsquantenzahl Wie in Abb. 95 zu erkennen, wächst mit höherer Vibrationsanregung der mittlere Abstand der beiden Atome. Dies ist übrigens in Festkörpern der Grund für die Wärmeausdehnung. Für die Rotation heißt dies, daß die Rotationskonstante B eine Funktion der Vibrationsquantenzahl ist, und zwar wird B monoton kleiner mit wachsendem v. Man kann für den einfachsten Fall ansetzen B v = B e − α v + 1 2 wobei Be die Rotationskonstante ohne Vibration ist. Dies hat zur Folge, daß innerhalb des RZweiges die Abstände zwischen den Rotationslinien mit steigendem J ansteigen, innerhalb des P-Zweiges abnehmen. γ) Kopplung Rotation - Vibration - elektronischer Übergang Abb. 96: Einfluß der elektronischen Anregung auf die Bindung Bei zusätzlicher elektronischer Anregung erhält man eine angehobene Potentialkurve, die aber im allgemeinen die Form ändert. Wenn die Anregung die Form und die Gleichgewichtsabstände nicht ändert, ist die Anregung bindungsneutral in den selteneren Fällen mit R' < R'' ist die Anregung bindungsfestigend, sonst i.a. bindungslockernd (R´ > R"). Im Extremfall hat der angeregte Zustand kein Potentialminimum, d.h. die Bindung wird durch die Anregung gelöst. Es gibt aber auch den umgekehrten Fall, daß im elektronischen Grundzustand keine Bindung 131 vorliegt, durch eine Anregung aber ermöglicht wird. Solche Stoffe nennt man Excimere. Edelgas-Halogenid-Excimere spielen als Lasermedium eine Rolle. Wir gehen vom Fall aus, daß beide Potentialkurven ein Minimum besitzen, dieses sich aber durch die Anregung verschiebt. Als Folge ändert sich der mittlere Abstand und damit die Rotationskonstante. Die Wellenzahlen ergeben sich aus ν = ν0(v'v'') + B'J'(J´+1) - B’’J’’(J''+1) Da B’ ≠ B'’, hebt sich der quadratische Term nicht mehr wie im reinen Rotationsspektrum heraus. Man erhält bei konstantem ∆J, das die Zweige charakterisiert, für ν(J) Parabelbögen. Außer ∆J = ±1 ist hier auch derQ-Zweig ∆J = 0 häufig erlaubt und derO- und S-Zweig (∆J = ±2). ν(J) ist das sogenannte Fortrat-Diagramm (Abb.97 ), das es gestattet, eine gewisse Übersicht in ein Bandenspektrum zu bringen. Abb. 97: Das Fortrat - Diagrammm Aus der Richtung der Abschattierung läßt sich erkennen, ob die Anregung die Bindung fördert oder lockert. Bei B' = B''hat die Rotationsstruktur das gleiche Aussehen wie im Rotations-Schwingungsspektrum. e) Mehratomige Moleküle Normalschwingungen Bei einer Normalschwingung schwingen alle Atome mit konstanter Amplitude, Frequenz und gegenseitiger Phasendifferenz. Bekannt sind die Normalschwingungen zweier gekoppelter Pendel. Hier gibt es genau 2 Normalschwingungen: Bei der einen schwingen beide Pendel in gleicher Richtung, bei der anderen gegeneinander. Auch die Eigenschwingungen von Saiten kann man als Normalschwingungen auffassen. Wie bei Saiten haben auch in allen anderen schwingenden Systemen die Normalschwingungen die Eigenschaft, daß sich alle möglichen Schwingungsformen aus Linearkombinationen der Eigenschwingungen zusammensetzen lassen. (Bei Saiten wird dies durch den Satz von Fourier begründet). Ein Molekül, das aus n Atomen besteht, hat 3n Freiheitsgrade. Zieht man hiervon die 3 Freiheitsgrade der Translation und die 3 der Rotation ab, bleiben im allgemeinen 3n - 6 Freiheitsgrade für Schwingungen übrig. Bei einem linearen Atom entfällt der Freiheitsgrad der Rotation um diese Achse. Ein Molekül hat also im allgemeinen 3n - 6 Normalschwingungen, ein lineares Atom 3n - 5. 132 Beispiel: Bei zweiatomigen Molekülen ist die Anzahl der Normalschwingungen 6 - 5 = 1. Wasser ist nicht linear, n = 3 also gibt es 3 Moden. CO2 ist ein lineares Molekül aus 3 Atomen und hat daher 4 Normalschwingungen (s.Abb. 99) Die beiden Biegeschwingungen sind dabei entartet. Abb. 98: Die Normalschwingungen vom Wassermolekül Abb. 99: Die Normalschwingungen bei CO2 Die Symmetrie der Normalschwingungen läßt sich auf die Symmetrie der irreduziblen Darstellungen der Gruppe, denen das Molekül angehört, zurückführen. Als Beispiel wird das H2O-Molekül betrachtet. Es gehört, wie wir aus Kapitel K wissen, der Punktgruppe C2v an. Die Charaktertafel mit dem linearen Teil der Basis ist in Tabelle XIII wiedergegeben. Tabelle XIII: Charaktertafel der Punktgruppe C2v Unterziehen wir die in Abb. 98 angegebenen Normalschwingungen den verschiedenen Symmetrieoperationen der Gruppe, sehen wir, daß ν1 und ν2 wie A1 transformieren, ν3 wie B1. Man kann diese Symmetrien auch systematisch ermitteln, ohne daß die Form der Normalschwingungen bekannt ist. Dazu zeichnet man an jedes Atom ein Koordinatenkreuz und überlegt sich, wie der Vektor 133 bei den verschiedenen Symmetrieoperationen transformiert (s. Abb. 79 und 80). Man schreibt die zugehörigen 9 x 9 Matrizen hin und bestimmt deren Spur. Man erhält damit die Charaktere der reduziblen Darstellung. Bei H2O ergibt sich: Die Dimension ist gleich der Anzahl der Freiheitsgrade 9. Durch Ausprobieren mit der Charaktertafel der Gruppe findet man, daß sich diese Darstellung zusammensetzt aus den irreduziblen Γtot = 3a1 + a2 + 3b1 + 2b2 Hiervon zieht man noch die irreduziblen Darstellungen ab, die die Translationen (x, y, z) und Rotationen (Rx, Ry, Rz) als Basis haben. Γvib = Γrot - Γtrans - Γrot = (3a1+a2+3b1+2b2) - (a1+b1+b2) - (a2+b1+b2) = 2a1 + b1 Es gibt also zwei Normalschwingungen mit der Symmetrie a1 und eine mit der Symmetrie b1. 134 3. Elektronisches Spektrum a) Terme zweiatomiger Moleküle mit einem Valenzelektron Die elektronischen Zustände von Molekülen werden an den einfachsten Objekten erörtert: den zweiatomigen Molekülen, wobei zunächst davon ausgegangen wird, daß das Molekül weder vibriere noch rotiere. Die Zustände sind dann ähnlich wie die im Atom im starken Feld, da die Molekülachse eine Vorzugsrichtung darstellt. Die Molekülachse wird als z-Richtung gewählt. Zur Beschreibung des Zustandes dienen folgende Quantenzahlen: n: die Hauptquantenzahl bezeichnet die Elektronenschale wie früher O: der Bahnmdrehimpuls des Elektrons ist keine gute Quantenzahl mehr, da der Drehimpuls um die Molekülachse präzediert. O = 0, 1, ..., n - 1 Oz: statt O ist die Projektion von O auf die Molekülachse eine geeignete Quantenzahl Oz = m h, m = O, O - 1, ..., O l l m hat also die Funktion der magnetischen Quantenzahl. Im Unterschied zum Atom im Magnetfeld haben Zustände mit ±m die gleiche Energie, da die Energie ohne Aufhebung der Entartung, etwa durch eine Störung, unabhängig von der Umlaufrichtung des Elektrons um die Molekülachse ist. Man führt daher eine neue Quantenzahl ein: λ = |m | mit folgender Zuordnung O O O Die Termsymbole entsprechen den lateinischen Buchstaben, S, P, D, F,... Dabei sind σ-Zustände bezüglich m einzeln, können aber wegen der zwei möglichen Spineinstellungen des Elektrons ms = ±1 mit zwei Elektronen besetzt werden. Alle anderen Zustände mit λ ≠ 0 sind doppelt wegen m = ±λ und können daher mit 4 Elektronen besetzt werden. Die Quantenzahlen zur Beschreibung des Zustandes in einem Molekül sind also (n, (l), λ, ms). Um die Herkunft der Terme aus denen der Einzelatome anzugeben, werden diese durch Nachstellung der Bezeichnungen für die Einzelatome gekennzeichnet, z.B. O O σ1s A oder σ2p B Man kann auch die Termbezeichnung des vereinigten Atoms vorstellen. Durch den Index g oder u wird angegeben, ob es sich um gerade oder ungerade Zustände bezüglich Inversion handelt, wobei wir wie früher durch geeignete Kombination gleicher Einzelatomzustände gerade oder ungerade Zustände bilden können: 135 σ g 1s = N(σ1s A + σ1s B ) σ u 1s = N(σ1s A − σ1s B ) N ist die Normierungkonstante. Nicht bindende Zustände werden mit einem Stern versehen. Abb.100 zeigt die beiden tiefsten Zustände mit den niedrigsten Energien beim H2-Molekül. Rechts und links sind die Einzelatomzustände (AO = Atomare Orbitale) gezeichnet, dazwischen die des durch die Vereinigung entstandenen Moleküls. Abb. 100: Die tiefsten elektronischen Zustände von zweiatomigen Molekülen Die Zustände werden wie beim Atom von kleinsten Energien anfangend unter Beachtung des Pauliverbots besetzt. Beim H2 ist also der bindende Zustand vollständig mit 2 Elektronen besetzt. Beim He2 ist auch der nichtbindende Zustand 1σu* mit zwei Elektronen besetzt. Die Anzahl der Elektronen in bindenden Zuständen minus der in nichtbindenden geteilt durch 2, nennt man auch die Bindungsordnung; in H2 ist sie 1, in He2 0. An ihr kann man die Stärke der Bindung erkennen. H2 ist stabil, He2 instabil. Durch Anregung kann beim He2 ein Elektron aus einem nicht bindenden Niveau in ein bindendes übergehen. Dies ist der Grund für Excimerbildung. Abb. 101: Die Besetzung der tiefsten Niveaus bei Stickstoff und Sauerstoff Abb. 101 zeigt die 8 tiefsten Niveaus der leichten homonuklearen Moleküle und ihre Auffüllung bei N2 und O2. Die drei Elektronenpaare in den stabilen 2p Niveaus bei N2 entsprechen der Dreifachbindung. Beim O2 kommen zwei Elektronen im nichtbindenden πg* 2p Orbital hinzu, die die Bindung der Elektronen im σg2p - Orbital kompensieren, so daß eine Zweifachbindung übrigbleibt. 136 Die Lage der einzelnen Niveaus in einer Schale kann von Atom zu Atom variieren. Einen Überblick verschafft das Korrelationsdiagramm Abb. 102 Abb. 102: Korrelationsdiagramm Hier sind links die Niveaus des vereinigten Atoms, rechts die der Einzelatome aufgeführt. Zustände gleicher Symmetrie rechts und links sind so verbunden, daß sich Linien, die von Zuständen gleicher Symmetrie ausgehen, nicht kreuzen. Die Lage unterschiedlicher Moleküle in diesem Diagramm ist angegeben. Anhand der Lage der Verbindungslinien läßt sich die relative Lage der Terme ermitteln. b) Die Kopplung mehrerer Elektronen im zweiatomigen Molekül Bei mehreren Elektronen muß man beachten, wie die verschiedenen Drehimpulse zum Gesamtdrehimpuls des Systems koppeln. Entsprechend der LS und jj-Kopplung im Atom gibt es verschiedene extreme Kopplungsfälle. Nach Hund unterscheidet man zwischen 4 Kopplungsfällen, von denen wir zwei angeben. Sie unterscheiden sich im wesentlichen in dem Einfluß der Molekülachse. Im Hundschen Kopplungsfall A sind S und O an die Molekülachse gekoppelt. Die Projektionen der Drehimpulse auf die Achse addieren sich algebraisch zur Projektion des Gesamtdrehimpulses L L z = ±Λh/ Λ = Σ (±λ i ) Die Zuordnung zwischen der Termbezeichnung und dem Wert von Λ ist dabei wie im Atom, nur daß statt lateinischer Buchstaben griechische verwendet werden: Die Spins der einzelnen Elektronen addieren sich zum Gesamtspin S. S addiert sich mit Λ , dem Vektor der Länge Λ, der in z-Richtung zeigt, vektoriell, so daß die Projektionen von S 137 auf die Achse, Σ, ganzzahlige Differenzen haben. Σ und Λ addieren sich algebraisch zur zKomponente des gesamten Elektronendrehimpulses Ω. Ω=Σ+Λ Die Verhältnisse sind ähnlich wie beim Paschen-Back-Effekt. Der Gesamtdrehimpuls des ganzen Moleküls J ergibt sich dann aus einer vektoriellen Addition des Impulses der Kernrotation (Hantelimpuls) N und der Elektronen J=N+Ω Abb. 103: Addition der Drehimpulse beim Hundschen Kopplungsfall A Abb. 104: Vektorgerüst für die Addition von S und Λ im Hundschen Kopplungsfall A Die Multiplizität der Feinstruktur ist wie bei Atomen durch 2S+1 gegeben. Übergänge gehorchen den Auswahlregeln ∆Λ = 0, ±1 ∆S = 0 d.h. Interkombinationslinien sind i.a. wie bei Atomen verboten. Bei schwereren Atomen kommen sie vor. Beispiele sind die atmosphärische Sauerstoffbande, die durch einen Übergang 3 Σ→1Σ des O2 entsteht und die Cameron Bande von CO mit dem Übergang 3Π - 1Σ: Beispiel: Für drei Valenzelektronen eines Atoms seien die Quantenzahlen n=2 O =1 λ1 = 1 n=3 O =0 λ2=0 n=3 O =2 λ3 = 1 Damit ergeben sich für Λ die beiden Möglichkeiten Λ = λ 1 + λ 2 + λ 3 = 2 , was zu ∆ - Zuständen führt, oder Λ = λ 1 + λ 2 − λ 3 = 0 , was zu Σ - Zuständen führt. 138 Die Komponente des Spins auf die Molekülachse kann für drei Elektronen 1/2 und 3/2 betragen. Die Multiplizität ist wie beim Atom durch 2S + 1 gegeben. Bei Σ = 1/2 ergeben sich also 2S + 1 = 2, bei Λ = 2 vier möglichen Terme 4 ∆ 7/2 , 4 ∆ 5/2 , 4 ∆ 3/2 , 4 ∆ 1/2 Beim Hundschen Kopplungsfall B ist S schwach an die Achse gekoppelt. Abb. 105: Hundscher Kopplungsfall B Hier addieren sich zunächst N und Λ vektoriell zu einem Vektor K, der dann mit dem Spinvektor den Gesamtdrehimpuls J ergibt. c) Intensitäten Die Intensitäten im Vibrationsspektrum werden durch das Franck-Condon-Prinzip geregelt. Dies stützt sich auf die Born-Oppenheimer Näherung, die für die Darstellung der elektronischen Übergänge zwischen zwei Potentialkurven wie in Abb. 106 besagt, daß die Übergänge in diesem Bild immer auf senkrechten Geraden erfolgen. Um herauszufinden, zwischen welchen Schwingungsquantenzahlen v die intensivsten Übergänge stattfinden, wählt man nach Franck-Condon solche Werte für R, bei denen im oberen und im unteren Niveau die größte Besetzung vorliegt. Abb. 106: Zur Veranschaulichung des Franck-Condon Prinzips Maßgeblich für die Intensität ist also der Grad der Überlappung der Wellenfunktionen im oberen und unteren Zustand bei gleichem R. ∫ ψ / (R)ψ // (R)dr 139 Im Beispiel von Abb. 106a wird angenommen, daß das Molekül anfangs im Grundzustand vorliegt. Da hier ψ2 in der Mitte ein Maximum besitzt, während in den angeregten Niveaus dem klassischen Bilde entsprechend am Rand die größte Aufenthaltswahrscheinlichkeit vorliegt, werden die intensivesten Übergänge von v'' = 0 nach v' = 5 oder die benachbarten Quantenzahlen zu beobachten sein, während im Falle der Bindungsneutralität (Abb. 106b) die Übergänge hauptsächlich zwischen Niveaus mit gleichem v stattfinden. Um sich einen Überblick über die Lage der beiden Potentialkurven zu verschaffen, ist das sogenannte Kantenschema nützlich. Hier zeichnet man in ein Diagramm v'/v'' die Lage der hellsten Linien ein. Im Falle der Bindungsneutralität (Re' = Re'') erhält man eine Gerade, im Falle Re' ≠ Re’’ eine Parabel. (Abb. 107) Abb.107: Kantenschema d) Photodissoziation Das Franck-Condon Prinzip macht auch verständlich, warum direkte Dissoziation aus dem Grundzustand durch einen optischen Prozeß nicht möglich ist. Da die höheren Niveaus in der Mitte praktisch keine Aufenthaltswahrscheinlichkeit besitzen, ist ein Übergang entlang einer vertikalen Linie beliebig unwahrscheinlich. Ein Übergang mit Änderung des Atomabstandes ist aber verboten. Die Dissoziation erfolgt also über Stöße oder optisch über Anregung eines Zwischenzustandes (Abb. 108). Durch Ermittlung der Konvergenzgrenze im oberen Niveau und der Anregungsenergie aus der Ausstrahlung der Zerfallsprodukte läßt sich die Dissoziationsenergie bestimmen. Abb. 108: Möglichkeit der Photodissoziotion 140 4. Ramanspektrum a) Die klassische Beschreibung des Schwingungs-Ramaneffektes Abb. 109: Der Raman Effekt wird im Streulicht beobachtet Bei der Ramanstreuung werden die Moleküle in einer Probe der Strahlung einer Welle ausgesetzt E0 = E cosω0t Dadurch wird im Molekül ein Dipolmoment p induziert p = αE = αE cos ω 0 t Wenn nun die Polarisierbarkeit α vom Atomabstand im Molekül abhängt, und das Molekül mit der Frequenz ωv vibriert, ergibt sich für das Dipolmoment mit R = R e + R cos ω v t dα p(t) = α(R e ) + R cos ω v t cos ω 0 t dR Nach dem Additionstheorem des Kosinus kann man die Schwingung von p(t) und damit das gestreute Licht auffassen als die Überlagerung zweier Wellen mit ωs = ω0 + ωv (Antistokesstrahlung) ωs = ω0 − ωv (Stokesstrahlung) b) Ramanaktivität Moleküle sind also ramanaktiv, wenn die Polarisierbarkeit vom Abstand der Atome abhängt. dα ≠0 dR Zu diesen Molekülen gehören alle zweiatomigen homonuklearen Moleküle und lineare mit Inversionszentrum. Letztere zeigen eine gewisse Komplementarität bezüglich Infrarot und Ramanaktivität. So ist z.B. in CO2 die symmetrische Streckschwingung infrarot inaktiv, da mit dem symmetrischen Molekül kein Dipolmoment verbunden ist, aber Raman aktiv, da sich die Polarisierbarkeit mit dem Abstand der O-Atome vom C-Atom ändert. Andererseits ist die asymmetrische Streckschwingung des CO2 infrarot aktiv, da mit der asymmetrischen Verschiebung der Atome die Erzeugung eines Dipolmomentes verbunden ist. Die Änderung der Polarisierbarkeit 141 kompensiert sich aber gerade in den beiden Hälften des Moleküls, da an einer Seite eine Stauchung stattfindet, wenn die andere gestreckt wird. b) Quantenmechanische Beschreibung Nach der quantenmechanischen Beschreibung wird bei dem Stokesanteil des gestreuten Lichtes dem einfallenden Licht ein Quant zur Anregung einer Vibration entnommen, bei dem Antistokesanteil ein bei der Abregung einer Schwingung frei gewordenes Lichtquant der einfallenden Strahlung zugefügt. Abb. 110: Übergänge bei Stokes- und Antistokes Strahlung c) Kohärente Ramanstreuung Bei der Überlagerung zweier Wellen tritt neben der Mischung im Frequenzraum eine Mischung im Wellenzahlraum auf. Wenn die Eingangswellen den Verlauf sin(ω1t - k1r) und sin(ω2t - k2r) haben, enthält das Ausgangssignal Wellen mit ks = k1 + k2 ks = k1- k2 Im Quantenbild ist die Summierung von ω und k der Energie und Impulssatz h/ ω s = h/ ω 1 + h/ ω 2 h/ k s = h/ k 1 + h/ k 2 Bei der kohärenten Ramanstreuung strahlt man zwei Wellen so ein, daß die Differenzfrequenz mit einer Molekülschwingung zusammenfällt. Da außer dieser Frequenzanpassung eine Wellenzahlanpassung stattfinden muß, wird die Streustrahlung in einen kleinen Raumwinkel um den Wellenvektor ks gestrahlt, der die Dreiecksbeziehung der k erfüllt. Der Vorteil ist eine beträchtliche Intensitätserhöhung im Streulicht verglichen zur inkohärenten Ramannstreuung, da dort das Licht in alle Richtungen gestreut wird. Ein anderer Vorteil kann durch die bei Zweiphotonenprozessen geänderten Auswahlregeln entstehen. Die verschiedenen Techniken der kohärenten Ramanspektroskopie benutzen verschiedene Arten der Frequenzmischung. 142 CARS (Kohärente-Antistokes-Raman-Spektroskopie) ωm = Molekülfrequenz ωm = ω1 - ω2 ωs = ω1 + ωm = 2ω1 - ω2 ks = 2k1 - k2 Abb. 111: CARS-Aufbau Abb. 112: Übergänge bei CARS CSRS: Kohärente Stokes-Raman Spektroskopie Abb. 113: Übergänge bei CSRS TRIKE: Raman induzierter Kerreffekt nutzt Polarisationeigenschaften aus.