Über den Autor: Dr. Nolte ist Medizinischer Mikrobiologe und Entomologe und leitet im Labor Brunner die Molekularbiologie. Neben der Routinetätigkeit in der Diagnostik forscht er auf dem Gebiet der Zecken-übertragenen Erkrankungen. Seit 2010 ist er Mitglied im Vorstand der Deutschen Borreliose-Gesellschaft. Fachinformation 2/2014 * Borrelia burgdorferi sensu lato in Zecken Bestimmung des Übertragungsrisikos von Borrelien nach Zeckenstich, Nachweis Zeckenübertragener Infektionserreger** Diese Fachinformation wurde mit großer Sorgfalt und unter Berücksichtigung des aktuellen Wissenstandes zusammengestellt. Dennoch übernehmen wir für die Richtigkeit der Informationen, Angaben, Daten, Hinweise und/oder Ratschläge keinesfalls irgendeine Haftung oder Gewährleistung. Hinweise auf Fehler oder unzutreffende Informationen/Zusammenhänge nehmen wir gerne entgegen. * ersetzt Fachinformation 05/2011 ** es handelt sich um eine Selbstzahlerleistung (IGeL) Labor Dr. Brunner, Konstanz © 2014 Mainaustr. 48 a/b | Postfach 5320 | 78464 Konstanz Tel: 07531/81730 | Fax: 07531/817399 | www.labor-brunner.de Zecken-übertragene Erreger Diese Broschüre und ihre Inhalte sind urheberrechtlich geschützt. Eine unveränderte, nicht-kommerzielle Weitergabe der digitalen oder der gedruckten Version ist gestattet. 2 3 Borrelia burgdorferi Nachweis Borreliose: Krank nach Zeckenstich Zusammenfassung: Zecken können eine Reihe von Infektionserregern übertragen. Zu den bekanntesten gehören de Erreger der Frühsommermeningoencephalitis (FSME) und der Borreliose. FSME-Erreger sind Viren, gegen die man sich impfen lassen kann. FSME Infektionen treten in Deutschland deutlich seltener auf als Borreliose-Neuerkrankungen (195 gemeldete FSME-Fälle im Bundesgebiet in 2012 vs. geschätzt mindestens 60.000 Neuerkrankungen an Borreliose pro Jahr). Anders als früher besteht ganzjährig das Risiko von Zeckenstichen, allerdings mit einem deutlichen Maximum zwischen Mai und Juli. Herbstwald – Zeit um vor dem Winter noch einmal die Energie der milden Herbstsonne zu tanken oder selbst nach Steinpilzen und Maronen zu suchen. Auch im Spätjahr und Winter sind allerdings Zecken aktiv – und mit ihnen die Borrelien. Über Mücken werden Borrelien übrigens nicht übertragen. Gegen den Borreliose-Erreger (Borrelia burgdorferi-Komplex) gibt es in Mitteleuropa keine zugelassene Impfung. Die Borreliose kann, frühzeitig erkannt, mit Antibiotika gut behandelt werden. Bei nicht erkannten Infektionen mit Borrelien ist das Risiko chronischer und dann schwerer therapierbarer Verläufe hingegen gegeben. Es macht daher Sinn, nach einem Zeckenstich die Zecke auf Borrelien untersuchen zu lassen und im Falle eines positiven Nachweises den Immunstatus zu bestimmen (bestehende Immunität durch vorhergehende stille Feiung, ggf. Serokonversion nach Stich). In den letzten Jahren geraten zunehmend aber auch andere Erreger in den Fokus, die ebenfalls von Zecken übertragen werden können. Kommt es zu Ko-Infektionen mit Borrelien und anderen Erregern, kann dies erhebliche Auswirkungen auf das Krankheitsbild und den Verlauf haben. Im süddeutschen Raum, insbesondere rund um Konstanz und den Bodensee, haben wir Anaplasma phagocytophilum (Ehrlichiose bzw. Anaplasmose) in ca. 6%, Rickettsia helvetica (fiebrige, grippige Erkrankungen mit u.U. jahrelangen Erregerpersistenz) in bis zu 30%, und Babesien (Babesia microti und Babesia species EU1, Erreger der Hundemalaria, schwere Krankheitsverläufe aber auch beim Immungeschwächten Menschen) in ca. 6% der Zecken nachgewiesen. Borrelia burgdorferi lässt sich regional in bis zu 40% der Zecken nachweisen. Dabei haben unsere Arbeiten gezeigt, dass in einer Zecke sogar mehrere Genotypen (sprich Varianten) des Erregers vorkommen können [1]. Zecken-übertragene Erreger 4 Borrelia burgdorferi Nachweis 5 Steckbrief der Erkrankung: Infektionsrisiko: Kommt es zu einer Übertragung von Borrelien (=Infektion) heißt dies nicht automatisch, dass sich eine Borreliose entwickelt. Man schätzt, dass nur bei etwa 3 – 5 % derer, die bei einem Zeckenstich mit Borrelien infiziert werden, eine ‚aktive’ Borreliose auftritt. in vielen Fällen entsteht nach der Infektion eine Immunität ohne dass dies bemerkt wird („stille Feiung“) die sich aber in einer Serumnarbe bemerkbar macht (Antikörper gegen Borrelien im Serum, etwa 10% der Bevölkerung sind Antikörper-positiv ohne eine Borreliose zu haben). Allerdings kann es auch bei bestehender Serumnarbe zu Neuinfektionen kommen, da mehrere verschiedene so genannte Genospezies von Borrelia existieren und von Zecken übertragen werden. Kommt es in Folge der Infektion doch zu einer Erkrankung können klassischer Weise drei Stadien unterschieden werden: In einer Studie der Universität Heidelberg (Zappe et al 2002) [4] wurde an Hand einer Untersuchung von 3.708 Patienten/Innen nach Zeckenstich das Infektionsrisiko untersucht. 16% der untersuchten Zecken waren Borrelia-positiv. Von den 239 zu diesem Zeitpunkt seronegativen Patienten/Innen wiesen 54 (23%) eine Serokonversion auf (entwickelten also spezifische Antikörper gegen die Borrelien [= Infektionsrisiko 23% bezogen auf die Borreliapositiven Zecken und 3,5% bezogen auf alle Zecken]). Spezifische Symptome einer Borreliose entwickelten 26 Patienten (entsprechend einem Erkrankungsrisiko von 48% nach Übertragung bzw. 11% nach Stich durch eine Borrelia-positive Zecke bzw. 0,7% bezogen auf die Gesamtzahl der Zeckenstiche). Stadium 1: 4 – 8 Wochen (bis 6 Monate nach Stich), gekennzeichnet durch die Wanderröte Erythema (chronica) migrans, die jedoch nicht immer auftritt; nicht selten kann die Wanderröte untypisch ausfallen und zu falschen Diagnosen führen (merke: nicht jede Rötung ist eine Wanderröte, die meisten Zeckenstiche führen zu einer lokalen Rötung und Entzündung ohne dass dies Folgen hat!). Seltener kommt es zu bläulichen Knotenartigen Verfärbungen der Haut. Stadium 2: ist gekennzeichnet durch eine Generalisierung der Erreger (Ausbreitung über den ganzen Körper). Die Patienten sind häufig von Grippeartigen Symptomen betroffen. Selten beobachtet man in Mitteleuropa starke neurologische und/order cardiale (das Herz betreffende) Symptome in diesem Stadium. Diese starke Abhängigkeit macht deutlich, dass die Untersuchung der Zecke auf Borrelien (und ggf. andere Erreger) in Verbindung mit der Bestimmung des Immunstatus (Serologie) direkt nach Stich sowie vier bis acht Wochen später (Serumpaar zur Erkennung einer Serokonversion als Hinweis auf erfolgte Übertragung) ein sehr sinnvolles und effizientes Maß für die Beurteilung eines Erkrankungsrisikos bzw. für eine initiale Antibiotika-Therapie darstellt (umstritten als prophylaktische Maßnahme). Merke aber: eine Infektion ist nicht gleich zustellen mit einer Erkrankung! 60 Borreliose-Risiko (in %) 48 50 3. Stadium: dieses Stadium ist in Mitteleuropa häufig mit neurologischen Symptomen behaftet, seltener mit Arthritiden (diese dominieren in den USA, der Grund hierfür sind die unterschiedlichen Borrelia-Arten in Europa und den USA). Nach jedem der Stadien kann es zu Spontanheilungen kommen, es kann sich jedoch auch eine chronische Borreliose entwickeln. 40 Diese Einteilung in drei Stadien entspricht der Darstellung in vielen Lehrbüchern. Es setzt sich allerdings parallel die Begrifflichkeit „Frühmanifestationen“ und „Spätmanifestationen“ der Borreliose durch, da die drei Stadien nicht notwendiger Weise zeitlich gegeneinander abgegrenzt sind. Darüber hinaus beobachtet man chronische Formen, bei denen unklar ist, ob die Borrelien tatsächlich noch im Organismus sind. 20 Ixodes ricinus Nymphe (links) bei der Suche nach einer geeigneten Stichstelle auf der Haut und nach dem Einsenken des Saugapparates in die Haut. Häufig kommt es zu lokalen Rötungen, die für den Laien nur schwer von einer Wanderröte zu unterscheiden sind. Nach der Blutmahlzeit erfolgt eine weitere Häutung des Tieres zur erwachsenen Zecke (alle Aufnahmen: NOLTE) Hintergundbild: Zeckennymphe (Aufnahme: O. N OLTE) 30 11 10 0,7 0 Zeckenstich allgemein Stich einer positiven Stich einer positiven Zecke Zecke mit nachgewiesener Erregerübertragung Erkrankungsrisiko (ZAPPE et al 2002) nach Zecken-übertragene Erreger 6 7 Borrelia burgdorferi Nachweis Nachweis von Borrelien in der Zecke: Zwei verschiedene Verfahren zum Nachweis der Borrelien werden angeboten: der Schnelltest, der auf einem ähnlichen Prinzip wie bspw. ein Schwangerschaftstest beruht sowie der molekularbiologische Nachweis. Bei dem Schnelltest wird die Zecke zermahlen und der gesamte Inhalt freigesetzt. Borrelien, die in der Zecke vorhanden sind, werden an Hand ihrer Oberflächeneigenschaften erkannt und an eine Matrix gebunden. Nachfolgend können die gebundenen Borrelien über einen Farbstoff sichtbar gemacht werden. Der molekularbiologische Nachweis (PCR) erfordert die Freisetzung des Erbgutes („DNA“) aus den in der Zecke vorhandenen Borrelien. Die DNA wird spezifisch untersucht (nested PCR). Ein positiver Nachweis bedeutet, dass eine der drei Borrelia-Arten in der Zecke vorhanden war. Vorteile: • sehr schneller Nachweis (meist innerhalb 10 min nach Beginn des Tests) Nachteile: • keine weiteren Analysen möglich; die Zecke ist für weitere Untersuchungen verloren! • nur Nachweis von Borrelia, keine Bestimmung möglich um welche Art es sich handelt! • deutlich weniger empfindlich als die Molekularbiologie, geringer Erregermengen werden nicht nachgewiesen. Vorteile • der Nachweis ist sehr empfindlich • Borrelien werden auch nachgewiesen, wenn sich die Oberflächeneigenschaften verändert haben (die DNA bleibt unverändert!) • die DNA kann für nachfolgende Untersuchungen verwendet werden, bspw. um die Borrelien-Genospezies exakt zu bestimmen (ggf. von Bedeutung bei einer eventuellen Erkrankung oder im Zuge gutachterlicher Beurteilungen) • um nach anderen Erregern zu fahnden wenn keine Borrelien nachgewiesen wurden aber in zeitlichem Zusammenhang mit dem Zeckenstich Krankheitssymptome wie etwa Grippe-artige Beschwerden bis hin zu schweren Allgemeinerkrankungen auftreten. Nachteile • längere Untersuchungsdauer (die jedoch die Möglichkeiten einer antibiotischen Prophylaxe bei positivem Borreliennachweis nicht nachteilig beeinflusst). Zecken-übertragene Erreger 8 Kosten der Untersuchung: Die PCR ist ein sehr aufwändiges und teures Verfahren. Ausschließlich für den Nachweis von Erreger-DNA in Zecken bieten wir einen Sonderpreis an (jeweils incl. Mwst.). Der Nachweis von Borrelia burgdorferi s.l. (ohne Bestimmung der Art!) kostet 23,80 €. Für die Untersuchung auf folgende ko-infizierende Erreger werden ebenfalls 23,80 € pro Erreger berechnet: ►Anaplasma phagocytophilum ►Rickettsia spec. (Identifizierung erfordert DNA-Sequenzierung; zusätzliche Kosten entstehen also im Nachweisfall) ►Babesia spec. (Identifizierung wie Rickettsia) ►Bartonella spec. (bislang keine gesicherten Hinweise, dass es nach Zeckenstich zu Erkrankungen durch Bartonellen gekommen ist!) Für den Nachweis von FSME-Viren berechnen wir 59,49€ Nachforderungen einzelner Untersuchungen sind bis zu vier Wochen nach Befunderstellung i.d.R. noch möglich. 9 Borrelia burgdorferi Nachweis Fachinformationen, Flyer oder Broschüren zu ähnlichen Themen: Borrelientest nach Zeckenstich [Flyer] Borreliose – Therapieüberwachung und Verlaufskontrolle mittels Eli-Spot [Flyer] FSME [Broschüre] Einsendeschein Individuelle Gesundheitsleistung (IGEL) [Vordruck] zum download auf unserer Website Was tun, wenn die Zecke ‚positiv‘ war? Wenn Sie von einer Borrelien-positiven Zecke gestochen wurden besprechen Sie diesen Befund bitte mit Ihrem Arzt. Er/Sie wird entscheiden ob eine antibiotische Prophylaxe, bspw. mit einem Tetracyclin-Antibiotikum über mindestens 14 Tage sinnvoll ist. Zur Entscheidungsfindung und zur Überwachung eines Therapieerfolgs ist die Überprüfung auf Serokonversion (gepaarte Serumproben, direkt nach Stich und ca. 6-8 Wochen später) von Bedeutung. Zumindest eine serologische Bestimmung mittels ELISA ist i.d.R. eine Kassenleistung. Internetauftritt der Deutschen Borreliose-Gesellschaft e.V.: Weiter führende Informationen: [2] MAIWALD M, et al (1998): Transmission risk of Borrelia burgdorferi sensu lato from Ixodes ricinus ticks to humans in southwest Germany. Epidemiol Infect. 121(1):103-8 [3] SÜSS J (2008): Zecken – Was man über FSME und Borreliose wissen muss. IRSIANA Heinrich Hugendubel Verlag Kreuzlingen/München Aktualisierte Auflage 2008, 160 Seiten [4] ZAPPE HA, HASSLER D, STUTZKE O, OEHME R, MAIWALD M (2002): The value of antibiotic prophylaxis and the risk of Borrelia burgdorferi transmission after tick bite. (Wissenschaftliches Poster, Mai 2002). [5] http://de.wikipedia.org/wiki/Lyme-Borreliose Stand der vorliegenden Borschüre: 26.Feb. 2014 (= Version 3) (alle Vorversionen incl. Indikationsseiten/Preise verlieren ihre Gültigkeit) http://www.borreliose-gesellschaft.de/ (Download der aktuellen Leitlinien der DBG zur „Diagnostik und Therapie der Lyme-Borreliose“ (mehrsprachig! und Hinweise auf Fortbildungen und sonstige Veranstaltungen zum Thema Borreliose) LBKN2014|02|26-ON [1] CROWDER CD, MATTHEWS HE, SCHUTZER S, ROUNDS MA, LUFT BJ, NOLTE O, CAMPBELL SR, PHILLIPSON CA, LI F, SAMPATH R,. ECKER DJ, ESHOO MW (2010): Genotyping of Borrelia burgdorferi from Ixodes ticks from North America and Europe reveals geographic variation and a high proportion of ticks with genotypic mixtures. PLoS One