40 ELEMENTE DES ORIENTALISCHEN, ISLAMISCHEN BAUWERKS ÖFFENTLICHER RAUM (MOSCHEE) Um die islamische Architektur zu verstehen, müssen wir uns in erster Linie mit dem islamischen Glauben und deren Ver bindung zur Architektur auseinander setzten. Denn ohne di ese Grundlage ist es unmöglich die Architektur der Moslems zu interpretieren. Die meisten Leute verbinden mit islamischer Architektur, Kuppeln, Ornamente, Spitzbögen, Erker, etc. Das sind die äußerlichen Besonderheiten, welche die islamische Architektur von anderen Architekturen unterscheidet. Diese Besonderheiten stammen, zeitlich gesehen, aus dem Mittel 9DL=Jß MF<ß OMJ<=Fß AFß <=Jß 9J9:AK;@H=JKAK;@=Fß *=?AGFß ?=HJa?Lß Man glaubte, auf diese Weise, der Großartigkeit des Islams gerecht zu werden. Dabei spielten das Geltungsbedürfnis und der Hochmut der Herrscher eine wichtige Rolle. Gebäude, die das Wesen islamischer Architektur zum Ausdruck bringen wollen, müssen dem Ta´alim des Islams entsprechen. Die Ar chitektur der Moslems setzt sich aus vorgegebenen Konstan ten und gefundenen Variablen zusammen. Sie ergeben einen idealen Ausdruck für die Architektur der Moslems, die an Ort und Zeit gebunden sind. Die konstanten Faktoren sind durch den Ta`alim des Islams bestimmt. Der Ta`alim des Islams bildet sich aus dem Koran, in welchem er festgelegt ist, dem Hadis, in welchem er erläutert wird und der Scharia, die ihn praktikabel macht. Der Islam ist ein Glaube, eine Lebensweise, der alle As pekte des Lebens durch Ta`alim des Islams bestimmt und nach dem die Moslems streben sollten. Islam ist Welt und Religion. Als Beispiel Die Einheit und Einzigkeit Gottes als Fundament des Islams, die Ergebung der Seele für Gott und Bedeutung des Himmels als Ort Gottes, der Islam als eine Religion der Bescheidenheit, Gleichberechtigung, Reinheit, Einfachheit, Privatheit und So lidarität im Leben. Die variablen Faktoren werden durch den besonderen Ort geprägt, sie setzen sich zusammen aus den besonderen örtlichen Umweltbedingungen und der kultu rellen Eigenart des Ortes. Folgende drei Prinzipien des Islams bestimmen den Charakter der Architektur. Erstens: jeder Moslem soll rechtschaffen und tugendhaft sein. Er muss gegenüber Gott für alle seine Taten einstehen und gleichzeitig demütig Gottes Willen völlig ergeben sein. Übermaß in jeder Form ist immer gegen den Willen Gottes. Es muss nach Einfachheit und Demut gesucht und Verschwendung vermieden werden. Übertragen auf islamische Archi tektur heißt es, dass Gebäude ohne übermäßigen Aufwand zu planen und zu bauen sind, wie am Beispiel der Moschee des Propheten Mohammeds zu erkennen ist. Zweitens: Der Islam fordert, dass jedes Individuum zu seinen Taten und den daraus folgenden Resultaten steht und diese zu einem späteren Zeitpunkt vor Gott zu verantworten hat. Es gibt kei nen Vermittler zwischen Gott und dem Individuum. Die Individualität zeigt sich am deut lichsten bei der Betrachtung der Wohnhäuser. Sie haben wichtige, allgemein verbindliche Gemeinsamkeiten, zu denen die Familienprivatheit innerhalb eines Hauses gehört. Dies unterscheidet sich im Wesentlichen von den europäischen Privatwohnhäusern dadurch, <9KKßKA=ßAFF=J@9D:ß<=Kß 9MK=KßN=JK;@A=<=F=ßHJAN9L=ß2GF=Fß <=³FA=J=Fß JALL=Kß <A=ß.AKAGFß des Islams wird durch die Stadtstruktur vermittelt. Die grundlegenden Eigenschaften der ?=DMF?=F=Fß?JA=;@AK;@=ß+L9<LßKAF<ß$=AL:AD<=Jß<=Jß9J9:AK;@=FßßAKD9EAK;@=Fß=K=DDK;@9>LßMF<ß deren islamischer Stadtutopie. Die islamische Stadtutopie beruht selbst auf einer Inspirati on aus dem Koran und der Vernunft, die durch Hikmah und Scharia begründet werden. Ver schiedene Denker sind zu der gleichen Überzeugung gekommen, dass um eine islamische Stadt zu erhalten, Gedanken zweier Ebenen zusammenkommen müssen: Materie und Geist. Die Idee der islamischen Stadt ist der Idee der utopischen Stadt ähnlich. Im Stadtbild derselben ist das Materielle und Geistliche gleichwertig integriert. Weltweit bekannt ist inzwischen die Pioniertätigkeit Hassan Fathy und seiner architektonischen Philosophie. Am Beispiel der Moschee des Propheten Mohamed sollen die Erkenntnisse erläutert wer den. Der Grundriss ist annähernd quadratisch. Eine räumliche Begrenzung wurde durch Schilfwände erzielt. Stützen und Träger, um ein schattenspenendes Dach zu erhalten, wur de von vorhandenen Gebäuderesten vergangener Kulturen übernommen, aber die formale Ausbildung der Moschee ist ein einfacher viereckiger Grundriss mit überdachter Kolonna de an der Kiblawand. ELEMENTE DES ORIENTALISCHEN, ISLAMISCHEN BAUWERKS 41 42 HAUS UND MOSCHEE DES PROPHETEN MOHAMED ELEMENTE DES ORIENTALISCHEN, ISLAMISCHEN BAUWERKS 1. 2. 3. Kiblarichtung nach Jerusalem, 623 n. Chr. Kiblarichtung nach Mekka, 624 n. Chr. Im Jahr 628 n. Chr. AFL=Jß<=Jß:=K;@9LL=L=Fß=:=LK´a;@=ß:=³F<=LßKA;@ß=AFß?JG~=Jß G>ß<=Jß<AJ=CL=Fß#GFL9CLß zum Himmel hat. In diesem Hof wurde gelehrt und über das Leben diskutiert. Auf der einen Seite der Moschee hatte der Prophet sein Haus erbaut, das mit der Zeit erweitert wurde. Die ausschließliche Funktion der Moschee war und ist einen Raum zu schaffen, in wel ;@=Eß<A=ß%GKD=EKß+;@MDL=Jß9Fß+;@MDL=JßAFß%=FK;@=FJ=A@=FßH9J9DD=DßRMJß)A:D9/9F<ß:= ten können. Die hier entstandene Form war die Hofmoschee. Es handelte sich um eine Gebetsstätte, die groß genug sein müsste, um eine große Menge von Gläubigen aufzu nehmen. Die erste Moschee entwickelte sich aus dem Grundriss des Wohnhauses Mo hameds. Sie waren meist formähnliche, gradlinige Einfriedungen mit einer überdachten Säulenhalle und nach Mekka ausgerichtet. Trotz ihrer Einfachheit entsprach diese Urform der Moschee in ihren Grundelementen schon ihren Nachfolgerinnen. Bei der weiteren Entwicklung einer islamischen Architektur wurden in erster Linie Stilelemente aus Per KA=Fß W?QHL=Fß MF<ß 9MKß <=Jß JqEAK;@=Fß FLAC=ß v:=JFGEE=Fß !Eß .=J?D=A;@ß NGFß #AJ;@=Fß und Moscheen fällt vor allem auf, dass die Moscheen allein zum Gebet und zur religi ösen Belehrung durch Predigten benutzt wird, während christliche Kirchen neben dem Gebet auch als Ort für Taufe, Ehe, Beichte etc. verwendet werden. Allerdings können sich 9M>ß<=Eß=DaF<=ß=AF=Jß%GK;@==ß<MJ;@9MKß9M;@ß9F<=J=ßAFJA;@LMF?=Fß:=³F<=FßOA=ßRßß Krankenhäuser, Schulen, Universitäten. Der Begriff Stadt in der Stadt ist also nicht unbe dingt abwegig. ELEMENTE DES ORIENTALISCHEN, ISLAMISCHEN BAUWERKS 43 ELEMENTE DES ORIENTALISCHEN, ISLAMISCHEN BAUWERKS 44 Qiblawand hrab: und Mi Die Wand der Gebets halle muss rechtwinklig zu der gedachte Linie in Richtung Mekka ste hen. In der Mitte dieser /9F<ß:=³F<=LßKA;@ß<=Jß Mihrab, die Gebetsni sche, sie ist das Zen trum jeder Moschee. Im Gegensatz zum christlichen Altar ist die Nische jedoch nicht heilig. Heilig ist die Prä senz der durch die Ni sche hervorgehobenen Gebetsrichtung. Der Mihrab ist in seinem Grundriss halbkreisför mig und schließt nach oben in einer bogen förmigen Wölbung ab. Jede Moschee besitzt =AF=ß )A:D9/9F<ß MF<ß einen Mihrab mit Aus F9@E=ß<=Jß%9K<K;@A< D 9JJ9Eß %GK;@==ß AFß Mekka. Minbar: Minarett: Der Minbar ist eine Kanzel, die immer rechts vom Mihrab steht. Sie besteht aus einer ,J=HH=ß MF<ß =AF=Jß (D9LL>GJEß <A=ß @aM³?ß NGFß einem Kuppeldach abgeschlossen wird. Von der vorletzten Stufe aus predigt der Imam. Der oberste Stufe ist dem Propheten vorbe halten. Das Minarett ist ein turmartiger Bau von dem der Muezzin zum Gebet ruft. In der Regel hat die Moschee ein Mi narett. Im ehemals os E9FAK;@=Fß *=A;@ß ³F<=Lß man Moscheen mit bis zu sechs Minaretten. Dekka: Kursi: Ist eine Holzplattform, die in einer Flucht zur Gebetsnische steht. Von hier aus wiederho len die Richter (Qadi) der Moschee die Wei sungen der Imams. Der Kursi ist das Lese pult, auf dem Koran liegt, während der Qadi daraus liest. Portal: Um die Moschee vor Blicken von außen ab RMK;@AJE=FßKAF<ßKA=ß@aM³?ßNGFß@G@=Fß%9M ern umgeben. Das Hauptportal markiert die Schwelle zwischen der belebten Stadt und der ruhigen Atmosphäre der Moschee. Becken / Brunnen: 9Kß =;C=Fß =AF=Jß %GK;@==ß :=³F<=Lß KA;@ß >vJß gewöhnlich in der Mitte des Innenhofes. Es dient den rituellen Waschungen vor dem Ge bet. ELEMENTE DES ORIENTALISCHEN, ISLAMISCHEN BAUWERKS 45 ELEMENTE DES ORIENTALISCHEN, ISLAMISCHEN BAUWERKS 46 47 Im Zentrum von Kairo erhebt sich jene Moschee, die vom 10. bis 13. Jh. für den schiitischen Islam ganz Nordafrikas und des Vorderen Orients das wichtigste Heiligtum war. El Azhar <A=ßDv@=F<=ß%GK;@==ßOMJ<=ßAFß<=Fß"9@J=FßÞÜÕßÞÜ×ßF9;@ß<=Jß&=M?JvF<MF?ß<=Jß+L9<Lß Al Qahirah erbaut. Die neben dem Palast des Kalifen gelegene Freitagsmoschee entwickel te sich rasch zu einem geistlichen Zentrum des Islams durch die Gründung einer theolo gischen Universität, welche heute als die zweitälteste Universität der Welt gilt. ELEMENTE DES ORIENTALISCHEN, ISLAMISCHEN BAUWERKS $2 *ß%'+ ELEMENTE DES ORIENTALISCHEN, ISLAMISCHEN BAUWERKS 48 Der Betsaal bestand ursprünglich aus fünf parallel zur Kiblawand angeordneten Jochen. Die architektonische Besonderheit des Betsaals ist ein breites basilikales Mittelschiff, des sen Arkaden zum Mihrab führen und durch Säulenpaare hervorgehoben sind. Seitlich setzt sich der Raum in schmäleren Anbauten auf beiden Hofseiten fort. Links und rechts kom men auf diese Weise je elf Joche mit drei querstehenden Bögen hinzu. Nach dem Sturz der 9LAEA<=Fß=FLOA;C=DL=ßKA;@ß<A=ßDR@9Jß%GK;@==ßRMJß 9MHLMFAN=JKALaLß<=KßKMFFALAK;@=Fß Islam. Die Kiblawand wurde abgerissen, der Mihrab jedoch beibehalten und der Betsaal durch vier neue Joche in Richtung Mekka verlängert, mit einem neuen achsenversetzten Mihrab. Die leicht gestelzten Spitzbogen der Hofarkaden werden von schlanken Säulen getragen. Besondere Eleganz verleihen dem Bau die große Medaillons über den leicht gestelzten Bögen und die stuckierte Ziegelbauweise der Hofarkade. Die Dekorativen des Hofes sind überwiegend von tulunidischen Vorlagen angeregt. Das Minarett ist ein spä terer Bau aus der Mamlukenzeit. Im Innerraum der Moschee sind die Bogenreihen parallel RMß)A:D9/9F<ß9F?=GJ<F=LßA=ß´9;@=ß GDR<=;C=ßOAJ<ßNGFß9FLAC=Fß+aMD=Fß?=LJ9?=Fß 1992 wurde Al Azhar aufgrund eines Erdbebens schwer beschädigt und daher restauriert. Vor allem durch ihre herausragende Bedeutung als geistiges Zentrum des Islams erlebte <A=ß%GK;@==ß@aM³?=ß-E:9ML=FßMF<ß.=J?Jq~=JMF?=FßMF<ßOAJ<ß@=ML=ßFA;@LßRMß-FJ=;@Lß als ein Museum für ägyptische Stilrichtungen bezeichnet. ELEMENTE DES ORIENTALISCHEN, ISLAMISCHEN BAUWERKS 49 ELEMENTE DES ORIENTALISCHEN, ISLAMISCHEN BAUWERKS 50 51 IBN TULUN MOSCHEE A=ß!:Fß,MDMFß%GK;@==ßAKLßNGFß=AF=JßM~=FßMF<ß=AF=Jß!FF=FE9M=JßMEK;@DGKK=FßA=ß:=A<=Fß Mauern sind mit Zinnenkränzen bekrönt. Der zwischen beiden Ummauerungen liegende Umgang dient den Gläubigen als eine Art Reinigungsschleuse. Der Säulensaal der Moschee ist rechteckig und umfasst fünf Joche, deren Arkaden parallel zur Kiblawand angeordnet sind. Sämtliche Arkaden sind gleich gestaltet. Seitlich setzt sich der Raum in schmäleren Anbauten auf beiden Hofseiten fort. Im Zentrum des Hofes steht das Brunnenhaus, das für die religiösen Waschungen bestimmt ist. Die Hofarkade der Ibn Tulun Moschee fällt durch eine besonders gleichmäßige Anordnung und durch schlichte Dekormotive auf. Die leicht gestelzten Spitzbögen werden von rechteckigen Pfeilern mit eingestellten Ecksäulen getragen. Den oberen Abschluss bildet ein Rosettenfries, das an den Schmuck der Moschee Samarra erinnert. ELEMENTE DES ORIENTALISCHEN, ISLAMISCHEN BAUWERKS Die Ibn Tulun Moschee ist eines der größten islamischen Bauwerke des Niltals, die General !:Fß,MDMFßAFß<=Fß"9@J=FßÝÜÛßMF<ßßÝÜÞßAFßMKL9LßAEß/=KL=FßDL#9AJGKß=JJA;@L=FßDA=~