Originalien Monatsschr Kinderheilkd 2008 · [jvn]:[afp]–[alp] DOI 10.1007/s00112-008-1881-x Online publiziert: 4. September 2008 © Springer Medizin Verlag 2008 K. Eckert1 · A. Vossough2 · D. Michna3 · T. Zirbes4 · P. Liedgens1 1 Klinik für Kinderchirurgie, Elisabeth-Krankenhaus, Essen 2 Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Elisabeth-Krankenhaus, Essen 3 Klinik für Neonatologie, Kinder- und Jugendmedizin, Elisabethkrankenhaus Essen, Essen 4 Institut für Pathologie, Kliniken Essen Mitte, Essen Stielgedrehtes, intraab­ dominales Lymphangiom Seltene Ursache für akute Bauchschmerzen im Kindesalter Anamnese Das bislang gesunde 4-jährige Mädchen erwachte nachts um etwa 3 Uhr mit starken krampfartigen Bauchschmerzen. Diese hielten etwa 10 min an und sistierten spontan. Am folgenden Morgen um etwa 10 Uhr wiederholte sich das Schmerzereignis in ähnlicher Heftigkeit unmittelbar nach dem Aufstehen. Eine analgetische Therapie brachte zunächst Linderung. Bei wiederkehrenden Bauchschmerzen etwa 10 h später erfolgte die Vorstellung in der Kindernotfallpraxis und darauf die Einweisung in unsere kinderchirurgische Notfallambulanz. Übelkeit, Erbrechen, Diarrhöen, Gewichtsabnahme oder Fieber waren nicht vorhanden. Die unmittelbare Nahrungsmittelanamnese war ebenfalls unauffällig. Bislang waren keine Miktionsstörungen oder eine Obstipationsproblematik aufgetreten. Der übrige allgemeinpädiatrische Status war unauffällig. Dies sei das erste Bauchschmerzereignis gewesen, auch auf gezieltes Nachfragen postoperativ waren keine weiteren Vorzeichen erinnerlich. Klinischer Befund Wir sahen ein 4-jähriges Mädchen in deutlich reduziertem Allgemeinzustand, mit adäquatem Ernährungszustand bei einem Körpergewicht von 22 kg (95. Perzentile) und einer Körpergröße von 113 cm (75. Perzentile). Die Bauchdecken waren weich und ohne Resistenz palpabel. Es bestanden ein diffuser Druckschmerz mit Punctum maximum im rechten Unter- bis Mittelbauch, eine mäßige, lokale Abwehrspannung, leichter Klopfschmerz, kein Loslassschmerz. Auskultatorisch wurde eine normale bis rege Darmperistaltik festgestellt. as, den Nieren und dem rechten Hemikolon abgegrenzt werden. Ansonsten stellten sich die parenchymatösen Oberbauchorgane unauffällig dar. Es zeigten sich ein mäßig luftgefüllter Kolonrahmen und rege Dünndarmperistaltik, insbesondere keine Dünndarmdilatationen oder Pendelperistaltik im Sinne eines (Sub-)Ileus. Das innere Genitale konnte nicht aussagekräftig dargestellt werden. Diagnostik Therapie und Verlauf Labor. CRP 5,3 mg/dl; Leukozyten 15,25/ nl. Elektrolyte und gastrointestinale Laborparameter waren normwertig. Es bestand eine Ketonurie bei sonst unauffälligem Urinstatus. Unter dem klinischen Bild eines akuten Abdomens bestand die Indikation zur Operation. Das Abdomen wurde durch mediane Unterbauchlaparotomie eröffnet. In der intraabdominalen Exploration fanden sich im Bereich des terminalen Ileums, etwa 40 cm proximal der Bauhin-Klappe, ein etwa 9 cm langer Abschnitt mit kolbig aufgetriebenem Mesenterium, daran anhaftend multiple rundliche Zysten, teils fluktuierend, teils induriert palpabel und teils rötlich-livide verfärbt (. Abb. 4, 5), die das Lumen des Ileums obstruierten. Poststenotisch war das Ileum deutlich kollabiert, bei prästenotisch nur mäßiger Dilatation. Die übrige intraabdominale Exploration war unauffällig. Wir führten eine Dünndarmteilresektion unter Mitnahme des zugehörigen Mesenteriums durch. Bei geringem Kalibersprung zwischen prä- und poststeno- Abdomensonographie. Im rechten Unter- bis Mittelbauch zeigten sich multiple echofreie, teils septierte zystische Raumforderungen (Durchmesser etwa 4–6 cm) mit einer dünnen Wand und dorsaler Schallverstärkung (. Abb. 1). Durch eine Zyste wurde das Blasendach deutlich imprimiert. Einige der Zysten wiesen eine echoreiche, inhomogene, wabenartige Binnenstruktur auf, die als hämorrhagische Infarzierung interpretiert wurde (. Abb. 2, 3). Dopplersonographisch fanden sich keine Perfusionssignale im Zysteninneren. Die Zysten konnten sicher von der Leber, der Milz, dem Pankre- Monatsschrift Kinderheilkunde X · 2008 | Originalien Abb. 1 8 Zyste mit echofreiem Inhalt und dünnen Zystenwänden Abb. 4 8 Operationssitus und Resektionspräparat Abb. 2 8 Rundliche Zyste mit dünnen septenartigen Wände und dorsaler Schallverstärkung, echogene, wabenartige Binnenstruktur am ehesten einer älteren Hämorrhagie entsprechend Abb. 5 8 Entnommenes Resektionspräparat Abb. 3 8 2 benachbarte Zysten (C) mit verdickter, interzystischer, echogener Wand, frischer Einblutung (langer Pfeil) und obstruiertem Dünndarmlumen (kurzer Pfeil) | Monatsschrift Kinderheilkunde X · 2008 Zusammenfassung · Abstract Monatsschr Kinderheilkd 2008 · [jvn]:[afp]– [alp] DOI 10.1007/s00112-008-1881-x © Springer Medizin Verlag 2008 K. Eckert · A. Vossough · D. Michna · T. Zirbes · P. Liedgens Stielgedrehtes, intra­ abdominales Lymphangiom. Seltene Ursache für akute Bauchschmerzen im Kindesalter Zusammenfassung Abb. 6 8 Histologische Charakteristika der Lymphangiome: 1 zystisch erweiterte Hohlräume mit 2 flacher endothelialer Auskleidung sowie 3 Nachweis glatter Muskelzellen in den Wandschichten tischem Ileumabschnitt konnte die Darmkontinuität durch primäre End-zu-EndAnastomose problemlos wiederhergestellt werden. Histologisch bestätigte sich die sonographische und intraoperative Verdachtsdiagnose eines hämorrhagisch infarzierten, zusätzlich stielgedrehten, abdominalen Lymphangioms ohne Anhalt für Malignität und mit Resektion in toto. Der postoperative Verlauf war komplikationslos, insbesondere war, bei auch präoperativ fehlender Ileussymptomtatik und erhaltener orthograder Dünndarmperistaltik, ein unkomplizierter und zeitgerechter postoperativer Kostaufbau möglich. Die Nachuntersuchungen zeigten keinerlei Besonderheiten. Diskussion Lymphangiome sind kongenitale Malformationen sackartig erweiterter, lymphatischer Gefäße. Es liegt zusätzlich eine defekte Verbindung zum venösen und lymphatischen System vor. Sie manifestieren sich im Kindesalter in etwa 95% aller Fälle als Raumforderungen im Weichteilgewebe des Halses oder Kopfes [1, 6, 7]. Etwa 60% sind bereits bei der Geburt klinisch manifest, 90% manifestieren sich bis zum Ende des 2. Lebensjahrs [1]. Eine abdominale Lokalisation liegt in <5% vor [5], die Inzidenz wird mit 1:27.000–1:250.000 und seltener angegeben [6]. Intraabdominale Lymphangiome sind eine seltene Ursachen für Bauchschmerzen im Kindesalter. In der Regel werden sie bereits in der ersten Lebensdekade mit akuter Bauchschmerzsymptomatik klinisch manifest. Gelegentlich entwickeln sich auch lediglich chronische Bauchschmerzen oder sie fallen seltener akzidentell oder als langsam progrediente, abdominale Distension auf. Bekannte Komplikationen intraabdominaler Lymphangiome sind Torsion, Hämorrhagie, intestinale Obstruktion, Superinfektion und Ruptur. Insgesamt ist die klinische Symptomatik unspezifisch und variabel und gleicht anderen weitaus häufigeren Krankheitsbildern. In unserem Fall zeigten sich bei klinisch ebenfalls unspezifischem Untersuchungsbefund sonographisch multiple, zystische Raumforderungen im rechten Mittel- bis Unterbauch, die topographisch am ehesten dem Dünndarm(mesenterium) zugeordnet werden konnten. Die wabenartige Binnenstruktur einiger Zysten wurden als ältere Einblutungen gewertet (ähnlich echogen kann sich jedoch auch Chylus im Zysteninneren darstellen [3]), sodass als sonographische Differenzialdiagnose am ehesten eine hämorrhagisch infarzierte, zystische Raumforderung in Betracht kam. Unter dieser Befundkonstellation sahen wir ein präoperatives MRT (Magnetresonanztomogramm) oder CT (Computertomogramm) als nicht mehr indiziert. Diese können jedoch bei unklarer sonographischer Diagnose oder Topographie (intra- oder retroperitoneal) ergänzend durchgeführt werden [2, 4, 6]. Intraabdominale Lymphangiome sind seltene, benigne zystische Tumoren (Malformationen) der Lymphgefäße, die meist in der ersten Lebensdekade klinisch manifest werden. Wir berichten über ein 4-jähriges Mädchen mit akuten Bauchschmerzen. Abdomensonographisch zeigte sich ein multilokulärer zystischer Tumor, der am ehesten einem hämorrhagisch infarzierten Lymphangiom oder einer Mesenterialzyste entsprach. Intraoperativ und histologisch bestätigte sich die Verdachtsdiagnose im Sinne eines stielgedrehten Lymphangioms im Bereich des ­terminalen Ileums. Schlüsselwörter Lymphangiom · Intraabdominal · Mesen­terial­ zyste · Ultraschall · Bauchschmerz Intraabdominal lymphangioma . A rare cause of acute abdominal pain in children Abstract Intestinal lymphangiomas are rare benign cystic tumors (malformations) of the lymphatic system, which are mainly found in young children within the first decade. We report the case of a four-year-old girl presenting with acute abdominal pain. Abdominal ultrasound showed a multilocular cystic tumor. Sonographic appearance was characteristic of a hemorrhaged intestinal lymphangioma or mesenteric cyst. The suspected diagnosis of a twisted cystic lymphangioma of the terminal ileum was confirmed both intraoperatively and histologically. Keywords Lymphangioma · Intrabdominal · Mesenteric cyst · Sonography · Abdominal pain Monatsschrift Kinderheilkunde X · 2008 | Originalien Histologisch müssen intraabdominale Lymphangiome (. Abb. 6) von Mesenterialzysten abgegrenzt werden. Eine exakte histologische Differenzierung ist wichtig, da Lymphangiome bei inkompletter Entfernung rezidivieren und dann auch infiltrierend wachsen können [7]. Fazit für die Praxis Das seltene intraabdominale Lymphangiom ist klinisch meist unspezifisch und variabel. Abdomensonographisch lassen sich eine hinreichende (Ausschluss)Diagnose stellen und das weitere therapeutische Vorgehen bestimmen. Bei unklarem Befund können auch ein MRT oder CT durchgeführt werden. Therapie der Wahl ist die vollständige operative Entfernung, ggf. mit Organteilresektion. Die Prognose ist dann gut. Bei inkompletter Entfernung aber besteht Rezidivgefahr mit dann infiltrativem Wachstum. Korrespondenzadresse Dr. K. Eckert Klinik für Kinderchirurgie, Elisabeth-Krankenhaus Klara-Kopp-Weg 1, 45138 Essen [email protected] Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Literatur 1. Alqahtani A, Nguyen LT, Flageole H et al. (1999) 25 years‘ experience with lymphangiomas in children. J Pediatr Surg 34: 1164–1168 2. Bliss DP Jr, Coffin CM, Bower RJ et al. (1994) Mesenteric cysts in children. Surgery 115: 571–577 3. Chateil JF, Brun M Vergnes P et al. (2002) Ab­ dominal cystic lymphangiomas in children: ­presurgical evaluation with imaging. Eur J Pediatr Surg 12: 13–18 4. Konen O, Rathaus V, Dlugy E et al. (2002) Childhood abdominal cystic lymphangioma. Pediatr Radiol 32: 88–94 5. Kosir MA, Sonnino RE, Gauderer MW (1991) Pediatric abdominal lymphangiomas: a plea for early recognition. J Pediatr Surg 26: 1309–1313 6. Lörken M, Marnitz U, Manegold E et al. (2001) Das intraabdominelle Lymphangiom. Chirurg 71: 72– 77 7. Steyaert H, Guitard J, Moscovici J et al. (1996) Abdominal cystic lymphangioma in children: benign lesions that can have a proliferative course. J Pediatr Surg 31: 677–680 | Monatsschrift Kinderheilkunde X · 2008