Bedeutung und Einsatzgebiete der chemischen Wärmespeicherung Innovationsforum “Thermische Energiespeicherung” Freiberg, 27./28.05.2010 Prof. Dr. Christian Kaps Professur Bauchemie, Bau- und Werkstoffchemie Inhalt 1. Einführung 2. Chemische Wärmespeicherung 3. Anwendungen für thermochemische Speichermaterialien 4. Chemische Wärmespeicherung mit Salzhydraten 5. Zusammenfassung/Ausblick Bauhaus-Universität Weimar; Professur Bauchemie 2 1. Einführung Möglichkeiten der Wärmespeicherung Thermische Energie sensible Wärme Chemische Energie latente Wärme Reaktionswärme A (s) + B (g) <-> AB (s) + Wärme Flüssigkeit Feststoffe Wasser Erdreich/ Gestein Fest<->flüssig flüssig<->gasförmig Schmelzen Dampf Bedingungen: • variable Speicherungsbedingungen, T • keine Wärmeisolation erforderlich Aquifer Bedingung: Bedingung: Wärmeisolation zur Umgebung Vorgegebene Phasenwechseltemperatur, Fp, Kp Bauhaus-Universität Weimar; Professur Bauchemie 3 1. Einführung Speicherart Sensibel (fühlbar) Latent (PCM) Thermochemisch Speicherdichte [kWh/m3] Speichermedien Arbeitstemperaturen [°C] 50-60 (1 x) Wasser bis 100 bis zu 120 (2 x) 100 – 500 (5 x) Paraffine Salzhydrate Silikagele Zeolithe Metallhydride Kompositmaterialien (Salzhydrate auf dispersem Träger) 30 – 80 10 – 60 40 – 100 100 – 300 280 – 500 materialspezifisch festgelegt variabel variabel 90 – 300 Quelle: Bine Informationsdienst Projektinfo 2/01 Bauhaus-Universität Weimar; Professur Bauchemie 4 2. Chemische Wärmespeicherung Grundlage: Zerlegung eines Stoffes in zwei Stoffe, die wieder miteinander reagieren können AB (s) + Wärme A (s) + B (g) A (s) + B (g) AB (s) + Wärme reversible Reaktion Aufgrund ihrer unterschiedlichen Aggregatszustände sind die Produkte leicht trennbar Vorteil der chemischen Wärmespeicherung: Bei vollständiger Trennung der Reaktanten ist die Wärme bis zu dem Zeitpunkt der Nutzung nahezu unbegrenzt speicherbar! Beispiel im Hochtemperaturbereich: Ca(OH)2 (s) + Wärme CaO (s) + H2O (g) CaCO3 (s) + Wärme CaO (s) + CO2 (g) MgH2 + Wärme Mg (s) + H2 (g) [550°C] [900°C] [>280°C, druckabhängig] Bauhaus-Universität Weimar; Professur Bauchemie 5 2. Chemische Wärmespeicherung Chemische Wärmespeicherung durch reaktive Wasserdampfsorption Energetische Entladung (Sorption des Wassers) unter Wärmefreisetzung Sorbens (s) + n H2O (g) Sorbens . n H2O (s) + Wärme Speichermaterial + Wasserdampf „Sorptionskomplex“ und Wärme Energetische Ladung (Desorption des Wassers) unter Wärmezufuhr Speicherzustand: Gerätetechnische oder systemimmanente Separation des Wasserdampfes vom Speichermaterials Bauhaus-Universität Weimar; Professur Bauchemie 6 2. Chemische Wärmespeicherung Geschlossenes Speichersystem aus Sorbenskammer und Kondensator/Verdampfer (gerätetechnisch) - Desorption (energetische Beladung): Wasserdampf aus Sorptionsmaterial wird in einem gekoppelten Kondensator/Verdampfer kondensiert Sorbenskammer Kondensator/Verdampfer Desorption Energetische Beladung Wärme hoher Temperatur Speicherzustand Energetische Entladung Kondensation Wärme niedriger Temperatur Wasserdampf Sorbens trocken Wärme hoher Temperatur Wasser flüssig Wärme niedriger Temperatur Wasserdampf Sorption Verdampfung - Sorption (energetische Entladung): Kondensiertes Wasser wird durch Wärmezufuhr verdampft und lagert sich am Sorptionsmaterial an, wobei Wärme freigesetzt wird Bauhaus-Universität Weimar; Professur Bauchemie 7 2. Chemische Wärmespeicherung Offenes Speichersystem aus Sorbenskammer mit Zugang zur Umgebung (systemimmanent) - Ein Luftstrom transportiert Wärme und Wasserdampf in und aus dem Sorbens Sorbenskammer Desorptionswärme Kondensationswärme Energetische Beladung Luft + Wasser Luft Sorbens trocken Speicherzustand Sorptionswärme Wasserdampf in der Umgebung Verdampfungswärme Energetische Entladung Luft Luft + Wasser Bauhaus-Universität Weimar; Professur Bauchemie 8 3. Anwendungen für thermochemische Speichermaterialien Offener Zeolith-Sorptionsspeicher dient als Puffer zwischen Fernwärmenetz und Heizsystem (Tag/Nacht) 7t Zeolith 13X Speicherfähigkeit 124 kWh/m³ Quelle: ZAE Bayern Bauhaus-Universität Weimar; Professur Bauchemie 9 3. Anwendungen für thermochemische Speichermaterialien Monosorp Integrales Konzept zur solarthermischen Gebäudeheizung mit Sorptionswärmespeicher Sommer: Trocknung des Materials im Sorptionsspeicher erfolgt durch Sonnenwärme Winter: Feuchtezufuhr zur Wärmeabgabe erfolgt über feuchte Raumabluft Quelle: ITW, Universität Stuttgart Bauhaus-Universität Weimar; Professur Bauchemie 10 3. Anwendungen für thermochemische Speichermaterialien Adsorption: Auf Zwischenmolekularkräften beruhende An- und Einlagerung von Gasen, Dämpfen oder molekularen Stoffen an der Oberfläche eines Festkörpers unter Wärmefreisetzung Mögliche Materialien: Zeolithe, Silicagele, Silcoaluminiumphosphate (SAPOs) Aluminiumphosphate (ALPOs), mesoporöse Alumosilikate (MCM-Materialien), Metal-Organic Frameworks (MOFs) Nachteile: • hohe Herstellungskosten durch teure Synthese (MOFs, SAPOs, ALPOs) • keine ausreichende Speicherdichte (Silikagele) • hohe Entwässerungstemperaturen (Zeolithe) für industrielle Abwärme Chemische Wärmespeicherung mit Salzhydraten (T < 130°C) Bauhaus-Universität Weimar; Professur Bauchemie 11 4. Chemische Wärmespeicherung mit Salzhydraten Prinzipielle Wirkungsweise (2 Varianten) I. Salz + Wasserdampf Salzhydrat + Wärme Reaktionstyp: fest + gasförmig fest mehr Wasser = größere Wärmemenge Salzlösung durch Absenken der Deliqueszenzfeuchte II. Salz + Wasserdampf Salzlösung + Wärme Reaktionstyp: fest + gasförmig flüssig Entwässertes Salz liegt je nach Dehydratationsbedingungen maximal als Anhydrat (wasserfrei) vor Das Salz muss in eine offenporige Trägermatrix eingebracht werden, da • • • • Lösungsbildung Verwendung als Schüttgut bessere Handhabbarkeit verbesserte Wärmeleitung Offenporiges Material Offenporiges Material Salzhydrat Salzhydrat Bauhaus-Universität Weimar; Professur Bauchemie 12 4. Chemische Wärmespeicherung mit Salzhydraten Stoffliche bzw. technologische Aspekte der Entwicklung des Speichermaterials Kristallisationsdrücke (thermische, mechanische Beständigkeit) Stoff- und Wärmetransporte Dispersität des Salzes (zyklenabhängig) Offenporiges Material Salzhydrat chemische Reaktionen (zwischen Salz und Träger) Arbeitstemperatur (Be- und Entladung) Atmosphäreneinfluss (Wasserdampf/ feuchte Luft) Porenverstopfungen Hydrolyseerscheinungen Bauhaus-Universität Weimar; Professur Bauchemie 13 4. Chemische Wärmespeicherung mit Salzhydraten Kreislauf der solarthermischen Wärmespeicherung Solarthermische Wärme Raumklimatisierung T < 130 °C Wasserdampf Energetische Beladung Salzhydrat entwässertes Salzhydrat (Energieträger) (Wärme) + Kühlen Salzhydrat Heizen „Wärme gespeichert“ als trockenes Salz im geschlossenen Gefäß - ohne Wärmeisolation, Langzeitspeicher - Energetische Entladung + entwässertes Salzhydrat (Energieträger) Wasserdampf Nutzbare Wärme Bauhaus-Universität Weimar; Professur Bauchemie 14 4. Chemische Wärmespeicherung mit Salzhydraten Wärmeflusskurven bei der Wasserdampfsorption an verschiedenen Salzen 300 Heat flow curves of different salts heat flow [mW/g] 250 60/40 MgCl2 80/20 LiCl 200 MgSO4 150 100 50 0 0 20 40 60 Zeit [h] MgSO4: hohe DRH, geringste Sorptionszeit, geringste Sorptionswärme Geringer Anteil von Chlorid: Höherer Anfangspeak, Erhöhung der Sorptionszeit Bauhaus-Universität Weimar; Professur Bauchemie 15 4. Chemische Wärmespeicherung mit Salzhydraten Vergleich der Sorptionswärmen in Abhängigkeit der Sorptionsbedingungen (Masse des Trägermaterials sowie die reine Adsorptionswärme des Trägers sind abgezogen!) Sorptionsenthalpie [J/g] 5500 5290 5400 5270 Vergleich der massebezogenen Energiespeicherdichten: 4500 5400 J/g Salzmischung (chemisch) 3500 3020 2500 2800 entspricht 2940 21,5 g H2O bei ∆T= 60 K (sensibel) 2300 1920 1500 MgSO4 60/40 MgCl2 90/10 LiCl 80/20 LiCl Salz/Salz-Mischung 30°C/85 % RF 40°C/70 % RF Sorptionswärme steigt an (mehr als zwei mal so hoch) durch Substitution mit 40 ma.-% MgCl2 oder 10 ma.-% LiCl geringere Sorptionswärmen durch veränderte Deliqueszenzfeuchte und niedrigere Hydratstufen Bauhaus-Universität Weimar; Professur Bauchemie 16 5. Zusammenfassung/Ausblick - Chemische Wärmespeichermaterialien bieten die theoretisch größte Speicherdichte - Materialentwicklung und Systemintegration befinden sich im Anfangs- bzw. Laborstadium - Wenige Pilotprojekte und Versuchsspeicher wurden realisiert (Speicherdichten lagen weit unter den theoretischen Werten) - Entwicklungsstand: Entwicklung leistungsfähiger, preiswerter und zyklenstabiler Materialien sowie verbesserter Speicher - Materialien auf Basis der Adsorption sind zum heutigen Tag zu preisintensiv für eine Wärmespeicherung oder benötigen zu hohe Entwässerungstemperaturen Bauhaus-Universität Weimar; Professur Bauchemie 17 5. Zusammenfassung/Ausblick - Energiespeicherung von Sonnenwärme (<130 °C) mit Materialien, die Salzhydrate enthalten, ist möglich - Die Auswahl der Zusammensetzung der Salzmischung ermöglicht über die optimale Wärmeumsätze in Bezug auf die Betriebsbedingungen - - Sorptionsenthalpien von 1800 J/g (30 °C, 36 mbar) bei Wasseraufnahme bis 60 ma.-% sind zum jetzigen Zeitpunkt erreichbar Einflüsse der Porengrößen auf die Sorptionswärmen konnten nachgewiesen werden (kleinere Poren erhöhen die nutzbare Sorptionswärme) Bauhaus-Universität Weimar; Professur Bauchemie 18 5. Zusammenfassung/Ausblick - Herstellung kostengünstiger und zyklenstabiler Materialien - Für ein wirtschaftliches Betreiben von Sorptionsspeichern sollten die Materialien bei einer Lebensdauer von 30 Jahren bei 2 Zyklen pro Jahr weniger als 1 €/kg kosten und bei 150 Zyklen pro Jahr 2 €/kg nicht überschreiten (Schmidt 2006) - Upscaling der Speichermaterialien und Speicher - Speicherbau und Systemintegration - Vernetzung verschiedener Bereichen (Forschungseinrichtungen, Verfahrenstechniker, Anwender…) Dank der DFG und dem BMBF für die finanzielle Unterstützung der experimentellen Arbeiten an der Bauhaus-Universität Weimar (Schmidt 2006) Schmidt, F., Neue Materialien und Systemkonzepte für Adsorptionswärmespeicher-Ergebnisse des BMBFNetzwerks, Statusseminar „Thermische Energiespeicherung, Freiburg, 2.-3.11.2006, Tagungsband, 259-268, 2006 Bauhaus-Universität Weimar; Professur Bauchemie 19