Elektroenzephalographie von Timo Stomberg 13.06.2016 Abb.: fisioshare.com 1 Elektroenzephalographie • griech.: „encephalon“: Gehirn • griech.: „graphía“: schreiben, zeichnen • „elektro“: elektrische Aktivität EEG 2 Elektroenzephalographie (EEG) • Aufzeichnung von Spannungsschwankungen an der Kopfoberfläche • Grundlage: Ionenströme im Intra- gute Zeit- & Ortsauflösung und Extrazellulärraum linke Abb.: medicalexpo.de, rechte Abb.: cdn.imotions.com 3 Anwendung • klinische Diagnostik – Epilepsie – Schlafstörungen – Koma, Hirntoddiagnostik – neurodegenerative Erkrankungen – … • Hirnforschung – nahezu jedes Wissen über Funktionsweisen des Gehirns durch EEG 4 Themen • anatomische & neuronale Grundlagen – Nervensystem – Nervenzellen – Potentialentstehung • Messtechnik – Elektroden – Differenzverstärker – Filter • Analyse – Ableitungsmethoden – Frequenzbänder obere Abb.: askabiologist.asu.edu, mittlere Abb.: img.medicalexpo.de, untere Abb.: cdn.imotions.com 5 Zentrales Nervensystem Abb.: Schünke, Schulte, Schumacher, Voll, Wesker: „Prometheus“ 6 Graue und Weiße Substanz • graue Substanz: – Ansammlung von Nervenzellkörpern – Gehirn: Cortex (Hirnrinde) • weiße Substanz: – Axone und Gliazellen Abb.: leukonet.de 7 Neurone / Nervenzellen Abb.: askabiologist.asu.edu 8 Ruhemembranpotential • Na-K-ATPase: – intrazellulär erhöhte K+-Konzentration – extrazellulär erhöhte Na+-Konzentration – K+-Konzentration > Na+-Konzentration • Diffusionsstrom Zelle innen negativ geladen (Δ𝑈 ≈ −70 mV) Abb.: wwwmath.uni-muenster.de 9 Signalübertragung linke Abb.: Campbell: „Biologie“, rechte Abb.: upload.wikimedia.org 10 Messung des Aktionspotentials • hohe Spannungsschwankung: 80-100 mV • lediglich transmembranöse Spannungsdifferenz kleines, zeitlich kurzes, extrazelluläres Feldpotential nicht mit EEG messbar Abb.: Klinke, Pape, Kurtz, Silbernagel: „Physiologie“ ? 11 Postsynaptisches Potential (exzitatorisch wirkende Synapse) inhibitorisch wirkende Synapsen: Abb‘en: Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ 12 Pyramidenzellen • Großteil der Nervenzellen im Cortex (85%) • Ausrichtung senkrecht zur Oberfläche – Dendriten Richtung Oberfläche – Axone Richtung Inneres • Fernfeldnäherung Dipol linke Abb.: Cooper, Osselton, Shaw: „Elektroenzephalographie“ – „Technik und Methoden“, rechte Abb.: wikiwand.com Pyramidenzelle aus der Großhirnrinde eines Menschen 13 Postsynaptisches Potential bei Pyramidenzellen bis zu 10.000 Dendriten pro Pyramidenzelle Abb.: Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ 14 Synchrone Aktivität a) EPSP an Dendrit b) EPSP am Soma c) IPSP an Dendrit d) tritt in der obersten Cortexschicht quasi nicht auf IPSP am Soma treten im Cortex insbesondere hier auf zumeist konstruktive Überlagerung der Potentiale Abb.: Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ 15 Synchrone Aktivität • eine Elektrode erfasst in etwa: – Fläche von 6 cm2 – 108 Neuronen – jedes Neuron hat bis zu 10.000 Synapsen grundsätzlich: 𝟏/𝒇-Rauschen Modell: Synchrone Aktivität ? experimentell: EEG ist nicht die Summe der einzelnen Potentiale Abb.: Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ 16 Kortikale Feldpotentiale • Ionenbewegungen im Extrazellulärraum • Potentialentstehung: Δ𝑈1 = 𝑅 ⋅ 𝐼 Δ𝑈2 = 𝑄/𝐶 Δ𝑈: Spannung, 𝑅: Ohm‘scher Widerstand, 𝐼: Strom, 𝑄: Ladung, 𝐶: Kapazität N: Neuron, S: Synapse, G: Gliazellen, M: Membranstruktur Abb.: Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ 17 Gewebsleitfähigkeit • Ohm‘sche Widerstände – intra- und extrazelluläre Flüssigkeitsräume – Liquor leitend ⇒ reduziert Feldpotentiale erheblich • kapazitive Widerstände – Zellmembran – Schädelknochen – Haut Abb.: previews.123rf.com 𝑍𝐶 = 1 𝜔𝐶 ⇒ Einfluss auf Frequenzanteile 𝑍𝐶 : Impedanz, 𝜔: Kreisfrequenz, 𝐶: Kapazität Leitfähigkeit kann nicht gemessen werden genaue Aussagen über Einfluss nicht möglich ? 18 Liquor und Hirnstamm • Liquor: hohe Leitfähigkeit • Signale von Hirnstamm werden an Oberfläche geleitet • Größenordnung: Attovolt (aV = 10−18 V) Abb.: previews.123rf.com 19 Messtechnik • Elektroden • Verstärker • Frequenzfilter Amplitude der EEG-Wellen an der Kopfoberfläche: 𝑈 ≈ 100 μV Anforderungen an Elektronik: • sehr exakt • störungsfrei 20 Abb.: img.medicalexpo.de Elektroden Elektrodenpotential Me+: nicht-reagierendes Metall Cup- / Klebe-Elektroden obere Abb.: Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“, Abb. unten links: ternimed.de, Abb. unten rechts: micromed.com Brückenelektroden 21 Polarisierbare Elektroden • aus Edelmetall, z.B. Gold • Ionendifferenzen streben Gleichgewicht an unzureichende Übertragung langsamer Potentialdifferenzen Dämpfung niedriger Frequenzen Abb.: Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ 22 Nichtpolarisierbare Elektroden • z.B. aus Silberchlorid • keine Konzentrationsänderung in el. Doppelschicht frequenzunabhängig Abb.: Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ 23 Elektroden • Genauigkeit • Biokompatibilität • Kosten • Langzeitmessung Es gibt nicht die perfekte Elektrode für alle Anwendungen. • Komfort (Schlaf) • … 24 Differenzverstärker • Störspannungen der Umwelt – vielfaches größer als EEG- Signal unipolares Verstärken nicht möglich – vom Körper überall weitgehend gleich aufgenommen Differenzverstärkung mit Referenz zum Körper Abb.: Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ 25 Frequenzfilter • Beseitigung störender Frequenzen zur besseren Analyse • Tiefpass (A), Hochpass (B) • Grenzfrequenz: 𝑓𝑔 ∶= 𝑓 𝑈2 = 𝑈1 2 = 1 2𝜋𝑅𝐶 𝑓: Frequenz, 𝑈: Spannungsamplitude, 𝑅: Ohm’scher Widerstand, 𝐶: Kapazität Abb.: amateurfunkpruefung.de 26 Internationales 10-20-System 27 Abb. oben links: de.dreamstime.com, rechte Abb.: medicalexpo.de, Abb. unten links: Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ Ableitungsmethoden natürliche Referenzableitung – gemeinsame Referenz: meist Ohrläppchen – reale Darstellung der Potentialverteilung – Übertragung von Artefakten an Referenz in voller Stärke auf alle Elektroden Durchschnittsreferenzableitung – Referenz: Mittelwert aller Elektrodensignale – geringere Auswirkung der Artefakte – regional begrenzte Aktivitäten können in Ableitungen anderer Hirnregionen auftreten, wo sie real nicht vorkommen 28 Ableitungsmethoden (2) Bipolare Ableitung Verknüpfung aller Elektroden visuell besser auswertbar „Kunstprodukt“ Artefakte bleiben auf zwei Elektroden begrenzt exakte Rekonstruktion der realen Potentialverteilung nicht mehr möglich Abb.: Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ fokale EEG-Veränderung F1 führt zu Phasenumkehr PU1 29 Ableitungsmethoden (3) • jede Methode: Vor- & Nachteile • natürliche Referenzableitung: Möglichkeit der nachträglichen Umrechnung • mehrere Methoden pro Untersuchung, insbesondere: – natürliche Referenzableitung – bipolare Ableitung 30 Frequenzbänder Typ 𝜈 Deutung (bedingt) traumlose Tiefschlafphase 𝛿Wellen < 4 Hz 𝜃Wellen 4 bis 8 Hz Schläfrigkeit, leichte Schlafphasen 𝛼Wellen 8 bis 13 Hz entspannte Wachheit bei geschlossenen Augen 𝛽Wellen 13 bis 30 Hz konstantes Anspannen eines Muskels, Konzentration 𝛾Wellen Abbildung falls Wachzustand: Hirnfunktionsstörungen, Hirnblutungen, Hirntumore starke Konzentration, > 30 Hz Lernen, Verwechslungsgefahr: Augenartefakte Abb.: de.wikipedia.org 31 Frequenzbänder • komplizierte Extraktion aus 1/𝑓−Rauschen • Fehlinterpretationsgefahr (Artefakte) • Interpretation abhängig von Hirnstruktur • viele weitere Frequenz-Strukturen und Muster Abb.: cdn.imotions.com 32 Zusammenfassung postsynaptische Potentiale Gewebsleitfähigkeit ? ? kortikale Feldpotentiale ? ? ? 𝟏/𝒇-Rauschen jegliche Modelle versagen Auslese: „künstlerisch“, auf Erfahrungen beruhend, komplex mathematisch Wieso können wir ein „zufälliges“ 1/𝑓-Rauschen überhaupt auslesen? ? 33 Backup-Folien 34 Myelinisierte Nervenfaser • Axone von Gliazellen umhüllt • deutlich schnellere Übertragung Abb.: Klinke, Pape, Kurtz, Silbernagel: „Physiologie“ 35 Sternzelle • machen ca. 15% der Nervenzellen im Cortex aus • viele Dipole in entgegengesetzter Richtung Neutralisation in Fernwirkung Abb.: Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ 36 Hirnfurchen • nur radial zur Kopfoberfläche ausgerichtete Pyramidenzellen können durch das EEG erfasst werden • in Hirnfurchen tangentiale Ausrichtung Abb.: Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ 37 Äquipotentiallinien Abb.: Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ 38 Ableitungsmethode: Quellenableitung • Referenz ist Mittelwert aller umliegenden Elektroden • gut geeignet für fokale EEG-Veränderungen • weniger Artefakte • teilweise schwer durchschaubar Abb.: Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ 39 Literaturverzeichnis S. Zschocke, H. Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“; Springer-Verlag; 3. Auflage; 2012 R. Cooper, J.W. Osselton, J.C. Shaw: „Elektroenzephalographie“ – „Technik und Methoden“; Gustav Fischer Verlag; 3. Auflage; 1984 R. Klinke, H. Pape, A. Kurtz, S. Silbernagel: „Physiologie“; Georg Thieme Verlag; 6. Auflage; 2010 M. Schünke, E. Schulte, U. Schumacher, M. Voll, K. Wesker: „Prometheus“ – „LernAtlas der Anatomie“ – „Kopf, Hals und Neutoanatomie“; Georg Thieme Verlag; 3. Auflage; 2012 40 Abbildungsnachweis (1) Für die Nutzung der Websites kann der 09. Juni 2016 herangezogen werden. Folie 1 http://www.fisioshare.com/Images/EEG-Brain.jpg Folie 3 http://www.medicalexpo.de/prod/mag-more-gmbh/product-76676-699570.html https://cdn.imotions.com/wp-content/uploads/2016/02/EEG.jpg Folie 5 https://askabiologist.asu.edu/sites/default/files/resources/plosable/Brain_Speed/connected-neurons.jpg http://img.medicalexpo.de/images_me/photo-g/70079-6104657.jpg https://cdn.imotions.com/wp-content/uploads/2016/02/EEG.jpg Folie 6 Schünke, Schulte, Schumacher, Voll, Wesker: „Prometheus“ Folie 7 http://www.leukonet.de/typo3temp/pics/GRAUWEI_02a485292d.jpg Folie 8 https://askabiologist.asu.edu/sites/default/files/resources/plosable/Brain_Speed/connected-neurons.jpg Folie 9 https://wwwmath.uni-muenster.de:16030/Professoren/Lippe/lehre/skripte/wwwnnscript/biologie.html 41 Abbildungsnachweis (2) Folie 10 Campbell: „Biologie“ – „Gymnasiale Oberstufe“; Pearson Studium; 8. Auflage; 2009 https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/7a/Aktionspotential.svg Folie 11 Klinke, Pape, Kurtz, Silbernagel: „Physiologie“ Folie 12 Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ Folie 13 Cooper, Osselton, Shaw: „Elektroenzephalographie“ – „Technik und Methoden“ http://www.wikiwand.com/de/Pyramidenzelle Folie 14 Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ Folie 15 Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ Folie 16 Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ Folie 17 Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ 42 Abbildungsnachweis (3) Folie 18 http://previews.123rf.com/images/hfsimaging/hfsimaging1107/hfsimaging110700008/9933709-Querschnittdes-menschlichen-Gehirns-Lizenzfreie-Bilder.jpg Folie 19 http://previews.123rf.com/images/hfsimaging/hfsimaging1107/hfsimaging110700008/9933709-Querschnittdes-menschlichen-Gehirns-Lizenzfreie-Bilder.jpg Folie 20 http://img.medicalexpo.de/images_me/photo-g/70079-6104657.jpg Folie 21 Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ http://www.ternimed.de/WebRoot/Store2/Shops/62826360/4D59/0F5E/E786/2C40/AA1F/C0A8/28BA/EAA0/Go ldnapf-NEU-5-St.1_ml.jpg http://www.micromed.com/media/bilder/EEG-Bruecken_Brueckenelektrode.jpg Folie 22 Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ Folie 23 Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ Folie 25 Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ 43 Abbildungsnachweis (4) Folie 26 http://www.amateurfunkpruefung.de/lehrg/a04/bild4-19.gif Folie 27 http://de.dreamstime.com/stockfotos-eeg-elektrodenplatzierung-image29444803 http://www.medicalexpo.de/prod/mag-more-gmbh/product-76676-699570.html Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ Folie 29 Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ Folie 31 https://de.wikipedia.org/wiki/Elektroenzephalografie Folie 32 https://cdn.imotions.com/wp-content/uploads/2016/02/EEG.jpg Folie 35 Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ Folie 36 Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ Folie 37 Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ 44 Abbildungsnachweis (5) Folie 38 Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ Folie 39 Zschocke, Hansen: „Klinische Elektroenzephalographie“ 45