Grundlagen der chemischen Thermodynamik

Werbung
Kapitel 2
Grundlagen der chemischen
Thermodynamik
Inhalt
2.1
Einleitung
2-3
2.2
Thermodynamische Grundlagen
2-4
2.2.1
2.2.2
2.2.3
2.2.4
2.2.5
2.2.6
System und Umgebung
Systeminhalt
Systemgrenze
Thermodynamische Variablen
Zustandsbeschreibung
Zustandsänderungen, Prozesse
2-4
2-4
2-5
2-7
2-8
2-10
2
Grundlagen der chemischen
Thermodynamik
Verzeichnis der Figuren
Figur
Figur
Figur
Figur
Figur
2-2
5.1
5.2
5.3
5.4
5.5
Vier-Phasen-System
Offenes System
Isoliertes System
Geschlossenes System
Geschlossenes System in isolierter Umgebung
2-4
2-5
2-5
2-6
2-6
2.1
2.1
Einleitung
Einleitung
Bei jeder chemischen Reaktion findet eine Änderung der stofflichen Zusammensetzung im Reaktionssystem statt, von den Reaktanten zu den Produkten oder zu einer Mischung derselben. Damit verbunden sind immer auch
Änderungen im Energiehaushalt des Reaktionssystems. Die Energie- und die
Entropieänderungen bei chemischen Reaktionen sind das Thema der chemischen Thermodynamik. Ein Blick auf den weltweiten Gas-, Öl-, und Kohleverbrauch zeigt, dass der weit überwiegende Teil der vom industriellen Menschen erzeugten chemischen Reaktionen nicht gemacht wird, um bestimmte
Produkte zu erzeugen, sondern um die in den Reaktanten gespeicherte Energie zu nutzen; die Reaktionsprodukte (Kohlendioxid und Wasser) sind dabei
nicht Ziel sondern unerwünschter Abfall des Prozesses.
Entwickelt wurde die Thermodynamik in der ersten Hälfte des 18. Jh. im
Rahmen der beginnenden Industrialisierung in England mit dem Ziel, die bei
der Kohleverbrennung entstehende Wärme (Thermo) besser zur Arbeitsverrichtung (Dynamik) umsetzen zu können, wurden doch bei den ersten
Dampfmaschinen nur ca. 1 % der Wärmeenergie in mechanische Arbeit verwandelt. Die Erkenntnisse aus Arbeiten von James Prescott Joule, Rudolf
Clausius, Sadi Carnot, Lord Kelvin, Hermann Helmholtz, Willard Gibbs u. a.
resultierten in zwei grundlegenden Gesetzen, die von Clausius 1865
formuliert wurden. Sie heissen heute erster und zweiter Hauptsatz (HS) der
Thermodynamik.
1. Hauptsatz:
Die Energie der Welt ist konstant.
2. Hauptsatz:
Die Entropie der Welt strebt einem Maximum zu.
Beide Hauptsätze sind Erfahrungsgesetze: Sie sind nicht beweisbar, aber es
ist noch niemandem je gelungen, sie zu widerlegen. Aus den zwei Hauptsätzen sind Tausende von Gleichungen abgeleitet worden, um
thermodynamische Eigenschaften von Systemen zu beschreiben. In der
chemischen Thermodynamik bestehen solche Systeme aus Stoffen und den
Änderungen von Stoffmengen im Verlauf chemischer Reaktionen. Wir
werden in späteren Kapiteln ausführlich auf diese Hauptsätze eingehen.
2.1.1
Was die Thermodynamik kann und was sie nicht kann
Die Thermodynamik kann:
• Aussagen machen, ob eine chemische Reaktion vom Ausgangszustand zum Endzustand in der angegebenen Richtung und
bei den angegebenen Bedingungen spontan ablaufen wird oder nicht.
• Aussagen machen, wie viel Wärme im Reaktionsablauf an die Umgebung abgegeben oder von ihr aufgenommen wird.
• Aussagen machen, um wie viel sich im Reaktionsablauf die Entropie im System ändert, und um wie viel mindestens in
der Umgebung.
• Aussagen machen, wie die Stoffzusammensetzung im Gleichgewichtszustand sein wird.
• Aussagen machen, in welcher Art und in welchem Ausmass der Gleichgewichtszustand durch äussere Bedingungen
beeinflusst wird.
• Die Daten liefern, mit denen der Wert der Gleichgewichtskonstante einer beliebigen Reaktion berechnet werden kann.
Die Thermodynamik kann nicht:
• Aussagen machen über zeitabhängige Grössen von Prozessen: Sie kann keine Voraussagen machen, wann ein Prozess
beginnen wird und wie lange er dauern wird; die Zeit t ist keine Zustandsvariable.
• Aussagen machen über den Aufbau der Materie. Die Thermodynamik hilft nicht bei der Verifikation oder der
Falsifikation von Atom- und Molekülmodellen. Die Thermodynamik bleibt auch dann wahr, wenn wir unser heutiges
Modell vom Aufbau der Materie verwerfen müssen.
2-3
2
Grundlagen der chemischen
Thermodynamik
2.1.2
Am Ende des ThermodynamikTeils ist ein Mathematikanhang
angefügt. Dort kann man sich
unter anderem orientieren über:
• Schreibweise
wegabhängiger
und wegunabhängiger Grössen, ihre Symbole und ihre
Integration.
• Herleitung des totalen Differentials einer Zustandsgrösse
aus der Zustandsgleichung.
• Eine detaillierte Ausdeutung
des totalen Differentials einer
Zustandsgrösse und ihrer partiellen Differentiale.
Thermodynamik und Mathematik
Die Thermodynamik ist, wie die klassische Mechanik, eine exakte mathematische Wissenschaft. Jede solche Wissenschaft basiert auf einer kleinen Anzahl
von Voraussetzungen oder Gesetzen (auch Axiome genannt), aus denen alle
weiteren Gesetze und Erkenntnisse rein logisch deduziert und mathematisch
beschrieben werden können.
In der Thermodynamik haben wir es mit Zuständen und Zustandsänderungen zu tun; daher brauchen wir eine Mathematik, die fähig ist, Änderungen
von Zustandsgrössen zu beschreiben. Dies ist die Mathematik der Differentiale.
2.2
Thermodynamische Grundlagen
2.2.1
System und Umgebung
In der Thermodynamik teilt man die Welt prinzipiell in zwei Teile: System
und Umgebung. Das System ist Gegenstand der Betrachtung. Es muss
eindeutig definierbar und beschreibbar sein. Ausserhalb des Systems ist die
Umgebung. Zwischen System und Umgebung gibt es eine Grenze, deren
Eigenschaften definiert sein müssen.
Ein mit Luft gefüllter Behälter,
eine Kochsalzlösung, ein Eisbrocken oder eine Metalllegierung sind homogene Systeme,
unabhängig davon, ob sie reine
Stoffe oder Mischungen sind.
2.2.2
Systeminhalt
In der Chemie entspricht der Systeminhalt dem Inhalt des Reaktionsgefässes.
Es enthält alle Stoffe, die einzeln qualitativ und quantitativ beschreibbar
sein müssen, entweder im Zustand vor der Reaktion (nur Reaktanten) oder
nach vollständigem Umsatz (nur Produkte) oder irgendwo auf dem Weg
dazwischen.
2.2.2.1
Homogenes System: Eine Phase
Homogen nennt man ein System, das entweder durch und durch gleiche Eigenschaften aufweist, oder dessen Eigenschaften kontinuierlich ändert (z. B.
die Dichte einer Luftsäule).
2.2.2.2
Figur 2.1
Vier-Phasen-System
Das 4-Phasen-System enthält die
Phasen: Wasser, Eis, Sand und
Wasserdampf.
Beachte:
Ein nicht näher definierter
Stoff wird in diesem Skript
mit dem Namen „B“ bezeichnet.
2-4
Heterogenes System: Mehrere Phasen
Heterogene Systeme bestehen aus zwei oder mehr homogenen Phasen, die
durch diskontinuierliche physikalische Grenzen getrennt sind. Heterogene
Systeme können aus nur einem Stoff oder aus verschiedenen Stoffen bestehen. Wasser mit Eissplittern ist ein Zweiphasensystem aus nur einer Substanz, Wasser mit Quarzsand ist ein Zweiphasensystem mit 2 verschiedenen
Substanzen, ein teilgefüllter und geschlossener Behälter mit Quarzsand, Eis,
Wasser und Wasserdampf ist ein 4-Phasensystem mit 2 reinen Stoffen.
2.2.2.3
Spezies und Stoffe
Eine Spezies nennen wir eine Entität mit eindeutigem Aufbau, eindeutiger
Ladung und Charakterisierung. Spezies können elementare Stoffe, Verbin–
dungen oder Ionen sein. So sind O2(g), CO2(g), CO2(aq), HCO3 (aq),
2–
+
–
H2CO3(aq) und CO3 (aq) sechs Spezies, H2O(l), H (aq) und OH (aq) sind 3
Spezies. Stoffe sind immer elektrisch neutral, Spezies müssen dies nicht sein.
Für Spezies wird gelegentlich auch der Begriff Komponente verwendet, was
Verwirrung stiften kann mit der wesentlich enger verstandenen Bezeichnung
der «minimalen Anzahl Komponenten».
2.2
2.2.2.4
Thermodynamische Grundlagen
Anzahl Komponenten
Die Anzahl Komponenten (oder: Minimale Anzahl Komponenten) in einem
System ist zu unterscheiden von der Anzahl Spezies des Systems: Nimmt
man als System die zwei Stoffe H2O(l) und CO2(g), so enthält es zwei
Komponenten; im Gleichgewicht aber sind mindestens die Spezies H2O(l),
–
2–
+
–
H2O(g), H (aq), OH (aq), CO2(g) CO2(aq), H2CO3(aq), HCO3 (aq), CO3
(aq), vorhanden, also 13 Spezies. Die (minimale) Anzahl Komponenten die
ein solches System ergeben beträgt aber nur 2, da zwei Stoffe genügen, um
das System zu beschreiben. Die daraus erzeugten weiteren Spezies entstehen
spontan durch chemische und physikalische Prozesse, sie sind also im System
ohne je zugegeben worden zu sein.
2.2.2.5
Mischung, Lösung, Lösungsmittel und gelöster Stoff
Eine Mischung besteht aus mindestens zwei verschiedenen Stoffen von gleichem oder verschiedenem Aggregatszustand. Mischung wird als Oberbegriff
verwendet, Lösungen gehören dazu.
Eine homogene Mischung ist eine Lösung, sei sie fest, flüssig oder gasförmig.
Mischungen und Lösungen haben eine variable Zusammensetzung, im Gegensatz zu reinen Stoffen, d.h. die Anteile der verschiedenen Spezies können
variieren.
Das Lösungsmittel (oder Lösemittel) ist der Stoff einer Lösung, in dem alle
anderen Spezies (die gelösten Stoffe) gelöst sind. Meistens ist das Lösemittel
im Überschuss zu den gelösten Spezies; das ist jedoch nicht zwingend. Man
bezeichnet bei einer konzentrierten Schwefelsäure das Wasser als Lösungsmittel, auch wenn sein Anteil gering ist.
In wässrigen Lösungen werden die gelösten Spezies X mit (Xaq oder Xaq)
bezeichnet.
2.2.3
Systemgrenze
Ist ein System definiert, so gibt es auch eine Umgebung und eine Grenze
zwischen den beiden. Die Art der Systemgrenze beschreibt die Beziehungen
zwischen System und Umgebung. Wir unterscheiden offene Systeme, isolierte
Systeme und geschlossene Systeme.
2.2.3.1
Figur 2.2
Offenes System
Transfer von Masse und
Energie.
Offenes System
Das offene System ist in Figur 2.2 dargestellt. Es hat mit seiner Umgebung
einen Massen- und einen Energieaustausch. Damit es berechenbar ist, müssen sowohl die Massen- wie auch die Energieflüsse bestimmbar sein. Ein See
mit Zuflüssen und Ausfluss plus einen Wärmeaustausch mit der Umgebung
ist ein offenes System, ebenso ist der menschliche Körper ein offenes System.
Offene Systeme werden hier nicht behandelt.
2.2.3.2
Isoliertes System
Das isolierte System (in einigen Lehrbüchern als abgeschlossenes System
bezeichnet) tauscht mit seiner Umgebung weder Materie noch Energie aus.
Es verändert seine Masse nicht; weder Strahlung noch Wärme noch
irgendeine andere Form von Energie können die Systemgrenzen passieren.
Nur das Universum als Ganzes ist ein echtes isoliertes System, vom Menschen konstruierte Systeme können nur fast perfekt isoliert sein. Das
doppelwandige System in Figur 2.3 ist eine gute Approximation.
doppelwandig isoliertes Gefäss
Figur 2.3
Isoliertes System
Kein Transfer von Masse und
Energie.
2-5
2
Grundlagen der chemischen
Thermodynamik
2.2.3.3
Figur 2.4
Geschlossenes
System
Geschlossene Systeme tauschen
mit der Umgebung nur Energie
aber keine Masse aus.
Umgebung (U), vom Rest der
Welt isoliert
∆EU
∆ES
∆EU=−∆ES
2-6
Geschlossenes System
Das geschlossene System hat mit seiner Umgebung keinen Masseaustausch
aber einen Energieaustausch. Es wird einwandig gezeichnet, wie in Figur
2.4. Die Sonne ist ein geschlossenes System, sie tauscht keine Masse aus mit
der Umgebung aber Energie in Form von elektromagnetischer Strahlung und
Wärme. Die meisten hier behandelten Systeme sind geschlossene Systeme;
solche, bei denen Wärmeenergie mit der Umgebung ausgetauscht wird. Ist
die Systemgrenze perfekt wärmedurchlässig, nennt man das System oder die
Systemgrenze diatherm. Das Gegenteil der diathermen Systemgrenze ist die
adiabatische. Dies ist eine perfekt wärmeisolierende Systemgrenze: Alle im
System erzeugte Wärme verbleibt in diesem. Das adiabatische System und
das isolierte System sind nicht dasselbe, denn das adiabatische tauscht alle
Energien ausser Wärmeenergie mit der Umgebung aus, insbesondere Volumenarbeit (Genaueres siehe im Kap. 3.3.2).
2.2.3.4
Geschlossenes System mit isolierter Umgebung
Der Regelfall für Messungen von Grössen der chemischen Thermodynamik
ist das geschlossene diatherme System, das sich in einer kontrollierbaren Umgebung befindet, die ihrerseits gegenüber dem Rest der Welt isoliert ist. Man
lässt eine bestimmte Stoffmenge (System) in einem diathermen Reaktionsgefäss reagieren. Das System ist eingetaucht in ein viel grösseres Wasserbad
konstanter Temperatur, das so eine kontrollier- und messbare Umgebung des
Systems ist. Wegen der diathermen Systemgrenze sind System und Umgebung immer auf derselben Temperatur. Wird im System durch den Reaktionsablauf Wärme erzeugt, so wird diese sofort an die Umgebung abgeleitet
und diese wird so gekühlt, dass die Temperatur konstant bleibt, wobei die
dazu entfernte Wärmemenge gemessen wird. Sie ist exakt die Reaktionswärme des Systems bei konstanter Temperatur. Konstante Temperatur (isothermer Prozess) ist notwendig, um thermochemische Messungen von Reaktionen
machen zu können, denn die Menge an Wärme, die eine Reaktion erzeugt, ist
abhängig von der Temperatur bei der sie abläuft (s. Figur 2.5).
Figur 2.5 Geschlossenes System in isolierter Umgebung
Zur Bestimmung irgendwelcher thermodynamischer Grössen wird in
der Praxis üblicherweise die oben dargestellte Variante gewählt:
Ein geschlossenes System mit diathermen Wänden befindet sich in
einer Umgebung, die bezüglich der Temperatur und des Drucks
sowohl steuerbar als auch messbar ist. Das geschlossene System hat
keine Massenänderung. Alle Energieänderungen im System treten
als umgekehrt gleich grosse Energieänderung in der Umgebung auf
und können dort quantitativ gemessen werden. Damit lässt sich auf
die Energieänderung im System zurück schliessen.
2.2
2.2.4
Thermodynamische Grundlagen
Thermodynamische Variablen
Im Folgenden werden die wichtigsten thermodynamischen Grössen mit ihren
typischen Eigenschaften kurz vorgestellt. Ausser den besser bekannten Grössen wie Stoffmenge, Volumen, Druck und Temperatur werden sie am Ort
ihres ersten Auftretens ausführlich definiert und beschrieben werden.
2.2.4.1
Stoffmenge n
Die Stoffmenge 1 Mol ist definiert als eine Stückzahl von N0 Entitäten. Für
reine Stoffe B ist nB bei molaren Grössen konstant, da auf 1 mol bezogen.
Für gelöste Stoffe in Lösungen ist nB eine Variable, verwendet im Konzentrationsausdruck von B, der entweder als Stoffmengenanteil (Molenbruch)
von B (xB), als molale Konzentration von B (mB) oder als Stoffmengenkonzentration von B, (cB) gebraucht wird.
2.2.4.2
Zusammensetzung
[n] = mol
[x] = 1
[c] = mol⋅dm-3
nA , n B , …n N
x A, x B …x N
Mit Zusammensetzung ist immer die Stoffzusammensetzung gemeint. Die Anzahl N ist dabei die minimale Anzahl Komponenten, die das System beschreiben und nA, …, nN die Stoffmengen dieser Komponenten A bis N. Bei
molaren Grössen, die auf eine Gesamtstoffmenge 1 mol bezogen sind, werden
die Stoffmengenanteile: xA, …, xN verwendet. Eine Kurzform ist auch nur nJ
anstelle von nA, …, nN bzw. xJ, anstelle von xA, …, xN.
2.2.4.3
Volumen V
Das Volumen ist der Raum, den das System einnimmt. Es wird in m3 oder
dm3 angegeben. V ist eine extensive Eigenschaft eines Systems und eine
Zustandsgrösse; häufiger wird das molare Volumen Vm, B verwendet.
2.2.4.4
Druck p
Der Druck ist eine Kraft pro Fläche, in den SI-Einheiten Newton pro Quadratmeter, was Pascal ergibt. Der Druck ist das Potenzial, das den
Energietransfer in der Form von Arbeit in das oder aus dem System bewirkt.
In geeigneten Systemen mit beweglichem Kolben lässt sich der Innendruck
als Umgebungsdruck von aussen steuern.
2.2.4.5
[T] = K
Innere Energie U
Die innere Energie eines Systems ist die Summe aller ihm innewohnenden
Energien. Sie ist eine extensive Grösse und eine Zustandsgrösse jedes Systems. Von der inneren Energie lassen sich nur Differenzen messen
(Absolutwerte lassen sich nicht bestimmen). Ausführlich wird die innere
Energie im Kapitel 3 behandelt werden.
2.2.4.7
[p] = Pa
1 bar = 105 Pa
1 atm = 1.01325 bar
Temperatur T
Die Temperatur ist, wie der Druck, eine intensive Grösse und wie dieser ein
Potential. Die Temperatur ist das Potenzial, das den Energietransfer in der
Form von Wärme in das oder aus dem System bewirkt. In der Thermodynamik soll immer mit der absoluten Temperatur in Kelvin gerechnet werden.
2.2.4.6
[V] = m3 oder dm3
[U] = J
Arbeit w
Arbeit ist eine Energieart. Sie ist die höchstwertige Erscheinungsform von
Energie und lässt sich (im Prinzip) verlustlos in jede andere Energieform
umwandeln. Arbeit ist ein Anteil der inneren Energieänderung.
[w] = J
2-7
2
Grundlagen der chemischen
Thermodynamik
2.2.4.8
[q] = J
Wärme ist das, was fliesst zwischen Bereichen ungleicher Temperatur; spontan nur von höherer in Richtung niederer Temperatur.
2.2.4.9
[H] = J
Wärme q
Enthalpie H
Die Enthalpie ist eine mit der Wärme eng verwandte Grösse, und sie ist ein
Bestandteil der inneren Energie eines Systems. Sie ist eine extensive Zustandsgrösse, die beispielsweise den Wärmeinhalt eines Reaktionsgemischs
beschreibt.
2.2.4.10 Entropie S
[S] = J⋅K-1
Die Entropie lässt sich verstehen als eine Grösse, die einen stofflichen und
thermischen Unordnungsgrad ausdrückt. Sie ist eine fundamentale Eigenschaft eines jeden Systems. Die Entropie ist eine extensive Zustandsgrösse,
und es lassen sich von ihr Absolutwerte bestimmen. Die Entropie ist das
Thema des 2. Hauptsatzes im Kapitel 4.
2.2.4.11 Gibbs-Energie G
[G] = J
Die Gibbs-Energie ist eine aus den Zustandsgrössen Enthalpie, Entropie und
Temperatur definierte Grösse und damit selbst eine Zustandsgrösse. Die
Gibbs-Energie beschreibt den Arbeitsvorrat (Arbeitsfähigkeit) eines Systems
und wird im Kapitel 5 beschrieben werden.
2.2.4.12 Chemisches Potenzial µ
[µ] = J⋅mol-1
Das chemische Potenzial ist, wie der Druck und die Temperatur, eine intensive Grösse und − wie diese − ein Potenzial. Das chemische Potenzial bewirkt
den Energietransfer in Form von Stoffumsatz im Ablauf eines chemischen
Prozesses. Das chemische Potenzial wird ausführlich behandelt werden im
Kapitel 6.
2.2.4.13 Reaktionsgrössen: ∆rH, ∆rS, ∆rG
Die Reaktionsgrössen ∆rH, ∆rS und ∆rG beschreiben die Änderungen im
Reaktionsablauf der Enthalpie, der Entropie bzw. der Gibbs-Energie.
2.2.4.14 Standard-Grösse: µ , H , S , G
Die Grössen µ, H, S und G unter Standardbedingungen. Standardbedingungen sind ein Set festgelegter Randbedingungen eines Systems, z. B. Stoffmenge, Stoffkonzentration, Stoffreinheit, Systemdruck.
2.2.5
Ein gut geeignetes Beispiel
einer Zustandsbeschreibung
ist das ideale Gasgesetz:
pV = nRT
Es beschreibt den Zustand
eines idealen Gases komplett.
Haben zwei verschiedene
ideale Gasmischungen dieselben Werte in p, V, n,
und T, so sind sie thermodynamisch identisch.
2-8
Zustandsbeschreibung
In der Thermodynamik werden Zustände eines Systems beschrieben. Dazu
dienen Variablen, die diesen Zustand festlegen, das sind z. B. der Druck, die
Temperatur, das Volumen und die Zusammensetzung des Systems. Wird
auch nur eine der Variablen verändert, so ändert auch der Zustand des Systems. Eine Zustandsbeschreibung muss eineindeutig sein: Eine Zustandsbeschreibung definiert nur genau einen Zustand und für einen bestimmten Zustand sind alle Zustandsgrössen festgelegt.
2.2.5.1
Wegunabhängigkeit
Wie ein bestimmter Zustand eines Systems erreicht wird, ist für den Zustand
irrelevant. Es spielt also keine Rolle, in welcher Abfolge die Stoffe zugesetzt
wurden, ob die Zustandstemperatur durch Aufwärmen oder Abkühlen erreicht wurde und ob für den Enddruck eine Kompression oder eine Dekomp-
2.2
Thermodynamische Grundlagen
ression nötig waren oder ob Änderungen auf einem Zickzackkurs erfolgten.
Es gilt: Der Zustand ist eine wegunabhängige Eigenschaft eines Systems.
2.2.5.2
Zustandsgrösse
Jede physikalische Grösse, die zur Beschreibung eines Zustandes verwendet
werden kann, ist eine Zustandsgrösse Eine Zustandsgrösse ist eine Grösse,
die durch äussere Bedingungen gegeben und/oder veränderbar ist. Ausser der
Gaskonstante R repräsentieren im idealen Gasgesetz alle Variablen eine
Zustandsgrösse.
2.2.5.3
Zustandsvariable
Die Zustandsvariablen sind die ausgewählten Zustandsgrössen, mit denen der
Zustand des Systems beschrieben wird. Viele Sets von Zustandsvariablen
sind korrekt, aber nur ganz wenige sind sinnvoll. Für das ideale Gasgesetz
sind folgende Sets sinnvoll: p, T, n; oder p, T, V; oder V, T, n; oder p, V, n.
Andere Sets von 3 unabhängigen Zustandsgrössen wären ebenso möglich,
sind aber ungeeignet, weil sie kein einfaches Gesetz ergäben. Ein Set von nur
3 Zustandsvariablen genügt, um ein Einstoffsystem oder ein ideales Gas eindeutig festzulegen. Bei Vorgabe der Zustandsvariablen sind alle andern Zustandsgrössen (z. B. seine innere Energie, seine Enthalpie, seine GibbsEnergie, aber auch Farbe, Dichte, Lichtbrechung etc.) des Systems ebenso
festgelegt.
2.2.5.4
Zustandsgleichung
Die Zustandsgleichung ist die Angabe, wie die Zustandsvariablen zu verknüpfen sind, um die abhängige Zustandsgrösse (Zielgrösse) aus den Zustandsvariablen zu erhalten. Die Zustandsgleichung ist das Gesetz. Dieses
lässt sich auf verschiedene Arten formulieren, z. B:
V =
•
•
•
der Druck: p,
die Temperatur: T,
die Zusammensetzung: nJ.
Zustandsfunktion
Die Zustandsfunktion ist die Funktionsgleichung die angibt, welche Zustandsgrösse (Zielgrösse) als Abhängige welcher Zustandsvariablen betrachtet
wird. Im idealen Gasgesetz ergeben sich die nebenstehenden Zustandsgleichungen. Auch hier sind alle Kombinationen von Zustandsgrössen und Zustandsvariablen möglich, aber nur wenige davon sind praktikabel.
2.2.5.5
Typische Zustandsvariablen sind:
n·R·T
;
p
Vm =
R·T
;
p
p=
R·T
;
Vm
p·V = n·R·T .
Beispiele von Zustandsfunktionen
V
p
T
H
S
G
=
=
=
=
=
=
µ =
V(p,T,n)
p(T,n,V)
T(p,n,V)
H(p,T,nJ)
S(p,T,nJ)
G(p,T,nJ)
µ(p,T,nJ)
(2-1)
Beschreibungen einer Zustandsfunktion
Die Formulierung einer Zustandsgrösse als Abhängige ihrer Zustandsvariablen wird
regelmässig gebraucht. Wir tun dies in der folgenden Art:
X = X(a,b,c).
(2-2)
Das heisst: Die Grösse X wird vollständig beschrieben als abhängig von den
unabhängigen (weil steuerbaren) Variablen a, b, und c. Bei idealen Gasen gibt dies z. B:
V = V(p,T,n): Das Volumen ist eine Funktion des Drucks, der Temperatur und der
Stoffmenge. Oft wird zwecks Vereinfachung eine Variable als konstant vorgegeben. Die
dann als Konstante behandelte Grösse wird dabei als Subscript zur Zielgrösse
geschrieben und in der Liste der Variablen fehlt sie:
Xb = X(a,c).
(2-3)
2-9
2
Grundlagen der chemischen
Thermodynamik
2.2.6
Zustandsänderungen, Prozesse
Um den Zustand eines Systems zu ändern braucht es einen Prozess. Mindestens eine der Zustandsvariablen muss geändert werden. Nur dann und genau
dann ändert sich der Systemzustand. Wie sich im Laufe des Kapitels herausstellen wird, sind die zur Beschreibung chemischer Reaktionssysteme am
besten geeigneten Zustandsvariablen der Druck, die Temperatur und die
Zusammensetzung. Druck und Temperatur lassen sich von aussen steuern,
für eine Änderung der Zusammensetzung muss ins System selbst eingegriffen
werden oder es muss eine Reaktion darin stattfinden.
2.2.6.1
Reversible Prozesse
sind Prozesse, die sich auf dem
Weg der Änderung permanent
im Gleichgewicht befinden.
Reversible und irreversible Prozesse
Es gibt irreversible und reversible Zustandsänderungen. Reversible
Änderungen sind nur aus einer Gleichgewichtslage heraus möglich. Aus
dieser lässt sich idealisiert eine Änderung so gering halten, dass dabei das
Gleichgewicht weder im System noch in der Umgebung gestört wird. Würde
man nun anschliessend eine Umkehrung der Änderung (in Richtung und
Betrag) vornehmen, so käme man wieder exakt auf den Ausgangszustand
zurück, sowohl im System als auch in der Umgebung. Theoretisch
funktioniert
dieses
Vorgehen
perfekt:
Wir
ändern
aus
einer
Gleichgewichtssituation eine Variable, z.B. die Temperatur des Systems, nur
infinitesimal (um dT), so dass die dadurch bewirkte Druckerhöhung ebenfalls
nur infinitesimal gering wird (dp). Dann warten wir ab, bis sich die infinitesimal geringe Druckerhöhung mit dem Aussendruck der relativ unendlich
grossen Umgebung durch eine infinitesimal kleine Volumenausdehnung ausgeglichen hat (dabei erhöht sich deren Druck überhaupt nicht). Dies ist ein
Schritt einer reversiblen isobaren Expansion des Systems. Werden nun eine
unendliche Anzahl solcher reversibler infinitesimaler Änderungen summiert
(mathematisch: integriert), so ergeben sie eine reversible aber reale Änderung
um ∆ der betrachteten Grösse (hier Volumen), wegen: ∆V = ∫ dV .
Die Realität ist natürlich etwas anders: weder können wir in der Praxis
wirklich infinitesimal kleine Änderungen vornehmen, noch können wir
unendlich viele Schritte addieren.
Figur 2.6 Reversible Prozessführung
Links Die Gibbs-Energie G im Reaktionsablauf , rechts ein vergrösserter Ausschnitt
des Bereiches um die Gleichgewichtslage, nahe welcher ein Prozess reversibel abläuft,
d.h. ∆ξ so klein ist, dass ∆rG ≈ 0 wird.
2-10
2.2
2.2.6.2
Isobare Prozesse
Bei isobaren Prozessen wird der Druck während des Prozesses konstant gehalten. Wird der Zustand eines Systems konstanter Zusammensetzung durch
Temperaturänderung (∆T) verändert, oder wird ein System konstanter Temperatur durch Änderung der Zusammensetzung (Reaktionsablauf) verändert,
so müssen die dabei im System zwangsläufig entstehenden Druckänderungen
so gehalten werden, dass ein Druckausgleich mit der Umgebung jederzeit gewährt ist. Dies trifft zu, wenn das System offen ist (Masseverluste irrelevant)
oder wenn es über einen beweglichen Kolben geschlossen ist (der Innendruck
ist dann jederzeit gleich dem Aussendruck). Beide Vorgehen entsprechen
einer reversiblen, isobaren Prozessführung.
2.2.6.3
Isotherme Prozesse
Isotherme Prozesse laufen bei konstanter Temperatur ab. Das Analogon zum
isobaren Prozess, aber für konstante Temperatur während entweder einer
Druckänderung (∆p) bei konstanter Zusammensetzung oder einer Zusammensetzungsänderung bei konstantem Druck. Isothermie wird erreicht durch
diatherme Systemgrenzen gegenüber einer thermostatierten Umgebung.
2.2.6.4
Thermodynamische Grundlagen
Isochore Prozesse
Isobarer Prozess
Bei konstantem Druck ablaufender Prozess.
Isothermer Prozess
Bei konstanter Temperatur ablaufender Prozess
Isochorer Prozess
Bei konstantem Volumen ablaufender Prozess
Isochore Prozesse laufen bei konstantem Volumen ab. Prozesse in festen,
starren Gefässen, die druckresistent sind. Bevorzugte Prozessführung bei
Gasreaktionen. Die ideale Zustandsgrösse für isochore Prozesse ist die innere
Energie. Isochore Prozesse können nicht gleichzeitig isobar sein, aber sie
können zusätzlich isotherm sein
2.2.6.5
Änderung der Zusammensetzung
Ein Ersatzwort für konstante Zusammensetzung gibt es nicht. Für die
Chemie ist die Zusammensetzungs-Änderung des Systems die wichtigste
Zustandsvariable. Die thermodynamischen Eigenschaften einer Substanz oder
Spezies sind abhängig von ihrem Zustand. Es ist notwendig, die exakten
Bedingungen für jede Spezies einer Reaktionsgleichung anzugeben. Die
Verbrennungsreaktion von Methangas zu gasförmigem Wasser:
CH 4 ( g ) + 2 O2 ( g ) = CO2 ( g ) + 2 H2O ( g )
ist thermodynamisch etwas anderes als die Verbrennung zu flüssigem
Wasser. (H2O(l) ist der Standardzustand von H2O bei 25 °C):
CH 4 ( g ) + 2 O2 ( g ) = CO2 ( g ) + 2 H2O ( l ) .
Für die thermodynamische Beschreibung eines Prozesses ist es unerheblich,
ob es sich um eine eigentliche chemische Reaktion handelt (wie oben) oder
um einen anderen Prozess der zu einem vom Ausgangszustand verschiedenen
Endzustand führt, wie im Beispiel des Verdampfens von Wasser:
H2O ( l ) = H2O ( g ) .
Auch ein und dieselbe Spezies bei verschiedenen Bedingungen, z. B. Temperatur oder Druck, führen zu thermodynamisch verschiedenen Zuständen:
H 2 O ( l,T1 ) = H 2 O ( l,T2 )
oder:
H 2 O ( g, p1 ) = H2 O ( g, p2 ) .
Thermodynamisch verschieden sind auch verschiedene Modifikationen von
Festkörpern derselben Zusammensetzung, wie z. B. reiner Kohlenstoff in den
Modifikationen Graphit, Diamant oder Fulleren. Nur wenn Ausgangs- und
Endzustand in allen Belangen identisch sind, handelt es sich nicht um einen
Prozess.
2-11
Herunterladen