„Wahrzeichen der Thermodynamik sind ihre beiden Hauptsätze und die von einem Hauch des Unerklärlichen umwehte Größe ENTROPIE.“ Albert Einstein (1879–1955) 2 Angewandte technische Thermodynamik Die Energie in ihren verschiedenen ineinander umwandelbaren Erscheinungsformen stellt eine Verknüpfung zwischen allen in der Natur wie auch in der Technik ablaufenden Vorgängen dar [3]. Die Thermodynamik als allgemeine Energielehre hat ihre große Bedeutung in der Energietechnik, wo Energieumwandlungen im Vordergrund stehen wie in Kraftwerken, Kolben- und Strömungsmaschinen, Wärmeübertragung, Kälte-, Klima- und Heizungstechnik etc. Das Fundament der Thermodynamik sind die „Hauptsätze“, in denen die Existenz und Eigenschaften der Energie und der Entropie formuliert sind. Die beiden Hauptsätze der Thermodynamik begründen die Energie- und Entropiebilanzgleichungen, die eine zentrale Bedeutung in der Auslegung und „Bewertung“ von technischen wie natürlichen Prozessen haben. Der 1. Hauptsatz ist der Energieerhaltungssatz. Er besagt, dass Energie weder erzeugt noch vernichtet werden kann. Energie ist wandelbar in ihren verschiedenen Erscheinungsformen. Der 2. Hauptsatz formuliert die Grenzen der Energiewandlung und beschreibt, welche Wandlungen überhaupt nur möglich sind. Hauptaufgabe der technischen Thermodynamik ist nun die Untersuchung und Beschreibung der Energieumwandlungsprozesse. Sie zeigt die Grenzen im Wirkungsgrad auf und ermöglicht mit ihren Gesetzen und Gleichungen den Vergleich der reversiblen (umkehrbaren) Prozesse zu den irreversiblen (nichtumkehrbaren) Prozessen. Dadurch wird die Güte der natürlichen (irreversiblen) Prozesse erkennbar. In der Energieumwandlungskette zeigt sich sowohl der 1. Hauptsatz in der Erhaltung der Energie als auch der 2. Hauptsatz durch die begrenzte Umwandelbarkeit der zugeführten Wärme in Arbeit [4]. Im zweiten Abschnitt werden die theoretischen Grundlagen nur kurz und insoweit behandelt, dass mit den aufgezeigten Gleichungen und Kennzahlen die Gesetzmäßig- 1460vde02.indd 7 22.06.2010 16:26:55 2 Angewandte technische Thermodynamik 8 keiten sowie die Grenzen bei den Energie-Umwandlungs-Systemen bewertet werden können. 2.1 Thermodynamische Systeme Darunter versteht man ein materielles Gebilde in einem abgegrenzten Bereich, dessen thermodynamische Eigenschaften untersucht werden sollen. Dieser Bereich ist durch seine Systemgrenze von seiner Umgebung getrennt, und es können Materie, Arbeit oder Wärme die Systemgrenze überschreiten. Man unterscheidet dreierlei Systeme: x „Abgeschlossene Systeme“ (isolierte) tauschen mit der Umgebung weder Energie noch Materie aus. Ein typisches Beispiel ist der Inhalt einer Thermoskanne (Dewargefäß). In der Praxis lassen sich abgeschlossene Systeme allerdings nur näherungsweise und auch nur vorübergehend verwirklichen. So erfolgt selbst bei guter Wärmeisolierung ein allmählicher Übergang von Wärme zur Umgebung, wenn diese eine andere Temperatur hat. Das Weltall kann als abgeschlossenes System angesehen werden, wenn wir davon ausgehen, dass es zum Weltall keine Umgebung gibt, mit der ein Austausch von Masse und Energie möglich ist. x „Geschlossene Systeme“ tauschen keinen Stoffstrom mit der Umgebung aus, jedoch ist das System für einen Energiestrom durchlässig. Abb. 4: Zur Definition der Begriffe offenes, geschlossenes und abgeschlossenes System aus dem Alltäglichen [5] 1460vde02.indd 8 22.06.2010 16:26:57 2.1 Thermodynamische Systeme 9 Als nahezu geschlossenes System könnte man auch die Erde ansehen, da zwar ein intensiver Energieaustausch mit der Umgebung erfolgt (Energiezufuhr durch die Sonne, Wärmeabstrahlung ins All), der Substanzgewinn durch Meteorite und Teilchen des Sonnenwinds (Neutrinos), der Massenverlust durch Raumsonden aber klein gegenüber der Gesamtmasse ist. Gerade der für uns besonders wichtige Teil der Erde, also ihre Oberfläche und Atmosphäre, wird jedoch durch Teilchen stark beeinflusst, sodass die Erde wohl besser als „offenes System“ zu behandeln ist. x „Offene Systeme“ tauschen mit der Umgebung Stoff und Energie aus. In der Technik hat man es überwiegend mit „offenen Systemen“ zu tun. Aber auch Pflanzen, Tiere und Menschen gehören zu den offenen Systemen, da sie sich in ständigem Masse- und Energieaustausch mit ihrer Umgebung befinden. Einige Beispiele „offener Systeme“: Rohrleitung Behälter mit Zu- und Abflüssen Wärmeübertrager (Kühler, Heizkörper, Verdampfer, Kondensator etc.) Drosselventil Arbeitsmaschine: Strömungsmaschine (Pumpe, dynamischer Verdichter, Ventilatoren) Verdrängungsmaschine (Rotations- und Kolbenverdichter, Pumpen) Kraftmaschine: Strömungsmaschine (Turbine) Kolbenmaschine 1460vde02.indd 9 22.06.2010 16:26:57 10 2 Angewandte technische Thermodynamik Stoffe für den Energietransport: x Luft, x Verbrennungsgase, x Wasserdampf, x Kältemittel (organische Arbeitsmittel), x Wasser, x Wärmeträgeröl. In der Thermodynamik kommt es nicht auf die Größe, die Konstruktion und die Gestalt der Maschinen und Apparate an, sondern auf ihre Wirkung. Sind die in einem System enthaltenen Stoffe an allen Stellen gleich und haben gleiche physikalische Eigenschaften, so nennt man diese Systeme „homogene Systeme“. Sind sie jedoch an verschiedenen Stellen des Systems unterschiedlich, so werden sie als „heterogenes System“ bezeichnet (z. B. Nassdampf). Ist die Summe der Energie- und Stoffströme am Ein- und Austritt eines Systems gleich null, so geht man von den Energie- und Stoffbilanzen aus. Abb. 5: Adiabate und nicht adiabate Systemgrenzen Abb. 6: Geschlossenes System (V2 > V1, m = konstant) 1460vde02.indd 10 Abb. 7: Offenes System (z. B. Wärmeübertrager) 22.06.2010 16:26:58