Sechste Vorlesung - Universität zu Köln

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DAS WELTBILD DER MODERNEN PHYSIK
VI: Elektrodynamik und Thermodynamik
Claus Kiefer
Institut für Theoretische Physik
Universität zu Köln
Wichtige Entdeckungen
I
Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit: Ole Rømer
(1676) durch Beobachtung der Jupitermonde; heutiger
Wert: 299.792.458 m/s
I
Aberration des Lichts: James Bradley (1725) durch
Beobachtung des Sterns γ Draconis; erster direkter
Beweis für die Erdbewegung um die Sonne
I
Parallaxe von Sternen: Friedrich Wilhelm Bessel (1838)
durch Beobachtung des Sterns 61 Cygni; ergab Abstand
von 10,3 Lichtjahren (heutiger Wert: 11,4 Lichtjahre
[Astrometriesatellit Hipparchos])
18. Jahrhundert: Jahrhundert des Lichts“ ( siècle des
”
”
lumières“)
Was ist Aufklärung?
Immanuel Kant (1784):
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner
selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das
Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines
anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese
Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel
des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes
liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen.
Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu
bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.
Überblick

Optik

Magnetismus
Elektrodynamik (Maxwell, ca. 1865)

Elektrizität
Thermodynamik
Mechanik
Statistische Mechanik (Boltzmann, ca. 1877)
Elektrizität und Magnetismus
Die Begriffe Elektrizität und Magnetismus rühren von den
griechischen Wörtern für Bernstein und für Magneteisenstein
her
Lukrez, De rerum natura:
Im folgenden will ich nun zu behandeln beginnen, nach welchem
Naturgesetz es geschieht, daß der bekannte Stein das Eisen
anziehen kann; die Griechen nennen ihn mit ihrem heimischen
Namen magnet, weil er im Heimatland der Magneten entstanden ist.
I
I
I
Petrus Peregrinus (Pierre de Maricourt) (1269): Die
magnetischen Kraftlinien“ eines kugelförmigen Magneten
”
verlaufen wie die Meridiane der Erde; prägte den Begriff
Pole“;
”
William Gilbert (De magnete 1600): Die Erde ist ein großer
Magnet; Magnete rufen eine Drehwirkung (verticitas)
hervor, elektrische Kräfte äußern sich als
Anziehungskräfte (attractio);
Otto von Guericke (1621): erste
Reibungselektrisiermaschine; es gibt Anziehung und
Abstoßung
Das Coulomb-Gesetz
Charles Augustin de Coulomb (1785):
F=k
Q1 Q2
r̂
r2
Abstoßung für Q1 Q2 > 0, Anziehung für Q1 Q2 < 0!
k=
1
4π0
im SI-System und k = 1 im Gauß-System
Vergleich mit dem Newtonschen Gesetz:
F=−
nur Anziehung!
GM1 M2
r̂
r2
I
I
I
Alessandro Volta (1800): Vorführung der Volta-Säule“ vor
”
Napoleon; Erzeugung konstanter Gleichströme;
wesentlich: Berührung verschiedener Metalle
Hans Christian Ørsted (1820): Magnetische Wirkung eines
elektrischen Stroms (Ablenkung einer Kompaßnadel);
beeinflußt von der romantischen Naturphilosophie (Suche
nach einer einheitlichen Naturbeschreibung)
André Marie Ampère (1820): Wechselwirkung von
Strömen – gleichgerichtete Ströme ziehen sich an,
entgegengerichtete stoßen sich ab (Analogon zum
Coulomb-Gesetz, aber Unterschied bezüglich
Anziehung/Abstoßung!)
Gesetz von Biot und Savart (1820):
dB =
r − r0
µ0
Ids ×
4π
|r − r0 |3
c= √
1
0 µ 0
Maxwell 1873:
Die experimentelle Untersuchung, aufgrund deren Ampère das
Gesetz der mechanischen Wechselwirkung zwischen
elektrischen Strömen aufstellen konnte, muß als eine der
glänzendsten Leistungen der Naturwissenschaften gelten.
Wilhelm Weber (1804 bis 1891) hat um 1840 das
Wechselwirkungsgesetz Ampères zu einer
Fernwirkungstheorie der Elektrodynamik verallgemeinert; ist
instruktiv, aber empirisch falsch.
Georg Simon Ohm (1789 bis 1854)
1817 Berufung als Gymnasiallehrer an das Jesuitengymnasium
in Köln
Ihr Lehrapparat (= Ausrüsting) ist so beschaffen, daß Sie
ihn auf wenigen Universitäten so großartig träfen:
I
I
I
I
I
I
I
drei Luftpumpen mit sehr vollständigem Apparat
ein vortrefflicher Gasapparat
ein magnetischer Apparat von seltener
Vollkommenheit
Optik: ein großes verfinstertes Zimmer (Camera
Obscura) von trefflicher Einrichtung
vier Schränke voll optischer Instrumente
ein mehr als vollständiger elektrischer Apparat
ein sehr niedliches Observatorium . . . mit einer
unbeschreiblich schönen Aussicht
I
I
ein chemisches Laboratorium im Botanischen Garten
für die Bibliothek und den Apparat sind Summen
ausgesetzt
. . . Die Schüler sind . . . ich spreche aus Überzeugung, sehr
bildsam.
I
1826: Entdeckung des Ohmschen Gesetzes U = R · I
I
Einheit für den Widerstand: 1Ω = 1 V
A
I
Heute: Realisierung des elektrischen Widerstands durch
den Quanten-Hall-Effekt:
RK =
h
≈ 25.812, 807 Ω
e2
Michael Faraday (1791 bis 1867)
I
Induktionsgesetz: Induktion eines Stromes, der sich in einem
Magnetfeld bewegt (auch Faraday war von der romantischen
Philosophie beeinflußt);
I
Faradaysche Drehung: Drehung der Polarisationsebene linear
polarisierten Lichts, das sich parallel zu den Feldlinien eines
Magnetfelds ausbreitet;
I
Feldlinien
I
...
Faradays Feldlinien
Zusammenhang mit Gravitation?
Michael Faraday:
In der festen Überzeugung, die Kraft der Schwere stehe in
Verbindung mit anderen Kräfteformen der Natur und stelle
einen geeigneten Gegenstand experimenteller
Untersuchungen dar, habe ich bei einer früheren Gelegenheit –
allerdings vergeblich – versucht, ihre Relationen zur Elektrizität
zu entdecken. In derselben Überzeugung war ich auch in
neuerer Zeit bestrebt, den Nachweis ihrer Verbindung zu
Elektrizität oder Wärme zu erbringen.
James Clerk Maxwell (1831 bis 1879)
Die Maxwellschen Gleichungen bilden die Grundlage der
Elektrodynamik!
Die Maxwellschen Gleichungen
∇B = 0
,
∇E = 4πρ
,
1 ∂B
=0,
c ∂t
1 ∂E
4π
∇×B−
=
j
c ∂t
c
∇×E+
“War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb?”
Ludwig Boltzmann (1844–1906)
(Weitere Details an der Tafel)
Albert Einstein:
Vor Maxwell dachte man sich das Physikalisch-Reale – soweit
es die Vorgänge in der Natur darstellen sollte – als materielle
Punkte, deren Veränderungen nur in Bewegungen bestehen,
die durch gewöhnliche Differentialgleichungen beherrscht sind.
Nach Maxwell dachte man sich das Physikalisch-Reale durch
nicht mechanisch deutbare, kontinuierliche Felder dargestellt,
die durch partielle Differentialgleichungen beherrscht werden.
Diese Veränderung der Auffassung des Realen ist die
tiefgehendste und fruchtbarste, welche die Physik seit Newton
erfahren hat.
Heinrich Hertz (1857 bis 1894)
1886: Entdeckung der elektromagnetischen Wellen
1901: erste Funkverbindung über den Atlantik
(Guglielmo Marconi)
Thermodynamik
I
Joseph Black (1728 bis 1799): Caloricum (Wärmestoff)
I
Benjamin Thompson (Graf Rumford) (1753 bis 1814):
Wärme ist Bewegung
I
Joseph Fourier (1768 bis 1830): Wärmeleitung
I
Sadi Carnot (1796 bis 1832): Wirkungsgrad von
Wärmekraftmaschinen
η =1−
I
T2
T1
Energieerhaltung: Zentrale Beiträge von Robert Mayer
(1814 bis 1878), James Prescott Joule (1818 bis 1889),
Hermann von Helmholtz (1821 bis 1894)
Das mechanische Wärmeäquivalent
Die potentielle Energie des Gewichts (rechts) wird in
Wärmeenergie des Wassers (links) verwandelt.
Die Energie, die zur Erwärmung von 1 kg Wasser um 1 Grad Celsius
erforderlich ist, ist genauso groß wie die Energie, um dieselbe Wassermenge
auf eine Höhe von 427 m anzuheben.
Die Hauptsätze der Thermodynamik
I
Nullter Hauptsatz: Die Temperatur T is konstant auf einem
Körper im thermischen Gleichgewicht.
I
Erster Hauptsatz: dE = T dS − pdV + µdN
I
Zweiter Hauptsatz: dS ≥ 0 für abgeschlossene Systeme.
I
Dritter Hauptsatz: T = 0 kann in endlichen Schritten nicht
erreicht werden.
Rudolf Clausius 1865:
Die Energie der Welt ist konstant. . . . Die Entropie der Welt
strebt einem Maximum zu.
Wärmetod“ des Universums?
”
Ludwig Boltzmann (1844 bis 1906)
S = kB ln W
Statistische Mechanik
I
I
Ensemble: Große Anzahl von (gedachten) Systemen, von
denen jedes sich in einem Mikrozustand befindet, das zu
dem gleichen (gegebenen) Makrozustand führt
( Wahrscheinlichkeitsverteilung“).
”
Entropie: Maß für die Anzahl der Mikrozustände, die auf
einen gegebenen Makrozustand führen.
Das Problem der Irreversibilität
Die fundamentalen Naturgesetze sind zeitsymmetrisch; es gibt
aber Klassen von Phänomenen, die eine Zeitrichtung
auszeichnen:
I
Strahlung (avanciert versus retardiert)
I
Thermodynamik (Zunahme der Entropie)
I
Quantentheorie (Meßprozeß)
I
Gravitationsfeld (Expansion des Universums und
Entstehung von Struktur; Schwarze Löcher)
Urzeitpfeil?
Der Zweite Hauptsatz
Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik: Zunahme der Entropie
dS
=
dt
dS
dS
+
dt
dt
| {z ext} | {z int}
dSext =δQ/T
≥0
Statistische Begründung?
I
Loschmidts Umkehreinwand
I
Zermelos Wiederkehreinwand
Benötige spezielle Randbedingung!
19. Jahrhundert: Zunehmender Verlust an
Anschaulichkeit
I
Mechanik: Nicht nur Beschreibung der Bewegung
einzelner Objekte, sondern zunehmend die zeitliche
Entwicklung an einzelnen Raumpunkten z.B. in der
Kontinuumsmechanik und der Strömungslehre
(Navier-Stokes-Gleichungen etc.); Übergang zur
Feldtheorie: Zuordnung einer physikalischen Größe zu
Punkten in Raum und Zeit.
I
Elektrodynamik: Feldtheorie (elektrisches Feld,
magnetisches Feld) zunächst auf einem fiktiven Äther“ als
”
Trägermedium, später direkt in Raum und Zeit definiert
(moderner Standpunkt)
I
Thermodynamik: Neben den bekannten Größen Druck
und Volumen wichtig: Temperatur und Entropie.
Teilchen oder Wellen?
Ausblick
Max Planck, Zur Theorie des Gesetzes der Energieverteilung im
Normalspektrum, Verhandlungen der Deutschen Physikalischen
Gesellschaft, 2 Seiten 237–245 (1900)
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