Sinn-Warum Meditation Teil 2_2010

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Neurowissenschaft
und die Wissenschaft des Geistes
Zwei Forschungsansätze - ein Ziel?
Teil 2
von Anette Christl
Bedürfnishierarchie nach Maslow
5
Selbstverwirklichung
4
Bedürfnisse nach Wertschätzung
3
Bedürfnisse nach Zugehörigkeit
2
Bedürfnisse nach Sicherheit
1
Physiologische Bedürfnisse
Wachstumsbedürfnis
Defizitbedürfnis
Fehlerteufel: In der Ausgabe 1 - 2010 war die o.a.
Grafik falsch nummeriert. Hier die exakte Darstellung.
Der letzte Artikel (Teil 1 "Leben findet
Sinn - Warum ist Meditation nützlich?")
hat unter zu Hilfenahme der Maslowschen Bedürfnispyramide die Möglichkeit aufgezeigt, durch regelmäßige
Meditation Selbstverwirklichung und
dauerhaftes Glück zu erreichen. Ursächlich sind sowohl physiologische
Veränderungen des Meditierenden, z. B.
Blutdrucksenkung, Veränderungen der
Gehirnaktivität, des Stoffwechsels und
26
der Atmung, Herabsetzung der Muskelspannung, Schmerzlinderung, verbesserte Konzentrationsfähigkeit als auch
positive Verhaltensänderungen wie
Empathie, erhöhte Feldunabhängigkeit
und Achtsamkeit. Doch erst durch das
Meistern introspektiver Techniken
gelingt es, klares Bewusstsein zu entwickeln, dass nicht von Emotionen und
Gedanken verunreinigt ist.
Der vorliegende Artikel (Teil 2)
beleuchtet, welchen Weg Neurowissenschaftler seit Beginn ihrer Untersuchungen bewältigt und welche Konzepte sie hinter sich gelassen haben. Ein
historischer Abriss streift den Weg der
klassischen Physik, die maßgeblich verantwortlich ist für die Herausforderungen, die die Gegenwart an beide Forschungsansätze - die Neurowissenschaft und die Wissenschaft des Geistes
- stellt.
Fotos: Anette Christl
Außenperspektive
der Neurowissenschaft
Die traditionelle Annäherung der Neurowissenschaften an ein Forschungsobjekt, in
diesem Fall das Gehirn, ist es, Prozesse und
Anatomie einer Hirnregion zu bestimmen.
Funktionen werden in Abläufe zergliedert,
Gehirnbereiche kartografiert, Einzelteile
der Gehirnstrukturen untersucht und in
immer kleinere Einheiten gespalten. Die
Forscher schlüsseln sämtliche Strukturen
detailliert auf und verstehen Vorgänge auf
subatomarer Ebene. Ähnlich einer Blume,
die in ihre Bestandteile zerteilt wird, werden Wurzeln, Blätter und Blütenblätter,
Kerze und Stempel separat untersucht.
Solange es sich um Gehirnprozesse niederer Ordnung handelt (z. B. Verarbeitung
sensorischer Signale, Steuerung motorischer Leistung) gelingt diese Zuschreibung
und führt zu Ergebnissen.
Doch Prozesse höherer Ordnung (z. B.
Denkvorgänge, Vorstellungen, Wahrnehmungen, Gedächtnisleistungen, emotionale Bewertungen externer und interner
Ereignisse, Handlungsentwürfe) bestehen
aus vernetzten Einzelkomponenten, die
miteinander in Wechselwirkung treten und
entziehen sich der seziererischen Betrachtung ihrer Komponenten.
Die Dynamik und Organisation komplexer
Systeme, fordern Wissenschaftler zunehmend heraus. Sie stoßen auf die sprachlichen Grenzen ihrer Wissenschaftsdisziplin
und greifen an dieser Stelle auf Beschreibungen durch psychologische Begriffe und
Verhaltensbeschreibungen zurück. Wie
kann nach eingehender Untersuchung der
Teile einer Blume ihr Duft erklärt werden?
Es kann nur erklärt werden wie Duft entsteht. Wie der Duft einer Blüte riecht,
erschließt sich erst durch das Riechen
selbst. Auf der Basis von Anatomie, neuronalen Strukturen, interzellulärer Kommunikation und molekularer Bestanteile der
Nervenzellen wird die Analyse höherer
Hirnleistungen mit dem Ziel betrieben,
klassische Beschreibungssysteme und neurobiologische Erkenntnisse zu integrieren.
Die naturwissenschaftliche Forschung
besteht auf der "objektiven" Perspektive,
Überprüfbarkeit oder Falsifizierung einer
Hypothese und Validierung.
Denn die im späten Schulkindalter "noch
vorliegende hohe Plastizität der Hirnrinde,
sowie die verbesserte Wahrnehmungsfähigkeit (...) ermöglichen es den Kindern,
neue Bewegungsfertigkeiten außergewöhnlich schnell zu erlernen." 5 Weineck
stellt an anderer Stelle fest: "Die ausgeglichenen Körperproportionen, die stabilisierte Psyche, die erhöhte Intellektualität und
die verbesserte Beobachtungsfähigkeit lassen die Adoleszenz zum "zweiten goldenen
Lernalter" werden. Die dem Erwachsenen
ähnlich hohe psychophysische Belastbarkeit, gepaart mit der noch erhaltenen Plastizität des Zentralnervensystems - sie ist
typisch für das gesamte Wachstumsalter -,
erlauben die Absolvierung einer umfan-
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
begannen die Wissenschaftler "Anatomiekarten" des Gehirns zu erstellen. Sie kartographisierten einzelne Bereiche im Gehirn,
die für bestimmte Aufgaben zuständig sind.
1861 entdeckte Paul Broca den für Sprache
zuständigen Bereich, der bis heute seinem
Entdecker zu Ehren Broca-Areal genannt
wird. Der deutsche Arzt Carl Wernicke kartographisierte 1874 den Bereich, der für die
sinnvolle Aneinanderreihung von Worten
zuständig ist (Wernicke-Zentrum).
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts folgte die
Erstellung und Untersuchung von "Bewegungskarten". Die Wissenschaftler Graham
Brown und der Nobelpreisträger Charles
Sherrington erstellten 1912 eine Landkarte
greichen und intensiven körperlichen bzw.
sportlichen Belastung." 6 [Hervorhebung
durch die Autorin]. Folgt man dem Gedankengang, dürften sämtliche Prozesse höherer Ordnung nach dem ersten und zweiten
goldenen Lernalter nicht mehr möglich
sein, d. h. Lernen, emotionale Bewertungen, Handlungsentwürfe usw. finden nach
Beginn der Pubertät nicht mehr statt. Aus
eigener Erfahrung wissen wir, dass dem
nicht so ist. Gesunde Menschen können bis
zum Tod lernen und sind nicht gezwungen,
aufgrund zunehmend verkümmernder
Gehirnkapazitäten, Schadensbegrenzung
zu betreiben. Vielmehr können durch die
Verstärkung oder Abschwächung synaptischer Verbindungen im nichtlinearen komplexen System "Gehirn" deutliche systeminterne Veränderungen hervorgerufen werden. Lernen findet durch Veränderung
synaptischer Verbindungen statt.
des motorischen Kortex von Tieren, die
exakt jede Stelle im Gehirn beschrieb, die
für die jeweilige Bewegung eines bestimmten Körperteils (z.B. Arm, Finger, Bein, Fuß)
zuständig ist. Dabei fanden sie heraus, dass
diese Karten bei jedem Tier anders aussehen. 7 Die damals herrschende Lehrmeinung besagte, dass individuelle Bewegungskarten angeboren, d. h. genetisch
festgelegt sind. Demzufolge entstünden sie
unabhängig von der Bewegungserfahrung
jedes einzelnen Affen.
Erst 1923 gelang es Karl Lashley in einem
Affenexperiment nachzuweisen, dass die
Bewegungskarten des motorischen Kortex
sich durch das Erlernen neuer Bewegungsmuster verändern. 8 Er erstellte innerhalb
von einem Monat vier Bewegungskarten
desselben erwachsenen Rhesusaffen und
verglich sie miteinander. Da sich jede der
vier Bewegungskarten des motorischen
Neurowissenschaften historisch - Neuroplastizität existiert nicht!
Ursprünglich beschäftigte die Neurowissenschaft die Grundsatzfrage, ob das menschliche Gehirn Plastizität besitzt oder nicht.
Wenn ja, tritt Neuroplastizität auch im adulten Gehirn auf? Die Behauptung des Neuroanatom und Nobelpreisträger für Medizin
und Physiologie Santiago Ramon y Cajal
dominiert seit 1913 Denken und Handeln
der Forscher. "Im Gehirn eines Erwachsenen sind die Nervenbahnen starr und
unveränderbar. Zukünftige Wissenschaftler
stehen vor der Herausforderung, meine
Aussage zu widerlegen." Und weiter "Alle
Nerven sterben irgendwann ab und werden
nicht erneuert." 1
Dieser absolute Standpunkt hat sich in der
Hinsicht relativiert, als dass der ThiemeTaschenatlas Anatomie 2005 feststellt "Im
reifen Zustand hat sie [die Nervenzelle] ihre
Teilungsfähigkeit verloren, so dass eine Vermehrung oder ein Ersatz alter Zellen nicht
möglich ist. Nach der Geburt werden kaum
noch Nervenzellen gebildet." 2 [Hervorhebung durch die Autorin].
Folgerichtig wird in der Literatur der Sportwissenschaft das späte Schulkindalter als
eine "Schlüsselphase für das spätere Bewegungskönnen" 3 beschrieben und als das
"beste Lernalter" bezeichnet. "In dieser
"sensitiven Phase" Versäumtes lässt sich
später schwer oder gar nicht nachholen." 4
27
Grazer Forscher entwickeln optisches
Brain-Computer-Interface-System
EU-Projekt untersucht Wahrnehmung von
virtuellen Realitäten
Graz (pte/30.03.2006/13:10) - Ein Forscherteam der Grazer Technischen Universität
(www.tugraz.at) entwickelt derzeit ein optisches Brain-Computer-Interface-(BCI)-System,
das eine Kommunikation zwischen Mensch und Computer möglich machen soll. Die
möglichen Anwendungsfelder reichen von der Behandlung hyperaktiver Kinder bis hin
zur Epilepsie-Prävention und Schlaganfall-Therapien. Das Team unter der Leitung von
Gert Pfurtscheller vom Institut für semantische Datenanalyse forscht im Rahmen des EUProjekts "PRESENCCIA" (Research Encompassing Sensory Enhancement, Neuroscience,
Cerebral-Computer Interfaces and Applications) http://www.presenccia.org. Dabei untersuchen Forscherteams aus Computer- und Neurowissenschaftern, wie das menschliche
Gehirn "virtuelle" Realitäten, wie sie etwa beim Neurofeedback zum Einsatz kommen,
wahrnimmt.
"Wir wollen mit unserer Forschungsarbeit die Gehirnmechanismen verstehen lernen,
die wesentlich zur Verbesserung dieses Gegenwartsgefühls und den damit verbundenen
Interaktionen in virtuellen Realitäten beitragen", so der Biomediziner Pfurtscheller. War
es bisher nur möglich mit Hilfe von EEG-Systeme elektrische Impulse zu messen, bietet
das optische BCI-System deutliche Fortschritte. "Die Gehirnaktivitäten werden nicht mehr
wie bisher über Elektroden, sondern mit Hilfe eines Laserstrahls gemessen. Einerseits
erlaubt dies eine schnellere Handhabung und zusätzlich ist die Störanfälligkeit des optischen Systems wesentlich geringer", so Robert Leeb, Mitarbeiter im Team von Pfurtscheller im pressetext-Interview. "Die Basis für die optische Messung ist die metabolische
Änderung von Zellgruppen im Gehirn." Man müsse sich das Hirn praktisch als Muskel
vorstellen, in dessen Zellen sich der Sauerstoffgehalt verändert, erklärt der Wissenschaftler.
"Bei Bewegungen wie etwa das Fangen eines Balles, werden bestimmte Hirnareale aktiv.
Diese Aktivität gibt es aber auch, wenn sich jemand diese Bewegung nur vorstellt", so
Leeb. Bevor eine Person mit einer Behinderung eine Prothese bekommt, kann sie über
BCI-Technologie die neue Situation mit Hilfe von "virtuellen Körperteilen" trainieren. Die
Simulation und ein entsprechendes "Feedback" des Computers helfen dabei, die richtigen Denkmuster rascher zu erlernen, die für das Ausführen bestimmter Bewegungen
notwendig sind. Das bedeutet, dass sich dadurch die Rehabilitationsphase bedeutend
verkürzen lässt.
Das Grazer Forscherteam ist zurzeit damit beschäftigt den ersten Prototypen herzustellen. "In Zukunft soll die optische BCI-Technologie das EEG ersetzen", meint Leeb
abschließend. Eine weitere Forschergruppe der TU Graz um den Computergrafik-Experten Dieter Schmalstieg untersucht so genannte "Augmented Reality"-Anwendungen, die
Psychologin Christa Neuper von der Karl-Franzens-Universität Graz befasst sich mit der
Optimierung des Neurofeedbacks.
Mit freundlicher Genehmigung von
pressetext.austria (www.pressetext.at)
Redakteur: Wolfgang Weitlaner
Kortex kontinuierlich verändert hatte,
schlussfolgerte Karl Lashley, dies sei der
Ausdruck aktueller, erlernter Bewegungsmuster.
Randolph Nudo und Kollegen wiesen 1985
an der Columbia Universität in Affenexperimenten nach, das ein bestimmter Bereich
im Gehirn sich aufgrund intensiver Inanspruchnahme auf angrenzende Bereiche
ausweiten kann (ohne diese zu einzuschränken), die zuvor andere Körperteile
kontrolliert haben. Das bedeutet, dass der
Gehirnbereich, der für eine bestimmte
Bewegung verantwortlich ist umso größer
ist, je öfter diese Bewegung ausgeführt
28
wird, bzw. je mehr man diese (neu erlernte) Bewegung automatisiert hat. Damit
stand fest: Das ausgewachsene Gehirn von
Tieren ist dynamisch und kann sich aufgrund von Erfahrungen und Bedarf (neue
Bewegungsmuster) eigenständig und ein
Leben lang umformen.
Der Forscher Michael Merzenich entdeckte
1971 die Reorganisationsfähigkeit des
Gehirns. Er erstellte als erster "Fühlkarten".
Analog zu den "Bewegungskarten", die
den motorischen Kortex abbilden, zeigen
die "Fühlkarten", welche Stelle im sensomotorischen Kortex die Information "Fühlen" von einer bestimmten Stelle des Kör-
pers verarbeitet. Ähnlich wie bei den Bewegungskarten stimulierten die Forscher im
Affenexperiment eine bestimmte Hautstelle
und sahen im Gehirn nach, welcher Bereich
im somatosensorischen Kortex reagierte.
Ergebnis: das zuvor vom Nerv abgetrennte
Gehirnareal (zuständig für Mittelfinger, Zeigefinger, Daumen) verarbeitet jetzt die Signale der anderen Hand, und zwar die, die
von der Handfläche, Ringfinger, kleiner
Finder und Rückseite der Finger kamen.
Folglich vergrößern sich Verbände von
Nervenzellen nicht nur im motorischen
Kortex (wie am Beispiel der Muskeln zu
sehen ist, die, sobald sie eine höhere Aktivität ausüben und öfter eingesetzt werden,
über größere Verbände von Nervenzellen
verfügen, als solche, die weniger genutzt
werden), sondern Gehirnareale übernehmen auch neue Aufgaben.
In den 1960er und 1970er Jahren fanden
die Forscher zunehmend Beweise für die
postnatale Neurogenese (Neubildung von
Nervenzellen) bei Mäusen, Ratten, Meerschweinchen und Katzen.
Bei Singvögeln konnte 1967 durch Fernando Nottebohm nachgewiesen werden, dass
Neurogenese beim Erlernen, Verfeinern
und Komponieren der Paarungsmelodie
eine wesentliche Rolle spielt.
Die Ursachen der Neurogenese bei Ratten
wurden in einer kognitiv und sozial angenehmen, anregenden Umgebung und
Betreuung von jungen Ratten durch ihre
Muttertiere gefunden. Fred Gage konnte in
Mäuseexperimenten nachweisen, dass Neurogenese altersunabhängig ist. "Es spielt
keine Rolle, in welchem Alter sich die
Mäuse befinden, wenn sie anfangen, in
einer anregenden Umgebung zu leben." 9
Ferner tritt Neurogenese bei Freiwilligkeit
(im Tierexperiment: körperliche Aktivität in
einem "Disney Land" für Ratten mit Laufrädern, Röhren und Artgenossen) stärker in
Erscheinung als bei erzwungener körperlicher Aktivität. Stress tötet die Synapsen ab
und schädigt die Nervenverbindungen.
In dieser Zeit waren die Mahner permanent
zur Stelle und führten an, die Ergebnisse
der Tierexperimente seien hervorragend,
doch wären das keine Beweise für die Neurogenese im menschlichen Gehirn.
1996 gelang Fred Gage von der Salk Universität in Kalifornien der erste Nachweis
der adulten Neurogenese bei Menschen.
Die Untersuchung wurde am menschlichen
Hippocampus toter Krebspatienten (zw. 50
und 80 Jahren) vorgenommen. Vor deren
Tod wurden Gehirnzellen mit Bromodeoxyuridine (BrdU) markiert. BrdU-Moleküle
werden in der Okologie eingesetzt und die29
nen den Ärzten insofern zur Therapiekontrolle als dass BrdU anzeigt, ob sich neue
(nicht markierte Tumorzellen) gebildet
haben. Der Vorteil von BrdU ist, dass das
Molekül alle neu gebildeten Zellen markiert, also auch Nervenzellen. "Diese neuen
Nervenzellen blieben so lange am Leben,
bis die Menschen starben", sagte Gage.
"Das war der erste Beweis für Neurogenese
im ausgewachsenen menschlichen Gehirn.
(...) Wir wissen nun, dass in einem bestimmten Bereich des Gehirns kontinuierlich neue Nervenzellen entstehen. (...) in
diesem Bereich des Hippocampus gibt es
kleine Babyzellen, die sich teilen und wachsen und in den Schaltkreisen des Gehirns
umherwandern, um zu voll funktionsfähigen Nervenzellen mit neuen Verbindungen
zu werden. Und dieser Vorgang spielt sich
während des gesamten Lebens ab. Diese
Entdeckung bestärkte uns in der Hoffnung,
dass wir mehr Einfluss auf unsere eigene
Gehirnkapazität nehmen können, als wir
jemals für möglich gehalten haben." 10
Und Mark Hallett (National Institut of
Health in Bethesda, Maryland) ergänzt
2003: "Die Neuroplastizität nimmt in
zunehmenden Alter ab. Aber sie verschwindet nicht vollständig. Ein gewisser Grad an
Neuroplastizität ist in jedem Alter vorhanden. Die Fähigkeit zur Veränderung des
Gehirns bleibt bis zum Tod bestehen." 11
30
Bewusste Aufmerksamkeit
verändert das Gehirn
Die Hirnforscher können nicht genau
sagen, ob und wenn ja, wie der Geist und
das Bewusstsein das Gehirn beeinflusst.
Zumal der Geist sich bisher einer exakten
Bestimmung entzogen hat.
Historisch betrachtet haben Geist oder
Bewusstsein keinen Platz in der materialistischen Weltanschauung und dem rationalistischem Weltbild, das mit Galileo Galilei
seinen Anfang nahm und bis heute die
westliche Kultur äußerst einflussreich prägt.
Für den italienischen Mathematiker und
Physiker Galileo Galilei (1564-1642)
bestand das Universum aus Materie und
Energie. "Diese hätten primäre und sekundäre Eigenschaften. Die primären Eigenschaften seien diejenigen Aspekte der
Natur, die sich messen lassen, wie Geschwindigkeit, Beschleunigung, Gewicht, Masse
usw. Daneben gebe es sekundäre Eigenschaften, also die der subjektiven Erfahrung, wie zum Beispiel Geruch, Aussehen,
Wahrheit, Schönheit, Liebe usw. Galilei
behauptete, dass die primären Eigenschaften die Domäne der Wissenschaften seinen.
Die sekundären galten ihm als unwissenschaftlich." 12 Galilei berücksichtigt weder
Geist noch Bewusstsein.
Sir Isaac Newton (1642-1727) beschrieb die
materielle Welt als einzelne Materieteilchen, die bestimmten Regeln in Raum und
Zeit befolgen. Materie ist in der newtonschen Physik durch Masse und Ausdehnung
gekennzeichnet und steht im Gegensatz zur
Energie. Die newtonschen Gesetze wurden
die großen Spielregeln der Wissenschaft,
bis heute gelehrt und anerkannt. Auf dieser
materialistischen Perspektive ruht unsere
Ansicht, dass Dinge unabhängig voneinander existieren können. D. h. Materie folgt
den Naturgesetzen und es besteht eine natürliche Trennung zwischen Materie und
Geist. Das Subjektive, der Geist kann nicht
ausgemessen, abgesteckt werden und ist
bis dato noch nicht definiert. Es existieren
umfassende Beschreibungen in der Neuroanatomie (die seit der zweiten Hälfte des
19. Jahrhunderts Gehirnkarten anfertigte),
doch dass Geist bzw. Bewusstsein tatsächlich existieren ist nach der newtonschen
Physik undenkbar, bzw. undefinierbar.
Ergebnisse der Tierexperimente (s.o.) und
Untersuchungen mit Menschen, lassen
schlussfolgern, dass bewusste Aufmerksamkeit eine entscheidende Rolle spielt, wenn
es darum geht, dass Gehirn zu verändern.
Bereits in den Affenexperimenten von Merzenich zeigte sich, dass das Gehirn nur dann
formbar ist, wenn konzentrierte Aufmerksamkeit auf den Input vorliegt, der die Ver-
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änderung bewirken soll. 1996 schrieb er:
"Die Aktivitätsmuster von Nervenzellen im
sensorischen Bereich des Gehirns können
durch Aufmerksamkeit verändert werden
(...) Wenn Erfahrung mit Aufmerksamkeit
verbunden ist, führt sie zu physikalischen
Veränderungen in der Struktur und der zukünftigen Funktionsweise des Nervensystems. Daraus ergibt sich eine eindeutige
physiologische Tatsache (...) Wir bestimmen in jedem Moment, wie unser sich ständig veränderndes Bewusstsein funktioniert.
Wir entscheiden uns in einem sehr realen
Sinn dafür, wer wir im nächsten Moment
sein werden, und diese Entscheidungen
hinterlassen in uns einen physischen Abdruck." 13
Mitte der 1990er Jahre ließ Pascual-Leone
Versuchspersonen an eine Klavierübung
denken. Sie spielten in Gedanken ein
Musikstück und stellten sich währenddessen vor, wie sie ihre Finger bewegen und
die Tastatur auf dem Klavier anschlagen.
Der Bereich des motorischen Kortex vergrößerte sich bei diesen Versuchsteilnehmern ebenso wie bei der Kontrollgruppe,
die tatsächlich Klavier spielte. 14 Daraus
lässt sich schlussfolgern, dass nicht nur
Reize von außen auf das Gehirn einwirken
und Veränderungen herbeiführen können,
sondern auch selbsterzeugte Stimuli
(Gedanken, Bewertungen, Vorstellungen,
Meditation) Einfluss auf das Gehirn haben.
"Selbsterzeugt" impliziert an dieser Stelle,
dass der Vorstellung die volle Aufmerksamkeit geschenkt wird. Im Umkehrschluss
kann man davon ausgehen, dass der somatosensorischen Kortex, der die Empfindungen der Finger registriert, keine Veränderungen zeigen wird, wenn Finger die Tasten
eines Klaviers im Schlaf berühren (also
ohne konzentrierte Aufmerksamkeit). Richtet man bewusste Aufmerksamkeit gezielt z.
B. auf ein Objekt, einen Vorgang oder eine
Aufgabe, hat das zur Folge, dass gleichzeitig die Aktivitäten der Nervenzellen gedämpft werden, die nicht Ziel der Aufmerksamkeit sind. Richtet man beispielsweise
die Aufmerksamkeit auf eine Farbe, steigt
die Aktivität der Nervenzellen, die dafür
zuständig sind, die Farbe zu verarbeiten.
Wird Aufmerksamkeit auf Bewegung gerichtet, steigt die Aktivität der Nervenzellen, die Bewegung wahrnehmen und verarbeiten. Wichtig ist es, dass Informationen,
die das Gehirn erreichen, sich nicht verändern. Lediglich die veränderte Aufmerksamkeit löst eine erhöhte neuronale Aktivität im entsprechenden Areal aus. Aufmerksamkeit gezielt einzusetzen ist
trainierbar, ebenso wie die Fähigkeit, Aufmerksamkeit schnell zu wechseln und einen
neuen Fokus zu setzen. An diesem Punkt
setzt mentales Training an, u. a. mit Methoden der Visualisation, der Antizipation von
Bewegungsabläufen, des Bewältigungstrainings unter Vorwegnahme Angst und Stress
erzeugender Situationen.
32
An dieser Stelle kommt die Forschung erstmals an den Punkt, an dem Geist, bzw.
Bewusstsein und Gehirnaktivität eine Rolle
spielen und ineinander zu greifen scheinen.
Es kann folglich postuliert werden, dass das
Gehirn ein Organ des Geistes und des
Bewusstseins ist. Stimmt diese Annahme, so
müssen Veränderungen in beide Richtungen möglich sein.
Geist, Gehirn und Buddhismus
Tibetischer Buddhismus geht von drei Ebenen des Bewusstseins aus. Erstens gibt es
das grobe Bewusstsein. Dort finden die Sinneswahrnehmungen statt, die auf die Sinnesorgane angewiesen sind und deren
Wahrnehmung über das Gehirn abläuft
(schmecken, riechen, hören, tasten, sehen).
Zweitens gibt es das feine oder subtile
Bewusstsein. Auf dieser Ebene findet geistiges Bewusstsein Ausdruck im Denken,
ebenso wie mentale Störungen. Gestörte
Denkvorgänge aufgrund von Traumata und
Personen, die psychische Erkrankungen
haben (z. B. Depressionen) erfahren die
veränderten Emotionen auf dieser feinen
Ebene. Durch Meditation kann diese Ebene
erreicht und beeinflusst werden. Zugang
erhält man durch die allen mentalen Vorgängen (Emotionen, Gedanken, Wahrnehmungen) zugrunde liegende Erkenntnisfähigkeit.
Es ist wichtig bei diesen Überlegungen stets
daran zu denken, dass mentale Störungen
bisher auch - mehr oder weniger erfolgreich - durch klassische Therapien (Medikamente, Gesprächstherapie, Elektroschocks,
Gehirnoperationen) behandelt wurden.
Aufgrund der nachgewiesenen Neuroplastizität im ausgewachsenen menschlichen
Gehirn konnten Veränderungen durch
Reize, die von außen einwirken, bestätigt
werden.
In einer Untersuchung mit Patienten, die an
einer Zwangsstörung litten (z. B. ununterbrochenes Hände waschen) konnte Jeffrey
Schwartz 1987 durch bildgebende Verfahren nachweisen, dass Achtsamkeits-Meditation Veränderung im Gehirn bewirkt. Es
wurden geistige Einflüsse erzeugt, die in
der Lage sind, das Gehirngewebe zu verändern. Diese Signale erzeugt und sendet der
Geist, d. h. sie kommen von innen. Die
höhere Ebene der mentalen Aktivität übt
eine verursachende Wirkung auf die niedrigere Ebene der Neuronen und Synapsen
aus.
Die Patienten der Untersuchungsgruppe
mussten sich klar machen, dass die Zwangsstörung lediglich eine zerebrale Abnormalität des Gehirns ist. Sie lernten ihre
Zwangsstörung zu beobachten, ohne sie zu
bewerten und sie als fehlerhaften Ausdruck
des Gehirns zu erkennen. Die Patienten
sollten verstehen, dass sie nur einen
zwanghaften Gedanken erleben, der nicht
real ist. Bereits nach einer Wochen, berichteten die Teilnehmer, dass sie das Gefühl
hätten, die Zwänge kontrollierten sie nicht
länger. Durch die bildgebenden Verfahren
konnte eine verringerte Aktivität im orbitalen Frontallappen gezeigt werden, dem
Zentrum des Zwangsstörungsschaltkreises.
Die Therapie hat den Stoffwechsel des
Zwangsstörungs-Schaltkreises verändert
und gezeigt, dass chemische Abläufe im
Gehirn willentlich verändert werden können. Ebenso konnten z. B. veränderter Hormonhaushalt, veränderte elektrische Reizstärke nachgewiesen werden.
Positive Ergebnisse wurden ebenfalls durch
Anwendung der Achtsamkeits-Meditation
bei Depressionen erreicht. Es konnte bestätigt werden, dass die kognitive Verhaltenstherapie in einer von oben nach unten laufenden Plastizität arbeitet, da sie die kognitiven (komplexen) Prozesse der Patienten
verändert. Medikamente hingegen wirken
von unten nach oben auf einzelne Komponenten des Depressions-Schaltkreises im
Gehirn.
Drittens geht der Buddhismus von einem
feinsten oder subtilsten Bewusstsein aus.
An dieser Stelle geht der Buddhismus
einen Schritt weiter als die Naturwissenschaften, bzw. die Neurowissenschaft. Das
subtilste Bewusstsein geht über das Ende
der Aktivität des physischen Körpers hinaus
und ist vom Tod des physischen Körpers
vollkommen unberührt. Es ist ohne physische Grundlage. Seine Existenz ist im
Buddhismus akzeptiert und sowohl Bedingung als auch logische Grundlage dafür,
dass es überhaupt zur Existenz zukünftiger
Leben kommen kann (Reinkarnation).
Eine Annäherung
Augenscheinlich nähern sich in der gegenwärtigen Diskussion zwei verschiedene Forschungsansätze und Konzepte aneinander
an. Ein Forschungszweig der Neurowissenschaften, die Hirnforschung, steht der
Erforschung der Geistesschulung durch
Introspektion gegenüber. Wahrscheinlich
wäre die Diskussion heutzutage über Meditation und Hirnforschung nicht so aktuell,
wenn es nicht darum ginge, ein überliefertes rationalistisches Weltbild zu überdenken, das von Galileo und Newton geprägt
wurde. Damals wie heute geht es darum,
neue Erkenntnisse in das geltende Weltbild, in Kultur und Tradition zu integrieren.
Die klassische Physik hatte sich dem Begriff
des Geistes, des Bewusstseins, des Subjektiven verschlossen. Sie untersucht das Einzelne innerhalb ihres Systems, analysiert
immer kleinere Teile und zieht sich konsequent auf die Dritte-Person-Perspektive
zurück.
Meditation als Geistesschulung erringt
Erkenntnisse durch Introspektion. Es findet
eine Untersuchung der Innenperspektive,
die subjektive Sicht der Selbsterfahrung
statt, die sich das "Objektive" dadurch
erschließt, dass die dem Geist innewohnende Fähigkeit, sich selbst zu beobachten,
kontinuierlich entwickelt und perfektioniert
wird. Die kognitive Leistung wird verfeinert,
die analytischen Bemühungen sind auf die
innere Welt gerichtet. Bemühen wir erneut
das Bild des Blumenduftes: Duft kann nicht
verstanden werden, wenn man eine Blüte
in ihre Teile zerlegt. Duft kann nur aus sich
selbst heraus erkannt werden - durch Riechen.
Wolf Singer, Direktor am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt am Main,
bewertet den Ansatz der analytischen
Introspektion des Geistestrainings folgendermaßen: "Dies ist ein interessanter selbstreferentieller Ansatz zur Erforschung der
Bedingtheiten mentaler Prozesse, der sich
von der Hirnforschung, die ähnliche Ziele
verfolgt, schon sehr deutlich unterscheidet,
weil er die Erste-Person-Perspektive betont
und dabei Subjekt und Objekt der Forschung vermengt. Auch der westliche
Ansatz nutzt natürlich die Erste-PersonPerspektive für die Definition der zu erforschenden mentalen Phänomene, aber zur
Erforschung dieser Phänomene zieht er
sich dann auf die Dritte-Person-Perspektive
zurück." 15
Die Introspektion stellt sich gegenwärtig
der wissenschaftlichen Forschungen zur
Verfügung. Meditation sucht mit dem
Hintergedanken eine gemeinsame Sprache
und den Dialog, vorhandene Erkenntnisse
über die Methode des Geistestrainings in
die Sprache der Wissenschaft zu übersetzen. Beide Systeme, das materialistische
System der klassischen Physik und das der
Transformation des Geistes, sind Vorschläge, auf die sich alle Beteiligten geeinigt
haben. Die Systeme funktionieren solange
sich alle an die festgelegten (Spiel-)regeln
halten und die Forscher sich systemintern
bewegen. Merkmal eines offenen Systems
ist es, Informationen eines anderen
Systems aufnehmen zu können und den
"fremden" Regeln standzuhalten. Sowohl
die Hirnforschung als auch die Meditationsforschung sucht den Blick über die
eigenen Grenzen und nähert sich den
Regeln des jeweils anderen Systems. Die
naturwissenschaftliche Meditationsforschung unterwirft sich trotz der Diskrepanz
zwischen subjektivem (innerem) Erleben
und objektiver (äußerer) apparativer Untersuchung den Gesetzen der klassischen Forschung. Sie tritt quasi aus dem Rahmen
heraus, in dem die eignen Gesetze, die seit
mehreren Jahrtausenden entwickelt und
verfeinert wurden, Gültigkeit haben. Sollten die aufgestellten Regeln ihre Gültigkeit
behalten, könnte das auf die Stärke des
System hindeuten, dass sich fortan zu
einem offenen System entwickeln kann und
systemfremde Informationen und Gesetze
schadlos integriert. Die große Herausforderung bei unserem Forschungsgegenstand
liegt darin, dass Geist per definition der
klassischen Physik als nicht-materiell angesehen wird und demzufolge den Gesetzen
der Materie nicht unterliegt. Es obliegt den
Forschern beider Disziplinen, einen belastbaren Nachweis zu erbringen, der seine
Gültigkeit in beiden Systemen beibehält.
Diese Herangehensweise wird auch durch
die Entwicklung neuester Messgeräte möglich gemacht. Sie messen hochsensible Prozesse im Gehirn. (s. Infokasten: "Grazer
Forscher entwickeln optisches Brain-Computer-Interface-System").
Wie sollte der optimale Forscher beschaffen sein? Berücksichtig man, dass das
Objekt der Beobachtung durch den Beobachter (und seine gerichtete Aufmerksamkeit) beeinflussbar ist, sollte man den Forschungsauftrag an einen erfahrenen Neurophysiologen
vergeben,
der
ein
erleuchteter Meditationsmeister ist, mehrsprachig ist und interkulturell geübt agiert.
Ende Teil 2
33
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