Neurowissenschaft und die Wissenschaft des Geistes Zwei Forschungsansätze - ein Ziel? Teil 2 von Anette Christl Bedürfnishierarchie nach Maslow 5 Selbstverwirklichung 4 Bedürfnisse nach Wertschätzung 3 Bedürfnisse nach Zugehörigkeit 2 Bedürfnisse nach Sicherheit 1 Physiologische Bedürfnisse Wachstumsbedürfnis Defizitbedürfnis Fehlerteufel: In der Ausgabe 1 - 2010 war die o.a. Grafik falsch nummeriert. Hier die exakte Darstellung. Der letzte Artikel (Teil 1 "Leben findet Sinn - Warum ist Meditation nützlich?") hat unter zu Hilfenahme der Maslowschen Bedürfnispyramide die Möglichkeit aufgezeigt, durch regelmäßige Meditation Selbstverwirklichung und dauerhaftes Glück zu erreichen. Ursächlich sind sowohl physiologische Veränderungen des Meditierenden, z. B. Blutdrucksenkung, Veränderungen der Gehirnaktivität, des Stoffwechsels und 26 der Atmung, Herabsetzung der Muskelspannung, Schmerzlinderung, verbesserte Konzentrationsfähigkeit als auch positive Verhaltensänderungen wie Empathie, erhöhte Feldunabhängigkeit und Achtsamkeit. Doch erst durch das Meistern introspektiver Techniken gelingt es, klares Bewusstsein zu entwickeln, dass nicht von Emotionen und Gedanken verunreinigt ist. Der vorliegende Artikel (Teil 2) beleuchtet, welchen Weg Neurowissenschaftler seit Beginn ihrer Untersuchungen bewältigt und welche Konzepte sie hinter sich gelassen haben. Ein historischer Abriss streift den Weg der klassischen Physik, die maßgeblich verantwortlich ist für die Herausforderungen, die die Gegenwart an beide Forschungsansätze - die Neurowissenschaft und die Wissenschaft des Geistes - stellt. Fotos: Anette Christl Außenperspektive der Neurowissenschaft Die traditionelle Annäherung der Neurowissenschaften an ein Forschungsobjekt, in diesem Fall das Gehirn, ist es, Prozesse und Anatomie einer Hirnregion zu bestimmen. Funktionen werden in Abläufe zergliedert, Gehirnbereiche kartografiert, Einzelteile der Gehirnstrukturen untersucht und in immer kleinere Einheiten gespalten. Die Forscher schlüsseln sämtliche Strukturen detailliert auf und verstehen Vorgänge auf subatomarer Ebene. Ähnlich einer Blume, die in ihre Bestandteile zerteilt wird, werden Wurzeln, Blätter und Blütenblätter, Kerze und Stempel separat untersucht. Solange es sich um Gehirnprozesse niederer Ordnung handelt (z. B. Verarbeitung sensorischer Signale, Steuerung motorischer Leistung) gelingt diese Zuschreibung und führt zu Ergebnissen. Doch Prozesse höherer Ordnung (z. B. Denkvorgänge, Vorstellungen, Wahrnehmungen, Gedächtnisleistungen, emotionale Bewertungen externer und interner Ereignisse, Handlungsentwürfe) bestehen aus vernetzten Einzelkomponenten, die miteinander in Wechselwirkung treten und entziehen sich der seziererischen Betrachtung ihrer Komponenten. Die Dynamik und Organisation komplexer Systeme, fordern Wissenschaftler zunehmend heraus. Sie stoßen auf die sprachlichen Grenzen ihrer Wissenschaftsdisziplin und greifen an dieser Stelle auf Beschreibungen durch psychologische Begriffe und Verhaltensbeschreibungen zurück. Wie kann nach eingehender Untersuchung der Teile einer Blume ihr Duft erklärt werden? Es kann nur erklärt werden wie Duft entsteht. Wie der Duft einer Blüte riecht, erschließt sich erst durch das Riechen selbst. Auf der Basis von Anatomie, neuronalen Strukturen, interzellulärer Kommunikation und molekularer Bestanteile der Nervenzellen wird die Analyse höherer Hirnleistungen mit dem Ziel betrieben, klassische Beschreibungssysteme und neurobiologische Erkenntnisse zu integrieren. Die naturwissenschaftliche Forschung besteht auf der "objektiven" Perspektive, Überprüfbarkeit oder Falsifizierung einer Hypothese und Validierung. Denn die im späten Schulkindalter "noch vorliegende hohe Plastizität der Hirnrinde, sowie die verbesserte Wahrnehmungsfähigkeit (...) ermöglichen es den Kindern, neue Bewegungsfertigkeiten außergewöhnlich schnell zu erlernen." 5 Weineck stellt an anderer Stelle fest: "Die ausgeglichenen Körperproportionen, die stabilisierte Psyche, die erhöhte Intellektualität und die verbesserte Beobachtungsfähigkeit lassen die Adoleszenz zum "zweiten goldenen Lernalter" werden. Die dem Erwachsenen ähnlich hohe psychophysische Belastbarkeit, gepaart mit der noch erhaltenen Plastizität des Zentralnervensystems - sie ist typisch für das gesamte Wachstumsalter -, erlauben die Absolvierung einer umfan- In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begannen die Wissenschaftler "Anatomiekarten" des Gehirns zu erstellen. Sie kartographisierten einzelne Bereiche im Gehirn, die für bestimmte Aufgaben zuständig sind. 1861 entdeckte Paul Broca den für Sprache zuständigen Bereich, der bis heute seinem Entdecker zu Ehren Broca-Areal genannt wird. Der deutsche Arzt Carl Wernicke kartographisierte 1874 den Bereich, der für die sinnvolle Aneinanderreihung von Worten zuständig ist (Wernicke-Zentrum). Zu Beginn des 20. Jahrhunderts folgte die Erstellung und Untersuchung von "Bewegungskarten". Die Wissenschaftler Graham Brown und der Nobelpreisträger Charles Sherrington erstellten 1912 eine Landkarte greichen und intensiven körperlichen bzw. sportlichen Belastung." 6 [Hervorhebung durch die Autorin]. Folgt man dem Gedankengang, dürften sämtliche Prozesse höherer Ordnung nach dem ersten und zweiten goldenen Lernalter nicht mehr möglich sein, d. h. Lernen, emotionale Bewertungen, Handlungsentwürfe usw. finden nach Beginn der Pubertät nicht mehr statt. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass dem nicht so ist. Gesunde Menschen können bis zum Tod lernen und sind nicht gezwungen, aufgrund zunehmend verkümmernder Gehirnkapazitäten, Schadensbegrenzung zu betreiben. Vielmehr können durch die Verstärkung oder Abschwächung synaptischer Verbindungen im nichtlinearen komplexen System "Gehirn" deutliche systeminterne Veränderungen hervorgerufen werden. Lernen findet durch Veränderung synaptischer Verbindungen statt. des motorischen Kortex von Tieren, die exakt jede Stelle im Gehirn beschrieb, die für die jeweilige Bewegung eines bestimmten Körperteils (z.B. Arm, Finger, Bein, Fuß) zuständig ist. Dabei fanden sie heraus, dass diese Karten bei jedem Tier anders aussehen. 7 Die damals herrschende Lehrmeinung besagte, dass individuelle Bewegungskarten angeboren, d. h. genetisch festgelegt sind. Demzufolge entstünden sie unabhängig von der Bewegungserfahrung jedes einzelnen Affen. Erst 1923 gelang es Karl Lashley in einem Affenexperiment nachzuweisen, dass die Bewegungskarten des motorischen Kortex sich durch das Erlernen neuer Bewegungsmuster verändern. 8 Er erstellte innerhalb von einem Monat vier Bewegungskarten desselben erwachsenen Rhesusaffen und verglich sie miteinander. Da sich jede der vier Bewegungskarten des motorischen Neurowissenschaften historisch - Neuroplastizität existiert nicht! Ursprünglich beschäftigte die Neurowissenschaft die Grundsatzfrage, ob das menschliche Gehirn Plastizität besitzt oder nicht. Wenn ja, tritt Neuroplastizität auch im adulten Gehirn auf? Die Behauptung des Neuroanatom und Nobelpreisträger für Medizin und Physiologie Santiago Ramon y Cajal dominiert seit 1913 Denken und Handeln der Forscher. "Im Gehirn eines Erwachsenen sind die Nervenbahnen starr und unveränderbar. Zukünftige Wissenschaftler stehen vor der Herausforderung, meine Aussage zu widerlegen." Und weiter "Alle Nerven sterben irgendwann ab und werden nicht erneuert." 1 Dieser absolute Standpunkt hat sich in der Hinsicht relativiert, als dass der ThiemeTaschenatlas Anatomie 2005 feststellt "Im reifen Zustand hat sie [die Nervenzelle] ihre Teilungsfähigkeit verloren, so dass eine Vermehrung oder ein Ersatz alter Zellen nicht möglich ist. Nach der Geburt werden kaum noch Nervenzellen gebildet." 2 [Hervorhebung durch die Autorin]. Folgerichtig wird in der Literatur der Sportwissenschaft das späte Schulkindalter als eine "Schlüsselphase für das spätere Bewegungskönnen" 3 beschrieben und als das "beste Lernalter" bezeichnet. "In dieser "sensitiven Phase" Versäumtes lässt sich später schwer oder gar nicht nachholen." 4 27 Grazer Forscher entwickeln optisches Brain-Computer-Interface-System EU-Projekt untersucht Wahrnehmung von virtuellen Realitäten Graz (pte/30.03.2006/13:10) - Ein Forscherteam der Grazer Technischen Universität (www.tugraz.at) entwickelt derzeit ein optisches Brain-Computer-Interface-(BCI)-System, das eine Kommunikation zwischen Mensch und Computer möglich machen soll. Die möglichen Anwendungsfelder reichen von der Behandlung hyperaktiver Kinder bis hin zur Epilepsie-Prävention und Schlaganfall-Therapien. Das Team unter der Leitung von Gert Pfurtscheller vom Institut für semantische Datenanalyse forscht im Rahmen des EUProjekts "PRESENCCIA" (Research Encompassing Sensory Enhancement, Neuroscience, Cerebral-Computer Interfaces and Applications) http://www.presenccia.org. Dabei untersuchen Forscherteams aus Computer- und Neurowissenschaftern, wie das menschliche Gehirn "virtuelle" Realitäten, wie sie etwa beim Neurofeedback zum Einsatz kommen, wahrnimmt. "Wir wollen mit unserer Forschungsarbeit die Gehirnmechanismen verstehen lernen, die wesentlich zur Verbesserung dieses Gegenwartsgefühls und den damit verbundenen Interaktionen in virtuellen Realitäten beitragen", so der Biomediziner Pfurtscheller. War es bisher nur möglich mit Hilfe von EEG-Systeme elektrische Impulse zu messen, bietet das optische BCI-System deutliche Fortschritte. "Die Gehirnaktivitäten werden nicht mehr wie bisher über Elektroden, sondern mit Hilfe eines Laserstrahls gemessen. Einerseits erlaubt dies eine schnellere Handhabung und zusätzlich ist die Störanfälligkeit des optischen Systems wesentlich geringer", so Robert Leeb, Mitarbeiter im Team von Pfurtscheller im pressetext-Interview. "Die Basis für die optische Messung ist die metabolische Änderung von Zellgruppen im Gehirn." Man müsse sich das Hirn praktisch als Muskel vorstellen, in dessen Zellen sich der Sauerstoffgehalt verändert, erklärt der Wissenschaftler. "Bei Bewegungen wie etwa das Fangen eines Balles, werden bestimmte Hirnareale aktiv. Diese Aktivität gibt es aber auch, wenn sich jemand diese Bewegung nur vorstellt", so Leeb. Bevor eine Person mit einer Behinderung eine Prothese bekommt, kann sie über BCI-Technologie die neue Situation mit Hilfe von "virtuellen Körperteilen" trainieren. Die Simulation und ein entsprechendes "Feedback" des Computers helfen dabei, die richtigen Denkmuster rascher zu erlernen, die für das Ausführen bestimmter Bewegungen notwendig sind. Das bedeutet, dass sich dadurch die Rehabilitationsphase bedeutend verkürzen lässt. Das Grazer Forscherteam ist zurzeit damit beschäftigt den ersten Prototypen herzustellen. "In Zukunft soll die optische BCI-Technologie das EEG ersetzen", meint Leeb abschließend. Eine weitere Forschergruppe der TU Graz um den Computergrafik-Experten Dieter Schmalstieg untersucht so genannte "Augmented Reality"-Anwendungen, die Psychologin Christa Neuper von der Karl-Franzens-Universität Graz befasst sich mit der Optimierung des Neurofeedbacks. Mit freundlicher Genehmigung von pressetext.austria (www.pressetext.at) Redakteur: Wolfgang Weitlaner Kortex kontinuierlich verändert hatte, schlussfolgerte Karl Lashley, dies sei der Ausdruck aktueller, erlernter Bewegungsmuster. Randolph Nudo und Kollegen wiesen 1985 an der Columbia Universität in Affenexperimenten nach, das ein bestimmter Bereich im Gehirn sich aufgrund intensiver Inanspruchnahme auf angrenzende Bereiche ausweiten kann (ohne diese zu einzuschränken), die zuvor andere Körperteile kontrolliert haben. Das bedeutet, dass der Gehirnbereich, der für eine bestimmte Bewegung verantwortlich ist umso größer ist, je öfter diese Bewegung ausgeführt 28 wird, bzw. je mehr man diese (neu erlernte) Bewegung automatisiert hat. Damit stand fest: Das ausgewachsene Gehirn von Tieren ist dynamisch und kann sich aufgrund von Erfahrungen und Bedarf (neue Bewegungsmuster) eigenständig und ein Leben lang umformen. Der Forscher Michael Merzenich entdeckte 1971 die Reorganisationsfähigkeit des Gehirns. Er erstellte als erster "Fühlkarten". Analog zu den "Bewegungskarten", die den motorischen Kortex abbilden, zeigen die "Fühlkarten", welche Stelle im sensomotorischen Kortex die Information "Fühlen" von einer bestimmten Stelle des Kör- pers verarbeitet. Ähnlich wie bei den Bewegungskarten stimulierten die Forscher im Affenexperiment eine bestimmte Hautstelle und sahen im Gehirn nach, welcher Bereich im somatosensorischen Kortex reagierte. Ergebnis: das zuvor vom Nerv abgetrennte Gehirnareal (zuständig für Mittelfinger, Zeigefinger, Daumen) verarbeitet jetzt die Signale der anderen Hand, und zwar die, die von der Handfläche, Ringfinger, kleiner Finder und Rückseite der Finger kamen. Folglich vergrößern sich Verbände von Nervenzellen nicht nur im motorischen Kortex (wie am Beispiel der Muskeln zu sehen ist, die, sobald sie eine höhere Aktivität ausüben und öfter eingesetzt werden, über größere Verbände von Nervenzellen verfügen, als solche, die weniger genutzt werden), sondern Gehirnareale übernehmen auch neue Aufgaben. In den 1960er und 1970er Jahren fanden die Forscher zunehmend Beweise für die postnatale Neurogenese (Neubildung von Nervenzellen) bei Mäusen, Ratten, Meerschweinchen und Katzen. Bei Singvögeln konnte 1967 durch Fernando Nottebohm nachgewiesen werden, dass Neurogenese beim Erlernen, Verfeinern und Komponieren der Paarungsmelodie eine wesentliche Rolle spielt. Die Ursachen der Neurogenese bei Ratten wurden in einer kognitiv und sozial angenehmen, anregenden Umgebung und Betreuung von jungen Ratten durch ihre Muttertiere gefunden. Fred Gage konnte in Mäuseexperimenten nachweisen, dass Neurogenese altersunabhängig ist. "Es spielt keine Rolle, in welchem Alter sich die Mäuse befinden, wenn sie anfangen, in einer anregenden Umgebung zu leben." 9 Ferner tritt Neurogenese bei Freiwilligkeit (im Tierexperiment: körperliche Aktivität in einem "Disney Land" für Ratten mit Laufrädern, Röhren und Artgenossen) stärker in Erscheinung als bei erzwungener körperlicher Aktivität. Stress tötet die Synapsen ab und schädigt die Nervenverbindungen. In dieser Zeit waren die Mahner permanent zur Stelle und führten an, die Ergebnisse der Tierexperimente seien hervorragend, doch wären das keine Beweise für die Neurogenese im menschlichen Gehirn. 1996 gelang Fred Gage von der Salk Universität in Kalifornien der erste Nachweis der adulten Neurogenese bei Menschen. Die Untersuchung wurde am menschlichen Hippocampus toter Krebspatienten (zw. 50 und 80 Jahren) vorgenommen. Vor deren Tod wurden Gehirnzellen mit Bromodeoxyuridine (BrdU) markiert. BrdU-Moleküle werden in der Okologie eingesetzt und die29 nen den Ärzten insofern zur Therapiekontrolle als dass BrdU anzeigt, ob sich neue (nicht markierte Tumorzellen) gebildet haben. Der Vorteil von BrdU ist, dass das Molekül alle neu gebildeten Zellen markiert, also auch Nervenzellen. "Diese neuen Nervenzellen blieben so lange am Leben, bis die Menschen starben", sagte Gage. "Das war der erste Beweis für Neurogenese im ausgewachsenen menschlichen Gehirn. (...) Wir wissen nun, dass in einem bestimmten Bereich des Gehirns kontinuierlich neue Nervenzellen entstehen. (...) in diesem Bereich des Hippocampus gibt es kleine Babyzellen, die sich teilen und wachsen und in den Schaltkreisen des Gehirns umherwandern, um zu voll funktionsfähigen Nervenzellen mit neuen Verbindungen zu werden. Und dieser Vorgang spielt sich während des gesamten Lebens ab. Diese Entdeckung bestärkte uns in der Hoffnung, dass wir mehr Einfluss auf unsere eigene Gehirnkapazität nehmen können, als wir jemals für möglich gehalten haben." 10 Und Mark Hallett (National Institut of Health in Bethesda, Maryland) ergänzt 2003: "Die Neuroplastizität nimmt in zunehmenden Alter ab. Aber sie verschwindet nicht vollständig. Ein gewisser Grad an Neuroplastizität ist in jedem Alter vorhanden. Die Fähigkeit zur Veränderung des Gehirns bleibt bis zum Tod bestehen." 11 30 Bewusste Aufmerksamkeit verändert das Gehirn Die Hirnforscher können nicht genau sagen, ob und wenn ja, wie der Geist und das Bewusstsein das Gehirn beeinflusst. Zumal der Geist sich bisher einer exakten Bestimmung entzogen hat. Historisch betrachtet haben Geist oder Bewusstsein keinen Platz in der materialistischen Weltanschauung und dem rationalistischem Weltbild, das mit Galileo Galilei seinen Anfang nahm und bis heute die westliche Kultur äußerst einflussreich prägt. Für den italienischen Mathematiker und Physiker Galileo Galilei (1564-1642) bestand das Universum aus Materie und Energie. "Diese hätten primäre und sekundäre Eigenschaften. Die primären Eigenschaften seien diejenigen Aspekte der Natur, die sich messen lassen, wie Geschwindigkeit, Beschleunigung, Gewicht, Masse usw. Daneben gebe es sekundäre Eigenschaften, also die der subjektiven Erfahrung, wie zum Beispiel Geruch, Aussehen, Wahrheit, Schönheit, Liebe usw. Galilei behauptete, dass die primären Eigenschaften die Domäne der Wissenschaften seinen. Die sekundären galten ihm als unwissenschaftlich." 12 Galilei berücksichtigt weder Geist noch Bewusstsein. Sir Isaac Newton (1642-1727) beschrieb die materielle Welt als einzelne Materieteilchen, die bestimmten Regeln in Raum und Zeit befolgen. Materie ist in der newtonschen Physik durch Masse und Ausdehnung gekennzeichnet und steht im Gegensatz zur Energie. Die newtonschen Gesetze wurden die großen Spielregeln der Wissenschaft, bis heute gelehrt und anerkannt. Auf dieser materialistischen Perspektive ruht unsere Ansicht, dass Dinge unabhängig voneinander existieren können. D. h. Materie folgt den Naturgesetzen und es besteht eine natürliche Trennung zwischen Materie und Geist. Das Subjektive, der Geist kann nicht ausgemessen, abgesteckt werden und ist bis dato noch nicht definiert. Es existieren umfassende Beschreibungen in der Neuroanatomie (die seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts Gehirnkarten anfertigte), doch dass Geist bzw. Bewusstsein tatsächlich existieren ist nach der newtonschen Physik undenkbar, bzw. undefinierbar. Ergebnisse der Tierexperimente (s.o.) und Untersuchungen mit Menschen, lassen schlussfolgern, dass bewusste Aufmerksamkeit eine entscheidende Rolle spielt, wenn es darum geht, dass Gehirn zu verändern. Bereits in den Affenexperimenten von Merzenich zeigte sich, dass das Gehirn nur dann formbar ist, wenn konzentrierte Aufmerksamkeit auf den Input vorliegt, der die Ver- EN UNTER L L E T S E B D N EN U JETZT ANFRAG 80 790 0 9 1 3 0 8 0 Fon e Gis t a r a K r e d o l e Karate Gürt !!! g n u k c i t s e b s n ame N r e l l e u d i v i d n mit i - Yama Yama heißt auf japanisch “der Berg” und symbolisiert in Japan die unverrückbare Festigkeit und Zuverlässigkeit. Dieser auf der Grundlage japanischen Designs entwickelte Karate-Anzug vermittelt dem Fortgeschrittenen höchsten Tragekomfort bei höchster qualitativer Fertigung. Der Gi ist 12 oz schwer, mit extra breiter Schnürung und sanforisiert. 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Sie spielten in Gedanken ein Musikstück und stellten sich währenddessen vor, wie sie ihre Finger bewegen und die Tastatur auf dem Klavier anschlagen. Der Bereich des motorischen Kortex vergrößerte sich bei diesen Versuchsteilnehmern ebenso wie bei der Kontrollgruppe, die tatsächlich Klavier spielte. 14 Daraus lässt sich schlussfolgern, dass nicht nur Reize von außen auf das Gehirn einwirken und Veränderungen herbeiführen können, sondern auch selbsterzeugte Stimuli (Gedanken, Bewertungen, Vorstellungen, Meditation) Einfluss auf das Gehirn haben. "Selbsterzeugt" impliziert an dieser Stelle, dass der Vorstellung die volle Aufmerksamkeit geschenkt wird. Im Umkehrschluss kann man davon ausgehen, dass der somatosensorischen Kortex, der die Empfindungen der Finger registriert, keine Veränderungen zeigen wird, wenn Finger die Tasten eines Klaviers im Schlaf berühren (also ohne konzentrierte Aufmerksamkeit). Richtet man bewusste Aufmerksamkeit gezielt z. B. auf ein Objekt, einen Vorgang oder eine Aufgabe, hat das zur Folge, dass gleichzeitig die Aktivitäten der Nervenzellen gedämpft werden, die nicht Ziel der Aufmerksamkeit sind. Richtet man beispielsweise die Aufmerksamkeit auf eine Farbe, steigt die Aktivität der Nervenzellen, die dafür zuständig sind, die Farbe zu verarbeiten. Wird Aufmerksamkeit auf Bewegung gerichtet, steigt die Aktivität der Nervenzellen, die Bewegung wahrnehmen und verarbeiten. Wichtig ist es, dass Informationen, die das Gehirn erreichen, sich nicht verändern. Lediglich die veränderte Aufmerksamkeit löst eine erhöhte neuronale Aktivität im entsprechenden Areal aus. Aufmerksamkeit gezielt einzusetzen ist trainierbar, ebenso wie die Fähigkeit, Aufmerksamkeit schnell zu wechseln und einen neuen Fokus zu setzen. An diesem Punkt setzt mentales Training an, u. a. mit Methoden der Visualisation, der Antizipation von Bewegungsabläufen, des Bewältigungstrainings unter Vorwegnahme Angst und Stress erzeugender Situationen. 32 An dieser Stelle kommt die Forschung erstmals an den Punkt, an dem Geist, bzw. Bewusstsein und Gehirnaktivität eine Rolle spielen und ineinander zu greifen scheinen. Es kann folglich postuliert werden, dass das Gehirn ein Organ des Geistes und des Bewusstseins ist. Stimmt diese Annahme, so müssen Veränderungen in beide Richtungen möglich sein. Geist, Gehirn und Buddhismus Tibetischer Buddhismus geht von drei Ebenen des Bewusstseins aus. Erstens gibt es das grobe Bewusstsein. Dort finden die Sinneswahrnehmungen statt, die auf die Sinnesorgane angewiesen sind und deren Wahrnehmung über das Gehirn abläuft (schmecken, riechen, hören, tasten, sehen). Zweitens gibt es das feine oder subtile Bewusstsein. Auf dieser Ebene findet geistiges Bewusstsein Ausdruck im Denken, ebenso wie mentale Störungen. Gestörte Denkvorgänge aufgrund von Traumata und Personen, die psychische Erkrankungen haben (z. B. Depressionen) erfahren die veränderten Emotionen auf dieser feinen Ebene. Durch Meditation kann diese Ebene erreicht und beeinflusst werden. Zugang erhält man durch die allen mentalen Vorgängen (Emotionen, Gedanken, Wahrnehmungen) zugrunde liegende Erkenntnisfähigkeit. Es ist wichtig bei diesen Überlegungen stets daran zu denken, dass mentale Störungen bisher auch - mehr oder weniger erfolgreich - durch klassische Therapien (Medikamente, Gesprächstherapie, Elektroschocks, Gehirnoperationen) behandelt wurden. Aufgrund der nachgewiesenen Neuroplastizität im ausgewachsenen menschlichen Gehirn konnten Veränderungen durch Reize, die von außen einwirken, bestätigt werden. In einer Untersuchung mit Patienten, die an einer Zwangsstörung litten (z. B. ununterbrochenes Hände waschen) konnte Jeffrey Schwartz 1987 durch bildgebende Verfahren nachweisen, dass Achtsamkeits-Meditation Veränderung im Gehirn bewirkt. Es wurden geistige Einflüsse erzeugt, die in der Lage sind, das Gehirngewebe zu verändern. Diese Signale erzeugt und sendet der Geist, d. h. sie kommen von innen. Die höhere Ebene der mentalen Aktivität übt eine verursachende Wirkung auf die niedrigere Ebene der Neuronen und Synapsen aus. Die Patienten der Untersuchungsgruppe mussten sich klar machen, dass die Zwangsstörung lediglich eine zerebrale Abnormalität des Gehirns ist. Sie lernten ihre Zwangsstörung zu beobachten, ohne sie zu bewerten und sie als fehlerhaften Ausdruck des Gehirns zu erkennen. Die Patienten sollten verstehen, dass sie nur einen zwanghaften Gedanken erleben, der nicht real ist. Bereits nach einer Wochen, berichteten die Teilnehmer, dass sie das Gefühl hätten, die Zwänge kontrollierten sie nicht länger. Durch die bildgebenden Verfahren konnte eine verringerte Aktivität im orbitalen Frontallappen gezeigt werden, dem Zentrum des Zwangsstörungsschaltkreises. Die Therapie hat den Stoffwechsel des Zwangsstörungs-Schaltkreises verändert und gezeigt, dass chemische Abläufe im Gehirn willentlich verändert werden können. Ebenso konnten z. B. veränderter Hormonhaushalt, veränderte elektrische Reizstärke nachgewiesen werden. Positive Ergebnisse wurden ebenfalls durch Anwendung der Achtsamkeits-Meditation bei Depressionen erreicht. Es konnte bestätigt werden, dass die kognitive Verhaltenstherapie in einer von oben nach unten laufenden Plastizität arbeitet, da sie die kognitiven (komplexen) Prozesse der Patienten verändert. Medikamente hingegen wirken von unten nach oben auf einzelne Komponenten des Depressions-Schaltkreises im Gehirn. Drittens geht der Buddhismus von einem feinsten oder subtilsten Bewusstsein aus. An dieser Stelle geht der Buddhismus einen Schritt weiter als die Naturwissenschaften, bzw. die Neurowissenschaft. Das subtilste Bewusstsein geht über das Ende der Aktivität des physischen Körpers hinaus und ist vom Tod des physischen Körpers vollkommen unberührt. Es ist ohne physische Grundlage. Seine Existenz ist im Buddhismus akzeptiert und sowohl Bedingung als auch logische Grundlage dafür, dass es überhaupt zur Existenz zukünftiger Leben kommen kann (Reinkarnation). Eine Annäherung Augenscheinlich nähern sich in der gegenwärtigen Diskussion zwei verschiedene Forschungsansätze und Konzepte aneinander an. Ein Forschungszweig der Neurowissenschaften, die Hirnforschung, steht der Erforschung der Geistesschulung durch Introspektion gegenüber. Wahrscheinlich wäre die Diskussion heutzutage über Meditation und Hirnforschung nicht so aktuell, wenn es nicht darum ginge, ein überliefertes rationalistisches Weltbild zu überdenken, das von Galileo und Newton geprägt wurde. Damals wie heute geht es darum, neue Erkenntnisse in das geltende Weltbild, in Kultur und Tradition zu integrieren. Die klassische Physik hatte sich dem Begriff des Geistes, des Bewusstseins, des Subjektiven verschlossen. Sie untersucht das Einzelne innerhalb ihres Systems, analysiert immer kleinere Teile und zieht sich konsequent auf die Dritte-Person-Perspektive zurück. Meditation als Geistesschulung erringt Erkenntnisse durch Introspektion. Es findet eine Untersuchung der Innenperspektive, die subjektive Sicht der Selbsterfahrung statt, die sich das "Objektive" dadurch erschließt, dass die dem Geist innewohnende Fähigkeit, sich selbst zu beobachten, kontinuierlich entwickelt und perfektioniert wird. Die kognitive Leistung wird verfeinert, die analytischen Bemühungen sind auf die innere Welt gerichtet. Bemühen wir erneut das Bild des Blumenduftes: Duft kann nicht verstanden werden, wenn man eine Blüte in ihre Teile zerlegt. Duft kann nur aus sich selbst heraus erkannt werden - durch Riechen. Wolf Singer, Direktor am Max-Planck-Institut für Hirnforschung in Frankfurt am Main, bewertet den Ansatz der analytischen Introspektion des Geistestrainings folgendermaßen: "Dies ist ein interessanter selbstreferentieller Ansatz zur Erforschung der Bedingtheiten mentaler Prozesse, der sich von der Hirnforschung, die ähnliche Ziele verfolgt, schon sehr deutlich unterscheidet, weil er die Erste-Person-Perspektive betont und dabei Subjekt und Objekt der Forschung vermengt. Auch der westliche Ansatz nutzt natürlich die Erste-PersonPerspektive für die Definition der zu erforschenden mentalen Phänomene, aber zur Erforschung dieser Phänomene zieht er sich dann auf die Dritte-Person-Perspektive zurück." 15 Die Introspektion stellt sich gegenwärtig der wissenschaftlichen Forschungen zur Verfügung. Meditation sucht mit dem Hintergedanken eine gemeinsame Sprache und den Dialog, vorhandene Erkenntnisse über die Methode des Geistestrainings in die Sprache der Wissenschaft zu übersetzen. Beide Systeme, das materialistische System der klassischen Physik und das der Transformation des Geistes, sind Vorschläge, auf die sich alle Beteiligten geeinigt haben. Die Systeme funktionieren solange sich alle an die festgelegten (Spiel-)regeln halten und die Forscher sich systemintern bewegen. Merkmal eines offenen Systems ist es, Informationen eines anderen Systems aufnehmen zu können und den "fremden" Regeln standzuhalten. Sowohl die Hirnforschung als auch die Meditationsforschung sucht den Blick über die eigenen Grenzen und nähert sich den Regeln des jeweils anderen Systems. Die naturwissenschaftliche Meditationsforschung unterwirft sich trotz der Diskrepanz zwischen subjektivem (innerem) Erleben und objektiver (äußerer) apparativer Untersuchung den Gesetzen der klassischen Forschung. Sie tritt quasi aus dem Rahmen heraus, in dem die eignen Gesetze, die seit mehreren Jahrtausenden entwickelt und verfeinert wurden, Gültigkeit haben. Sollten die aufgestellten Regeln ihre Gültigkeit behalten, könnte das auf die Stärke des System hindeuten, dass sich fortan zu einem offenen System entwickeln kann und systemfremde Informationen und Gesetze schadlos integriert. Die große Herausforderung bei unserem Forschungsgegenstand liegt darin, dass Geist per definition der klassischen Physik als nicht-materiell angesehen wird und demzufolge den Gesetzen der Materie nicht unterliegt. Es obliegt den Forschern beider Disziplinen, einen belastbaren Nachweis zu erbringen, der seine Gültigkeit in beiden Systemen beibehält. Diese Herangehensweise wird auch durch die Entwicklung neuester Messgeräte möglich gemacht. Sie messen hochsensible Prozesse im Gehirn. (s. Infokasten: "Grazer Forscher entwickeln optisches Brain-Computer-Interface-System"). Wie sollte der optimale Forscher beschaffen sein? Berücksichtig man, dass das Objekt der Beobachtung durch den Beobachter (und seine gerichtete Aufmerksamkeit) beeinflussbar ist, sollte man den Forschungsauftrag an einen erfahrenen Neurophysiologen vergeben, der ein erleuchteter Meditationsmeister ist, mehrsprachig ist und interkulturell geübt agiert. Ende Teil 2 33