Referat - PS Motivation und Emotion SS 2001 Julia Schindler 9900844 -1- GEDÄCHTNIS UND EMOTION Das menschliche Gedächtnis wird als ein System für das Speichern, Verarbeiten und Wiederauffinden von Informationen verstanden. Heißt das aber, dass das Gedächtnis von möglichen Verzerrungen durch Emotionen u. Stimmungen frei ist? 1. Gedächtnis für emotionale Ereignisse Für Arbeiten zum Gedächtnis für emotionsbeladene Episoden werden verschiedene Methoden verwendet, die jeweils ihre Vorteile und Nachteile haben. Studien zu tatsächlich erlebten Ereignissen geben Hinweise dafür, dass negative und traumatische Ereignisse recht gut erinnert werden, aber da die tatsächlichen Geschehnisse meistens nicht bekannt sind, muss die Güte der Erinnerung oft indirekt erschlossen werden (Williams, Watts, McLeod & Mathews, 1997). Flashbulb memories (= Blitzlicht-Erinnerung) (Brown & Kulik, 1977) sind Erinnerungen an schockierende Ereignisse, die allgemeine Aufmerksamkeit finden und über die auch in den Medien berichtet wird; ein Beispiel wäre die Ermordung eines hochrangigen Politikers. Bei der Erinnerung an solche Ereignisse, kann oft nicht nur dieses selbst sehr gut wiedergegeben werden, sondern es können auch viele spezifische Umstände geschildert werden – wer die Nachricht überbrachte, was der Erinnernde gerade tat, was er trug,... Solche Erinnerungen scheinen lebhafter zu sein als Erinnerungen an weniger emotionale Ereignisse, was aber nicht heißen muss, dass sie akkurat sind. PROBLEM: in vielen Fällen ist es unmöglich, objektiv zu beschreiben, wie die Situation tatsächlich war! Labor: Die Vpn werden über Dias, Filme oder inszenierte Vorfälle mit emotionalen – meist negativen (z.B. Autounfall, Diebstahl) - oder mit neutralen Ereignissen konfrontiert. Anschließend erfolgt eine Prüfung des Gedächtnisses für das präsentierte Material. ERGEBNIS: das Gedächtnis und Emotionen agieren in komplexer Weise. Es kommt zu unterschiedlichen Effekten im Gedächtnis für neutrales und emotionales Material, je nachdem ob zentrale oder periphere Aspekt erinnert werden sollen, außerdem ist es abhängig von der Art der Gedächtnisprüfung, und ob die Prüfung unmittelbar oder verzögert erfolgt (Christianson, 1992). Mehrere Studien zeigen, dass bei emotionalen Ereignissen die zentralen Aspekte (lang- und kurzfristig) besser behalten werden, bei weniger emotionalen Ereignissen ist hingegen auch der Abruf peripherer Details möglich. Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass entweder das Gedächtnis für emotionale oder das für emotionslose Ereignisse besser oder schlechter wäre. Die entscheidende Rolle spielt die Art, wie das Material behalten wird! Easterbrook (1959) hat schon früh vorgeschlagen, dass arousal eine Verengung des Aufmerksamkeitsfokus nach sich zieht. Möglicherweise wird durch starke Emotionen oder damit einhergehendem arousal eine Fokussierung auf zentrale Aspekte bedingt. Christianson, Loftus, Hoffmann und Loftus (1991) kontrollierten die Fixationsorte der Blicke von Vpn beim Betrachten neutraler und emotionsbeladener Bilder und konnten feststellen, dass hinsichtlich der Aufmerksamkeitsverteilung keine Unterschiede bestanden. Es gab aber Referat - PS Motivation und Emotion SS 2001 Julia Schindler 9900844 -2- Hinweise, dass eine mögliche Aufmerksamkeitsveränderung auf zentrale Aspekte nicht der allein verantwortliche Faktor sein kann. Als möglicher Grund für das bessere Behalten zentraler Aspekte emotionaler Episoden kann eine qualitativ andere Enkodierung emotionaler Episoden angenommen werden. Als Argument für diese These wurde angeführt, dass sich Personen mit den Ursachen ihrer Emotionen stärker beschäftigen. Möglicherweise werden also beim elaborierten Enkodieren zentrale Aspekte emotionaler Episoden stärker elaboriert als die peripheren. Wie aber steht es mit dem Gedächtnis für Emotionen selbst? Christianson und Safer (1996) kommen zu dem harten Ergebnis, dass bislang keine Studie gezeigt habe, dass Personen die Intensität und Häufigkeit ihrer früheren Emotionen richtig einschätzen können. Thomas und Diener (1990) hingegen erkannten zwar, dass die Häufigkeitsschätzungen absolut gesehen recht schlecht waren, aber dass die Größenverhältnisse zwischen den Personen und deren Emotionen recht gut wiedergespiegelt wurden. Levine (1997) erkannte in einer Studie, dass auch das harte Fazit hinsichtlich der Intensität eingeschränkt werden muss. Vielleicht liegt die größere Genauigkeit der erinnerten Intensität auch an der Tatsache, dass es sich in seiner Studie um intensive Emotionen für die betroffenen Personen handelt. Allerdings wurde gezeigt, dass die Erinnerung systematisch in Richtung der gegenwärtigen Bewertung des Ereignisses verzerrt wird, d.h. die Emotion scheint teilweise zum Zeitpunkt des Erinnerns rekonstruiert zu werden. Das weist darauf hin, dass das Gedächtnis für Emotionen dem für Schmerzen womöglich ähnlich ist, denn Schmerzen können nur aus der Erinnerung der Umstände und des eigenen Verhaltens rekonstruiert werden und nicht „wiedererlebt“ werden. Möglicherweise gibt es aber ein Affektives Gedächtnis, dass dem Bewusstsein nicht zugänglich ist. Bsp.: Effekt bloßer Darbietung – die bloße wiederholte Darbietung eines bestimmten Musters erhöht die Sympathie dafür, selbst wenn keine Erinnerung daran vorhanden ist. Als weiteres Beispiel kann das evaluative Konditionieren genannt werden (Martin & Levey, 1978). Hier gelingt das klassische Konditionieren von positiven oder negativen Einstellungen auf vorher neutrale Stimuli selbst dann, wenn die unkonditionierten positiven oder negativen Stimuli unter Bedingungen dargeboten werden, die das bewusste Bemerken ihrer Anwesenheit verhindern (Klauer, 1998). So gibt es klinische Beobachtungen an Patienten, die trotz ausgeprägter Amnesie Abneigungen gegen Personen entwickelten, die für den Patienten mit negativen Emotionen assoziiert waren. 2. Stimmung und Gedächtnis: Kongruenzeffekte Die Ergebnisse zum Gedächtnis für emotionale Ereignisse legen nahe, dass es beim Enkodieren Vorteile für emotionsbezogenes Material gibt. Diese Vermutung wird auch durch Forschungen zu verwandten Fragen gestützt. • Fördert die Stimmung beim Enkodieren das Einprägen mit der Stimmung kongruenten Materials? Stimmungen werden im Labor induziert: Hypnose, autosuggestive Verfahren oder durch fiktive Rückmeldung von Erfolg oder Misserfolg. Problematisch ist dabei, dass diese Methoden nicht nur die Stimmung affizieren, sondern auch andere Wirkungen haben. Z.B. wirkt sie sich unterschiedlich auf das arousal der Person aus, arousal selbst beeinflusst aber das Gedächtnis sehr stark. Referat - PS Motivation und Emotion SS 2001 Julia Schindler 9900844 -3- Der Stimmungskongruenzeffekt gilt heute dennoch als gesichert. • Wie sieht es mit der Stimmungskongruenz beim Abruf aus? Die Studie von Matt, Vàzquez und Campbell (1992) prüft als Basislinie, ob positives und negatives Material in neutraler Stimmung gleich gut abgerufen werden kann. Es zeigt sich bereits jetzt, dass positives Material besser gemerkt wird. Stabile Kongruenzeffekte zeigen sich bei Personen mit induzierter depressiver Stimmung und mit natürlicher Depression. Induzierte positive Stimmung zeigt sich nur bei Material mit Selbstbezug Stimmungskongruenz, sonst stellt sich ein weniger klares Befundmuster ein. Kürzlich entdeckten Mayer, McCormick und Strong (1995) zuverlässige Stimmungskongruenzeffekte bei nicht induzierten, natürlich auftretenden Stimmungsschwankungen. • Gibt es ein stimmungsabhängiges Gedächtnis? Damit ist gemeint, ob eine Übereinstimmung der Stimmungen beim Enkodieren und beim Abruf dem Erinnern durchaus auch neutralen Materials förderlich ist. Solche Effekte lassen sich in durch Drogen hervorgerufenen Zuständen nachweisen. Als Interpretation wird angeführt, dass diese Zustände als Hinweisreize beim Abruf hilfreich sind, wenn sie beim Einprägen vorhanden waren und mit dem zu lernende Material enkodiert wurden (Baddeley, 1997). Daraus folgt die Annahme, dass sich Ähnliches auch für Stimmungszustände würde nachweisen lassen. Kenealy (1997) hat in einer einschlägigen Studie bewiesen, dass stimmungsabhängiges Gedächtnis zuverlässig nachgewiesen werden kann. Der Effekt ist abhängig davon, dass beim Enkodieren nicht bereits hilfreiche, externe Hinweisreize präsent waren und das Erinnern der Vpn unterstützen. Eich und Mitarbeiter (1995) liefern Hinweise dafür, dass stimmungsabhängiges Gedächtnis in stärkerem Maße bei selbstgeneriertem als bei lediglich rezipiertem Material auftritt. Bower prägte anfänglich die Forschung zu Kongruenzeffekten und zum stimmungsabhängigen Gedächtnis. Er prägte die Theorie des assoziativen Netzwerkes (1981, 1991), in dem Emotionen – verknüpft mit verwandten Konzepten, Ereignissen korrespondierender Valenz, autonomer Aktivität und emotionsausdrückendem Verhalten - als Knoten im Netzwerk auftreten. - Lernen: enkodiertes Material wird mit den aktiven Knoten assoziiert. - Abruf: über Aktivierungsausbreitung im Netzwerk werden Kongruenzeffekte und Effekte der Stimmungszustandsabhängigkeit erklärt. Fiedler schlägt ein Alternativmodell (1990) vor: es werden Informationen bewahrende und Informationen transformierende Prozesse unterschieden, und Fiedler nimmt an, dass die transformierenden Prozesse für Einflüsse der Stimmung empfänglich sind. 3. Emotionsbedingte Gedächtnisdefizite Negative und depressive Verstimmung sowie klinische Depressionen führen zu Beeinträchtigungen kognitiver Leistungen. In den meisten Fällen sind dann Prozesse betroffen, die mentale Anstrengung erfordern. Automatische Prozesse hingegen, die lediglich eine geringe Menge der zur Verfügung stehenden Ressourcen benötigen, sind meist unbeeinflusst von negativen Emotionen. Referat - PS Motivation und Emotion SS 2001 Julia Schindler 9900844 -4- Außerdem kommt es bei Menschen in deprimierter Stimmung oder mit klinisch diagnostizierten depressiven Verstimmungen oder Depressionen zu Beeinträchtigungen ihres Erinnerungsvermögens. Negative Stimmung scheint sich vor allem auf die strategischen, Anstrengung erfordernden Aspekte von Gedächtnisleistungen, auszuwirken, denn sie behindern das elaborative Enkodieren des zu lernenden Materials, das Organisieren und den Einsatz von hilfreichen Strategien beim Abruf. Bei der Forschung stellt sich aber ein Problem: die Einordnung von Aufgaben auf der Dimension der Anstrengung erfolgt meist durch plausible Spekulationen und sie wird nur in den seltensten Fällen empirisch überprüft. Ellis, Seibert und Varner (1995) vergleichen einen unmittelbaren mit einem verzögerten, überraschenden Abruftest bei Studenten in neutraler, trauriger und froher Stimmung. Das Ergebnis zeigte, dass stimmungsbedingte Einbußen im verzögerten Test größer sind als im unmittelbaren. „Explizites Gedächtnis“ = absichtliches Erinnern an spezifische Ereignisse der Vergangenheit. „Implizites Gedächtnis“ = der Einfluss früherer Erfahrungen auf späteres Verhalten in Situationen, in denen absichtliches Erinnern nicht verlangt wird. Die Prüfung des impliziten Gedächtnisses erfolgt mit indirekten Aufgaben. => Vielfach wurde vorgeschlagen, dass die Unterscheidung expliziter und impliziter Aufgaben den Unterschied von bewusster und automatischer Nutzung des Gedächtnisses widerspiegelt. In den meisten Fällen ergeben sich auch wirklich keine stimmungsbedingten Einbußen bei der Überprüfung des impliziten Gedächtnis. Roediger und McDermott (1992) wiesen aber darauf hin, dass die indirekten Tests mehr die perzeptuellen Aspekte, die direkten Tests hingegen mehr die konzeptuellen Aspekte überprüfen. Außerdem empfehlen sie Prozessdissoziationsprozeduren einzusetzen, das sind Verfahren zur Trennung automatischer und bewusster Gedächtnisprozesse innerhalb derselben Aufgabe. Wie werden die stimmungsbedingten Einbußen erklärt? Zur Erklärung wird meist der Begriff kognitive Kapazität gewählt. Man nimmt an, dass die Kapazität für die Bearbeitung der Aufgaben bei negativer und womöglich auch bei positiver Stimmung eingeschränkt ist. Das liefert eine Erklärung dafür, warum die stimmungsbedingten Einbußen umso ausgeprägter sind, je anstrengender die Enkodierung oder der Abruf des Materials ist. Es gibt Hinweise dafür, dass in depressiver Stimmung Kapazität durch aufgabenirrelevante, selbstbezogene Gedanken gebunden wird, und somit für die Bearbeitung der Aufgabe nicht zur Verfügung steht (Hertel,1998; Seibert & Ellis, 1991). Hertel (1994) meint, dass es sich um ein motivationales Defizit handelt, und weniger um von der Aufgabe abgezogene Kapazität. Seiner Meinung nach ergreifen traurige und depressive Menschen weniger oft die Initiative zu aufwendigeren Arbeiten. Mit ängstlichen Emotionen haben sich unter anderem Eysenck und Calvo (1992) befasst. Sie gehen auch in diesem Fall davon aus, dass Kapazität von der Aufgabenbearbeitung abgezogen wird. Darüberhinaus vermuten sie, dass bei ängstlichen Menschen die Angstbereitschaft nicht verringert, sondern erhöht ist. Durch diesen Mechanismus gelingt es vielen Ängstlichen, die Effekte der verringerten Kapazität zu kompensieren. Wenn die Anforderungen allerdings diese Kompensationsmöglichkeit übersteigen und die kapazitativen Grenzen ausgeschöpft sind, kommt es auch bei Ängstlichen zu Einbußen. Referat - PS Motivation und Emotion SS 2001 Julia Schindler 9900844 -5- SPRACHE UND EMOTION Der Emotion wurde in der Sprachpsychologie wenig Aufmerksamkeit geschenkt. In den letzten 15 Jahren haben sich aber positive Veränderungen ergeben. Das Verhältnis von Sprache und Emotion wird in zweierlei Hinsicht untersucht: 1. lassen sich sprachlichen Reizen bestimmte emotionale Qualitäten zuschreiben? Je nach diesen emotionalen Qualitäten werden sprachliche Reize in spezifischer Weise verarbeitet. 2. Beeinflusst der aktuelle affektive Zustand einer Person die sprachliche Informationsverarbeitung? 1. Emotionale Aspekte von Wörtern und Kunstwörtern Die konnotative Bedeutung ist der emotionale Aspekt sprachlicher Reize, der mit den sog. semantischen Differentialen erfasst wird. Osgood (1980) stellt fest, dass es sich bei den mit semantischen Differentialen erfassten Bedeutungsaspekten um affektive Bedeutungen handelt, die auf primitive emotional feelings basieren. Zur Messung der emotionalen Bedeutung verwendet man meist eine siebenstufige (Libert-) Skala mit bipolar angeordneten Adjektiven (laut - leise,...) auf der die Wörter eingeordnet werden sollen. Mit solchen Messungen erreichte man immer wieder dasselbe ERGEBNIS: Die Skalen lassen sich in drei homogene Gruppen aufteilen, denen jeweils eine Beurteilungsskala zugewiesen werden kann. – Valenz (angenehm – unangenehm), Aktivität (erregend – beruhigend) und Potenz (stark – schwach). Die konnotative Bedeutung von Wörtern variiert also auf drei unterschiedlichen emotionalen Bedeutungsdimensionen. Mittels solcher dimensionaler Allgemeinqualitäten lassen sich sowohl Wörter als auch Kunstwörter erfassen. Untersuchung von Ertel (1969): Beurteilung von Kunstwörtern anhand semantischer Differentiale. ERGEBNISSE: Die Ratings der Vpn waren maßgeblich von der Anzahl und Beschaffenheit der in den Kunstwörtern auftretenden Vokale und Konsonanten abhängig. – kurze Vokale werden als „erregend“ und „stärker“ eingestuft als lange Vokale, und die Konsonanten t, p, k haben größere Dynamik als m, v, b. Außerdem ist noch von Bedeutung, in welcher Nachbarschaft Laute stehen. Neuropsychologische und neurophysiologische Befunde legen nahe, dass sich affektiv valente Wörter im Hinblick auf die zugrunde liegenden Repräsentationssysteme von affektiv neutralen Wörtern unterscheiden. 1880 berichtete Jackson von Patienten, die aufgrund hirnorganischer Schädigung der linken Hemisphäre nicht mehr dazu in der Lage waren, sprachliche Äußerungen zu produzieren oder zu verstehen. – Die einzige Ausnahme stellten affektiv valente Wörter da. Borod et al. (1998) schließt aus Untersuchungen, dass bei der Repräsentation affektiv valenter Wörter die rechte Hemisphäre eine zentrale Rolle spielt. Der konnotativen Bedeutung wird kaum Rechnung getragen; außer von Hermann und Grabowski (1994), denn sie postulieren sowohl hinsichtlich der Repräsentation der Wörter als Referat - PS Motivation und Emotion SS 2001 Julia Schindler 9900844 -6- auch im Hinblick auf die Bedeutungsrepräsentation sog. emotive Marken. – Es bleibt aber noch unklar welche Bedeutung ihnen zukommt. Wörter unterscheiden sich im Hinblick auf ihre emotionalen Aspekt erheblich voneinander. Diese Unterschiede beziehen sich sowohl auf die konzeptuelle Bedeutung der Wörter als auch auf deren klangliche Eigenschaften. 2. Differentielle Verarbeitung von Wörtern unterschiedlicher affektiver Bedeutung Im Rahmen des „New Look“ der Wahrnehmungsforschung wurde der Einfluss der affektiven Valenz von Wörtern auf deren Wahrnehmungsschwelle untersucht. Es wurden Wörter positiver Valenz (Sonnenschein), negativer Valenz (Tod) und neutraler Valenz (Tisch) präsentiert. Die Darbietungszeit wurde so lange erhöht, bis die Vpn das Wort erkannten. ERGEBNIS: emotional unangenehme Wörter werden langsamer erkannt als neutrale und diese immer noch langsamer als positive (Graumann, 1956). Frage: Wie können Vpn die Wahrnehmung von Wörtern „abwehren“, die sie noch gar nicht erkannt hatten? Um dieser Frage nachzugehen leitete man den galvanischen Hautwiderstand ab – als physiologischen Indikator für die emotionale Erregung. ERGEBNIS: Der galvanische Hautwiderstand differenziert zwischen neutralen und negativen Wörtern, noch ehe diese erkannt werden. Zajonc (1980) präsentierte Vpn unterschwellig Kunstwörter, die sie zuvor 0, 1, 3 oder 6mal gesehen haben. Die Vpn sollen nun Urteile darüber fällen. Auffallend am Ergebnis ist, dass die Bewertung positiv mit der Anzahl der vorherigen Darbietungen kovariiert. Es stellt sich häufig die Frage, ob die kognitive oder die affektive Verarbeitung zeitlich vorgängig ist. Diese Frage kann nicht eindeutig in die eine oder andere Richtung beantwortet werden, weil „kognitiv“ nicht einheitlich definiert wurde. Aber es zeigte sich die Notwendigkeit, ein eigenständiges affektives System anzunehmen, dessen Funktionen eng mit dem kognitiven und sensorischen Systemen verbunden sind. Neben unterschiedlichen Wahrnehmungsschwellen lassen sich auch unterschiedliche Behaltensleistungen für verbales Material unterschiedlicher affektiver Bedeutung aufzeigen. Eysenck (1976) erkannte, dass angenehme Inhalte besser behalten werden als unangenehme, und beide besser als neutrale. Die Befundlage ist allerdings nicht eindeutig (Bock, 1980). Vpn wurden in einem Experiment (Schürer-Necker, 1994) Listen von Wörtern mit unterschiedlich ausgeprägtem emotionalen Gehalt geboten. Am nächsten Tag wurde ein freier Recall-Test durchgeführt. Aus diesem ergab sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Wiedergabeleistung und der subjektiven Einschätzung der Wörter auch der Aktivationsdimension. Aktivierende Items werden signifikant besser behalten als neutrale. Vergleichbare Ergebnisse finden sich auch beim Behalten von Texten. Bock und Klinger (1986) erkannten, dass das Ausmaß der Aktivierung während der Enkodierung positiv mit der Behaltensleistung kovariiert. Referat - PS Motivation und Emotion SS 2001 Julia Schindler 9900844 -7- 3. Stimmung und Sprachverarbeitung Bowers assoziatives Netzwerkmodell stellt einen zentralen Ausgangspunkt vieler Arbeiten dieses Bereichs dar. Dieses Modell führte zu zwei unterschiedlichen Vorhersagen: 1. Wenn zum Zeitpunkt des Wissensabrufs der gleiche emotionale Zustand gegeben ist wie zum Zeitpunkt des Wissenserwerbs, dann soll diese Information besser abrufbar sein als wenn das nicht der Fall ist (mood-state dependency). 2. Reize sind dann besser enkodierbar und abrufbar, wenn die Valenz dieser Reize mit dem gegenwärtigen affektiven Zustand der Person übereinstimmt (mood-congruency; Stimmungskongruenzeffekt). Recall congruency = bessere Wiedergabe stimmungskongruenter Information Encoding congruency = bessere Enkodierung Zu diesem Thema gab es immer wieder Experimente. Von großer Bedeutung ist einerseits der Selbstbezug und die Strukturiertheit des Materials, und andererseits die bewusste Wahrnehmung der eigenen affektiven Befindlichkeit. Außerdem lässt sich für den Stimmungskongruenzeffekt und für die encoding congruency eine Asymmetrie erkennen. Positiv gestimmte Personen behalten positive Items besser als negative; negativ gestimmte Vpn behalten jedoch nicht immer negative Items besser als positive. Bei affektivem Priming (Fazio, Sanbonmatsu, Powell und Kardes ,1986) werden den Vpn valente Primewörter (Tod; Freude) geboten, kurze Zeit später wird den Vpn ein ebenfalls eindeutig positives oder negatives Targetwort präsentiert. Die Aufgabe der Vpn besteht nun darin, dieses Targetwort im Hinblick auf seine affektive Valenz möglichst schnell zu kategorisieren. Sind Target und Prime hinsichtlich ihrer affektiven Valenz kongruent, so sind die Reaktionszeiten signifikant schneller als bei inkongruenten Prime-Target-Kombinationen. Affektive Primingeffekte lassen sich keinesfalls konsistent beobachten. Deshalb ist eine Erklärung des affektiven Priming analog zum semantischen Priming problematisch. Hielscher (1996) belegte den Stimmungskongruenzeffekt beim Lesen von Sätzen bzw. Texten, mit positiven oder negativen konnotierten Attributen. Die Unterlagen waren so gestaltet, dass gleiche Sätze mit entweder negativen oder positiven Attributen versehen wurden. Den Vpn wurden die Sätze Wort für Wort präsentiert. Nachdem ein Wort verstanden worden war, ging man zum nächsten über. Beobachtete man die Lesezeit, so ergab sich eine signifikante Interaktion zwischen der aktuellen Stimmung einer Vpn und der affektiven Valenz der Sätze. D.h. positiv gestimmte Personen lasen positive Sätze schneller, depressive Personen hingegen Sätze mit negativer Valenz. Ein weiteres Experiment zu Stimmungskongruenzeffekten führten Forgas und Bower (1987) durch. Sie induzierten ihren Vpn vor dem eigentlichen Experiment positive bzw. negative Stimmung. Anschließend präsentierten sie den Vpn Personenbeschreibungen, die sowohl positive als auch negative Attribute enthielten. Danach sollten die Vpn Ratings über die beschriebenen Personen abgeben. Als abhängige Variable wurde u.a. die Lesezeit pro Satz erhoben. Es zeigte sich Stimmungskongruenzeffekt: Es fanden sich jedoch längere Lesezeiten für Sätze mit stimmungskongruenter Information. Bei der Behaltensleistung hatte das stimmungskongruente Material einen deutlichen Vorteil. Der Stimmungskongruenzeffekt bei der Sprachrezeption ist auf die Kongruenz zwischen der Valenz der Reize und der Stimmung während der Enkodierung zurückzuführen (encoding congruency). Referat - PS Motivation und Emotion SS 2001 Julia Schindler 9900844 -8- Die Unterscheidung, wie Stimmungskongruenzeffekte herbeigeführt werden können, nach Gilligan und Bower (1984): - stimmungskongruente Reize werden schneller verarbeitet als stimmungsinkongruente stimmungskongruente Inhalte werden stärker elaboriert, was mit einer Verlängerung der Enkodierzeit einhergeht Ob sich Stimmungskongruenz bei der Textverarbeitung zeigen, hängt davon ab, ob die Eigenschaften des Materials elaborative Verarbeitungsprozesse nahe legen oder nicht. Voraussetzung hierfür ist die hohe persönlich Relevanz des präsentierten Materials. Ist diese nicht vorhanden, so kommt es zu einer Verkürzung der Lesezeit für kongruente Information. Es gibt noch ein ganze Reihe weiterer stimmungsbezogener Effekte bei der Sprachverarbeitung. Beispielsweise wird eine generell beeinträchtigende Wirkung depressiver Stimmung auf kognitive Leistungen vorhergesagt. Der Schwierigkeitsgrad der Aufgabe moderiert diesen Effekt jedoch erheblich. Bei depressiven Patienten zeigt sich eine konsistent reduzierte Gedächtnisleistung. Diese Verringerung der verfügbaren „Ressourcen“ wirkt sich auch auf sprachliche Leistungen aus. So gelingt die konzeptuelle Sprechplanung depressiver Patienten, im Vergleich zu gesunden Patienten, weniger flexibel. Zu Beeinträchtigungen beim Textverstehen kommt es vor allem dann, wenn Informationen im Langzeitgedächtnis gesucht werden müssen oder wenn elaborative Prozesse erforderlich sind. 4. Abschließende Bemerkung und Ausblick Der wechselseitigen Beziehung zwischen emotionalen und kognitiven Prozessen wird in der Sprachpsychologie nach wie vor zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Zur Zeit ist auch keine in dieser Hinsicht zufriedenstellende Theorie in Sicht. Denn die Formulierung einer solchen Theorie setzt Kenntnisse darüber voraus, an welchen Stellen der Sprachverarbeitung emotionale Prozesse in kognitive Prozesse eingreifen können. Hierfür würde man wiederum die Voraussetzung benötigen, dass die relevanten affektiven Zustände begrifflich differenzierter erfasst werden und vor allem, dass ihrer Operationalisierung mehr Beachtung beschenkt wird. Sekundärliteratur: Emotionspsychologie – Jürgen H. Euler, Harald A. Euler, Heinz Mandl (Beltz 2000) Teil 4: Kapitel 3 (Gedächtnis und Emotion) und Kapitel 4 (Sprache und Emotion)