Die Grenzfläche Lunge und ihr Immunsystem - Ruhr

Werbung
Im Fokus
Serie „Das kleine 1 x1 der Immunologie“ – Teil 13
Die Grenzfläche Lunge und ihr
Immunsystem
A L B R E C H T B U F E , M A R C US P E T E R S , R E I N H A R D PA B S T , TH O M A S TS C H E R N I G
Einleitung: Die Grenzfläche der Lunge umfasst die Schleimhaut
der Trachea, der Bronchien und der Bronchiolen sowie die
Oberflächenschicht der Alveolen. Dabei organisiert sich das
Immunsystem der Lunge neben der Schleimhaut auch im Lungenparenchym, im Interstitium, in den pulmonalen Lymphknoten und – nach chronischer Stimulation – in der Schleimhaut als Bronchus-assoziiertes lymphatisches Gewebe (BALT).
Aufbau der Schleimhaut und Alveolen: Trachea, Bronchien
© A. Bufe
und Bronchiolen haben ein Epithel, das aus unterschiedlichen
Zelltypen besteht. Das Epithel hat eine Basalmembran. Auf dieser lagern Basalzellen, aus denen die Zilienzellen, Clara-Zellen
sowie die Schleim produzierenden Becherzellen entstehen. Bei
Generierung des BALT, z. B. unter Krankheitsbedingungen wie
bei der COPD (chronic obstructive pulmonary disease), lassen
sich in der Epithelschicht M-Zellen oberhalb des Lymphgewebes
finden. Die Lamina propria der Trachea, der Bronchien und der
Bronchiolen hat eine gleichartige Grundstruktur. Dabei besteht
die Trachea aus Knorpel, glatter Muskulatur, elastischen Fasern, Drüsenzellen, Blut- und Lymphgefäßen sowie Nervengewebe. In den Bronchiolen gibt es keinen Knorpel und die Lamina propria geht bei zunehmender Verzweigung in das Interstitium der Alveolen über.
Die Alveolen werden ausgekleidet von den Alveolarepithelzellen oder Pneumozyten Typ I. Dazwischen eingelagert sind
die Pneumozyten Typ II. Man erkennt diese an den lamellären
Einschlüssen, welche Surfactant-Speicher darstellen. Dicht an
die Membran der Pneumozyten Typ I sind die endständigen
Abb. 1: Die Zellen des Immunsystems in den Lungenkompartimenten
14
Allergo J
2014; 23 (2)
Lungenkapillaren angelagert. Hier findet der Gasaustausch
zwischen Alveole und Kapillaren statt. Das Interstitium zwischen den Alveolen enthält das Gefäßnetz sowie Bindegewebszellen wie Fibroblasten und Fibrozyten.
Antigene: Die Atemluft enthält mikrobielle Antigene, inklusive
Allergene, Staubpartikel und verschiedenste Gase. Diese Stoffe
dringen abhängig von ihrer Größe unterschiedlich weit in die
Tiefe des Bronchialbaums vor. Sie interagieren mit der Oberfläche der jeweiligen Schleimhäute und können gegebenenfalls
durch die Epithelschicht der Schleimhäute gelangen – z. B.
durch die M-Zellen, die Fortsätze der dendritischen Zellen
(DZ), die bis in das Lumen der Atemwege reichen können. Nach
Epithelzellschädigung können diese Stoffe auch zu Zellen des
Immunsystems gelangen.
Die angeborene Immunantwort in der Lunge: Pathogen-Rela-
ted Rezeptoren (PRR), Zilienzellen sowie der Mukus sind an
der angeborenen Immunantwort in der Lunge beteiligt:
— Mukus: Der in den Drüsen- und Becherzellen produzierte
Schleim legt sich wie eine eigene Membran über das Epithel
von Trachea, Bronchien und Bronchiolen. Der Mukus enthält zahlreiche proteolytische Enzyme, antiproteolytische
Moleküle, antimikrobielle Peptide (z. B. Defensine) und Antikörper, insbesondere Immunglobulin A (IgA).
— Zilien: Die Bürsten und Zilienzellen tragen den aktiven Zilienapparat, dessen Aufbau (an anderer Stelle ausführlich
dargestellt) zum sogenannten „bronchial-mucocilliary escalator“ gehört und dem ständigen Abtransport von Schleim,
Zellen und Partikeln unterschiedlicher Größe in Richtung
apikal dient.
— PRR: Die Epithelzellen der Lungenschleimhaut und der Alveolen tragen zahlreiche Rezeptoren, die unterschiedlichste Pathogen assoziierte Moleküle (PAMPs) erkennen und binden
können [1]. Für das Bronchial- und Alveolarepithel weiß man,
dass folgende Rezeptoren auf den Epithelzellen exprimiert
werden: TLR (Toll-like receptor) 1, 2, 3, 5, 6, 9. TLR4 wird bei
Infektionen hochreguliert, Trachealepithelzellen tragen ihn
konstitutiv. Zusätzlich findet man in den Epithelzellen NODlike- und die erst kürzlich gefundenen RIG-like-Rezeptoren
sowie den Mannose-Rezeptor Dectin-1 und die Surfactant
Proteine A und D, die ebenfalls als PRRs fungieren.
Die Zellen des pulmonalen Immunsystems: Im folgenden werden die Zellen des pulmonalen Immunsystems (Abb. 1) vorge-
stellt. Hier ein Überblick über ihre Lokalisation und Funktion
(vgl. Tab. 1):
— Alveolarmakrophagen (AM): Die Lunge, insbesondere die
Alveolen stellen ein großes Kompartiment für Makrophagen
dar. Etwa 70 % der AM werden in der Lamina propria und
dem Interstitium aus Monozyten generiert und wandern
dann in die Alveolen. Ihre Hauptfunktion ist die Phagozytose, vermittelt über PRRs oder Antikörperbindung. AM
können proinflammatorische Antworten auslösen, Chemokine freisetzen und die adaptive Immunantwort aktivieren
oder inhibieren. Letzteres geschieht vor allem über die Regulation der Antigenpräsentation von dendritischen Zellen.
Allergo J
2014; 23 (2)
| Tabelle 1
Zellen des Immunsystems in den Lungenkompartimenten (konstitutiv oder unter Krankheitsbedingungen)
Zellart
T-Zellen (CD4/8,
αβ/γδ, Treg,
Th1, 2, 17 etc.)
Natürliche
Killerzellen (NK)/
NKT-Zellen
B-Zellen, Plasmazellen
Monozyten,
Makrophagen
Dendritische
Zellen
Mastzellen
Eosinophile
Granulozyten
Basophile
Granulozyten
Neutrophile
Granulozyten
Lokalisation
Schleimhaut, Lamina
propria, Interstitium,
Lymphknoten, BALT
Schleimhaut, Lamina
propria, Interstitium,
Lymphknoten
Schleimhaut, BALT,
Lymphknoten
Schleimhaut, insbesondere
alveolär, Lamina propria,
Interstitium, Lymphknoten,
BALT
Schleimhaut, Lamina
propria, Interstitium,
Lymphknoten, BALT
Funktion
Angeborene und adaptive
Immunität, Regulation der
Immunantwort
Virus- und
Tumorimmunität
Adaptive Immunantwort
Phagozytose, Pro-Inflammation, Regulation der
adaptiven Immunantwort
Phagozytose, Antigenprozessierung, Antigenpräsentation, Regulation der
adaptiven Immunantwort
Schleimhaut, Lamina
Angeborene Immunpropria, Interstitium
antwort, Sofortreaktionen,
Pro-Inflammation
Schleimhäute, Lamina
Effektorfunktion (insb.
propria, Interstitium
Parasiten, Allergene),
Mediator-, Toxinfreisetzung
Schleimhäute, Lamina
Effektorfunktion (insb.
propria, Interstitium (selten) Parasiten, Allergene),
Mediator-, Toxinfreisetzung
Schleimhäute, Lamina
Effektorfunktion (insb.
propria, Interstitium.
antibakteriell) Phagozytose,
Mediator-, Toxinfreisetzung
Treg, regulatorische T-Zellen; NK-Zellen, natürliche Killerzellen; NKT-Zellen, natürliche
Killer-T-Zellen; BALT, Bronchus-assoziiertes lymphatisches Gewebe
AM sind im Übrigen beteiligt an der Homöostase des Surfactant [2, 3].
— Mastzellen: Insbesondere in der Lamina propria und dem
Interstitium finden sich unterhalb der Basalmembran zwischen der glatten Muskulatur und den afferenten und efferenten Neuronen des Nervus vagus dicht angelagert eine
große Anzahl von Mastzellen. Diese sind phänotypisch und
funktionell mit den übrigen Mastzellen im Körper vergleichbar und können durch Freisetzung von Histamin, Leukotrienen und Chemokinen wie Interleukin 8 zu einer schnellen Antwort des angeborenen Immunsystems beitragen [4].
— Natürliche Killerzellen (NK-Zellen) und γδ-T-Zellen: Wie
durch die übrigen Gewebe zirkulieren die NK-Zellen auch
durch die Lunge und insbesondere in die Lamina propria und
das Interstitium. Dabei sind in der Lunge viel mehr NK-Zellen als in vielen anderen Organen. Die γδ-T-Zellen als Teil
des angeborenen Immunsystems lassen sich ebenfalls, wenn
auch nicht so häufig wie in der Darmmukosa, im Epithel
nachweisen.
Die adaptive Immunantwort in der Lunge: An der adaptiven
Immunantwort in der Lunge sind sowohl DZ als auch M-Zellen und das BALT beteiligt:
— DZ: Die DZ sind konstitutiv in der Lamina propria und dem
Interstitium sowie teilweise mit ihren Fortsetzen zwischen
15
Im Fokus
Serie „Das kleine 1 x1 der Immunologie“ – Teil 13
dem Atemwegsepithel in abnehmender Frequenz in Richtung
Peripherie bis in die Alveolen zu finden. Als unreife Formen
zirkulieren sie konstant vom Knochenmark durch den Körper und in die Schleimhäute und reifen dort aus. Die DZ wandern mit der afferenten Lymphe in die drainierenden Lymphknoten und präsentieren dort den T-Zellen das Antigen. Dabei regulieren sie die adaptive Immunantwort durch Aktivierung oder Tolerisierung von T-Lymphozyten [5].
— M-Zellen und BALT: Im Unterschied zur Schleimhaut des
Darmes ist das MALT („mucosa associated lymphoid tissue“)
in der Lunge – hier als BALT bezeichnet – nur bei Neugeborenen und Säuglingen konstitutiv entwickelt. Beim gesunden
Erwachsenen fehlt es vollständig und wird nur nach Aktivierung durch noch unklare Mechanismen z. B. unter Krankheitsbedingungen aktiviert [6]. Dabei differenzieren sich
Basalzellen zu M-Zellen. Es erscheint als eine Ansammlung
von follikulär dendritischen Zellen (FDZ), T- und B-Zellen,
wobei sich diese nach Induktion einer adaptiven Immunantwort als Keimzentrum organisieren können. Es sind außerdem Plasmazellen zu finden, die alle Antikörperisoformen,
vor allem aber IgA produzieren können.
Zusammenfassung: Im Falle der Erkrankung können sämt-
Lymphozyten: T-Lymphozyten und deren Subtypen (CD4/8,
Prof. Dr. Reinhard Pabst
Institut für Immunmorphologie, Medizinische Hochschule
Hannover,
Th1/2, Th17 etc., regulatorische T-Zellen (Treg), naive und Gedächtniszellen) sowie B-Lymphozyten und deren Subtypen
sind mit unterschiedlicher Zusammensetzung in verschiedenen Kompartimenten der Lunge zu finden.
— Lymphgefäße und Lymphknoten der Lunge: Afferente
Lymphgefäße lassen sich vor allem in der Trachea und in der
Lamina propria der großen Bronchien sowie im perivaskulären Raum des Interstitiums nachweisen. Sie leiten die Lymphe in die paratracheal und parabronchial gelegenen Lymphknoten der Lunge, die ihrerseits arteriell und venös versorgt
werden. Damit ist einerseits der direkte und über die DZ gesteuerte lymphatische Antigentransport möglich, andererseits wird vaskulär über die hohen endothelialen Venolen
(HEV) die Lymphozytenzirkulation gesichert.
Abhängigkeiten: In Abhängigkeit vom mikrobiologischen Sta-
tus, Alter, Geschlecht und natürlich je nach Spezies kann das
pulmonale Immunsystem strukturell und funktionell sehr unterschiedlich sein. Weiterhin sollte die Kinetik der Immunzellen
(Einstrom, Verweildauer, Zelltod, Ausstrom) für jedes Kompartiment berücksichtigt werden.
16
liche angeborenen, adaptiven, pro- und antiinflammatorischen Prozesse in der Lunge durch Phagozytose, Antigenpräsentation, T-Zell-Programmierung und B-Zell-Aktivierung sowie Homing von Immunzellen abgerufen werden. Die
krankheitsassoziierte Entwicklung von mukosalem Lymphgewebe, dem BALT, der apikale Transport von Fremdstoffen
durch die Zilien und die hohe Frequenz der auf dem Epithel
befi ndlichen Makrophagen zur primären Phagozytose sind
spezielle Eigenschaften, die so nur in der Lungenschleimhaut
zu fi nden sind.
Prof. Dr. Albrecht Bufe
Experimentelle Pneumologie
Bergmannsheil-Universitätsklinik
Ruhr-Universität Bochum
Bürkle-de-la-Camp-Platz 1
44789 Bochum
E-Mail: [email protected]
Dr. rer. nat. Marcus Peters
Experimentelle Pneumologie, Ruhr-Universität Bochum
Prof. Dr. Thomas Tschernig
Institut für Anatomie und Zellbiologie, Universität des Saarlandes,
Homburg
Literatur
1. Rohmann K, Tschernig T, Pabst R, Goldmann T, Dromann D. Innate
immunity in the human lung: pathogen recognition and lung disease.
Cell Tissue Res 2011; 343: 167–74
2. Janeway CA Jr. How the immune system recognizes invaders. Sci Am
1993; 269: 41–7
3. Smith MR, Standiford TJ, Reddy RC. PPARs in alveolar macrophage
biology. Ppar Res 2007; 2007: 23812
4. Galli SJ. New concepts about the mast cell. New Engl J Med 1993; 328:
257–65
5. Vermaelen K, Pauwels R. Pulmonary dendritic cells. Am J Respir Crit
Care Med 2005; 172: 530–51
6. Pabst R, Tschernig T. Bronchus-associated lymphoid tissue: an entry site
for antigens for successful mucosal vaccinations? Am J Respir Cell Mol
Biol 2010; 43: 137–41
Allergo J
2014; 23 (2)
Herunterladen