SPEZIALTHEMA KARDIOLOGIE EDITORIAL L A I Z E SP Schon jetzt sind Herzerkrankungen in den Industrienationen die häufigste Todesursache und werden mit zunehmendem Durchschnittsalter der Bevölkerung noch häufiger. Die moderne Kardiologie jedoch nutzt viele diagnostische und therapeutische Methoden. Noch vor zehn Jahren war bei vielen Herzerkrankungen der Herzkatheter die erste Wahl. Heute ist für die Diagnose von Herzklappenerkrankungen oder Herzmuskelschwäche jedoch der Herzultraschall die beste Methode, für Herzmuskelentzündungen die Kernspintomographie. Herzkatheteruntersuchungen führen wir hier nur noch durch, wenn eine Operation unausweichlich ist. Beim akuten Herzinfarkt dagegen ist die Behandlung per Herzkatheter die beste Methode. Doch der muss an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr verfügbar sein. Das geht nur in einer Klinik mit mehreren Herzkatheterlaboren und genügend qualifizierten Kardiologen, so dass weder Feiertage noch Tages- oder Urlaubszeit die Behandlungsqualität beeinflussen. Ich bin froh, dass unsere Klinik hier am St. Vincenz-Krankenhaus auch höchsten Ansprüchen an eine moderne, patientenorientierte Kardiologie gerecht wird. Prof. Dr. Andreas Götte Chefarzt Medizinische Klinik II DIFFERENZIERTE DIAGNOSTIK STATT „08/15“ Moderne Kardiologie ist Hochleistungsmedizin, die mit immer feineren DiagnoseVerfahren und neuen Therapien Menschenleben rettet und Leiden mindert. Dabei geht es allerdings nicht darum, bei jedem Patienten auch alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten anzuwenden. „Ein guter Arzt muss erkennen, dass nicht jede Therapie für jeden Patienten geeignet ist“, sagt Prof. Dr. Andreas Götte, Chefarzt der Medizinischen Klinik II im St. Vincenz-Krankenhaus. „Uns geht es immer darum, für jeden einzelnen Patienten die individuell richtige Therapie zu finden. Auch die Diagnose-Technik setzen wir so risikoarm und schonend wie möglich ein.“ Lesen Sie mehr im Innenteil. IAL SPEZ KURZINTERVIEW WENIGER IST MANCHMAL MEHR Kardiologie steht seit einiger Zeit in dem Ruf, eher etwas zu viel zu tun. Wie ist das denn aus Patientensicht? Prof. Dr. Götte: Es geht natürlich nicht darum, etwas auszulassen, was dem Patienten hilft. Manchmal ist es aber einfach besser, auf bestimmte Maßnahmen zu verzichten. dikamenten - ein Herzinfarkt so also nicht unbedingt verhindert wird. Bei einem akuten Herzinfarkt dagegen, kann ein Stent lebensrettend sein. Ähnliches gilt für cholesterinsenkende Medikamente. Die sind meistens nur zur Weiterbehandlung nach einem Herzinfarkt sinnvoll, nicht als Prophylaxe. an. Wir betrachten jeden einzelnen Patienten individuell und wägen dabei das Für und Wider bestimmter Maßnahmen sorgfältig ab. Die moderne Kardiologie bietet Techniken und Messaparaturen, die eine individuelle Entscheidung für oder gegen einen Stent schon auf dem Kathetertisch erlauben. Diese Verfahren vorzuhalten, ist jedoch so kostenintensiv, dass sie in der Regel nur in großen kardiologischen Kliniken wie unserer zur Verfügung stehen. Wichtig ist aber auch, dass der Patient selbst zu seiner Heilung beiträgt. Was kann ich als Patient dazu tun? Gilt das auch für die Diagnostik? Was könnte das sein? Prof. Dr. Götte: Es hat sich zum Beispiel gezeigt, dass Patienten bei einer stabilen Angina Pectoris mit prophylaktischen Stents nicht unbedingt länger und besser leben, als mit den bewährten Me- . . . Fortsetzung von Seite 1 Herzstück der diagnostischen und therapeutischen Verfahren in der Kardiologie ist der Herzkatheter. Im St. Vincenz stehen derzeit zwei dieser hochmodernen Hightech-Einheiten zur Verfügung. Ende 2012 kommt ein dritter Meßplatz. Bei der Herzkatheter-Untersuchung wird ein extrem dünner, biegsamer Kunststoffschlauch in eine direkt unter der Haut liegende Vene (Rechtsherz-Katheter) oder Arterie (Linksherz-Katheter) eingeführt. Je nach Untersuchungsziel steuert der Arzt, unterstützt von einer dreidimensionalen Röntgendarstellung, die entspre- Als erste Klinik in OWL nutzt die Kardiologie im St. VincenzKrankenhaus einen hochmodernen, endoskopisch gesteuerten Laser um Arrythmien zu behandeln. Prof. Dr. Götte: Natürlich. Heute denken die Menschen, beim Kardiologen immer gleich an Herzkatheter. Dabei haben wir heute durchaus eine ganze Reihe weniger invasiver Alternativen. Und die wenden wir da, wo es sinnvoll ist, natürlich auch chenden Gefäße oder Herzkammern an. Dort misst er zum Beispiel Druck, Temperatur, Sauerstoffsättigung und elektrische Aktivitäten. Mit einer Angiografie können außerdem eventuelle Verengungen und angeborene Herzfehler durch Kontrastmittel sichtbar gemacht werden. Viele Erkrankungen, die der Arzt bei der Katheteruntersuchung feststellt, behandelt er auch gleich – zum Beispiel durch die Aufweitung verengter Gefäße mit einer Ballondilatation und das Setzen sogenannter Stents. Auch therapeutische Verödun- Prof. Dr. Götte: Übergewicht reduzieren, mit dem Rauchen aufhören und regelmäßig bewegen! Damit verringern Sie nicht nur deutlich das Risiko an einem Herzinfarkt zu sterben, sondern verbessern auch Ihre allgemeine Gesundheit und Vitalität. gen, wie der Verschluss des linken Herzohrs zur Schlaganfallprophylaxe werden per Katheter durchgeführt. Alternativen zum Herzkatheter „Aber natürlich muss bei uns nicht jeder Patient gleich ins Herzkatheter-Labor“, betont Götte. „Wo immer es möglich ist, setzen wir weniger invasive Verfahren ein. Schließlich haben wir da heute deutlich mehr Alternativen als noch vor zehn Jahren.“ Gerade die bildgebenden Verfahren wie CT und MRT haben sich so enorm weiterentwickelt, dass sich viele Verengungen heute auch auf diesem Wege lokalisieren lassen. „Viele Untersuchungen führen wir deshalb gemeinsam mit unserer Klinik für Radiologie durch“, so Götte. Die verfügt über einen Hochleistungs-64Zeilen-CT und ein mit allen technischen Möglichkeiten ausgestattetes 1,5 Tesla MRT. „In der Kardiologie nutzen wir darüber hinaus spezielle, hochmoderne Diagnosetechnik wie die Echokardiografie mit 3D-Rekonstruktion und Gewebedoppler oder neueste EKG- und ErgometrieTechnologie.“ Als bisher einzige Klinik in OWL verfügt die St. Vincenz-Kardiologie außerdem über einen endoskopisch gesteuerten Laser zur Ablation von Arrhythmien. IAL SPEZ PLÖTZLICHER HERZTOD: NEUES TESTVERFAHREN Jährlich sterben in Deutschland etwa 100.000 Menschen am „plötzlichen Herztod“, der meist durch bösartige Rhythmusstörungen der Herzkammer verursacht wird. Die Medizinische Klinik II hat mit der Universitätsklinik Magdeburg einen Bluttest entwickelt, um Risikopatienten zu identifizieren. Der Test basiert auf der Messung von Faktoren des Stickstoffabbaus im Blut. Die Resultate waren insgesamt so ermutigend, dass der Test nun auch im St. Vincenz angeboten wird. Zur Verhinderung des plötzlichen Herztodes werden hier unter anderem auch Defibrillatoren implantiert. Neue Überwachungsmethoden erlauben dabei die Übermittlung von Schrittmacherdaten von zu Hause. „HERZPFROPFEN“ GEGEN SCHLAGANFALL Vorhofflimmern lässt den Blutfluss im Herzen teilweise erliegen. Dabei können Blutgerinnsel entstehen, die wiederum das Schlaganfall-Risiko erhöhen. Jetzt kann die Medizinische Klinik II auch den Patienten helfen, die trotz Herzrhythmusstörung keine vorbeugenden Blutverdünnungs-Medikamente einnehmen dürfen. Dafür werden mit dem Katheter „Herzpfropfen“, sogenannte Okklusionssysteme, in das Herz eingesetzt. Mit diesem System aus Drahtgeflecht wird das linke Herzohr der Patienten so verschlossen, dass keine Gerinnsel aus dem Herzen in das Gehirn gelangen. Die Patienten können das Krankenhaus schon zwei Tage nach dem Eingriff wieder verlassen. KARDIOLOGIE UND HERZCHIRURGIE Um die bestmögliche Versorgung herzkranker Patienten zu gewährleisten, unterhält die Medizinische Klinik II Kooperationen mit namhaften Herzchirurgischen Abteilungen. Besonders eng ist die Zusammenarbeit mit dem von Prof. Dr. Jan Gummert geleiteten Herzzentrum in Bad Oeynhausen. Seit Anfang 2012 ist Prof. Dr. Andreas Götte dort als offizieller Mitarbeiter beschäftigt, um seine Patienten gemeinsam mit den hochspezialisierten Herzchirurgen zu operieren. Von den Synergien zwischen wissenschaftlicher Arbeit und Krankenversorgung in der Medizinischen Klinik II profitieren nicht nur die Ärzte, sondern vor allem die Patienten. KRANKENHAUS UND WISSENSCHAFT Mehr als sechs Millionen Europäer leiden unter Vorhofflimmern - mit dem zunehmendem Durchschnittsalter werden es noch deutlich mehr. Die interventionelle Behandlung dieser gefährlichen Arrhythmie ist ein wichtiger Schwerpunkt der Medizinischen Klinik II mit stark steigenden Patientenzahlen. Über ein hochmodernes Spiralkathetersystem werden Herzrhythmusstörungen hier mit dreidimensionalen Mapping-Systemen behandelt, was die Interventionszeit der Vorhofflimmerablation deutlich verringert. Research in Atrial Fibrillation) gefördert. Wichtigstes Ziel ist es, eine Gefährdung schon in einem sehr frühen Stadium zu erkennen und die Einflussfaktoren besser zu verstehen. Deshalb wird derzeit der Zusammenhang von Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen untersucht. Außerdem sollen genaue diagnostische Werkzeuge entwickelt werden, um individuelle Therapien zu entwerfen. Patienten profitieren Prof. Götte forscht schon seit mehr als 20 Jahren auf diesem Gebiet und und ist CoAutor der europäischen Leitlinien zur Diagnostik und Behandlungen von Vorhofflimmern. Seine vielbeachtete wissenschaftliche Tätigkeit führt er auch als Chefarzt im St. Vincenz-Krankenhaus intensiv weiter. Bindeglied zwischen Klinik-Arbeit und Wissenschaft ist dabei das Vorhofflimmern. Vorhofflimmern früh erkennen Götte ist Professor an der medizinischen Fakultät der Universität Magdeburg. Die von ihm geleitete Arbeitsgruppe „Molekulare Elektrophysiologie“ führt dort an der Uniklinik intensive basiswissenschaftliche Untersuchungen durch. Seit November 2010 wird die Arbeitsgruppe im Rahmen des EU-Projektes EUTRAF (European Network for Translational Die klinischen Untersuchungen für dieses Projekt werden im St. Vincenz-Krankenhaus durchgeführt und vom kardiologischen Studienbüro betreut. Aktuelles Teilprojekt ist das „Surface–ECG–Mapping“, bei dem das morphologische Substrat von Vorhofflimmern mit einem Hochleistungs-EKG-System (256-Kanal) ohne Herzkatheter untersucht wird. „Die Verzahnung von Krankenversorgung und Forschung bringt immense Vorteile“, erläutert Götte. „Besonders den Patienten, die von einer Versorgung auf dem allerneusten Stand der Medizin profitieren.“ Die wissenschaftliche Interaktion initiiere außerdem viele Projekte, die die Klinik für junge Ärztinnen und Ärzte interessanter machen. Jüngstes Ergebnis dieses Austauschs ist das Lehrbuch „Kardioversion von Vorhofflimmern“ (Uni-Med Verlag, 2011), das seine Mitarbeiter gemeinsam verfasst haben. ADRESSE St. Vincenz-Krankenhaus Am Busdorf 2 33098 Paderborn www.vincenz.de Sekretariat: Birgit Pieper Telefon: 05251/86-1651 Telefax: 05251/86-1652 E-Mail: [email protected] Sprechzeiten: Mo.-Fr. 8.00-17.00 Uhr und nach Vereinbarung MEDIZINISCHE KLINIK II (KARDIOLOGIE) Schwerpunktversorgung in den Bereichen Kardiologie, interventionelle Elektrophysiologie und internistische Intensivmedizin in der Region Paderborn. Schwerpunkte: Diagnostik und Therapie von Krankheiten des Herzens und der Blutgefäße Ballon-Aufweitung, Gefäßstützenimplantation und Rotationsangioplastie eingeengter oder verschlossener Herzkranzgefäße Behandlung von Herzrhythmusstörungen Ablation von Vorhof- und Kammerrhythmusstörungen. Zur Ablation von Vorhofflimmern steht seit kurzem auch eine endokospie-gestützte Lasertechnologie zur Verfügung (Pulmonalvenenisolation) Behandlung von Herzmuskelschwäche Implantation und Nachsorge von Herzschrittmachern und Defibrillatoren Kardiologische und internistische Intensivmedizin Herzinfarkt-Hotline: 05251/86-1680 Stationäre Aufnahme: 05251/86-1660 24-Stunden-Notfalltelefon: 05251/86-0 INFOS 88 Betten, 16 Intensivbetten, zwei (ab Ende 2012 drei) Herzkatheter-Messplätze. Für das Team der Medizinischen Klinik II ist Kardiologie Herzenssache. PROF. DR. ANDREAS GÖTTE 2011: 6.257 stationäre Patienten 3.879 Linksherzkatheteruntersuchungen mehr als 6.200 transthorakale und transoesophageale Echokardiografien 2009 bis 2011: Steigerung der elektrophysiologischen Untersuchungen und Ablationen um 65 Prozent St. Vincenz-Krankenhaus GmbH Hauptgeschäftsführer Dr. Josef Düllings Redaktion: Julika Kleibohm, PR & Redaktionsbüro Herstellung: Offsetdruck Dieckhoff, Witten Mai 2012 Prof. Dr. Andreas Götte, ist seit Januar 2010 Chefarzt der Medizinischen Klinik II im St. Vincenz-Krankenhaus. Er gilt als national und international anerkannter Experte für die Behandlung von Durchblutungsstörungen des Herzens und Herzrhythmusstörungen. Für seine wissenschaftliche Arbeit in Los Angeles, Atlanta und Magdeburg wurde er bereits mit mehreren Forschungspreisen ausgezeichnet. Vor seinem Wechsel nach Paderborn war Götte stellvertretender Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie an der Universitätsklinik in Magdeburg. Heute lehrt und forscht er dort als Professor an der medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke Universität. Götte arbeitet seit Jahren in wissenschaftlichen Gremien der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie, im Lenkungsausschuss des deutschlandweiten Kompetenznetzes „Vorhofflimmern“ sowie in der Kernarbeitsgruppe für „zelluläre Elektrophysiologie“ der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Derzeit ist er außerdem Vorsitzender der Programmkommission der Europäischen Herzrhythmus Assoziation (EHRA) und bis 2013 verantwortlich für alle wichtigen europäischen Herzrhythmuskongresse.