Inhalt - Zeitschrift für Infektionstherapie

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ZEITSCHRIFT FÜR
ISSN 0722/5067
Informationen für Ärzte und Apotheker zur rationalen Infektionstherapie
Übersicht
Nephrotoxizität der Aminoglykoside - neue Daten zur Einmaltäglich-Dosierung
Multiresistente gramnegative Bakterien sind
immer häufiger die Verursacher schwerwiegender, oft lebensbedrohlicher Infektionen.
Auf Intensivstationen stellen Infektionen
durch Pseudomonas oder Acinetobacter
Spezies, die gegen alle ß-Laktamantibiotika
und Chinolone resistent sind, ein zunehmendes Problem dar. Seit Jahren wurde in
einigen Ländern die Anwendung von Colistin (in Deutschland nicht im Handel) trotz
der toxikologischen Risiken empfohlen,
weil kein anderes Antibiotikum mehr wirksam ist. Eine ähnliche Situation besteht mit
den Aminoglykosiden Gentamicin (REFOBACIN u.a), Tobramycin (GERNEBCIN u.a.) und Amikacin (AMIKACIN
FRESENIUS). Durch die Entwicklung
und den Einsatz der risikoärmeren ß-Laktamantibiotika wurden seit den 1980er
Jahren Aminoglykoside zunehmend seltener angewandt. Hauptgrund für die rückläufige Verwendung der Aminoglykoside
waren mögliche nephro- oder ototoxische
Wirkungen. In einer aktuellen Publikation
wird nochmals darauf hingewiesen, wie die
Behandlung mit Aminoglykosiden sicherer
gemacht werden kann.1,2 Durch Auswertung der Daten aus mehreren Studien, die
bei Erwachsenen durchgeführt wurden,
betonen die Autoren die drei wesentlichen
Punkte:
1. Einmal-täglich-Dosierung,
2. kurze Behandlungsdauer (maximal
sieben Tage),
3. Plasmaspiegelbestimmungen.
Es wurde berechnet, dass zum Beispiel eine
Infektion durch einen Erreger mit einer minimalen Hemmkonzentration von mehr
als 1 mg/l mit einer zweimal täglichen Gabe
eines Aminoglykosides nicht sinnvoll behandelt werden kann. Mit dem Konzept
der Einmalbehandlung sinkt das Risiko
für Nephrotoxizität und mit einer EinmalTagesdosis von 10 mg/kg kann sogar eine
September/Oktober 2011 - 32. Jahrg.
5/2011
Inhalt
Übersicht
— Nephrotoxizität von Aminoglykosiden: Neue Daten
Wichtige Erreger in Klinik und Praxis (47)
— Chlamydia trachomatis
Neueinführung
– Boceprevir bei Hepatitis C
Seite 41-44
Seite 43
Seite 44-45
Pilzinfektionen
— Candida-Peritonitis
— Voriconazol bei ZNS-Mykosen
– Azol-Antimykotika und Teratogenität Seite 46
Seite 46
Seite 46-47
Intensivmedizin
– Gramnegative bakterielle ZNS-Infektionen
– Gramnegative Sepsis: Antibiotische Vorbehandlung beachten
Seite 47-48
Seite 48
Prophylaxe
– Antibiotika bei Entfernung von Harnblasenkathetern? Seite 48-49
Pharmapolitik
– Generische Antibiotika erhöhen Verschreibung und Resistenz
Seite 49
Helicobacter-Infektion
– Sequentialtherapie erfolgreich in der Zweitlinienbehandlung?
Seite 50
Infektion mit einem Erreger, der eine MHK
von 4 mg/l aufweist, erfolgreich behandelt
werden.
Hohe Spitzenkonzentrationen,
kurzzeitige Therapie
Aminoglykoside wirken im Gegensatz zu
ß-Laktamantibiotika
konzentrationsabhängig bakterizid. Dazu kommt ein postantibiotischer Effekt, der umso deutlicher ist,
je höher die Spitzenkonzentration ist. Eine
Hemmung der Bakterien erfolgt auch bei
Konzentrationen unterhalb der minimalen Hemmkonzentration (MHK). Aus mikrobiologischen Gründen sind also hohe
Spiegel anzustreben. Bei einer Therapie
mit Amikacin, das höher dosiert wird als
Gentamicin oder Tobramycin, ist als Ziel
eine Spitzenkonzentration von mehr als
60 mg/l gefordert worden. Ärzte der Universitätsklinik in Santiago de Chile stellten
bei ihren intensiv-medizinisch behandelten
Patienten fest, dass dieses Ziel mit der empfohlenen Standarddosierung von 15 mg/kg
täglich nicht erreicht wurde. 3 Sie erhöhten
die Dosierung daraufhin auf 25 mg/kg und
später sogar auf 30 mg/kg. Mit den höheren
Dosierungen wurden bei 39 % und 76 % der
Patienten Werte über 60 mg/l erzielt. Die
Mittelwerte der Spitzenkonzentrationen
eine halbe Stunde nach Ende einer 30-minütigen Infusion betrugen mit den drei Dosierungen 35,2 ± 9,4 mg/l, 57,4 ± 9,8 mg/l und
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Zeitschrift für Chemotherapie
Bax: Bcl-2 associated x protein, Bid: BH-3 interacting domain death antagonist, Apaf-1: apoptosis protease activating factor-1
Gentamicin und andere Aminoglykosid-Antibiotika werden über den Megalin / Cubilin-Rezeptorkomplex durch Endozytose in die
Zellen des proximalen Tubulus in der Nierenrinde aufgenommen. Sie reichern sich in Lysosomen, Golgi-Apparat und endoplasmatischem Retikulum an. Durch Hemmung von Phospholipasen kommt es zur Phospholipidose, einem Phänomen, das in hohem
Ausmaß mit der Toxizität der Aminoglykoside korreliert. Ab einer bestimmten Schwellenkonzentration kommt es zu einer Zerstörung der lysosomalen Membran, der Inhalt wird ins Zytoplasma freigesetzt. Das Aminoglykosid wirkt dann direkt und indirekt auf
die Mitochondrien. Der Apoptoseweg wird aktiviert, die Atmungskette wird unterbrochen und die ATP-Synthese reduziert; über
einen Anstieg von Superoxid-Anionen kommt es zum oxidativen Stress. Mit der Zerstörung der Lysosomen werden Cathepsine
freigesetzt, die ebenfalls die Apoptose fördern und eine massive Proteolyse verursachen können, die direkt zur Nekrose der Zelle
führen.
72,1 ± 18,4 mg/l. Die Kreatinin-Clearance
wurde nach zwei und vier Wochen bestimmt. Die Behandlungsdauer lag bei den
Patienten mit Standarddosierung im Mittel
bei zehn Tagen, die Dauer war bei den beiden Gruppen mit höheren Dosierungen auf
fünf Tage begrenzt. Insgesamt wurden die
Ergebnisse von 99 Patienten ausgewertet.
Davon hatten 32 bei Studienbeginn eine
Niereninsuffizienz; die Mittelwerte der
Kreatinin-Clearance lagen bei 27, 24 und 30
ml/min, vier Wochen später wurden 49, 69
und 75 ml/min in den drei Gruppen mit 15,
25 und 30 mg Amikacin/kg Körpergewicht
berechnet.
Im August 2008 wurden in Glasgow,
Schottland, die Empfehlungen zur antibakteriellen Therapie geändert.4 Angesichts einer Zunahme von C. difficile-Infektionen
42
wurde die Verwendung von Cephalosporinen, Penicillinen mit ß-Laktamase-Inhibitoren und Chinolonen eingeschränkt. Als
Folge verdoppelte sich die Anwendung von
Gentamicin. Retrospektiv wurde nun untersucht, ob die Anzahl dialysepflichtiger
Patienten im Einzugsbereich der Kliniken
zugenommen hatte. Dazu wurden zwei
Zeiträume vor und nach dieser Maßnahme definiert. Die Anzahl der Patienten,
die während dieser beiden Perioden eine
notfallmäßige, akute Nierenersatz­therapie
benötigten betrug 191 und 184. In beiden
Gruppen hatten 43 % der Patienten Gentamicin erhalten, die befürchtete Zunahme
von schwerwiegend Gentamicin-geschädigten Patienten war also nicht erkennbar.
Insgesamt erfüllten 61 Patienten (40,5 %)
die Kriterien einer Gentamicin-assoziierten
akuten Nierenschädigung – sie hatten in
einem Zeitraum von ein bis zehn Tagen vor
Beginn der Nierenersatztherapie Gentamicin erhalten. Diese Patienten waren häufiger
zuvor operiert worden, häufiger immunsupprimiert oder häufiger intensiv-medizinisch
behandelt worden. Dies deutete auf die Verwendung von Gentamicin bei schwerer Sepsis oder Multiorganversagen hin.
Einmal-täglich Therapie bei Kindern
Auch bei Kindern bietet die einmal-täglichDosierung offenbar Vorteile. In einer prospektiven Studie wurden insgesamt 79 Kinder mit Verdacht auf Sepsis mit Gentamicin
in einer Dosierung von 7 mg/kg einmal
täglich für fünf Tage (Median) behandelt.
Bei zwei Patienten wurde ein irreversibler
Hörverlust und bei einem Patienten eine
vorübergehende Nierenfunktionsstörung
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Wichtige Erreger in Klinik und Praxis (47)
Erkrankungen durch Chlamydien (Miyagawanella): Chlamydia trachomatis
Taxonomie, Morphologie und Kultur: C.trachomatis zählt innerhalb der Gattung Chlamydia zur Familie Chlamydiaceae. Chlamydien sind obligat intrazelluläre, unbewegliche gramnegative
Bakterien. Stoffwechselaktive Bakterien in den Wirtszellen werden als Retikularkörperchen bezeichnet. Eine Übertragung der
Infektion findet durch die extrazelluläre Form (Elementarkörperchen) statt. Erregerreservoir ist ausschließlich der Mensch. Eine
Anzucht von Chlamydien ist über Zellkulturen möglich. Von
C.trachomatis existieren verschiedene Serotypen, welche unterschiedliche Krankheitsbilder hervorrufen können.
Pathogenese, Epidemiologie und ausgewählte Krankheitsbilder:
Der Verlauf einer genitalen Chlamydieninfektion (Serotypen
D-K) verläuft meist chronisch über Monate. Sie beginnt bei etwa
85-90% der Infizierten ohne akutes Krankheitsbild und ist weltweit die häufigste Ursache sexuell übertragbarer Infektionen. Bei
Frauen findet vielfach eine Infektion im jüngeren Alter statt,1,2 da
in dieser Periode physiologischerweise eine Ektopie der Zervix besteht, hier können Chlamydien in die Zellen des Zylinderepithels
eindringen. Bei Frauen mit bakterieller Vaginose ist das Risiko einer Infektion um ca. das 1,8-fache erhöht. 3 Klinisch imponiert ein
mukopurulenter Ausfluss sowie eine hypertrophe zervikale Ektopie. Bei einer akuten Infektion können weitere Symptome wegweisend sein: Perihepatitis (Fitz-Hugh-Curtis-Syndrom) mit Reizung des N.phrenicus und nachfolgenden Schmerzen der rechten Schulter; Blutungen unter Ovulationshemmern; Kontaktblutung der Cervix. Manifestationen der Infektion sind Urethritis mit Dysurie, Bartholinitis, Zervizitis, Salpingitis, Endometritis
oder Proktitis. Verklebungen der Tuben bzw. Eileiterschwangerschaften durch eine chronische Infektion treten erst nach Jahren
(bis zu einem Jahrzehnt) auf. Risikofaktoren für eine Infektion bei
Frauen sind: Alter unter 24 Jahre, Anzahl der Sexualpartner (> 1 in
den letzten 6 Monaten), keine Verwendung von Kondomen, andere (vorangegangene) sexuell übertragbare Erkrankungen, leicht
induzierbare zervikale Blutung, mucopurulenter Fluor. Bei Männern Infektion der Urethra (Inkubationszeit 7-21 Tage); hier sind
Chlamydien eine der häufigsten Ursachen der sogenannten unspezifischen Urethritis mit weißlichem bis klarem Ausfluss, aufsteigender Epididymitis und/oder Prostatitis sowie Proktitis und
Prokto-Kolitis. Meist verläuft die Infektion jedoch asymptomatisch. Etwa 1 bis 3% aller Chlamydien-infizierten Personen entwickeln als Komplikation eine reaktive Arthritis mit Befall größerer
Gelenke der unteren Extremität sowie eine Sakroileitis. Der Symptomenkomplex aus Urethritis, Konjunktivitis und Arthritis ist als
sogenannter Morbus Reiter bekannt.
Gelegentlich tritt eine Konjunktivitis („Schwimmbadkonjunktivitis“) bei Erwachsenen auf, meist mit chronischem Verlauf und
anfänglich uni- dann bilateraler follikulärer Entzündung und geringer purulenter Sekretion; beim Erwachen kleben die Augenlider zusammen.
Infektionen während der Schwangerschaft können zu frühzeitigem Blasensprung bzw. zu Frühgeburt sowie vermindertem Geburtsgewicht, neonatalem Tod und postpartaler Endometritis
führen. Neugeborene können sich während der Geburt infizieren,
eine Konjunktivitis wird bei 30-50% etwa nach 5 bis 15 Tagen beobachtet, aber auch eine Pneumonie mit diffusen Veränderungen
festgestellt. Die Gentamicin-Spiegel waren
nicht auffällig erhöht. Alle drei Kinder waren zuvor allerdings wegen einer Krebserkrankung mit anderen nephro- oder ototoxischen Arzneimitteln, wie Cisplatin
der Lunge im Sinne einer atypischen Form.
Das Trachom (Serotyp A-C) ist eine der wichtigsten Ursachen
einer Erblindung in Ländern der Dritten Welt (Tropen), besonders betroffene Gebiete sind Nordafrika, der Mittlere Osten und
Nordindien. Keimreservoir ist häufig ein infiziertes Familienmitglied. In hyperendemischen Regionen wird die Infektion in der
frühen Kindheit erworben. Die Übertragung erfolgt durch direkten Kontakt oder indirekt über Vektoren (Fliegen), Kleidung.
Die Infektion sistiert meist spontan, häufige Reinfektionen führen
jedoch zu einer narbigen Schrumpfung der Bindehaut der Augenlider und über eine Trübung der Kornea, letztendlich zur Erblindung.
Das Lymphogranuloma venereum (Lymphogranuloma inguinale, Durand-Nicolas-Favre-Syndrom; Serotyp L1-L3) ist eine
sexuell übertragbare Erkrankung. Vorkommen in Asien, Afrika,
Südamerika und Teilen der Karibik mit einer Häufung bei Personen
in der Altersgruppe mit der höchsten sexuellen Aktivität (2. bis 3.
Lebensjahrzehnt), aber auch bei homosexuellen Männern. Die
Erkrankung wird in Deutschland bei Risikogruppen gelegentlich
diagnostiziert, kleine Ausbrüche sind beschrieben.4 Nach der Inkubationszeit (bis zu sechs Wochen) entsteht an der Eintrittspforte
(z.B. Glans penis, Praeputium, Penisschaft, Urethra, Anus) eine
Primärläsion in Form eines herpesähnlichen Bläschens, aus dem
ein kleines scharfrandiges meist schmerzloses Ulkus entsteht, das
rasch innerhalb weniger Tage unter Bildung bindegewebiger Narben abheilt. Ein bis zwei Wochen nach der Primärläsion tritt eine
derbe, schmerzhafte Vergrößerung der inguinalen Lymphknoten
(Bubo, häufig nur einseitig) auf.
Diagnostik: Der bevorzugte Nachweis einer Infektion erfolgt über
Nukleinsäure-Amplifikationsmethoden; Untersuchungsmaterialien sind Abstriche, Urin, Synovialflüssigkeit. 5 Eine Anzucht in
Zellkulturen ist in speziell ausgerichteten Laboratorien möglich.
Antigennachweise über ELISA oder Immunfluoreszenz entsprechen nicht mehr dem aktuellen Stand. Nachweis von Antikörpern
im Mikroimmunfluoreszenztest oder im Immunoblot. Antikörper können über lange Zeit hinweg persistieren und geben keinen
Hinweis auf die Akuität.
Therapie, Meldepflicht: In der Therapie von Infektionen durch
C.trachomatis kommen Azithromycin (ZITHROMAX u.a.), Doxycyclin (DOXYHEXAL u.a.) oder Fluorchinolone, z.B. Moxifloxacin (AVALOX u.a.) zum Einsatz, wobei Moxifloxacin intrazellulär (hypoxische Bedingungen) im Gegensatz zu Doxycyclin bzw. Azithromycin keine Verminderung der Aktivität zeigt.7
Die Therapiedauer beträgt im Allgemeinen sieben Tage, bei unkomplizierter genitaler Infektion ist die einmalige Gabe von Azithromycin 1 g ausreichend; bei Lymphogranuloma venereum ist
jedoch eine längere Therapiedauer von 21 Tagen notwendig.
Eine Meldepflicht besteht nicht, außer wenn zwei oder mehrere
Erkrankungen an Trachom oder Lymphogranuloma venereum
auftreten, bei denen ein epidemiologischer Zusammenhang bestehen könnte.
Hinweis: Die in diesem Artikel zitierte Literatur wird in der Internetversion aufgeführt (www.zct-berlin.de; Rubrik: „Wichtige Erreger in Klinik und Praxis“).
(diverse Handelsnamen) oder Vancomycin
(VANCOMYCIN u.a.), behandelt worden.
Zwei von ihnen hatten innerhalb von zwei
Monaten vor der Behandlung bereits für
>10 Tage Gentamicin erhalten. Eine genaue
klinische Überwachung wird von den Autoren als sinnvoller angesehen, als eine Bestimmung der Plasmakonzentrationen. 5
In Costa Rica wurde eine Doppelblind-
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Zeitschrift für Chemotherapie
studie bei Kindern mit Appendizitis und
Perforation im Alter von zwei bis 12 Jahren
durchgeführt.6 Dabei wurde die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Amikacin in
einer Dosierung von einmal täglich 22,5
mg/kg mit der dreimal täglichen Gabe von
7,5 mg/kg verglichen. Zusätzlich erhielten
alle Patienten 10 mg/kg Clindamycin (SOBELIN u.a.). Patienten mit lokalisierter Peritonitis wurden fünf Tage lang behandelt, bei
ausgedehnter Peritonitis erhielten sie Antibiotika mindestens sieben Tage lang. Es ergaben sich keine signifikanten Unterschiede
zwischen den Gruppen – weder hinsichtlich
der Wirksamkeit noch hinsichtlich der Toxizität. Insgesamt entwickelten 11 Patienten
einen intraabdominellen Abszess – davon
waren acht mit dem dreimal-täglich-Regime und drei mit dem einmal-täglich-Regime behandelt worden. Diese Daten zeigen
also einen Trend hin zu besserer Wirksamkeit der einmal-täglich-Dosierung. Die
Kreatinin-Werte waren in beiden Gruppen
nicht unterschiedlich, ebenso die Ergebnisse der Audiogramm-Untersuchung. Der
therapeutisch wichtige Quotient aus Spitzenkonzentration und minimaler Hemmkonzentration (Cmax /MHK) wurde mit 9
± 3,6 (dreimal täglich) und 21 ± 4,7 (einmal
täglich) berechnet.
Mechanismen der nephrotoxischen
Wirkungen
Ein zunehmendes Verständnis der biochemischen Vorgänge bei der Aminoglykosidinduzierten Nephrotoxizität erklärt das erhöhte Risiko durch mehrfach tägliche Gabe
und längere Behandlungsdauer. Aminoglykoside werden durch Endozytose in die Zellen des proximalen Tubulus aufgenommen
(siehe Abbildung S. 42). Die kationischen
Moleküle binden an die sauren Phospholipide in der apikalen Plasmamembran;
die Aufnahme geschieht über den Megalin-Cubilin-Rezeptorkomplex, der sich in
Clathrin-beschichteten Vertiefungen der
Zellmembran befindet. Die physiologische
Aufgabe des Rezeptors ist der Transport
von Proteinen, einschließlich Albumin und
Hormonen, wie Insulin. Auch proteingebundene Vitamine und Spurenelemente
werden durch diesen Komplex aus dem Primärfiltrat rückresorbiert.7,8 Nach der Bindung an die Rezeptorproteine gelangen die
Aminoglykoside in Endosomen, Megalin
wird dann wieder in die Plasmamembran
integriert. Ein Teil der Endosomen fusioniert mit Lysosomen, wo die Antibiotika
Phospholipasen hemmen, was zu einer morphologischen Umwandlung der Lysosomen
in Myeloid-Körperchen führt. Andere
Aminoglykosid-haltige Endosomen werden
rasch in den Golgi-Apparat aufgenommen,
dies führt zu einer Abnahme der Proteinsynthese im Zytosol. Es benötigt eine gewisse
Zeit, bis die Zellen des proximalen Tubulus
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absterben. Während dieser Zeit lässt sich
eine Reihe von pathologischen Vorgängen
nachweisen. Dazu gehört eine Beeinträchtigung der mitochondrialen Funktionen mit
reduzierter Zellatmung, mangelhafte Rückresorption von Calcium und eine Aktivierung apoptotischer Signalwege. Schließlich
entsteht ein nicht-oligurisches Nierenversagen, die glomeruläre Filtration nimmt ab.
Die Tubuluszellen können regenerieren;
tierexperimentell konnte gezeigt werden,
dass die regenerierten Zellen eine reduzierte
Kapazität zur Aufnahme der Aminoglykoside aufweisen.9,10
Neben der Zeit, die für die beschriebenen
Prozesse notwendig ist, ist ein weiterer Umstand für das Verständnis der toxischen Eigenschaften der Aminoglykoside wichtig:
die Aufnahme in die proximalen Tubuluszellen ist bereits bei klinisch relevanten
Konzentrationen gesättigt. Daraus folgt,
dass deutlich höhere Konzentrationen nicht
zu einer höheren Aufnahme führen und die
Toxizität damit nicht direkt mit den Spitzenkonzentrationen korreliert.
ZUSAMMENFASSUNG: Die Therapie
mit Aminoglykosiden ist sicher, wenn
einige Prinzipien und Faktoren beachtet
werden, die mit einem erhöhten nephrotoxischen Risiko assoziiert sind. Neben
der einmal täglichen Verabreichung der
gesamten Tagesdosis gehört dazu eine
Überwachung der Plasmaspiegel, die Vermeidung einer Therapie mit anderen potenziell nephrotoxischen Arzneimitteln,
und vor allem eine zeitlich begrenzte Behandlung.
1. DRUSANO, G., LOUIE, A.
Antimicrob Agents Chemother 2011; 55:
2528-2531
2. DRUSANO, G.L. et al.
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3. GALVEZ, R. et al.
Int J Antimicrob Agents 2011; 38: 146-151
4. HELPS, A. et al.
J Antimicrob Chemother 2011 (online)
5. BEST, E. et al.
Ped Inf Dis J 2011; 30: (online)
6. PEREZ, V. et al.
Int J Inf Dis 2011; 15: e569-e575
7. CHRISTENSEN, E.I. et al.
Pflugers Arch Eur J Physiol 2009; 458:
1039-1048
8. MINGEOT-LECLERCQ, M.P.; TULKENS,
P.M. Antimicrob Agents Chemother 1999; 43:
1003-1012
9. LOPEZ-NOVOA, J.M. et al.
Kidney Intern 2011; 79: 33-45
10. QUIROS, Y. et al.
Toxicol Sci 2011; 119: 245-256
Neueinführung
Boceprevir – neue therapeutische
Möglichkeiten bei Hepatitis C
Etwa 180 Millionen Menschen sind weltweit
an Hepatitis C erkrankt. Die Immunlage des
Patienten entscheidet, ob die akute Infektion
spontan ausheilt oder ob es zu einem chronischen Verlauf kommt, der häufig zu einer
Zirrhose oder zum Leberkrebs führt. In den
westlichen Ländern ist die chronische Hepatitis C die häufigste Indikation für eine
Lebertransplantation. Das Hepatitis C-Virus (HCV) weist einige Gemeinsamkeiten
mit dem humanen Immundefizienzvirus
(H IV) auf, unterscheidet sich aber in einem
wesentlichen Punkt: der Replikationszyklus erfolgt ausschließlich im Zytoplasma, es
gibt keine Integration ins Wirtsgenom. Randomisierte klinische Studien haben gezeigt,
dass mit einer Kombinationstherapie aus Ribavirin (REBETOL, COPEGUS) und pegyliertem Interferon-alpha-2a (PEGASYS)
oder Interferon-alpha-2b (PEGINTRON)
die Erkrankung geheilt werden kann. Patienten, die mit dem Genotyp 1 infiziert sind,
und 48 Wochen behandelt werden, zeigen
zu 40 bis 50 % eine über mindestens 24 Wochen persistierende Beseitigung des Erregers
(svr = sustained virologic response). Bis zu
80 % beträgt diese Rate bei den in westlichen
Ländern selteneren Infektionen mit den Genotypen 2 oder 3.
Seit etwa 10 Jahren stellt die Kombinationstherapie aus Ribavirin und Interferon die
Standardbehandlung dar. Im Gegensatz
zu anderen Arzneimitteln, die bei Viruserkrankungen angewandt werden, wirken
Interferon und Ribavirin aber nicht direkt
auf virale Strukturen sondern indirekt über
eine Beeinflussung des Immunsystems – die
klinisch relevanten Wirkmechanismen beider Arzneistoffe sind im Detail immer noch
nicht geklärt.1
Beeinflussung der HCV-Protease, antivirale Aktivität
Das Hepatitis C-Virus enthält einen RNAStrang von etwa 9600 Nukleotiden. In
menschlichen Zellen wird nach dieser Vorlage ein Polyprotein mit 3000 Aminosäuren
synthetisiert. Dieses wird proteolytisch in
vier strukturelle und sechs nicht-strukturelle
(NS) Proteine gespalten. Das Protein NS3/A4
ist eine Serin-Protease (NS3) zusammen mit
einem Kofaktor (NSA4). Sie katalysieren die
posttranslationale Spaltung der nicht-strukturellen Proteine aus dem Polyprotein. Diese
HCV-typischen Enzyme stellen theoretisch
eine ideale Zielstruktur für mögliche antiviral wirksame Arzneistoffe dar. Nachdem
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Zeitschrift für Chemotherapie
die klinische Entwicklung des ersten HCVProtease-Inhibitors wegen kardiotoxischer
Wirkungen gestoppt werden musste, steht
nun mit Boceprevir (VICTRELIS) erstmals
ein HCV NS3 Protease-Inhibitor zur oralen
Behandlung von Patienten mit chronischer
Hepatitis C zur Verfügung.1,2 Der neue
Wirkstoff wird zusätzlich zu der üblichen
Kombination aus Peginterferon und Ribavirin gegeben (vgl. ZCT 2001, Heft 3 sowie
ZCT 2003, Heft 4 oder www.zct-berlin.de /
Neueinführungen / Kurzbeschreibungen).
hinaus wird es durch CYP3A4/5 oxidativ
verstoffwechselt und ist ein Inhibitor dieses
Cytochroms. Boceprevir wird mit einer
Halbwertzeit von etwa 3,4 Stunden überwiegend in metabolisierter Form mit den
Fäces eliminiert. Bei Patienten mit Niereninsuffizienz ist eine Dosisanpassung nicht
notwendig. Eine hepatische Insuffizienz
beeinflusst die Kinetik nur geringfügig, so
dass auch bei diesen Patienten die üblichen
Dosen verordnet werden können.
Strukturformel Boceprevir
Boceprevir bindet an die Aminosäure Serin (Ser 139 ) im aktiven Zentrum der HCVProtease. In Zellkulturexperimenten wurde
die Verminderung der Viren bereits bei nanomolaren Konzentrationen beobachtet.
Die Viren können durch Austausch von
Aminosäuren im katalytischen Zentrum
des Enzyms resistent werden, wie in vitroExperimente bereits während der präklinischen Entwicklung zeigten. Bedenklich
ist dabei insbesondere die Tatsache, dass bei
diesen Mutanten häufig Kreuzresistenz zu
anderen Virustatika mit gleichem Angriffspunkt besteht, die sich derzeit in klinischer
Entwicklung befinden.
Pharmakokinetische Eigenschaften
Das Arzneimittel enthält den Wirkstoff Boceprevir in Form von zwei Diastereomeren
zu gleichen Anteilen, von denen nur einer
antiviral aktiv ist. Im Plasma verschiebt
sich das Verhältnis in Richtung des aktiven
Anteils, die Verbindungen liegen dann
im Verhältnis 2:1 vor. Die pharmakokinetischen Angaben beziehen sich meist auf
die Summe der Diastereomere. Nach oraler
Gabe wird die Substanz rasch resorbiert,
die Plasmakonzentrationen sind etwa 65 %
höher, wenn das Arzneimittel zusammen
mit Nahrung eingenommen wird. Dies war
unabhängig vom Fettgehalt der Mahlzeit.
Die absolute Bioverfügbarkeit wurde nicht
untersucht. Bei Probanden betrug die Spitzenkonzentration (Cmax) 1,7 mg/l, die Talkonzentration (Cmin) 0,09 mg/l und die
AUC wurde mit 5,4 mg x h/l berechnet. Das
Verteilungsvolumen lag bei 772 l (gesunde
Probanden), die Proteinbindung bei 75 %.
Boceprevir wird überwiegend durch die
Aldoketoreduktase metabolisiert, darüber
Klinische Studien
In frühen Phasen der klinischen Prüfung
wurde beobachtet, dass bei suboptimaler
Dosierung und ohne die beiden Kombinationspartner Ribavirin und Peginterferon-α
resistente Viren entstehen können, so dass
in den Phase 3-Studien eine Strategie entwickelt wurde, mit der sich das Risiko einer
Resistenzentwicklung reduzieren lässt. Da
mit Ribavirin und Interferon erst nach etwa
vier Wochen ein „steady state“ und damit
die volle pharmakologische Wirkung erreicht wird, beginnt die Behandlung mit Boceprevir erst nach einer „lead in“-Phase von
vier Wochen, in denen die bisher übliche
Kombination verabreicht wird. So wird
vermieden, dass es zu einer „funktionellen
Monotherapie“ mit dem Protease-Inhibitor
kommt. Danach wird Boceprevir in einer
Dosierung von dreimal täglich 800 mg zusätzlich gegeben.
Die Studien wurden bei therapienaiven
und vorbehandelten Patienten durchgeführt. Eine Dreierkombination aus Ribavirin, Interferon und Broceprevir war
jeweils signifikant besser wirksam als die
Standardbehandlung mit Ribavirin und Interferon allein. Die Behandlungsdauer war
abhängig vom virologischen Ansprechen
(response-gesteuerte Therapie). Ein frühes
virologisches Ansprechen war gegeben,
wenn in den Wochen 8 bis 24 (therapienaive
Patienten) oder 8 bis 12 (vorbehandelte Patienten) keine HCV-RNA im Serum nachweisbar war. In den beiden Studien konnten
44 % bzw. 46 % der Patienten bereits nach 28
(therapienaive) bzw. 36 Wochen (vorbehandelte) die Behandlung beenden. Von ihnen
erreichten 96 % bzw. 86 % eine Ausheilung.
Verträglichkeit, Interaktionen
In den klinischen Studien waren eine Anämie und Dysgeusie (Geschmacksstörungen)
bei den Boceprevir-behandelten Patienten
häufiger als in den Vergleichsgruppen.
Erythropoetin wurde bei 21 % bis 24 % der
Patienten mit Standardtherapie eingesetzt.
Mehr als doppelt so viele Patienten wurden
damit behandelt (41 % bis 46 %), die Boceprevir erhalten hatten.
Insgesamt liegen bisher noch zu wenige Informationen über das Interaktionspotenzial
des neuen Arzneimittels vor. Da CYP3A4
durch Boceprevir gehemmt wird, sind Interaktionen mit anderen Arzneimitteln, die
über dieses Cytochrom abgebaut werden,
aber zu erwarten. Die AUC-Werte einer
Einzeldosis (4 mg, oral) von Midazolam
(DORMICUM u.a.) steigen zum Beispiel
bei gleichzeitiger Gabe von Boceprevir um
etwa das fünffache an. Nur relativ geringe
Auswirkungen wurden dagegen auf die
Konzentrationen von Efavirenz (SUSTIVA)
oder Tenofovir (VIREAD) beobachtet.
ZUSAMMENFASSUNG: Boceprevir
(VICTRELIS) hemmt die Protease des
Hepatitis C-Virus. Wenn es zusammen
mit der bisher üblichen Standardtherapie
aus Ribavirin (REBETOL, COPEGUS)
und pegyliertem Interferon-α2a (PEGASYS) oder Interferon-α2b (PEGINTRON) verabreicht wird, kann der Erreger signifikant häufiger beseitigt werden
und die Therapiedauer kann reduziert
werden. Dies belegen Placebo-kontrollierte Studien. Boceprevir wird dreimal
täglich in einer Dosierung von 800 mg
zusammen mit der Standardtherapie verabreicht. Es wird ausreichend resorbiert,
die Halbwertzeit liegt bei drei Stunden,
die Ausscheidung erfolgt in Form von
Metaboliten mit den Fäces. Boceprevir
hemmt CYP3A4. Mit entsprechenden
Interaktionen muss gerechnet werden,
bisher liegen dazu nur unzureichende
Daten vor. Zu den wichtigsten unerwünschten Wirkungen zählen Anämie
und Geschmackstörungen.
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N Engl J Med. 2011; 364: 2429-2438
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3. BERENGUER, M., LOPEZ-LABRADOR, F.X.
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www.victrelis.com
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6. BACON, B.R. et al.
N Engl J Med 2011; 364: 1207-1217
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Zeitschrift für Chemotherapie
Pilzinfektionen
Candida-Peritonitis: Ergebnisse
einer multizentrischen französischen Studie
Invasive Candida-Infektionen sind mit einer hohen Letalität assoziiert und bedürfen
einer schnellen wirksamen antimykotischen
Therapie sowie der Kontrolle des Ausgangsherdes. Etwa 70 % von invasiven CandidaInfektionen bei Patienten in chirurgischen
Intensivstationen entfallen auf Candida-Peritonitiden. In einer multizentrischen prospektiven Beobachtungsstudie in den Jahren
2005 und 2006 in Frankreich wurden insgesamt 291 erwachsene Intensivpatienten mit
einer gesicherten invasiven Candida-Infektion erfasst. Von diesen Patienten wiesen
93 eine Candida-Peritonitis auf, von denen
73 nosokomial entstanden waren und 26
Patienten eine zusätzliche Candidämie aufwiesen. 53 dieser 93 Patienten litten darüber
hinaus an zusätzlichen bakteriellen peritonitischen Infektionen. Unter den nachgewiesenen 108 Candida-Spezies wurden am
häufigsten Candida albicans (58 %) nachgewiesen, gefolgt von C. glabrata (20 %), C.
krusei (n = 9), C. kefyr (n = 5), C. parapsylosis (n = 3), C. tropicalis (n = 3), C. ciferie
(n = 2) und C. lusitaniae (n = 1). 60 der 108
Candida-Isolate wurden hinsichtlich einer
Fluconazol- (DIFLUCAN u.a.) Sensibilität
untersucht; 17 der 60 Stämme (28 %) wiesen
eine komplette oder mittelgradige Fluconazol-Resistenz auf. Das mittlere Lebensalter der Patienten betrug 65 Jahre und 54 %
waren Männer. Der mittlere SAPS II-Score
betrug 52. Die mediane Zeit vom chirurgischen Eingriff bis zur positiven Diagnose
einer Candida-Peritonitis betrug neun Tage.
Eine empirische antimykotische Therapie
wurde im Median ein Tag nach der Diagnose Candida-Peritonitis eingeleitet, wobei
Fluconazol bei 72 Patienten am häufigsten
eingesetzt wurde, gefolgt von Caspofungin
(CANCIDAS) bei 14 Patienten und Voriconazol (VFEND) bei vier Patienten. Die
Letalität in den Intensivstationen betrug
38 % und war nicht beeinflusst vom Typ
der Candida-Spezies, von der FluconazolEmpfindlichkeit, von der Zeitdauer bis zur
Behandlung, von der Candidämie, von einer nosokomialen Infektion oder einer begleitenden bakteriellen Infektion.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Eine
Candida-Peritonitis hat unverändert
eine ungünstige Prognose mit hoher
Letalität. Bei der Wahl einer optimalen
antimykotischen Therapie muss auf die
steigende Zahl von nicht-Candida-Spezies geachtet werden und entsprechende
mikrobiologische Testungen sollten die
46
Basis für eine rationale antimykotische
Behandlung darstellen.
MONTRAVERS, P. et al.
Clin Microbiol Infect 2011; 17: 1061-1067
Voriconazol in der Therapie von
ZNS-Mykosen
Invasive Pilzinfektionen des zentralen
Nervensystems (ZNS) sind schwierig zu
behandeln, betreffen zumeist immungestörte Patienten und haben eine hohe
Letalität. Wesentliche Faktoren, die über
den Behandlungserfolg entscheiden, sind
der Schweregrad der zugrunde liegenden
Immunstörung, die Empfindlichkeit des
jeweiligen mykotischen Erregers und die
Fähigkeit zur Überwindung der Blut-HirnSchranke der jeweils eingesetzten antimykotischen Substanz. Amphotericin B (AMPHOTERICIN B u.a.), Echinocandine,
Itraconazol (SEMPERA u.a.) und Posaconazol (NOXAFIL) sind große Moleküle
(> 700 Da) mit einer begrenzten ZNS-Gängigkeit. Fluconazol (DIFLUCAN u.a.) und
5-Fluorocytosin (ANCOTIL) gehen relativ
gut in den Liquor cerebrospinalis über, aber
verfügen nur über ein schmales Aktivitätsspektrum. Voriconazol (VFEND) weist ein
breites antimykotisches Spektrum auf und
erreicht Konzentrationen im cerebrospinalen Liquor von über 1 µg pro ml sowie
Konzentrationen im menschlichen Hirngewebe oder in Hirnabszessen von mehr als 1
µg/g. In einer retrospektiven Analyse wurden die bisher publizierten Therapiestudien
und auch die Datenbasis der Herstellerfirma (Pfizer) von Voriconazol bei insgesamt
137 Patienten mit einer gesicherten und bei
55 Patienten mit einer wahrscheinlichen
ZNS-Infektion durch Pilze hinsichtlich der
Voriconazol-Effektivität untersucht. Ein
kompletter oder partieller Erfolg wurde
als positives Behandlungsergebnis gewertet. Das mediane Alter der behandelten
Patienten betrug 43 Jahre und 66 % waren
männlichen Geschlechts. Aspergillus Spezies mit 63 % und Scedosporium Spezies
mit 18 % dominierten, zusätzlich wurden 12
andere Pilzspezies nachgewiesen. Die Grunderkrankung bei diesen Patienten betrafen
Stammzelltransplantationen (35), hämatologische tumoröse Erkrankungen (35), solide Organtransplantationen (25), chronische
Immunsuppression (40) und 57 andere Erkrankungen (fast Ertrunkene, Diabetiker,
Traumapatienten usw.).
Bei der Mehrzahl der Patienten handelte es
sich um eine Zweittherapie nach Versagen
der primären antimykotischen Behandlung
(82 % der Patienten). Die primäre Therapie
bestand vorwiegend aus Amphotericin B
oder Azolderivaten. Die initiale Voriconazol-Dosierung betrug 6 mg/kg intravenös
zweimal täglich am Tag 1 gefolgt von 4 mg/
kg intravenös alle 12 Stunden. Eine Sequentialtherapie mit zweimal 200 mg täglich
oral folgte der parenteralen Behandlung.
Die mediane Dauer der Therapie betrug 93
Tage mit einer Erfolgsrate von 48 % (93 Patienten). Bei 35 Patienten, die eine primäre
Therapie mit Voriconazol erhalten hatten,
lag die Erfolgsrate mit 63 % deutlich höher.
Die Grunderkrankungen beeinflussten die
Erfolgsraten in erheblichem Maße, so war
bei Patienten mit einer Stammzelltransplantation nur ein Erfolg bei 14 % der Patienten
nachweisbar und bei Patienten mit einer
Organtransplantation lag diese Rate bei
40 %. Eine antimykotische Kombinationstherapie bei 37 Patienten ergab mit 62 % ein
tendenziell besseres Ergebnis, was auch für
die Überlebensraten galt. Insgesamt 49 %
der Patienten verstarben, davon 71 % (67/94)
ursächlich an der Pilzinfektion. Patienten
mit einer neurochirurgischen Intervention
zeigten generell bessere Behandlungserfolge
und Überlebensraten.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Die
Daten aus dieser retrospektiven Studie
mit den beträchtlichen Einschränkungen
einer derartigen Analyse zeigen erneut,
dass eine Pilzinfektion des ZNS bei
schwerkranken, zumeist immungestörten Patienten eine bedrohliche Infektion
mit hoher Letalität darstellt. Voriconazol
(VFEND) erscheint auf der Basis seines
Spektrums, seiner Pharmakokinetik und
der klinischen Datenlage als ein brauchbares Antimykotikum bei dieser schwierig zu behandelnden Infektion.
SCHWARTZ, S. et al.
Infection 2011; 39: 201-210
Teratogene Wirkung der AzolAntimykotika – Neubewertung
von Fluconazol
Die gesetzlich vorgeschriebenen, routinemäßig durchgeführten tierexperimentellen Untersuchungen zeigen das teratogene
Potenzial aller Azolantimykotika, die zur
systemischen Therapie im Handel sind [Fluconazol (DIFLUCAN u.a.), Itraconazol
(SEMPERA u.a.), Voriconazol (VFEND)
und Posaconazol (NOXAFIL)]. Die Dosierungen, die im Tierexperiment angewandt
werden, sind meist deutlich höher als die humantherapeutischen Dosen. Unterschiede
im pharmakokinetischen Verhalten und im
Metabolismus der Substanzen bei Mensch
und Tier müssen bei einem Vergleich allerdings berücksichtigt werden – ein einfacher
Vergleich der Dosierungen reicht für eine
Risikoabschätzung nicht aus. Damit ist die
Interpretation der toxikologischen Daten
oft schwierig und die Bedeutung der Befunde für den Menschen bleibt zunächst
September /Oktober 2011 - 32. Jahrg.
Zeitschrift für Chemotherapie
Azol
FDA Kategorie
Rote Liste
Fluconazol
C (einmalig 150 mg)
- kontraindiziert
D (mehrfach 400
bis 800 mg)
- vor Therapiebeginn muss
eine Schwangerschaft
ausgeschlossen werden
- Verwendung sollte vermieden werden
Itraconazol
C
Gr. 6
Voriconazol
D
Gr. 6
Posaconazol
C
Gr. 6
Die diversen Bewertungen durch die
Behörden und die Hersteller der Präparate erschweren den Umgang mit diesen
Arzneimitteln. Die neue Bewertung von
Fluconazol durch die FDA sollte Anlass
zu einem noch strikteren Umgang mit
diesen Medikamenten bei Frauen im gebärfähigen Alter sein.
1. LOPEZ-RANGEL, E., VAN ALLEN, M.I.
Birth Def Res (Part A) 2005; 73: 919-923
2. http://www.fda.gov/Drugs/DrugSafety/
ucm266030.htm
C = Animal reproduction studies have shown an adverse effect on the fetus and there are no
adequate and well-controlled studies in humans, but potential benefits may warrant use of the
drug in pregnant women despite potential risks.
3. NORGAARD, M. et al.
J Antimicrob Chemother 2008; 62:172
D = There is positive evidence of human fetal risk based on adverse reaction data from investigational or marketing experience or studies in humans, but potential benefits may warrant use
of the drug in pregnant women despite potential risks.
Intensivmedizin
Gr. 6 = Ausreichende Erfahrungen über die Anwendung beim Menschen liegen nicht vor. Der
Tierversuch erbrachte Hinweise auf embryotoxische/teratogene Wirkungen.
Gramnegative bakterielle ZNSInfektionen: intraventrikuläres
Gentamicin erfolgreich?
unklar. Da die Humandaten aufgrund einer
hohen Spontanrate an kindlichen Fehlbildungen meist ebenfalls nicht eindeutig sind,
ändert sich die Beurteilung oft im Laufe der
Zeit, wenn zunehmend Fallberichte publiziert oder den Behörden mitgeteilt werden.1
Für Fluconazol hat die US-amerikanische
Zulassungsbehörde FDA im August 2011
eine Neueinstufung vorgenommen. 2
Grundlage ist ein System mit fünf Kategorien (A, B, C, D und X). Bisher war das
Antimykotikum in der Gruppe C (Tierexperiment positiv, keine Studien beim Menschen), es wird nun in die Kategorie D eingestuft, die auf ein erhöhtes Risiko für
kindliche Fehlbildungen durch das Arzneimittel hinweist („positive evidence of human
fetal risk“ ), wobei allerdings bei schwerwiegenden und lebensbedrohlichen Infektionen das Risiko akzeptabel sein könnte.
Ähnliche „upgrades“ sind von der FDA mit
anderen Medikamenten [Mycophenolsäure (CELLCEPT u.a.), Topiramat (TOPAMAX)] in den vergangenen Jahren bereits
häufiger vorgenommen worden.
Es ist bemerkenswert, dass bei der jetzigen
Neubewertung auch die Dosierung des Arzneimittels berücksichtigt wurde. Die Therapie mit einer niedrigen Einzeldosis von 150
mg Fluconazol, die zur Behandlung einer
vaginalen Candidose angewandt werden
kann, bleibt in Kategorie C und wird damit
anders als die mehrfache Gabe des Azols in
Dosierungen von 400 bis 800 mg täglich als
risikoarm angesehen. Eine epidemiologische
Studie in Dänemark hat gezeigt, dass bei insgesamt mehr als 1.000 Frauen, die während
des ersten Trimenons mit Fluconazol ganz
überwiegend in Dosierungen von 150 oder
300 mg behandelt wurden, kindliche Fehlbildungen nicht vermehrt auftraten. Die
Studie war allerdings nicht umfangreich genug, um eine Risikoerhöhung spezifischer
Fehlbildungen erkennen zu können. 3
In Deutschland existiert ein ähnliches Klassifizierungssystem wie in den USA, wonach
die Arzneimittel sogar insgesamt 11 Risikogruppen (Gr1 bis Gr11) zugeordnet werden
können. In den Informationen der „Roten
Liste“ findet sich bei Fluconazol-haltigen
Arzneimitteln aber keine Zurordnung zu
einer dieser Gruppen, sondern es gibt die
Hinweise „kontraindiziert in der Schwangerschaft“ bzw. „vor Therapiebeginn muss
eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden
und bis 7 Tage nach Behandlungsende verhindert werden“. In den ausführlicheren
Fachinformationen wird dagegen auf die
widersprüchliche Datenlage hingewiesen
und die folgende, weniger strikte Empfehlung wird ausgesprochen „die Verwendung
während der Schwangerschaft sollte vermieden werden“. Bei den anderen Azol-Präparaten findet sich dagegen der Hinweis auf die
Risikogruppe Gr. 6 (siehe Tabelle).
FAZIT: Alle Azol-Antimykotika zeigen
teratogene Wirkungen im Tierexperiment, über deren Bedeutung für den
Menschen unterschiedliche Ansichten
bestehen, da die Datenlage nicht eindeutig ist. Die US-amerikanische FDA hat
kürzlich die mehrfache Gabe von Fluconazol (DIFLUCAN u.a.) in höheren
Dosierungen als einen Risikofaktor für
kindliche Fehlbildungen eingestuft. In
den deutschen Empfehlungen findet
sich die unterschiedliche Bewertung in
Abhängigkeit von der Dosierung nicht.
Postneurochirurgische Meningitiden und/
oder Ventrikulitiden werden typischerweise von S.aureus oder Koagulase-negativen
Staphylokokken verursacht. Gramnegative
Erreger sind seltener und zumeist assoziiert mit schweren Grunderkrankungen
und auch einer schlechteren Prognose. Die
Letalität derartiger gramnegativer bakterieller ZNS-Infektionen wird mit 8 bis 70 %
angegeben. In einer retrospektiven Analyse
aus Uppsala in Schweden wurde geprüft,
ob neben einer gezielten systemischen antibiotischen Therapie die zusätzliche intraventrikuläre Gentamicin-Gabe (REFOBACIN u.a.) zu besseren Behandlungserfolgen
führen kann. Sämtliche Patienten aus der
neurochirurgischen Abteilung des Universitätskrankenhauses in Uppsala in den
Jahren 1989 bis 2007 wurden retrospektiv
analysiert. Von den 44 Patienten mit einer
gramnegativen bakteriellen Kultur aus dem
cerebrospinalen Liquor konnten insgesamt
31 Patienten in die endgültige Analyse aufgenommen werden. Die führenden Keime
waren Enterobacter Spezies (17), gefolgt von
Pseudomonas Spezies (5), Klebsiella pneumoniae (3), Xanthomonas maltophilia (2)
und E.coli (1). Die führende antibiotische
intravenöse Therapie bestand aus Meropenem (MERONEM) bei 24 Patienten,
Cefotaxim (CLAFORAN u.a.) bei drei
Patienten, Ceftazidim (FORTUM u.a.) bei
zwei Patienten, Imipenem (ZIENAM) sowie Cotrimoxazol (mehrere Präparate) bei
jeweils einem Patienten. 15 Patienten wurde
zusätzlich Gentamicin intraventrikulär appliziert in einer Dosierung von 4 bis 8 mg
einmal täglich. Die mediane Dauer der intraventrikulären Therapie betrug acht Tage.
Zwei Patienten mit der intraventrikulären
Gentamicin-Behandlung wiesen resistente
47
Zeitschrift für Chemotherapie
Erreger gegen dieses Antibiotikum auf.
Bei einem Vergleich der 16 Patienten, die
nur eine systemische intravenöse Antibiotika-Therapie erhalten hatten mit den 15
Patienten, die zusätzlich intraventrikulär
Gentamicin bekamen, stellte sich ein signifikant besserer Behandlungserfolg bei der
kombinierten Therapie aus systemischer
und intraventrikulärer Antibiotikagabe heraus. Sechs Patienten in der Gruppe mit ausschließlich systemischer antibiotischer Therapie entwickelten ein Rezidiv mit Nachweis
der gleichen Keime wie zu Beginn der Infektion. In der gesamten Patientengruppe verstarben letztlich sechs Patienten nach einem
medianen Therapieintervall von 49,5 Tagen,
wobei keiner dieser Patienten eine persistierende bakterielle ZNS-Infektion aufwies.
Die Todesursachen bestanden vorwiegend
aus postoperativen oder posttraumatischen
Komplikationen bei Hirnödem.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Die
sehr seltene postneurochirurgische
gramnegative bakterielle ZNS-Infektion
sollte auf der Basis dieser retrospektiven
Analyse mit einer begrenzten Zahl von
Patienten möglichst kombiniert mit einer systemischen Antibiotika-Therapie
ergänzt durch eine intraventrikuläre,
kurz dauernde Gentamicingabe vorgenommen werden.
TÄNGDÉN, T. et al.
Clin Infect Dis 2011; 52: 1310-1316
Antibiotische Vorbehandlung
beeinflusst Verlauf der gramnegativen Sepsis
Die zunehmende Resistenz von gramnegativen Bakterien macht die Auswahl der optimalen empirischen Anfangstherapie bei
bedrohlich kranken septischen Patienten
immer schwieriger. Es ist aus mehreren
Untersuchungen bekannt, dass eine antibiotische Behandlung in den letzten drei Monaten vor der Manifestation einer invasiven
bakteriellen Erkrankung zu vermehrten
Resistenzproblemen beitragen kann. In der
vorliegenden retrospektiven Kohortenstudie aus St. Louis, USA, wurde diesem Problem erneut nachgegangen und untersucht,
wieweit eine antibiotische Therapie in den
letzten 90 Tagen bei Patienten mit einer gesicherten gramnegativen Sepsis und/oder
einem septischen Schock den Verlauf der
Erkrankung und auch die Auswahl der antibiotischen Anfangstherapie beeinflusst. Im
Zeitraum vom Januar 2002 bis zum Dezember 2007 wurden insgesamt 754 konsekutive
Patienten mit einer gesicherten gramnegativen Sepsis bzw. septischem Schock analysiert.
E. coli (30,8 %), Klebsiella pneumoniae
48
September /Oktober 2011 - 32. Jahrg.
(23,2 %) und Pseudomonas aeruginosa
(17,6 %) waren die führenden Erreger in den
Blutkulturen. 310 Patienten (41,1 %) waren
innerhalb der letzten 90 Tage antibiotisch
behandelt worden. Die am häufigsten eingesetzten Antibiotika waren Cefepim (MAXIPIME) in 50 %, gefolgt von Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.) in 32,6 %, Imipenem
(ZIENAM) oder Meropenem (MERONEM) in 28,7 %, Piperacillin/Tazobactam
(TAZOBAC) in 19 % und Aminoglykoside
in 14,5 %. Das mittlere Lebensalter betrug
59,3 Jahre und 52,3 % der Patienten waren
Männer. 55,8 % der Patienten wurden internistisch behandelt, der Rest in den chirurgischen Abteilungen. 79 % der Patienten
lagen auf den Intensivstationen mit einem
mittleren APACHE II-Score von 23,5; Vasopressoren benötigten 58,5 % der Patienten
und 55,3 % wurden beatmet.
Patienten mit einer vorangegangenen antibiotischen Therapie hatten signifikant
häufiger Infektionen mit gramnegativen
Erregern mit Resistenz gegenüber Cefepim
(29 % versus 7,0 %), Piperacillin/Tazobactam (31,9 % versus 11,5 %), Carbapenemen
(20,0 % versus 2,5 %), Ciprofloxacin (33,7 %
versus 17,6 %) und Gentamicin (26,1 % versus 7,9 %). Eine vorangegangene antibiotische Exposition war ebenfalls signifikant
häufiger assoziiert mit multiresistenten Erregern (37,4 % versus 11,3 %). E. coli als Erreger der Sepsis trat statistisch seltener auf bei
Patienten mit vorangegangener AntibiotikaTherapie, während P. aeruginosa und Acinetobacter Spezies häufiger isoliert wurden.
Die Krankenhausletalität war signifikant
höher bei den Patienten mit einer vorangegangenen Antibiotikabehandlung auch
nach einer Stratifizierung auf der Basis des
APACHE II-Scores. Weitere Faktoren mit
einer signifikant erhöhten Letalität in der
Multivarianzanalyse waren der Einsatz von
Vasopressoren, eine P. aeruginosa-Infektion,
eine nicht wirksame initiale antimikrobielle
Therapie, ein hoher APACHE II-Score und
die Anzahl der Organversagen.
FOLGERUNG DER AUTOREN: Eine
vorangegangene antibiotische Exposition in den letzten 90 Tagen vor der Manifestation einer gramnegativen Sepsis
oder eines septischen Schocks erhöht die
Krankenhausletalität. Ursächlich hierfür
sind vermehrt resistente Keime wie Pseudomonas aeruginosa und Acinetobacter
Spezies, die häufig in den empirischen
antibiotischen Anfangsbehandlungen
nicht optimal erfasst werden. Es wird
nachdrücklich empfohlen, die antibiotische Exposition des individuellen Patienten in den letzten 90 Tagen sorgfältig
zu analysieren und diese bei der Antibiotika-Auswahl zu berücksichtigen.
JOHNSON, M.T. et al.
Crit Care Med 2011; 39: 1859-1865
Prophylaxe
Antibiotische Prophylaxe bei Entfernung von Harnblasenkathetern
notwendig?
Harnwegsinfektionen betreffen 40 % der
nosokomialen Infektionen im Krankenhaus und etwa 80 % dieser Infektionen
sind mit Harnblasenkathetern assoziiert.
Kontrovers wird diskutiert, ob eine antibiotische Prophylaxe bei der Entfernung
von Harnblasenkathetern bei Patienten mit
chirurgischen Eingriffen zu einer Verminderung von Harnwegsinfektionen beiträgt.
In einem großen Lehrkrankenhaus in den
Niederlanden wurde dieser Frage in einer
prospektiven Studie über zwei Jahre beginnend im Januar 2005 erneut nachgegangen.
Patienten mit einem chirurgischen Eingriff und einem Harnblasenkatheter über
mindestens drei Tage wurden in die Studie
eingeschlossen; urologische und gynäkologische Patienten wurden von der Studie
ausgeschlossen. Die Patienten erhielten
zwei Stunden vor der Katheterentfernung
entweder eine einmalige Dosis von 500 mg
Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.), oder 960
mg Cotrimoxazol (div. Präparate) oder Plazebo-Tabletten. Die Tabletten unterschieden sich nicht in ihrer äußeren Form und
wurden in einem doppelblinden Studiendesign randomisiert zugeteilt. Eine bakteriologische Untersuchung des Mittelstrahlurins
bei der ersten spontanen Miktion nach
Katheterentfernung wurde vorgenommen,
weiterhin erhielten die Patienten einen Fragebogen, in dem sie zwei Wochen nach der
Katheterentfernung über eine mögliche
Harnwegsinfektion berichten sollten. Insgesamt wurden 140 Patienten randomisiert
und letztlich konnten die Daten von 115
Patienten komplett analysiert werden. Unmittelbar nach der Katheterentfernung wiesen 15 von 43 Plazebo-Patienten (35 %) eine
signifikante Bakteriurie auf im Vergleich zu
drei von 33 Patienten (9 %) in der Ciprofloxacin-Gruppe und neun von 34 Patienten
(27 %) mit einer Cotrimoxazol-Prophylaxe. Zwei Wochen nach der Katheterentfernung ergaben sich keine Unterschiede mehr
bezüglich einer signifikanten Bakteriurie
zwischen den drei Patientengruppen. Ein
Patient in der Plazebo-Gruppe und ein Patient in der Ciprofloxacin-Gruppe litten
an einem Harnwegsinfekt, in der Cotrimoxazol-Gruppe entwickelte kein Patient
eine Harnwegsinfektion. Weitere infektiöse
Komplikationen wie Prostatitis, Pyelonephritis oder andere renale Infektionen wurden
nicht beobachtet. Die vorherrschenden Keime waren durchweg E. coli und Enterococcus faecalis.
September /Oktober 2011 - 32. Jahrg.
Zeitschrift für Chemotherapie
FOLGERUNG DER AUTOREN: Trotz
des nicht optimalen Studiendesigns (fehlende Bakteriologie vor Katheterentfernung) kommen die Autoren zu der
abschließenden Folgerung, dass eine einmalige antibiotische Prophylaxe vor der
Entfernung eines Harnblasenkatheters
bei operierten Patienten in der Chirurgie
keinen Effekt aufweist.
Van Hees, B.C. et al.
Clin Microbiol Infect 2011; 17: 1091-1094
Pharmapolitik
Preiswerte generische Antibiotika
induzieren erhöhte Verschreibung
90 % der deutschen Patienten sind Mitglied
in den offiziellen obligatorischen Krankenkassen und erhalten Antibiotika im Rahmen
ihrer Versicherung gegen eine relativ niedrige zusätzliche Bezahlung zwischen fünf
und zehn Euro pro Verschreibung. Für den
behandelnden Arzt bedeutet das deutsche
Krankenversicherungssystem, möglichst
seltene Patientenkontakte zu haben, da unabhängig von der Frequenz der Kontakte
eine vierteljährliche Pauschale bezahlt wird.
Dieses führt bei einem zusätzlich stark begrenzten Arzneimittelbudget in der Konsequenz dazu, bei bakteriellen Infektionen
möglichst aktive und ein breites Spektrum
umfassende, preiswerte generische Antibiotika zu verschreiben. 85 % aller eingenommenen Antibiotika in Deutschland
werden im ambulanten Bereich verordnet.
Zwar liegt Deutschland im europäischen
Vergleich bezüglich der antibiotischen Verschreibung pro Kopf der Bevölkerung im
unteren Drittel, dennoch ist es bei einigen
wichtigen Keimen, wie z.B. E. coli zu einer
kräftigen Resistenzentwicklung von 0,2 % in
1990 bis auf 26,4 % im Jahre 2007 gegenüber
Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.) gekommen. Im Jahre 2007 war die Resistenzrate
von ambulant isolierten E. coli höher als die
Resistenz gegen den gleichen Keim bei hospitalisierten Intensivpatienten. Wie aus der
Abbildung ersichtlich hat die Einführung
von generischen Fluorchinolonen wie Norfloxacin (BARAZAN u.a.) und einige Jahre
später Ciprofloxacin zu einem deutlichen
Anstieg des Fluorchinolonverbrauches in
Deutschland beigetragen.
FOLGERUNG DER AUTOREN:
Preisreduktionen bei generischen Breitbandantibiotika verführen zu einer erhöhten Verschreibung dieser Antibiotika
mit entsprechenden ungünstigen Resistenzentwicklungen. Dieses Phänomen
ist vielen Ärzten noch nicht bewusst und
sollte durch zielgerichtete Weiterbildung
und Informationen stärker bekannt gemacht werden. Es muss immer wieder
darauf hingewiesen werden, dass Antibiotika nicht mit anderen Pharmaka zu
vergleichen sind, da sie im Gegensatz zu
diesen immer auch biologische Auswirkungen haben.
KAIER, K. et al.
J Antimicrob Chemother 2011; 66: 1656-1658
49
Zeitschrift für Chemotherapie
September /Oktober 2011 - 32. Jahrg.
Helicobacter
Infektion
Sequentialtherapie mit Levofloxacin plus Esomeprazol als Zweitlinienbehandlung der Helicobacter
pylori-Infektion
Die Eradikation von Helicobacter pylori
bewirkt eine verminderte Rezidivrate von
peptischen Ulzera und verhindert die Entwicklung eines Magentumors. Die Standard-Dreifach-Therapie mit Clarithromycin
(BIAXIN u.a.), Amoxicillin (CLAMOXYL
u.a.) und einem Protonenpumpenhemmer
erfolgt über sieben bis 14 Tage. Diese Therapieempfehlung hat jedoch in zahlreichen
Studien nicht zu günstigen Eradikationsraten geführt, die in manchen Ländern unter
80 % liegt.
Neuere Studien haben gezeigt, dass Sequentialtherapieformen mit z.B. einem
Protonenhemmer plus Amoxicillin über
fünf Tage mit nachfolgend Protonenhemmer plus Clarithromycin und Tinidazol
(in Deutschland nicht im Handel) erfolgreicher waren als eine sekundäre Standard-,
Dreifach- oder Vierfachtherapie. Darüber
hinaus waren auch Studien erfolgreicher, in
denen eine höhere Dosis des Protonenpumpenhemmers gegeben wurde, da offensichtlich die Wirksamkeit von Amoxicillin und
Clarithromycin stark beeinflusst wird vom
pH-Wert.
In der vorliegenden Studie aus dem Nationalen Universitätshospital in Taiwan wurde
deshalb analysiert, ob eine entsprechende
Sequentialtherapie mit Levofloxacin (TAVANIC u.a.) plus hochdosiert Esomeprazol (NEXIUM) günstigere Eradikationsraten erreichen kann. Insgesamt 142 Patienten
wurden in die Studie aufgenommen, nachdem eine erste Therapie ihrer Helicobacter
pylori-Infektion versagt hatte. Alle Patienten erhielten in den ersten fünf Tagen täglich zweimal 40 mg Esomeprazol und zweimal 1 g Amoxicillin gefolgt von der gleichen
Dosis Esomeprazol, 250 mg Levofloxacin
zweimal täglich und zweimal 500 mg Metronidazol täglich (CLONT u.a.) über weitere fünf Tage. Die Eradikation wurde mittels 13C-Harnstoff-Atem-Test sechs Wochen
nach Abschluss der Therapie überprüft.
Von den 142 Patienten wiesen am Abschluss
der Studie 95,1 % eine positive Eradikation
auf (Intention-to-treat-Analyse), in der perProtokoll-Auswertung lag diese Zahl bei
96,4 %. Vier Patienten mussten aus der perProtokoll-Analyse ausgeschlossen werden,
da sie weniger als 80 % der Medikamente
eingenommen hatten. Die Eradikationsrate
50
sank auf 50 % (vier von acht Patienten), bei
denen eine Metronidazol-Resistenz nachgewiesen werden konnte. Bei den Patienten
mit einer Helicobacter-Empfindlichkeit
gegenüber Metronidazol lagen die Eradikationsraten bei 97,4 % und 100 %, auch wenn
eine Empfindlichkeit oder Resistenz gegenüber Levofloxacin bestand. Unverträglichkeitsreaktionen wurden von 65 Patienten
(45,8 %) berichtet; führende Reaktionen waren Benommenheit (19 %), Übelkeit (15,5 %),
Diarrhöen (12,7 %) und Geschmacksstörungen (11,3 %).
Impressum
FOLGERUNG DER AUTOREN: Obwohl es sich nicht um eine Vergleichsstudie handelte, waren die erreichten
Eradikationsraten äußerst zufriedenstellend. Diese Form der modifizierten
Sequentialtherapie mit hoher Dosis eines
Protonenpumpenhemmers plus Levofloxacin (TAVANIC u.a.) sollte in umfangreicheren multizentrischen Studienprotokollen weiter untersucht werden.
LIOU, J. et al.
J Antimicrob Chemother 2011; 66: 1847-1852
Kündigung des Abonnements jeweils drei Monate zum Jahresende.
Die gewählten Produktbezeichnungen sagen nichts über die
Schutzrechte der Warenzeichen aus.
Zeitschrift für Chemotherapie
Eichenallee 36a, 14050 Berlin
 1980 Zeitschrift für Chemotherapie (H. Lode), Berlin
Herausgeber: Prof. Dr. med. H. Lode
Mitherausgeber: Prof. Dr. med. R. Stahlmann
Redaktion: Prof. Dr. med. H. Lode (verantwortlich), Prof.
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