Das Fachmagazin für Naturheilkunde August 2015 17. Jahrgang Komplementärmedizin und konventionelle Medizin Sonderdruck Ein bewährtes Therapiekonzept bei Funktioneller Dyspepsie Funktionelle Erkrankungen finden unverändert keine große Beachtung in der modernen Medizin, für die der nach- und beweisbare Befund für die Evidenz einer Krankheit ausschlaggebend ist. Dennoch mehren sich wissenschaftliche Publikationen zu funktionellen Erkrankungen, wie zum Beispiel zur Funktionellen Dyspepsie [1, 11, 12]. Die Begründung hierfür ist ihre Häufigkeit, bis zu 25 % der Bevölkerung der westlichen Welt sollen daran leiden, und die damit verbundene sozio-ökonomische Bedeutung für die Kosten des Gesundheitswesens [11]. Der erhebliche Leidensdruck der Betroffenen findet dagegen kaum Erwähnung. Es ist Ausdruck der wissenschaftlichen Methodik unserer Medizin, dass das so ist. Denn im Allgemeinen werden Endpunkte einer Entwicklung festgehalten, während der damit korrelierte Zeitfaktor unberücksichtigt bleibt. Ohne Frage hat jedoch jede Erkrankung eine zeitliche Dimension, sowohl ihrer Entstehung als auch ihres Verlaufs. Akute Infektionskrankheiten sind hierfür ein gutes Beispiel, weil zwischen ihrer ersten Symptomatologie und der Ansteckung oder Infektion als eigentlichem Krankheitsbeginn 8/2015 eine Inkubationszeit liegt, die Tage, Wochen, ja Monate währen kann, bei der Hepatitis B beispielsweise bis zu einem halben Jahr. Jede chronische Erkrankung hat wesentlich längere zeitliche Vorläufe, ihre Entstehungsursachen liegen oft Jahre zurück. Das symptomlose Frühstadium der Krebskrankheit wird beispielsweise mit durchschnittlich 7 bis 14 Jahren angegeben [2]. Nimmt man die gestörte Funktion und ihre Symptomatologie, die sich besonders in Befindensstörungen zeigt, dagegen wirklich ernst, betritt man den Boden einer präventiv ausgerichteten Medizin. Das lange Warten auf den ersten wirklich messbaren Befund bedeutet Zeit zu verschenken, die einer sinnvollen Therapie gewidmet werden könnte. Sinnvoll nicht nur, weil das Wohlbefinden wieder hergestellt wird, sondern vor allem, weil die allmähliche Ausbildung einer manifesten Erkrankung, die dann auch morphologisch-strukturelle Organveränderungen zeigt, verhindert werden kann. Das setzt allerdings therapeutische Möglichkeiten voraus, die gestörte Funktion so wiederherzustellen, dass der Organismus ohne Einfluss von außen wieder gesund („normal“) arbeitet. Und hier haben die modernen pharmakologischen Strategien vorwiegend synthetischer Arzneimittel ihre Grenzen. Denn ihr Wirkprinzip ist gerade die Ausschaltung einer gestörten Funktion durch z. B. Rezeptorblockade oder auch die Substitution einer mangelnden Funktion, z. B. endokriner Hormone. Dadurch wird die physiologische Funktion nicht wieder hergestellt, sondern die Therapie tendiert dazu, eine dauerhafte zu werden, was das Risiko unerwünschter Arzneimittelwirkungen erhöht. Kaum beachtet: Die Grenzen synthetischer Arzneimittel Hier muss immer mehr die Integration komplementärer Therapiemöglichkeiten angestrebt werden, wie sie beispielsweise die in Deutschland als „besondere Therapierichtungen“ deklarierten Phytotherapie, Homöopathie oder Anthroposophische Medizin, aber auch die klassischen Naturheilverfahren anbieten, die zusammengefasst auch als „Traditionelle Europäische Medizin“ bezeichnet werden können. Unter den vielfältigen Therapiemöglichkeiten bei Verdauungsstörungen finden sich beispielsweise die klassischen Heilpflanzen wie die Echte Kamille (Matricaria recutita), Melisse (Melissa officinalis) und Pfefferminze (Mentha piperita), die als Tee, alkoholische Tropfen oder in Form von Ölen eingesetzt werden. Weiterhin stehen die Bitterstoffe (Amara) zur Verfügung, die die Verdauung anregen. Hier werden Amara tonica, z. B. Tausendgüldenkraut (Centaurium minus) und Gelber Enzian (Gentiana lutea), Amara aromatica, z. B. Engelswurz (Angelica archangelica) und Benediktenkraut (Carduus benedictus) sowie Amara acria – die so genannten Scharfstoffdrogen – unterschieden, zu denen Ingwerwurzelstock (Zingiber officinalis) und Galgant (Alpinia officinarum) gehören [7]. Diese gedanklichen Voraussetzungen leiten zu einer funktionellen Krankheit über, der heute eindeutig definierten Funktionellen Dyspepsie (Reizmagen), und einem traditionellen Wirkprinzip der komplementären Medizin, das bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts in allen medizinischen Institutionen anerkannt und vielfach zur Wiederherstellung der Magenfunktion verordnet wurde: Die Kombination aus organisch gebundener Salzsäure und Verdauungsenzymen des Magens, in Deutschland als Enzynorm® f bekannt. H+ Pepsin aktiv Polypeptid (44 Aminosäuren) H+ Proteine Oligopeptide Aminosäuren Abb. 1: Wirkung des Eiweiß spaltenden Enzyms Pepsin im Magen. 2 Gesunde Verdauung von zentraler Bedeutung Jede Art einer Verdauungsstörung, gerade auch funktioneller Ursache, muss ernst genommen werden, weil Verdauungsfähigkeit eine entscheidende Voraussetzung für die Gesundheit unseres Organismus ist. Alles, was von außen aufgenommen wird, muss zuvor seine Eigenart vollständig verloren haben, muss quasi „neutralisiert“ werden, was durch Verdauen geschieht. Gelingt dieses nicht oder nur zum Teil, bilden sich Allergene oder Toxine. Verdauung schafft die Voraussetzung, dass der Organismus sich etwas Fremdes aneignen kann, ohne daran Schaden zu nehmen. pH 1-3 Pepsinogen inaktiv Abb. 2: Start der Eiweißverdauung im Magen. Deshalb sind Verdauungsvorgänge auch eine entscheidende Funktion des Immunsystems, und zentrale Verdauungsorgane wie Dünndarm und Leber auch hoch immunaktive Organe. In ihnen ist die Wahrnehmung, ob etwas immunologisch inert und somit für den Organismus verträglich ist, von ausschlaggebender Bedeutung. Und Wahrnehmung des zu Verdauenden ist eine wichtige Funktion der Verdauung, ebenso wie alle Bewegungsvorgänge und die chemischen Prozesse, die oft zu einseitig in den Blick genommen werden [6]. Wie komplex die Steuerung aller Verdauungsschritte ist, kann auch an der fast unglaublichen Zahl gastrointestinaler Hormone abgelesen werden, von denen heute weit mehr als hundert bekannt sind. Dafür gibt es keinen Vergleich im Organismus. Die Bedeutung der Eiweißverdauung Bei der gastrointestinalen Verdauung sind es vor allem die Proteine, die in ihrer meist hochmolekularen Struktur gespalten und bis in ihre kleinsten molekularen Einheiten, die Aminosäuren, 8/2015 zerlegt werden müssen. Die Initialzündung hierfür liegt im Magen und dem Pepsinogen-Pepsin-System ( Abb. 1). Dieses braucht zu seiner Aktivierung ein stark saures Milieu, was durch die Salzsäure des Magens bei gesunder Funktion gewährleistet ist. Bei einem pH>3,5 kommt es schon zur Störung der Eiweißverdauung, was erhebliche Folgen hat. Das hat eine Wiener Arbeitsgruppe hervorragend dokumentiert [5]. In vitro-, Tier- und Humanstudien zeigten, wie groß die Schutzfunktion der gesunden Magenverdauung gegenüber der Sensibilisierung von potenziellen Nahrungsmittelallergenen ist. Typische, so genannte verdauungsstabile Eiweiße mit hohem Allergiepotenzial wurden im Reagenzglas binnen 60 Minuten vollständig durch Simulation der Proteinverdauung von Magen und Pankreas abgebaut, wenn die Verdauung im pH-Bereich von 1,8 – 3,2 erfolgte. Wurde der pH-Wert nur wenig erhöht, blieben die Proteine weitgehend unverdaut. Das konnte genauso bei Mäusen gezeigt werden, deren gesunde Verdauung durch Zusatz säurebindender oder -hemmender Arzneimittel gestört wurde. Es zeigte sich entsprechend die Ausbildung von Allergie-spezifischen IgE-Antikörpern. In den Studien bei Patienten mit gastrointestinalen Beschwerden wurden die gleichen Phänomene gefunden. Auffällig war, dass es bei bereits bestehender Sensibilisierung auch gegenüber eher unverdächtigen Nahrungsmitteleiweißen, so genannten verdauungslabilen Proteinen, ebenso zur Neubildung allergischer Phänomene kam. Ein wesentlicher Aspekt der funktionellen dyspeptischen Beschwerden muss somit in einer gestörten bzw. verminderten Eiweißverdauung schon im Magen gesehen werden, vielleicht mehr als bisher gedacht, aufgrund allergischer Reaktionen. Und hier richtet sich der Blick auf die eingangs erwähnte Wirkstoffkombination. Selbstheilungskräfte wecken sollte das Ziel sein Es ist eine wesentliche Therapiemöglichkeit, dass ein Arzneimittel dem Organismus als Modell oder Vorbild für eine bestimmte Funktion dient, 8/2015 wenn diese krankhaft gestört wurde [8]. Die lebenslange Lernfähigkeit des Organismus wird viel zu wenig therapeutisch genutzt, weil alles in ihm als automatisch geregelt gedacht wird. Überwiegend geht die Handlungsweise in Richtung Ausschaltung, Unterbrechung oder Substitution von Funktionen, viel zu selten auf die Möglichkeiten, eine Physiologie derselben wieder herzustellen. Das Ideal jeder Therapie muss es sein, den Patienten langfristig unabhängig von jeglicher Therapie zu machen. An dem Arzneimittel als Modell lernt der Organismus, dank seiner Regulationssysteme, die früher auch Selbstheilungskräfte genannt wurden, die gesunde Funktion wieder herzustellen und in die eigene Regie zu nehmen. Pepsin aus porciner Magenschleimhaut und organisch gebundene Salzsäure in Form von Aminosäuren-Hy­ drochlorid stellt ein stoffliches Modell des physiologischen, Eiweißverdauenden Magenmilieus dar ( Abb. 2). Dass es Einfluss auf die körpereigenen Funktionen bzw. Regulationen hat, zeigte sein Stimulationseffekt auf die Freisetzung von Gastrin im Zusammenhang mit einer definierten Mahlzeit bei gesunden Probanden [3]. Umfangreiche Studien zeigen eine deutliche Verbesserung der typischen Symptomatologie einer Funktionellen Dyspepsie [4, 9, 10]. Eine kürzlich ausgewertete, nicht interventionelle Studie bestätigt die Ergebnisse dieser etwa 30 Jahre zurückliegenden Untersuchungen [Publikation in Vorbereitung]. Auch die eigene ärztlich-gastroenterologische Erfahrung mit vielen Patienten zeigt in Übereinstimmung mit anderen Anwendern, dass die Behandlung mit dieser Kombination aus Pepsin und Salzsäure grundsätzlich zeitlich limitiert werden kann und sich die wiederhergestellte Gesamtfunktion der gastrointestinalen Verdauung auch ohne Einfluss von außen erhält, wenn keine vollständige Atrophie der Magenschleimhaut vorliegt. In Einzelfällen wurden auch bekannte Nahrungsmittelintoleranzen oder -unverträglichkeiten so vollständig überwunden, dass wieder eine uneingeschränkte Nahrungsaufnahme möglich wurde. Hinzu kommt der Effekt der besonders guten Arzneimittelverträg- Prof. Dr. med. Volker Fintelmann ist Internist, Gastroenterologe, Komplementärmediziner und Autor. Gründer der Carl Gustav Carus Akademie in Hamburg, deren Leiter er bis heute ist. lichkeit. Auch bei einer längerfristigen Anwendung der Wirkstoffkombination wurden nur selten unerwünschte Arzneimittelwirkungen beobachtet. Fazit Bei funktionellen Krankheiten wie der Funktionellen Dyspepsie ist die Wiederherstellung der physiologischen Funktion oberstes therapeutisches Ziel. Jede Therapie muss unter Beachtung des gesunden Verdauungsmilieus im Magen und oberen Intestinaltrakt konzipiert werden. Dabei ist ein ausreichend saures Milieu im Magen besonders mit Blick auf die Eiweißverdauung von zentraler Bedeutung. Arzneimittel der komplementären Therapie, zu denen auch Arzneipflanzen mit Bitterstoffanteilen gehören, ebenso wie eine Ernährungshygiene, sind hier Mittel der ersten Wahl, während vor allem die Magensäurebildung blockierenden Arzneimittel äußerst kritisch hinterfragt werden müssen [13, 14]. Enzynorm® f, ein traditionell angewendetes Arzneimittel zur Unterstützung der Magenfunktion, stellt dagegen ein wirkliches Unikat dar, weil es als Modell für die Wiederherstellung der gestörten Verdauungsfunktion im oberen Gastrointestinaltrakt wirkt, besonders mit Blick auf die Eiweißverdauung. Prof. Dr. med. Volker Fintelmann 3 Literatur 1] Allescher HD: Funktionelle Dyspepsie: Gastroenterologe 2013; 8: 393 – 404. 2] Averhoff W: Mechanismen der Tumorentstehung und Tumorprogression. Forum Komplementäre Onkologie 1 (1999c): 21. 3] Biermann C, Frohn A, Hirschmann M, Klapdor R: Untersuchungen zur Freisetzung von Gastrin und Magensäure durch Enzynorm®forte an gesunden Probanden. In: Maiwald et al., Periodica Medica: Enzynorm®forte – funktionelle Bedeutung und klinischeWirksamkeit, Reinbek: Einhorn Presse Verlag 1988: 59 – 68. 4] Brilmayer H, Faust W, Schliemann J: Non-ulcer dyspepsia. Beschwerden und deren medikamentöse Beeinflussung. In: Maiwald et al., Periodica Medica: Enzynorm®forte – funktionelle Bedeutung und klinische Wirksamkeit, Reinbek: Einhorn Presse Verlag 1988: 71 – 85. 5] Diesner SC, Pali-Schöll, Jensen-Jarolim E, Untersmayr E: Mechanismen und Risikofaktoren für Typ 1 Nahrungsmittelallergien: Die Rolle der gastrischen Verdauung. Wien Med Wochenschr 2012; 162: 513 – 518. 6] Fintelmann V: Enzymbasierte Therapie bei dyspeptischen Beschwerden. Naturheilpraxis 2007; 12: 1868 – 1869. 7] Fintelmann V, Weiss RF: Lehrbuch Phytotherapie. 12. Auflage, Hippokrates Verlag 2009: 38–61. 8] Fintelmann V: Funktionelle Dyspepsie – Aktualität für eine traditionelle Therapie? Naturamed 2012; 3: 28 – 33. 9] Gabriel H: Der Einfluss eines Säure-Magenenzym-Präparates auf die Oberbauchbeschwerden geriatrischer Patienten. Ärztliche Praxis 1986; 92: 2963 – 2970. 10] Jenissen A: Besserung der Symptomatik der chronisch-atrophischen Gastritis unter Gabe ei- nes Säure-Magenenzym-Präparates. Extracta Gastroenterologica 1987; Band16, Heft 6: 199 – 200. 11] Oustamanolakis P und Tack J: Dyspepsia – Organic versus Functional. J clin Gastroenerol 2012; 46 (3): 175 – 190. 12] Tack J und Talley NJ: Functional dyspepsiasymptoms, definitions and validity of the Rome III criteria. Nat Rev Gastroenterol Hepatol 2013; 10: 134 – 141. 13] Uehleke B und Stange R: Harmlos oder gefährlich – eine kritische Analyse zur Arzneimittelsicherheit von Säureblockern (Teil 1). ZKM 2010; 3: 54 – 57. 14] Uehleke B und Stange R: Harmlos oder gefährlich – eine kritische Analyse zur Arzneimittelsicherheit von Säureblockern (Teil 2). ZKM 2010; 4: 61 – 64. 2 Gute Aussichten für Ihre Patienten . Enzynorm® f – bei Reizmagen. 2 Die einzigartige Wirkstoffkombination aus Pepsin & Aminosäure-Hydrochloriden. › Fördert die Eiweißverdauung › Reguliert die Magenfunktion Foto: Maridav/Shutterstock.com Ohne Alkohol, Laktose & Gluten. Enzynorm® f. Zusammensetzung: 1 überzogene Tablette enthält als arzneilich wirksame Bestandteile 225,0 - 250,0 mg Pepsin vom Schwein entsprechend 190 Ph. Eur. Einheiten Proteinaseaktivität und 250 mg Aminosäure-Hydrochlorid aus Rinderbluteiweiß-Hydrolysat. Sonstige Bestandteile: Carmellose-Natrium (Ph. Eur.), Carnaubawachs, Eisenoxide und -hydroxide (E172), Gelatine, Glucose, Macrogol 6000, Magnesiumstearat (Ph. Eur.), mikrokristalline Cellulose, Simeticon, Sucrose, Stearinsäure (Ph. Eur.), Talkum, Titandioxid (E171). Anwendungsgebiete: Traditionell angewendet als mild wirkendes Arzneimittel zur Unterstützung der Magenfunktion. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen einen der arzneilich wirksamen Bestandteile, oder einen der sonstigen Bestandteile. Nebenwirkungen: sehr selten: Oberbauchbeschwerden wie Magenschmerzen, Übelkeit oder Erbrechen. Warnhinweise: Enthält Glucose und Sucrose (Zucker). Weitere Informationen siehe Fachund Gebrauchsinformation. Stand: März 2014. Nordmark Arzneimittel GmbH & Co. KG, 25436 Uetersen www.enzynorm.de