§ 3 Die natürlichen, die ganzen und die ra

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§3
3.2
3.3
3.5
3.6
3.7
3.9
3.10
3.12
3.13
3.14
3.18
3.19
3.24
3.26
3.36
3.37
Die natürlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen
Die Menge N der natürlichen Zahlen
Induktionsprinzip
N ist abgeschlossen bzgl. Addition und Multiplikation
N ist wohlgeordnet
Vollständige Induktion
Bernoullische Ungleichung
Geometrische Summenformel
N0 und die ganzen Zahlen Z
Die rationalen Zahlen Q
Rechenregeln für Potenzen
Rechenregeln für Binomialkoeffizienten
Binomischer Lehrsatz
Gleichmächtigkeit
Endlichkeit und Kardinalzahl von endlichen Mengen
Charakterisierung der endlichen und unendlichen Mengen
√
2 ist keine rationale Zahl
In den Axiomen für den angeordneten, vollständigen Körper R taucht der Begriff oder auch nur das Wort natürliche Zahl“ nicht auf. Man steht daher
”
vor der Aufgabe, die natürlichen Zahlen mit den Mitteln dieses Axiomensystems zu definieren. Man nennt hierzu die Zahl 1 eine natürliche Zahl und
definiert die anderen natürlichen Zahlen durch 2 := 1 + 1, 3 := 2 + 1, 4 := 3 + 1,
5 := 4+1, 6 := 5+1, 7 := 6+1, 8 := 7+1, 9 := 8+1, 10 := 9+1 und so weiter“.
”
Etwas genauer sollen die natürlichen Zahlen beschrieben werden durch:
(I)
a) 1 ist eine natürliche Zahl,
b) ist n eine natürliche Zahl, so ist auch n + 1 eine natürliche Zahl.
(II)
Nur die aus 1 durch endliche Anwendung der Schlußregel (Ib) entstehenden reellen Zahlen sollen natürliche Zahlen heißen.
Die Präzisierung dieser Vorstellung führt zu folgenden Definitionen:
C1
[3]–1
Kapitel I
3.1
Reelle Zahlen
Induktive Mengen
Eine Menge I heißt induktiv, wenn I ⊂ R ist, und die folgenden beiden
Bedingungen erfüllt sind:
(i)
(ii)
1 ∈ I;
a ∈ I ⇒ a + 1 ∈ I.
Es gibt viele induktive Mengen, z.B. I := R, I := R+ . Nach Vorstellung (I) muß
die noch zu definierende Menge der natürlichen Zahlen eine induktive Menge
sein. Vorstellung (II) legt nahe, die Menge der natürlichen Zahlen als möglichst
kleine induktive Menge einzuführen. Betrachtet man hierzu die Menge T ⊂
M := P(R) aller induktiven Mengen, so wird man versuchen nachzuweisen,
daß T ein Minimum besitzt. Nach den Überlegungen des § 1 (nach 1.7) ist das
Minimum von T bzgl. ⊂, wenn es überhaupt existiert, durch ∩I∈T I gegeben.
Dies führt zu folgender Definition:
3.2
Die Menge N der natürlichen Zahlen
Sei T die Menge aller induktiven Mengen. Die Menge der natürlichen
Zahlen wird definiert durch
N := ∩ I,
I∈T
also als Durchschnitt aller induktiven Mengen.
Es ist N das kleinste Element von T bzgl. ⊂, d.h. (siehe Definition 1.4)
(i)
N ist eine induktive Menge;
(ii)
N ⊂ I für jede induktive Menge I.
Beweis. (i) Es ist 1 ∈ I für jedes I ∈ T (siehe 3.1(i)). Also ist 1 ∈ ∩I∈T I = N.
Sei a ∈ N, d.h. a ∈ I für jedes I ∈ T. Dann ist a + 1 ∈ I für jedes I ∈ T (siehe
3.1(ii)). Also ist a + 1 ∈ ∩I∈T I = N.
Nach Definition 3.1 ist daher N eine induktive Menge.
(ii) Ist I eine induktive Menge, dann gilt I ∈ T und somit N = ∩I 0 ∈T I 0 ⊂ I.
Aus der Definition von N folgt unmittelbar das folgende wichtige Induktionsprinzip:
3.3
Induktionsprinzip
Sei I eine Menge natürlicher Zahlen mit
(A)
(S)
1 ∈ I;
n ∈ I ⇒ n + 1 ∈ I.
Dann ist I = N.
[3]–2
C1
Die natürlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen
Beweis. Wegen (A), (S) und I ⊂ N ⊂ R ist I eine induktive Menge. Somit
gilt N ⊂ I nach 3.2(ii) und damit wegen I ⊂ N auch I = N.
Es heißt (A) auch der Induktionsanfang und (S) der Induktionsschluß .
Die folgenden drei Sätze beweisen wir mit dem Induktionsprinzip.
3.4
Positivität der natürlichen Zahlen
Jede natürliche Zahl ist ≥ 1 und somit insbesondere positiv.
Beweis. Es ist I := {n ∈ N : n ≥ 1} eine Menge natürlicher Zahlen.
(A) Es ist 1 ∈ N und 1 ≥ 1, also 1 ∈ I.
(S) n ∈ I ⇒ (n ∈ N ∧ n ≥ 1) ⇒ (n + 1 ∈ N ∧ n + 1
3.2(i)
≥
2.3(viii)
n ≥ 1) ⇒ n + 1 ∈ I.
Nach 3.3 ist also I = N, d.h. jede natürliche Zahl ist ≥ 1. Wegen 1 > 0 (siehe
2.3(viii)) ist damit jede natürliche Zahl insbesondere positiv.
3.5
N ist abgeschlossen bzgl. Addition und Multiplikation
(i)
m, n ∈ N ⇒ m + n, m · n ∈ N;
(ii)
(iii)
(m, n ∈ N ∧ m < n) ⇒ n − m ∈ N;
(m, n ∈ N∧m < n) ⇒ m+1 ≤ n; d.h. ist m eine natürliche Zahl,
so liegt zwischen m und m + 1 keine weitere natürliche Zahl.
Beweis. (i) Sei m ∈ N. Um m + n ∈ N zu zeigen, setze
I := {n ∈ N : m + n ∈ N} ⊂ N.
(A) Es ist 1 ∈ I, da 1 ∈ N ist und wegen m ∈ N auch m + 1 ∈ N ist.
(S) Ist nun n ∈ I, so gilt n ∈ N und m + n ∈ N nach Definition von I. Damit
sind n + 1 und m + (n + 1) = (m + n) + 1 aus N, d.h. n + 1 ∈ I.
Nach 3.3 gilt somit I = N. Also ist mit m ∈ N und n ∈ N auch m + n ∈ N.
Um m · n ∈ N zu zeigen, setze
I := {n ∈ N : m · n ∈ N} ⊂ N.
(A) Es ist 1 ∈ I, da 1 und m · 1 = m ∈ N sind.
(S) Sei n ∈ I, dann sind n und m · n ∈ N. Also ist auch n + 1 ∈ N, und nach
dem gerade Bewiesenen auch m · (n + 1) = m · n + m ∈ N. Also ist n + 1 ∈ I.
Daher gilt I = N nach 3.3.
(ii) Wir zeigen zunächst:
(1)
N = {1} ∪ {n ∈ N : n − 1 ∈ N} =: I.
Nun ist I ⊂ N und es gilt:
C1
[3]–3
Kapitel I
(A)
Reelle Zahlen
1 ∈ I.
Sei n ∈ I. Dann ist n ∈ N und somit sind n + 1 und (n + 1) − 1(= n)
Elemente von N. Also ist n + 1 ∈ I.
(S)
Aus (A) und (S) folgt nach 3.3, daß N = I ist, d.h. es gilt (1).
Wir zeigen jetzt:
N = {n ∈ N : (m ∈ N ∧ m < n) ⇒ n − m ∈ N} =: I1 .
(2)
Es ist I1 ⊂ N, und es gilt:
(A) 1 ∈ I1 , denn es ist 1 ∈ N, und es gibt nach 3.4 gar kein m ∈ N mit m < 1.
(S) Sei n ∈ I1 . Zu zeigen ist n + 1 ∈ I1 . Nun ist mit n auch n + 1 ∈ N.
Zu zeigen bleibt daher, daß für m ∈ N mit m < n + 1 auch (n + 1) − m ∈ N
ist. Für m = 1 ist dieses wegen n ∈ N klar. Sei nun m > 1. Dann ist
nach (1) auch m − 1 ∈ N und wegen n ∈ I1 und m − 1 < n folgt daher
(n + 1) − m = n − (m − 1) ∈ N.
Aus (A) und (S) folgt nach 3.3, daß N = I1 ist, d.h. es gilt (2) und somit (ii).
(iii) Aus m < n für m, n ∈ N folgt n − m ∈ N nach (ii) und somit 1 ≤ n − m
nach 3.4. Also ist m + 1 ≤ n.
Man nennt eine totalgeordnete Menge M wohlgeordnet, wenn jede nicht-leere
Teilmenge von M ein kleinstes Element besitzt.
3.6
N ist wohlgeordnet
Jede nicht-leere Teilmenge von N besitzt ein kleinstes Element.
Beweis. Angenommen, L sei eine nicht-leere Teilmenge von N ohne kleinstes
Element. Setze dann
I := {n ∈ N : n < t für alle t ∈ L}.
Wir zeigen: I ⊂ N ist induktiv. Dann gilt I = N und somit t < t für jedes
t ∈ L. Da L 6= ∅ ist, erhalten wir den gewünschten Widerspruch.
Zur Induktivität von I:
(A) Nach 3.4 ist 1 ≤ t für alle t ∈ L. Somit ist 1 6∈ L, da L kein kleinstes
Element enthält. Also gilt 1 < t für alle t ∈ L, d.h. 1 ∈ I.
(S) Sei n ∈ I. Dann gilt n ∈ N, und n < t für alle t ∈ L. Somit ist n + 1 ≤ t
für alle t ∈ L (benutze 3.5(iii)). Da L kein kleinstes Element enthält, ist
n + 1 6= t für alle t ∈ L, und somit n + 1 < t für alle t ∈ L. Also ist
n + 1 ∈ I.
Für jedes n ∈ N sei eine Aussage A(n) gegeben, d.h. für jedes n ∈ N ist A(n)
gültig oder nicht gültig. Es soll nun bewiesen werden, daß A(n) für alle n ∈ N
gültig ist. Die Gültigkeit dieser unendlich“ vielen Aussagen A(n) kann man
”
nun nicht für jedes n einzeln nachprüfen. Als Beweisprinzip“ bietet sich dann
”
die vollständige Induktion an:
[3]–4
C1
Die natürlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen
3.7
Vollständige Induktion
Es sei A(n) für jedes n ∈ N eine Aussage. Es sei folgendes bekannt:
(A)
A(1) ist gültig.
(S)
Für jedes n ∈ N haben wir: A(n) ⇒ A(n + 1), d.h. ist A(n)
gültig, so ist auch A(n + 1) gültig.
Dann sind die Aussagen A(n) für alle n ∈ N gültig.
Beweis. Setze I := {n ∈ N : A(n) ist gültig} ⊂ N. Es ist 1 ∈ I, da 1 ∈ N und
A(1) nach (A) gültig ist. Ist n ∈ I, dann ist n ∈ N und die Aussage A(n) ist
gültig. Also ist n + 1 ∈ N und nach (S) ist auch A(n + 1) gültig, d.h. n + 1 ∈ I.
Nach 3.3 ist somit I = N, d.h. A(n) ist für alle n ∈ N gültig.
(A) nennt man wieder den Induktionsanfang. A(n) nennt man Induktionsannahme oder Induktionsvoraussetzung (kurz (V) genannt) und den Schluß (S)
von A(n) auf A(n + 1) den Induktionsschluß .
Die vollständige Induktion dient nicht nur dazu, Aussagen zu beweisen, sondern
auch dazu, einen Begriff für alle natürlichen Zahlen zu definieren. Man definiert
den Begriff zunächst für die Zahl 1. Hat man ihn dann für eine natürliche Zahl n
definiert, so definiert man ihn für n + 1 unter Zuhilfenahme der Definition für n.
Diese Form der Definition wird auch rekursive Definition genannt. Man spricht
auch von einer Definition durch vollständige Induktion, da man die vollständige
Induktion benötigt, um sich klar zu werden, daß der Begriff wirklich für alle
natürlichen Zahlen definiert ist.
P
So wird man eine formale Definiton von nk=1 ak , d.h. der Summe von n-vielen
Summanden a1 , . . . , an folgendermaßen geben:
P1
(A)
k=1 ak := a1 ,
Pn+1
Pn
(S)
k=1 ak :=
k=1 ak + an+1 .
P0
Man setzt noch
•
k=1 ak := 0.
Es ist also
P1
P2
= a1 + a2 ,
=
k=1 ak + a2
k=1 ak
(A)
(S)
P2
P3
= (a1 + a2 ) + a3 .
=
k=1 ak + a3
k=1 ak
(S)
Für den Summationsindex k im Summenzeichen kann man statt k auch einen
anderen Buchstaben, z.B. i, j, m wählen. Es ist also
Pn
Pn
Pn
Pn
a
=
a
=
a
=
i
j
k
k=1
i=1
j=1
m=1 am .
Qn
Eine formale Definition von k=1 ak , d.h. des Produktes von n-vielen Faktoren
a1 , . . . , an sieht folgendermaßen aus:
Q1
(A)
k=1 ak := a1 ,
Qn+1
Qn
(S)
k=1 ak := ( k=1 ak ) · an+1 .
Q0
Man setzt noch
•
k=1 ak := 1.
C1
[3]–5
Kapitel I
Reelle Zahlen
Entsprechend definiert man an für a ∈ R:
(A) a1 := a,
(S) an+1 := an · a.
Man setzt noch
• a0 := 1.
Für eine exaktere Untersuchung der rekursiven Definition siehe § 2.8 in Walter,
Analysis I.
In den folgenden drei Sätzen benutzen wir die vollständige Induktion zum Beweis.
3.8
Summe der ersten n natürlichen bzw. der ersten n Quadratzahlen
Für jedes n ∈ N gilt:
Pn
(i)
k=1 k = n(n + 1)/2;
Pn
2
(ii)
k=1 k = n(n + 1)(2n + 1)/6.
Beweis. Beide Beweise werden mit vollständiger Induktion (siehe 3.7) geführt.
(i) Es bezeichne A(n) also die Aussage:
Pn
n(n+1)
.
k=1 k =
2
P1
Induktionsanfang (A): A(1) lautet: k=1 k = 1·2
2 , dies ist aber gültig.
Induktionsschluß (S): Sei für ein n ∈ N nun A(n) gültig (Induktionsvorausetzung (V)). Dann gilt A(n + 1) wegen:
Pn+1
Pn
=
= n(n+1)
+n+1
k=1 k
k=1 k + (n + 1)
2
Def.
(V)
+ 1)
= (n+1)(n+2)
.
=
2
gilt A(n) für alle n ∈ N nach 3.7.
P
Bezeichne A(n) die Aussage: nk=1 k 2 = n(n + 1)(2n + 1)/6.
P
A(1) ist gültig, weil 1k=1 k 2 = 1 = 1 · 2 · 3/6.
Pn+1 2
Pn
2
2
2
k=1 k =
k=1 k + (n + 1) = [n(n + 1)(2n + 1) + 6(n + 1) ]/6
(n + 1)( n2
Also
(ii)
(A)
(S)
Def.
(V)
[(n + 1)(2n2
=
+ n + 6n + 6)]/6 = [(n + 1)(n + 2)(2(n + 1) + 1)]/6.
Also haben wir A(n) ⇒ A(n + 1) gezeigt.
Die Ungleichung in 3.9, die vielfach in der Analysis verwandt wird, stammt von
Jacob Bernoulli (1654–1705).
3.9
Bernoullische Ungleichung (1689)
Für alle n ∈ N und alle t ∈ R mit t ≥ −1 gilt:
(1 + t)n ≥ 1 + nt.
[3]–6
C1
Die natürlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen
Beweis. (A) (1 + t)1 = 1 + t ≥ 1 + 1t für t ≥ −1.
(S)
Sei nun die Aussage für n gültig, d.h. es gelte
(V)
(1 + t)n ≥ 1 + nt für alle t ≥ −1.
Wegen t ≥ −1 ist 1 + t ≥ 0. Daher folgt durch Multiplikation von (V) mit
0 ≤ 1 + t:
(1 + t)n+1 = (1 + t)n (1 + t) ≥ (1 + nt)(1 + t) = 1 + nt + t + nt2
(V)
≥ 1 + (n + 1)t.
2.3(vii)
Damit haben wir die Aussage für n + 1 gezeigt.
Insbesondere gilt also
2n > n für alle n ∈ N,
•
denn (1 + 1)n ≥ 1 + n > n.
3.9
3.10
Geometrische Summenformel
Für alle reellen q 6= 1 und alle n ∈ N gilt:
1 + q + . . . + qn =
1 − q n+1
.
1−q
2
(1+q)(1−q)
= 1−q
1−q
1−q
n+1
n+1
+ . . . + q n ) + q n+1 = 1−q
1−q + q
(V)
Beweis. (A) 1 + q =
(S) (1 + q
=
1−q n+1+1
1−q
Will man in der geometrischen Summenformel die Pünktchenschreibweise“ ver”
meiden, so kann man die Formel auch folgendermaßen schreiben:
Pn+1 k−1 1−qn+1
•
= 1−q
k=1 q
Umgekehrt lautet 3.8 in Pünktchenschreibweise
1 + 2 + ... + n =
n(n+1)
;
2
12 + 22 + . . . + n2 =
n(n+1)(2n+1)
.
6
Die Induktionsmethode, die wir in 3.4–3.6 und 3.8–3.10 angewandt haben, ist
eine Methode, den Beweis von unendlich vielen Aussagen, nämlich Aussagen
für alle natürlichen Zahlen, durch den Beweis von zwei Aussagen — nämlich
den Beweis von (A) und den Beweis von (S) — zu erledigen. Die Induktionsmethode ist aber eine Methode, die nur lehrt, Aussagen zu beweisen; sie ist keine
Methode, die lehrt, (gültige) Aussagen zu finden. Für letzteres gibt es keine
sichere Methode. Oftmals wird man empirisch vorgehen. Man wird z.B. von
einigen Spezialfällen ausgehend eine Aussage vermuten, und diese Aussage erst
danach mit Hilfe von vollständiger Induktion, d.h. mit einer speziellen Form
der Deduktion, zu beweisen versuchen. Der vollständigen Induktion geht also
oft eine unvollständige“ Induktion voraus.
”
C1
[3]–7
Kapitel I
Reelle Zahlen
So kann man z.B. wegen
1 = 12
1 + 3 = 4 = 22
1 + 3 + 5 = 4 + 5 = 32
1 + 3 + 5 + 7 = 9 + 7 = 42
vermuten, daß 1 + 3 + . . . + (2n − 1) = n2 ist. Dieses gilt dann in der Tat, wie
man mit vollständiger Induktion sofort sieht.
Für die Vermutung darüber, was für eine Aussage gilt, ist die Betrachtung
von Spezialfällen, die Intuition und die Phantasie zuständig. Gleiches gilt bei
schwierigen Beweisen auch für das Finden der Beweise. Nur das Nachvollziehen
des Beweises ist alleine eine Sache des logischen Denkens. Hilbert soll in diesem
Zusammenhang auf die Frage, was aus einem seiner Assistenten geworden sei,
geantwortet haben: Er hatte nicht genug Phantasie, er ist Dichter geworden.“
”
In der linearen Algebra beweist man, daß — da + und · kommutative und
assoziative Operationen sind — für jede Umordnung b1 , . . . , bn von a1 , . . . , an
gilt:
Pn
Pn
Qn
Qn
•
a=1 bk =
k=1 ak ,
k=1 bk =
k=1 ak .
b1 , . . . , bn heißt dabei eine Umordnung von a1 , . . . , an , wenn es eine bijektive
Abbildung ϕ von {k ∈ N : k ≤ n} auf sich gibt mit bk = aϕ(k) für k = 1, . . . , n.
Die in 3.11 notierten Rechenregeln (i)–(vii) beweist man wieder mit vollständiger Induktion. Für den Fall n = 2 sind jedenfalls (iii)–(vii) schon bewiesen.
Der Fall n = 2 kann daher für (iii)–(vii) beim Beweis des Induktionsschrittes
verwandt werden.
3.11
Rechenregeln für Summen und Produkte
Seien a1 , . . . , an und b1 , . . . , bn ∈ R. Seien ferner a, b ∈ R. Dann gilt für
alle n ∈ N:
Pn
Pn
Pn
(i)
(a
+
b
)
=
a
+
k
k
k
k=1
k=1
k=1 bk ;
Pn
Pn
(ii)
k=1 ak ;
k=1 bak = b
P
P
(iii)
(ak ≤ bk für k = 1, . . . , n) ⇒ nk=1 ak ≤ nk=1 bk ;
(iv)
(v)
(vi)
(vii)
(viii)
[3]–8
(ak ≤P
bk für k = P
1, . . . , n und aj < bj für wenigstens ein j)
n
⇒ k=1 ak < nk=1 bk ;
Q
Q
0 ≤ ak ≤ bk für k = 1, . . . , n) ⇒ nk=1 ak ≤ nk=1 bk ;
(0 < aQk ≤ bk für Q
k = 1, . . . , n und aj < bj für wenigstens ein j)
n
⇒ k=1 ak < nk=1 bk ;
|a1 + . . . + an | ≤ |a1 | + . . . + |an |;
an+1 − bn+1 = (a − b)(an + an−1 b + an−2 b2 + . . . + abn−1 + bn ).
C1
Die natürlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen
Beweis. Etwa von (iii): Für n = 1 ist nichts zu beweisen. Sei die Aussage
für n bewiesen. Dann gilt:
Pn+1
Pn
Pn
Pn+1
≤
k=1 ak =
k=1 bk + bn+1 =
k=1 ak + an+1
k=1 bk .
Def.
(V),2.3(i)
Def.
(iv) folgt entsprechend mit Hilfe von 2.3(ii). (v) folgt mit Hilfe von 2.3(iii).
(vi) folgt mit Hilfe von 2.3(iv). (vii) folgt mit Hilfe von 2.7(iii).
(viii) Für a = b oder a = 0 ist die Behauptung trivial. Sei also a 6= 0 und
q := ab 6= 1. Dann ist die Behauptung äquivalent zu (dividiere die Gleichung
durch an+1 ):
1 − q n+1 = (1 − q)(1 + q 2 + . . . + q n ).
Diese Aussage gilt nach 3.10.
Die Gleichung
a+t=b
hat für feste a, b ∈ N i.a. keine Lösung t in N. Will man immer eine Lösung
solcher Gleichungen haben, so benötigt man also eine Menge L mit
R ⊃ L ⊃ N und a, b ∈ L ⇒ a − b ∈ L.
Die ganzen Zahlen Z werden nun als kleinste Menge mit dieser Eigenschaft
eingeführt.
3.12
N0 und die ganzen Zahlen Z
Setze N0 := N ∪ {0} und bezeichne mit Z die kleinste Menge L, die
(1)
N ⊂ L ⊂ R ∧ a, b ∈ L ⇒ a − b ∈ L
erfüllt. Dann gilt:
(i)
(ii)
(iii)
(iv)
Z = N0 ∪ {−n : n ∈ N} = {n − m : n, m ∈ N}.
N0 = {m ∈ Z : m ≥ 0} und somit N = {m ∈ Z : m > 0};
N ⊂ N0 ⊂ Z;
6=
6=
Es ist 0 ∈ Z, und es gilt: a, b ∈ Z ⇒ a + b, a − b, a · b ∈ Z.
Beweis. (i) R ⊃ N0 ∪ {−n : n ∈ N} =: L1 ⊃ N. Somit bleibt zu zeigen:
(2)
(3)
(4)
Erfüllt L die Bedingung (1), so gilt: L1 ⊂ L.
a, b ∈ L1 ⇒ a − b ∈ L1 .
L1 = {n − m : n, m ∈ N} =: L2 .
Zu (2): Es ist N ⊂ L und 0 = 1 − 1 ∈ L. Also ist −n = 0 − n ∈ L. Daher gilt
(1)
(1)
L1 ⊂ L.
C1
[3]–9
Kapitel I
Reelle Zahlen
Zu (4): ⊂“: Sei k ∈ L1 . Ist k ∈ N, so ist k ∈ L2 wegen k = (k + 1) − 1 sowie
”
k + 1, 1 ∈ N. Ist k = 0, so ist k = 1 − 1 ∈ L2 . Ist k = −n mit n ∈ N, so ist
k = 1 − (1 + n) ∈ L2 .
⊃“: Sei k ∈ L2 , d.h. k = n − m mit n, m ∈ N. Ist m < n, so ist k = n − m ∈ N
”
(siehe 3.5(ii)). Ist m = n, so ist k = 0 ∈ N0 ⊂ L1 . Ist m > n, so ist k = −(m−n)
mit m − n ∈ N (siehe 3.5(ii)). Also ist auch in diesem Fall k ∈ L1 .
Also gilt (4).
Zu (3): Seien a, b ∈ L1 = L2 . Dann gilt a = n1 − m1 , b = n2 − m2 mit
(4)
n1 , n2 , m1 , m2 ∈ N. Da n1 + m2 , m1 + n2 ∈ N sind (siehe 3.5(i)), folgt:
a − b = (n1 + m2 ) − (m1 + n2 ) ∈ L2 = L1 .
(ii) Es ist N0 ⊂ Z und m ≥ 0 für m ∈ N0 (siehe 3.4). Also gilt N0 ⊂
{m ∈ Z : m ≥ 0}. Ist nun m ∈ Z und m ≥ 0, so gilt m 6∈ {−n : n ∈ N}, da
jedes Element der letzten Menge nach 3.4 negativ ist. Also ist m ∈ N0 .
(iii) N ⊂ N0 nach Definition und 0 6∈ N nach 3.4. Also N⊂N0 . N0 ⊂ Z gilt
6=
nach (i). Ferner gehört −n für n ∈ N zu Z, aber nicht zu N0 nach (ii).
(iv) Nach (1) ist 0 ∈ Z. Seien a, b ∈ Z. Zu zeigen ist
Wegen (i) gilt:
a + b, a − b, a · b ∈ Z.
a = n1 − m1 , b = n2 − m2 mit n1 , n2 , m1 , m2 ∈ N.
Wegen n1 + n2 , m1 + m2 ∈ N (siehe 3.5(i)) gilt:
a + b = (n1 + n2 ) − (m1 + m2 ) ∈ Z.
(i)
Wegen n1 n2 + m1 m2 , m1 n2 + n1 m2 ∈ N (siehe 3.5(i)) gilt:
a · b = (n1 n2 + m1 m2 ) − (m1 n2 + n1 m2 ) ∈ Z.
(i)
Wegen 1 ∈ Z und a − b = a + (−b) = a + (−1) · (b) folgt aus dem schon
Bewiesenen auch a − b ∈ Z.
Für 3.12(iv) sagt man in der Algebra auch: Z ist ein Unterring von R.
Die Gleichung
a·t=b
hat für feste a ∈ Z, a 6= 0 und b ∈ Z i.a. keine Lösung t in Z. Will man
immer eine Lösung solcher Gleichungen, so benötigt man also eine Menge L
mit R ⊃ L ⊃ Z und a, b ∈ L mit a 6= 0 ⇒ b/a ∈ L.
Die rationalen Zahlen werden nun als kleinste Menge mit dieser Eigenschaft
eingeführt.
[3]–10
C1
Die natürlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen
3.13
Die rationalen Zahlen Q
Setze
(i)
(ii)
(iii)
Q := { m
n : m, n ∈ Z, n 6= 0}.
Dann ist Q die kleinste Teilmenge von R, die Z umfaßt und mit
a, b und a 6= 0 auch b/a enthält. Es gilt Z⊂
Q.
6=
0, 1 ∈ Q, und für a, b ∈ Q gilt:
a + b, a − b, a · b ∈ Q, und für a 6= 0 ist auch b/a ∈ Q.
Q ist der kleinste Teilkörper von R.
Beweis. (i) Sei m ∈ Z. Dann ist m = m
1 ∈ Q. Es ist 1/2 ∈ Q. Wäre 1/2 ∈ Z,
dann wäre 1/2 ∈ N (nach 3.12(ii), wegen 0 < 1/2). Also ist 1/2 ∈ Q − Z. Daher
ist insgesamt Z⊂
Q.
6=
m2
1
Seien a = m
n1 ∈ Q und b = n2 ∈ Q mit a 6= 0, und m1 , n1 , m2 , n2 ∈ Z. Dann
sind m1 , n1 , n2 6= 0 und somit n2 · m1 6= 0. Daher gilt:
b
a
=
m2 ·n1
n2 ·m1
∈
3.12(iv)
Q.
Jede Teilmenge von R, die Z umfaßt und mit a 6= 0 und b auch b/a enthält,
muß Q nach Definition von Q umfassen.
(ii) Nach (i) sind 0, 1 ∈ Q. Seien a =
n1 , n2 6= 0. Zu zeigen bleibt wegen (i):
m1
n1 , b
=
m2
n2
mit m1 , m2 , n1 , n2 ∈ Z und
a + b, a − b, a · b ∈ Q.
Dies folgt mit 3.12(iv) und n1 · n2 6= 0 wegen
a+b=
m1 ·n2 +m2 ·n1
,
n1 ·n2
a−b=
m1 ·n2 −m2 ·n1
,
n1 ·n2
a·b=
m1 ·m2
n1 ·n2 .
(iii) (ii) besagt, daß Q Teilkörper von R ist. Ist T ein Teilkörper von R, so
enthält er 0 und 1 und mit a, b ∈ T und a 6= 0 auch b/a. Wegen (i) bleibt Z ⊂ T
zu zeigen.
Nach 3.12(i) reicht es hierzu, N ⊂ T zu zeigen. Dies folgt daraus, daß T als
Teilkörper von R insbesondere eine induktive Menge ist.
Daß Q 6= R ist, werden wir erst im nächsten Paragraphen mit Hilfe der Vollständigkeit von R beweisen können.
Mit vollständiger Induktion beweist man die folgenden Potenzrechenregeln.
3.14
Rechenregeln für Potenzen
(i)
Seien a, b ∈ R. Dann gilt für n, m ∈ N0
am+n = am · an ,
C1
an · bn = (a · b)n ,
(am )n = am·n .
[3]–11
Kapitel I
Reelle Zahlen
Sei a 6= 0. Setze für n ∈ N:
a−n := 1/an .
Damit ist am für alle m ∈ Z erklärt, falls a 6= 0 ist.
Sind nun a, b ∈ R mit a, b 6= 0, so gilt für n, m ∈ Z
(ii)
am+n = am · an ,
an · bn = (a · b)n ,
(am )n = am·n .
Schon beim Induktionsbeweis von (i) ist es vorteilhaft, die Induktion mit 0
zu beginnen, um den Fall, daß n oder m Null ist, nicht separat behandeln zu
müssen. In anderen Fällen ist es sogar zwingend erforderlich, die Induktion
mit einer von 1 verschiedenen ganzen Zahl zu starten. Betrachtet man z.B. die
Aussage 2n > n2 , so gilt diese Aussage für n = 4 nicht, wohl aber für n0 := 5.
Gilt sie für n ≥ 5, dann gilt sie auch für n + 1:
2n+1 = 2n · 2 > 2n2 > (n + 1)2 .
Hierbei folgt die letzte Ungleichung aus:
2n2 > (n+1)2 ⇐⇒ 2n2 > n2 +2n+1 ⇐⇒ n2 −2n+1 > 2 ⇐⇒ (n−1)2 > 2.
Daß damit 2n > n2 für alle n ≥ n0 bewiesen ist, folgt durch eine leichte Modifikation der vollständigen Induktion aus 3.7, die in 3.16 angegeben wird. Zunächst
eine Vorüberlegung:
Für n0 ∈ Z gilt:
3.15
•
{m ∈ Z : m ≥ n0 } = {n0 + n − 1 : n ∈ N}.
⊂“ Sei m ∈ Z, m ≥ n0 ⇒ m − n0 ≥ 0
”
⇒ n := m − n0 + 1 ∈ N ⇒ m = n0 + n − 1 mit n ∈ N.
Beweis.
=⇒ m − n0 ∈ N0
3.12(ii)
⊃“ Sei m := n0 + n − 1 mit n ∈ N. Dann ist m ∈ Z (siehe 3.12(iv)). Ferner
”
ist n − 1 ≥ 0 und somit auch m ≥ n0 .
3.16
Vollständige Induktion für n ≥ n0
Sei n0 ∈ Z und A(n) für jedes n ∈ Z mit n ≥ n0 eine Aussage. Es sei
folgendes bekannt:
(A) A(n0 ) ist gültig
und entweder
(S1 ) Für jedes n ∈ Z mit n ≥ n0 haben wir: A(n) ⇒ A(n + 1),
oder
(S2 ) Für jedes n ∈ Z mit n ≥ n0 haben wir:
A(n0 ) ∧ . . . ∧ A(n) ⇒ A(n + 1).
Dann sind die Aussagen A(n) für alle n ∈ Z mit n ≥ n0 gültig.
[3]–12
C1
Die natürlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen
Beweis. Da, wenn (A)∧(S1 ) gilt, auch (A)∧(S2 ) gilt, reicht es, den Satz unter
der Bedingung (A)∧(S2 ) zu beweisen. Sei also (A)∧(S2 ) erfüllt.
Wegen 3.15 ist zunächst A(n0 +k −1) für jedes k ∈ N eine Aussage. Wir können
daher definieren
I := {n ∈ N : A(n0 + k − 1) ist gültig für k ∈ N mit 1 ≤ k ≤ n} ⊂ N.
Wir wenden das Induktionsprinzip 3.3 an:
1 ∈ I, denn für k ∈ N mit 1 ≤ k ≤ 1, d.h. für k = 1 gilt A(n0 + 1 − 1) = A(n0 )
nach (A). Sei n ∈ I. Dann ist n ∈ N und
A(n0 + k − 1) ist für k ∈ N mit 1 ≤ k ≤ n gültig.
(1)
Wir zeigen n + 1 ∈ I, d.h. A(n0 + k − 1) ist für 1 ≤ k ≤ n + 1 gültig. Wegen
(1) bleibt zu zeigen:
A(n0 + (n + 1) − 1) = A(n0 + n) ist gültig.
(2)
Wegen (S2 ) reicht es zu zeigen:
A(m) für n0 ≤ m ≤ n0 + n − 1, m ∈ Z sind gültig.
(3)
Es folgt aber (3) aus (1) wegen:
n0 ≤ m ≤ n0 + n − 1, m ∈ Z ⇒ (1 ≤ k :=
m − n0 + 1 ≤ n, k ∈ N ∧ m = n0 + k − 1).
Mit Hilfe dieses Satzes können wir nun auch
P rekursive Definitionen geben, die
mit n0P∈ Z starten. Daher sind z.B. auch nk=0 ak oder allgemeiner, für n ≥ n0 ,
auch nk=n0 ak mittels rekursiver Definition definierbar.
Es gilt dann
Pn
k=1 ak
oder auch
Pn
=
Pn−1
k=0
ak+1
Pn+j
ak−j für j ∈ Z.
P
Q
Im folgenden denke man an die Vereinbarung 0k=1 ak = 0 und 0k=1 ak = 1
oder allgemeiner:
Pm−1
Qm−1
•
k=m ak := 0,
k=m ak := 1.
k=0 ak
=
k=j
Die Binomialkoeffizienten spielen sowohl für die Kombinatorik und Wahrscheinlichkeitstheorie als auch für die Analysis eine Rolle. Sie werden hier das erste
Mal beim binomischen Lehrsatz verwandt werden.
3.17
Binomialkoeffizienten und Fakultäten
Definiere für α ∈ R induktiv für n ∈ N0 :
(α)0 := 1, (α)n+1 := (α − n)(α)n .
Setze ferner für n ∈ N0 :
n! := (n)n
C1
und
µ ¶
α
(α)n
.
:=
n!
n
[3]–13
Kapitel I
Reelle Zahlen
Dann gilt für alle n ∈ N0 :
Qn−1
(i)
(α)n = k=0
(α − k) = α · (α − 1) · · · (α − (n − 1)).
(ii)
(iii)
Für m ∈ N0 mit m < n ist (m)n = 0.
Q
0! = 1, (n + 1)! = (n + 1)n!, n! = nk=1 k.
¡α ¢
¡ α ¢ ¡α¢ α−n ¡α¢ α(α−1) ··· (α−(n−1)) ¡α¢
, 1 = α.
n =
1·2 ··· n
0 = 1,
n+1 = n n+1 ,
Q
Beweis. (i) Es wird (α)n = n−1
i=0 (α − i) für n ∈ N0 induktiv gezeigt:
Q0−1
(A)
Es ist (α)0 = 1 = i=0 (α − i).
Def.
(α)n+1 = (α − n)(α)n = (α − n)
(S)
Def.
Qn−1
i=0
(α − i) =
Qn
i=0 (α
− i).
Qn−1
Für m ∈ N0 mit m < n folgt hieraus (m)n = k=0
(m − k) = 0, da wegen
m ≤ n − 1 der Faktor 0 auftritt.
Qn−1
Q
(n − k) = nk=1 k,
(ii) 0! = (0)0 = 1. Nun ist n! = (n)n = k=0
Def.
(i)
Qn+1
Qn
(n + 1)! = k=1 k = (n + 1) k=1 k = (n + 1)n!.
¡α ¢
¡ α ¢ (α)n+1
¡ ¢
α·(α−1) ··· (α−n)
1
0
= α−n
(iii) α0 = (α)
0! = 1 = 1,
n+1 n ,
n+1 = (n+1)! =
1·2
···
(n+1)
(i),(ii)
¡α ¢ ¡α ¢ α
1 = 0 1 = 1 · α = α.
3.18
Rechenregeln für Binomialkoeffizienten
Sei α ∈ R und k, n ∈ N0 . Dann gilt:
¡α¢ ¡ α ¢ ¡α+1¢
(i)
k + k+1 = k+1 ;
¡α¢ ¡α+1¢
¡
¢ ¡α+k+1¢
(ii)
+ . . . + α+k
=
;
0 +
1
k
k
¡ n ¢
½ n!
¡n ¢
k!(n−k)! = n−k , falls k ≤ n,
(iii)
k =
0
falls k > n;
¡n¢ ¡n+1¢ ¡n+2¢
¡n+k¢ ¡n+k+1¢
(iv)
+
+
+
.
.
.
+
= n+1 ;
n
n
n
n
¡n ¢
(v)
k ∈ N0 .
¡α¢ ¡α¢ α−k ¡α¢ α+1
¡ ¢ ¡ α ¢
α+1
k
= (α)
=
=
Beweis. (i) αk + k+1
k! · k+1
k + k k+1 = k k+1 Def.
3.17(i),(ii)
3.17(iii)
¡ ¢
(α+1)k+1
= α+1
k+1 .
(k+1)! Def.
¡ ¢
¡ ¢
(siehe 3.17(iii)).
(ii) (A) Für k = 0 folgt die Behauptung aus α0 = 1 = α+1
0
(S) Aus der Gültigkeit der Gleichung für k folgt, wenn man auf beiden Seiten
¡α+k+1¢
addiert:
k+1
¡α¢ ¡α+1¢
¡
¢ ¡α+k+1¢
¡
¢ ¡α+k+1¢ ¡α+k+2¢
+ . . . + α+k
+ k+1 = α+k+1
+ k+1 = k+1 .
0 +
1
k
k
(V)
[3]–14
(i)
C1
Die natürlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen
¡n ¢
(iii) Ist k ∈ {0, n}, so folgt (iii) aus
=
n!
n!
n ··· (n−(k−1))·(n−k)···1
k!(n−k)!
=
n!
k!(n−k)! .
0
Sei 1 ≤ k ≤ n − 1, dann gilt:
¡n ¢
··· (n−(k−1))
= n·(n−1)1·2
=
k
··· k
3.17(iii)
(n)n
n!
n!
0!(n−0)!
=
3.17(iii)
1=
Daher ist auch für 1 ≤ k ≤ n − 1 :
¡ n ¢
n!
n−k = (n−k)!(n−(n−k))! =
=
=
¡n ¢
n
.
n!
k!(n−k)! .
Sei nun k > n, dann ist (n)k = 0 für k > n (siehe 3.17(i)). Also folgt:
¡n¢ (n)k
k = k! = 0.
(iv) Setze in (ii) für α := n und benutze für n, j ∈ N0 , daß gilt:
¡n+j ¢
¡n+j ¢
=
n .
j
(iii)
¡n ¢
n!
(v) Nach (iii) ist k = k!(n−k)!
∈ N für 0 ≤ k ≤ n und
(iii)
¡n ¢
Also insgesamt k ∈ N0 für alle k ∈ N0 .
¡n ¢
k
= 0 für k > n.
Aus der Formel¡3.18(i)
ergibt sich für n, k ∈ N0 eine sukzessive Berechnungsn¢
möglichkeit für k :
¡n+1¢ ¡ n ¢ ¡n¢
¡ ¢ ¡n+1¢
= k−1 + k .
=
1
und
für
1
≤
k
≤
n:
=
Es ist n+1
k
0
n+1
¡n ¢
¡n+1¢
0
0
·
·
·
→+←
↓
¡n+1¢
1
¡n ¢
1
·
¡3 ¢
0
·
···
···
¡2 ¢
0
·
¡1 ¢
0
¡0 ¢
0
→+←
↓
¡3 ¢
1
¡1 ¢
→+←
↓
¡2 ¢
1
1
→+←
↓
¡3 ¢
2
···
k
→+←
↓
¡n+1¢
1
1
1
1
1
6
2
4
1
3
6
10
15
3
·
20
¡0¢
1
4
10
·¡
···
···
¡1¢
k
1
5
15
·
·
···
k
1
3
5
¡3 ¢
k+1
k+1
Also (bis n=6):
1
2
···
···
· · · ¡ ¢ · · · ¡ ¢· · ·
n
n
···
1
¡2 ¢
¡2¢
k
1
6
·
n ¢
n−1
¡3¢
k
1
·
→+←
↓
¡n+1¢
¡4¢
k
n
¡5¢
k
¡n ¢
n
¡n+1¢
n+1
¡6¢
k
Dieses Berechnungsschema heißt das Pascalsche Dreieck , benannt nach Blaise
Pascal (1623–1662).
C1
[3]–15
Kapitel I
Reelle Zahlen
3.19
Binomischer Lehrsatz
Seien a, b ∈ R und n ∈ N0 . Dann gilt:
n ¡ ¢
P
n k n−k
(a + b)n =
.
k a b
k=0
Insbesondere gilt für alle t ∈ R:
¡ ¢
¡ ¢
P
P
(1 + t)n = nk=0 nk tn−k = nk=0 nk tk .
Beweis. Für den folgenden Induktionsbeweis seien a, b zwei reelle Zahlen.
¡¢
¡ ¢
P
(A)
(a + b)0 = 1 = 00 a0 b0 = 0k=0 k0 ak b0−k
3.17
Def.
(a + b)n+1 = (a + b)n (a + b) = (
(S)
=
3.11(ii)
=
=
3.17(iii)
=
3.18(i)
¡n¢ k+1 n−k
b
k=0 k a
Pn
3.17(iii)
=
Def.
an+1 +
¡n+1¢
n+1
¡n+1¢
0
Pn−1 ¡n¢
k=0 k
an+1 b0 +
k=0
k
ak+1 bn−k +
¡n ¢
k=0 k
¡n¢ k n+1−k
k=0 k a b
Pn
ak bn−k )(a + b)
¡n¢ k n+1−k
k=1 k a b
Pn
+ bn+1
¡ n ¢ k n−(k−1) Pn ¡n¢ k n+1−k ¡n+1¢ 0 n+1
+ k=1 k a b
+ 0 a b
k=1 k−1 a b
Pn
a0 bn+1 +
Pn+1 ¡n+1¢
+
(V)
Pn
Pn
k=1 [
ak bn+1−k .
¡
¡n¢ k n+1−k
n ¢
+
k ]a b
k−1
+
¡n+1¢
n+1
an+1 b0
Setzt man in der bewiesenen Formel a := 1, b := t bzw. a := t, b := 1, so
erhält man die Gleichung für (1 + t)n .
Speziell folgen für t = 1 bzw. t = −1 aus 3.19:
¡n ¢
¡n ¢ ¡n ¢
n
(3.20)
0 + 1 + . . . + n = 2 für n ∈ N0 .
¡n ¢ ¡n ¢ ¡n ¢
¡ ¢
n n = 0 für n ∈ N .
−
.
.
.
+
(−1)
+
−
(3.21)
0
2
1
0
n
3.22
Abschätzungen für Binomialkoeffizienten
Seien m, n ∈ N und m < n. Dann gilt:
¡m¢ ¡n ¢
(i)
für k = 1, . . . , n;
k < k
¡
¡ ¢
¢
1 m
1
1
(ii)
< n1k nk < k!
für k = 2, . . . , n;
≤ 2k−1
mk k
¢
¢
¡
¡
1
1 m
1
≤ n1k nk ≤ k!
für k = 0, . . . , n;
(iii)
≤ 2k−1
mk k
1 m
m)
< (1 + n1 )n ;
(iv)
(1 +
(v)
2 ≤ (1 + n1 )n < 3.
[3]–16
C1
Die natürlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen
Beweis. (i) Die Ungleichung folgt für k = 1 aus:
¡m¢
¡n ¢
=
m
<
n
=
1
1 .
3.17(iii)
Für k = 2, . . . , n ergibt sich die Ungleichung aus der ersten Ungleichung in (ii).
(ii) Wir beweisen zunächst¡ die
Für m < k ≤ n folgt die
¢ erste Ungleichung.
¡n ¢
erste Ungleichung in (ii), da m
=
0
und
>
0
nach
3.18(iii) sind. Sei daher
k
k
2 ≤ k ≤ m. Dann ist:
¡ ¢
··· (m−(k−1))
1 m
1
1
= m1k · m(m−1)1·2
· 1 · (1 − m
) · · · (1 − k−1
(1)
= k!
··· k
m )
mk k
3.17(iii)
Aus 0 < m < n folgt nun j/n < j/m für j ∈ N (benutze 2.3(x), 2.1(iii)(M)
und 3.4) und daher −j/m < −j/n (siehe 2.2(iv)). Ist nun j < m, so ist auch
j/m < 1 (siehe 2.3(xi)) und daher 0 < 1 − j/m. Insgesamt erhalten wir:
0 < 1 − j/m < 1 − j/n für j = 1, . . . , m − 1.
(2)
Aus (1), (2) und 3.11(vi) folgt:
¡ ¢
1
1
1 m
= k!
(1 − m
) · · · (1 −
k
m k
(1)
¡ ¢
= n1k nk .
k−1
m )
<
(2),3.11(vi)
1
k!
· (1 − n1 ) · · · (1 −
k−1
n )
(1)
Für¡ ¢die weiteren Ungleichungen sei nun ein beliebiges k = 2, . . . , n gewählt.
1 n
1
< k!
folgt nun aus (1), angewandt auf m := n. Ferner gilt (Beweis z.B.
nk k
1
1
.
mit vollständiger Induktion), daß 2k−1 ≤ k! und somit k!
≤ 2k−1
(iii) folgt
aus (ii). Für ¡k ¢= 0, 1 ist die Behauptung
¡ für
¡ ¢
¢ k = 2,1. ¡. n. ¢, n direkt
1 m
1
1
1
1 n
und
=
1
=
≤
=
≤
wegen m10 m
≤
·
m
=
1
=
0
−1
1
1
0
0!
m
n 0
2
m 1
n 1
1
1
1! ≤ 21−1 trivial.
P m ¡n ¢ 1
P n ¡n ¢ 1
P m ¡m¢ 1
1 n
1 m
) =
(iv) (1 + m
k=0 k nk <
k=0 k nk = (1 + n ) .
k=0 k mk ≤
3.19
(v) Für alle n ∈ N gilt:
2 =
≤ 1+
(iii)
(1 + 1)1
Pn
3.19
(iii)
≤
(iv)
1 k−1
=
k=1 ( 2 )
3.10
(1 + n1 )n
1+
1−(1/2)
1−1/2
=
3.19
n
<
¡n ¢ 1
k=0 k nk
Pn
1+
1
1−1/2
= 1+
= 3.
¡n ¢ 1
k=1 k nk
Pn
Im folgenden sollen n! und die Binomialkoeffizienten anschaulich interpretiert
werden. Hierzu benötigt man die Begriffe der Endlichkeit und der Elementeanzahl einer endlichen Menge. Man rufe sich die folgenden Begriffe der linearen
Algebra in Erinnerung:
3.23
Injektivität, Surjektivität und Bijektivität
Sei f : A → B eine Abbildung. Dann heißt
(i)
f injektiv , wenn für alle a1 , a2 ∈ A gilt:
f (a1 ) = f (a2 ) ⇒ a1 = a2 ;
C1
[3]–17
Kapitel I
(ii)
(iii)
Reelle Zahlen
f surjektiv , wenn es zu jedem b ∈ B ein a ∈ A mit f (a) = b gibt;
f bijektiv , wenn f injektiv und surjektiv ist.
Die Gesamtheit aller Abbildungen von A in B bezeichnet man mit B A .
Ist A = ∅, so gibt es genau eine Abbildung in die Menge B, nämlich die leere
”
Abbildung“ ∅. Also ist B ∅ = {∅}.
Sie ist nach der Definition in 3.23(i) dann auch injektiv. Insbesondere wird daher
∅ bijektiv auf ∅ abgebildet. Also ist ∅ ∼ ∅ im Sinne der folgenden Definition.
Definition 3.24 geht für den Fall unendlicher Mengen auf Cantor (1845–1918),
den Begründer der Mengenlehre, zurück.
3.24
Gleichmächtigkeit
Seien A, B zwei Mengen. Dann heißen A und B gleichmächtig oder
äquivalent, in Zeichen A ∼ B, wenn es eine bijektive Abbildung von
A auf B gibt. Es gilt:
(i)
(ii)
(iii)
A ∼ A;
A ∼ B ⇒ B ∼ A;
A ∼ B ∧ B ∼ C ⇒ A ∼ C.
Beweis. (i) Es gilt A ∼ A, da die identische Abbildung eine bijektive Abbildung von A auf sich ist.
(ii) Sei A ∼ B und bezeichne f die bijektive Abbildung von A auf B. Dann
ist die inverse Abbildung f −1 eine bijektive Abbildung von B auf A. Also ist
B ∼ A. (f −1 (b) := a ⇐⇒ f (a) = b).
(iii) Ist f eine bijektive Abbildung von A auf B und g eine bijektive Abbildung
von B auf C, dann ist g ◦ f eine bijektive Abbildung von A auf C, d.h. A ∼ C.
((g ◦ f )(a) := g(f (a))).
3.25
Spezielle endliche Mengen
Setze für n ∈ N0 :
N≤n := {k ∈ N : k ≤ n}
Für N≤n schreibt man auch {1, . . . , n}. Speziell ist N≤0 = ∅.
3.26
Endlichkeit und Kardinalzahl von endlichen Mengen
Sei A eine Menge. Gibt es ein n ∈ N0 mit A ∼ N≤n , so heißt A eine
endliche Menge. Man nennt dann n die Mächtigkeit oder Kardinalzahl
von A und schreibt kard(A) = n. A heißt dann auch eine Menge mit n
Elementen oder eine n-elementige Menge.
[3]–18
C1
Die natürlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen
Wegen ∅ ∼ N≤0 ist die leere Menge eine endliche Menge mit Null Elementen.
Sei A eine nicht-leere Menge mit n Elementen. Man bezeichne die Bijektion
von N≤n auf A mit f. Setzt man dann ak := f (k), so gilt:
•
A = {a1 , . . . , an } mit ai 6= aj für i 6= j.
Der folgende Satz erscheint unmittelbar evident. Sein exakter induktiver Beweis
ist jedoch ziemlich aufwendig.
3.27
(i)
Satz über endliche Mengen
Ist A eine Menge und A ∼ N≤n sowie A ∼ N≤m , so folgt n = m.
Somit ist kard(A) eindeutig bestimmt.
(ii) Teilmengen endlicher Mengen sind endlich.
Ist A⊂
B und B eine endliche Menge, so gilt: kard(A) < kard(B).
6=
(iii) Sind A, B endliche Mengen, so ist auch A ∪ B eine endliche Menge.
Sind zusätzlich A und B disjunkt, so gilt:
kard(A ∪ B) = kard(A) + kard(B).
Ist A ⊂ B und B eine endliche Menge, so gilt:
kard(B \ A) = kard(B) − kard(A).
Beweis. (i) Nach Satz 3.24 ist zunächst N≤n ∼ N≤m . Es reicht also zu zeigen:
N≤n ∼ N≤m ⇒ n = m.
Es sei A(n) für n ∈ N0 die Aussage:
Ist N≤n ∼ N≤m für ein m ∈ N0 , so gilt n = m.
(A) A(0) und auch A(1) sind trivial.
0
(S) Sei nun A(n) für ein n ≥ 1 gültig. Sei N≤n+1 ∼ N≤m für ein m0 ∈ N0 .
Dann ist m0 ≥ 2, also ist m := m0 − 1 ∈ N und N≤n+1 ∼ N≤m+1 . Daher gibt
es eine bijektive Abbildung f von N≤n+ auf N≤m+1 mit f (n + 1) = m + 1; ist
nämlich f eine bijektive Abbildung von N≤n+1 auf N≤m+1 mit f (n + 1) 6= m + 1
und somit f (i) = m + 1 für ein i 6= n + 1, so setze f (j) := f (j) für j 6= i, n + 1
und f (i) := f (n + 1), f (n + 1) := f (i) = m + 1 (kurz: Man vertausche zwei
Bildelemente). Mit dieser Abbildung f ist dann f |N≤n eine Bijektion von N≤n
auf N≤m . Also ist N≤n ∼ N≤m und es folgt n = m nach Induktionsannahme.
Daher ist n + 1 = m + 1 = m0 .
(ii) Sei o.B.d.A. A⊂B. Wir beweisen induktiv die folgende Aussage A(n):
6=
(A)
(S)
(A⊂
B ∧ kard(B) = n) ⇒ (A endlich und kard(A) < kard(B)).
6=
B und kard(B) = 1 liefert, daß A = ∅ ist.
A(1) ist trivial, da A⊂
6=
Sei A⊂B und kard(B) = n + 1. Dann gibt es ein b ∈ B mit A ⊂ B \ {b}.
6=
Es reicht nun zu zeigen:
(1)
C1
B \ {b} ist endlich und kard(B \ {b}) = n.
[3]–19
Kapitel I
Reelle Zahlen
Denn ist dann A = B\{b}, so folgt A(n+1) unmittelbar aus (1). Ist A⊂
B \ {b},
6=
so folgt A(n + 1) aus A(n).
Zu (1): Da kard(B) = n + 1 ist, gibt es eine bijektive Abbildung von N≤n+1
auf B mit o.B.d.A. f (n + 1) = b (vertausche notfalls zwei Bildelemente). Dann
ist f |N≤n eine bijektive Abbildung von N≤n auf B \ {b}. Also ist B \ {b} eine
endliche Menge und kard(B \ {b}) = n.
(iii) Zum Nachweis der ersten Formel seien zunächst A, B disjunkte und
o.B.d.A. nicht-leere endliche Mengen. Dann ist A ∼ N≤n und B ∼ N≤m für
n, m ∈ N. Setzt man f (i) := i + n für i = 1, . . . , m, dann wird N≤m bijektiv auf
{n + 1, . . . , n + m} =: C abgebildet. Somit gilt B ∼ C. Wegen der Disjunktheit
von A und B sowie von N≤n und C ist dann auch:
A ∪ B ∼ N≤n ∪ C = N≤m+n .
Also ist dann A ∪ B endlich mit kard(A ∪ B) = m + n = kard(A) + kard(B).
Sind A, B endliche Mengen, so ist zu zeigen:
A ∪ B ist eine endliche Menge.
Nun ist B \A nach (ii) eine endliche Menge. Daher ist A∪B, als disjunkte Vereinigung der beiden endlichen Mengen A und B \ A, nach dem gerade Bewiesenen
ebenfalls eine endliche Menge.
Ist schließlich A ⊂ B und B endlich, so sind A und B \ A endliche Mengen
nach (ii). Also gilt: kard(B) = kard(A ∪ (B \ A)) = kard(A) + kard(B \ A).
3.28
Vergleich endlicher Mengen
Es seien A und B zwei endliche Mengen. Dann gilt:
(i) Gibt es eine injektive Abbildung von A in B und eine
Abbildung von B in A, so ist A ∼ B.
(ii) Es gibt eine injektive Abbildung von A in B oder eine
Abbildung von B in A.
(iii) Es gibt genau dann eine injektive Abbildung von A in
kard(A) ≤ kard(B) ist.
(iv) Es gibt genau dann eine bijektive Abbildung von A auf
kard(A) = kard(B) ist.
(v) Jede injektive Abbildung von A in A ist surjektiv.
(vi) Jede surjektive Abbildung von A auf A ist injektiv.
injektive
injektive
B, wenn
B, wenn
Beweis. (iii) ⇒“: Sei f eine bijektive Abbildung von N≤n auf A und g eine
”
injektive Abbildung von A in B. Dann ist g ◦ f eine injektive Abbildung von
N≤n in B mit Wertebereich (g ◦ f )(N≤n ). Also gilt:
kard(A) = n = kard((g ◦ f )(N≤n )) ≤ kard(B).
3.27(ii)
⇐“: Sei n := kard(A) ≤ kard(B) =: m. Dann ist N≤ n injektiv in N≤m
”
abbildbar, und es gilt:
A ∼ N≤n −→ N≤m ∼ B.
inj.
[3]–20
C1
Die natürlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen
Also ist A injektiv in B abbildbar.
(ii) folgt aus (iii), da kard(A) ≤ kard(B) oder kard(B) ≤ kard(A) ist.
(iv) Ist A ∼ B und A ∼ N≤n , so gilt B ∼ N≤n , d.h. kard(A) = kard(B).
Ist kard(A) = kard(B) = n, so gilt A ∼ N≤n und B ∼ N≤n , also auch A ∼ B.
(i) Aus (iii) folgt kard(A) ≤ kard(B) und kard(B) ≤ kard(A), also ist
kard(A) = kard(B). Daher ist A ∼ B nach (iv).
(v) Sei f eine injektive Abbildung von A in A. Dann ist kard(A) = kard(f (A)),
da f eine bijektive Abbildung von A auf f (A) ist. Aus f (A)⊂
A folgte aber nach
6=
3.27(ii), daß kard(f (A)) < kard(A) wäre.
(vi) Sei f eine Abbildung von A auf A. Wähle für jedes a ∈ A genau ein
a0 ∈ A mit f (a0 ) = a. Dann ist A0 := {a0 : a ∈ A} ⊂ A und f |A0 eine bijektive
Abbildung von A0 auf A. Daher ist kard(A0 ) = kard(A) (siehe (iv)), und somit
gilt A0 = A nach 3.27(ii).
Sei J eine n-elementige Menge und seien aj für j ∈ J reelle Zahlen. Ist dann ϕ
eine Bijektion von N≤n auf J, so setzt man:
Pn
P
•
j∈J aj :=
i=1 aϕ(i) ,
Q
Qn
•
j∈J aj :=
i=1 aϕ(i) ,
P
Q
•
j∈∅ aj := 0,
j∈∅ aj := 1.
Da eine Summe (bzw. ein Produkt) nicht von der Anordnung der Summanden
(bzw. Faktoren) abhängt, hängt die obige Definition nicht von der speziellen
Bijektion ϕ von N≤n auf J ab. Sind nun J1 , J2 zwei disjunkte endliche Mengen,
so gilt:
P
P
P
•
j∈J aj ,
j∈J1 aj +
j∈J1 ∪J2 aj =
Q 2
Q
Q
•
j∈J2 aj .
j∈J1 aj ·
j∈J1 ∪J2 aj =
3.29
(i)
Rechenregeln für endliche Mengen
Es sei J eine endliche Menge. Ferner seien Aj für alle j ∈ J endliche
Mengen. Dann ist ∪j∈J Aj eine endliche Menge.
Sind zusätzlich die Aj , j ∈ J, paarweise disjunkt, so gilt:
P
kard(Aj ).
kard( ∪ Aj ) =
j∈J
j∈J
(ii) Es seien A, B zwei endliche Mengen.
Dann ist A × B := {(a, b) : a ∈ A, b ∈ B} eine endliche Menge und
kard(A × B) = kard(A) · kard(B).
Ist also m (bzw. n) die Elementeanzahl von A (bzw. B), so ist m · n
die Elementeanzahl von A × B.
C1
[3]–21
Kapitel I
(iii)
Reelle Zahlen
Seien A und B zwei endliche Mengen. Dann ist die Menge B A
aller Abbildungen von A in B eine endliche Menge, und es gilt
kard(B A ) = (kard(B))kard(A) .
Ist also m (bzw. n) die Elementeanzahl von A (bzw. B), so ist
nm die Elementeanzahl von B A .
P
Beweis. (i) Ist J = ∅, so ist ∪j∈J Aj = ∅ und i∈∅ kard(Ai ) = 0. Also ist
die Aussage für diesen Fall trivial.
Wir beweisen die Aussage induktiv nach n = kard(J) ∈ N. Für n = 1 ist die
Aussage trivial.
(S) Sei kard(J) = n + 1. Dann ist J = J \ {j0 } ∪ {j0 } mit j0 ∈ J und
kard(J \ {j0 }) = n (benutze 3.27(iii)). Also ist nach Induktionsannahme
zunächst ∪j∈J\{j0 } Aj und dann nach 3.27(iii) auch ∪j∈J Aj eine endliche Menge.
Sind die Aj , j ∈ J, zusätzlich noch paarweise disjunkt, so ist ∪j∈J\{j0 } Aj eine
endliche, zu Aj0 disjunkte Menge. Also gilt:
kard(∪j∈J Aj )
=
3.27(iii)
=
(V)
kard(∪j∈J\{j0 } Aj ) + kard(Aj0 )
P
P
kard(A
)
+
kard(A
)
=
j
j
0
j∈J\{j0 }
j∈J kard(Aj ).
(ii) Es gilt nun nach (i):
A × B = ∪ ({a} × B) ist eine endliche Menge.
a∈A
Da die Mengen Aa := {a} × B für a ∈ A paarweise disjunkt sind und Aa ∼ B
ist, folgt somit wiederum aus (i):
P
P
kard(A × B) =
kard({a} × B) =
kard(B)
(i)
a∈A
a∈A
= kard(B) · kard(A).
A
(iii) Ist A = ∅, so ist B = {∅}, und die Behauptung ist trivial. Ist A 6= ∅ und
B = ∅, so ist die Behauptung wegen B A = ∅ ebenfalls trivial. Seien also A 6= ∅
und B 6= ∅. Wir beweisen nun die Aussage induktiv nach n = kard(A) ∈ N.
Für n = 1 ist die Aussage wegen B {a} ∼ B trivial. Sei kard(A) = n + 1. Dann
ist A = (A \ {a}) ∪ {a} mit a ∈ A und kard(A \ {a}) = n (siehe 3.27(iii)). Nun
ist
BA =
∪ {g ∈ B A : g|(A \ {a}) = f }
f ∈B A\{a}
eine disjunkte Vereinigung von endlichen Mengen mit Kardinalzahl
kard({g ∈ B A : g|(A \ {a}) = f }) = kard(B).
(1)
Also gilt:
kard(B A ) =
P
kard({g ∈ B A : g|(A \ {a}) = f }) = kard(B A\{a} )kard(B)
(i) f ∈B A\{a}
=
(V)
[3]–22
(kard(B))kard(A\{a}) · kard(B)
(1)
= (kard(B))kard(A) .
3.27(iii)
C1
Die natürlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen
Eine bijektive Abbildung einer endlichen Menge B auf sich nennt man auch eine
Permutation.
¡ ¢
Interpretation von n!, (n)k und n
k
Sei A eine k-elementige und B eine n-elementige Menge.
3.30
(i)
Die Anzahl aller injektiven Abbildungen der k-elementigen Menge
A in die n-elementige Menge B ist (n)k .
(ii) Die Menge aller Permutationen der n-elementigen Menge B ist n!.
(iii) Die Anzahl
¡n¢ aller k-elementigen Teilmengen der n-elementigen Menge
B ist k .
Beweis. (i) Nach 3.17 gilt für k, n ∈ N0 :
(1)
(0)0 = 1, (0)k = 0 für k ∈ N; (n)0 = 1 und (n)k = 0 für k > n.
Da die Anzahl der injektiven Abbildungen von A = ∅ in B = ∅ gleich 1 und
von A 6= ∅ in B = ∅ gleich 0 ist, folgt die Behauptung für B = ∅ aus (1).
Ist B 6= ∅ und A = ∅, so ist ∅ die einzige injektive Abbildung von A in B. Die
Behauptung folgt aus (n)0 = 1.
(1)
Seien also nun k, n ∈ N. Ist k > n, so gibt es keine injektive Abbildung von A
in B (siehe 3.28(iii)) und die Behauptung folgt aus (n)k = 0.
(1)
Wir beweisen nun für eine feste Menge B, mit
kard(B) = n ∈ N,
(2)
induktiv für k ∈ N, und dieses reicht nach den Vorüberlegungen zum Beweis
von (i): Ist
kard(A) = k mit k ≤ n,
(3)
so gilt:
(4)
Es existieren genau (n)k -viele injektive Abbildungen von A in B.
(A) Für k = 1 ist die Behauptung (4) wegen (n)1 = n trivial.
(S) Sei die Aussage (4) für k ≤ n − 1 mit k ∈ N bewiesen. Zu zeigen ist:
Die Aussage gilt für k + 1. Sei also kard(A) = k + 1. Wähle a ∈ A, dann ist
kard(A \ {a}) = k. Bezeichne Finj (C, B) := {g ∈ B C : g injektiv}.
3.27(iii)
Dann gilt: Finj (A, B) = ∪f ∈Finj (A\{a},B) Af
mit Af := {g ∈ B A : g|(A \ {a}) = f, g(a) 6∈ f (A \ {a})}.
Die Mengen Af sind paarweise disjunkt und nach Induktionsannahme gilt:
(5)
kard(Finj (A \ {a}, B)) = (n)k .
Ferner ist für f ∈ Finj (A \ {a}, B):
(6) kard(Af ) = kard(B \ f (A \ {a}))
C1
(4)
=
3.27(iii)
n − kard(f (A \ {a})) = n − k.
[3]–23
Kapitel I
Reelle Zahlen
Somit erhalten wir nach 3.29(i):
P
kard(Finj (A, B)) =
f ∈Finj (A\{a},B)
kard(Af ) = (n)k (n − k) = (n)k+1 .
(5),(6)
(ii) Nach 3.28(v) ist die Anzahl aller Permutationen von B die Anzahl aller
injektiven Abbildungen von B in sich, also nach (i) gleich (n)n = n!.
(iii) Bezeichne ak die Anzahl aller k-elementigen Teilmengen von B. Da
¡n ¢
(n)k
k = k! ist, reicht es zu zeigen:
3.17
(7)
(n)k = k! ak .
Nun ist:
Finj ({1, . . . , k}, B) =
(8)
∪
C⊂B ist k-elem.
AC mit paarweise disjunkten
Mengen AC := {g ∈ Finj ({1, . . . , k}, B) : g hat Bildmenge C}.
Da AC genau die Menge der injektiven Abbildungen von {1, . . . , k} in C ist
(benutze 3.27(ii)), gilt:
(9)
kard(AC ) =(k)k = k!.
(i)
Daher folgt:
(n)k = Finj ({1, . . . , k}, B)
(i)
=
ak kard(AC )
P
=
(8),3.29(i)
kard(AC )
C⊂B ist k-elem.
ak · k!
=
(9)
Ist A eine Menge mit 49 Elementen, z.B. 49 Kugeln, so gibt es
¡49¢ 49·48·47·46·45·44
= 13983816 verschiedene 6-elementige Teilmengen.
6 =
1·2·3·4·5·6
Die Chance, beim Lotto 6 aus 49“ sechs Richtige zu erzielen, ist daher etwa
”
1 : 14 Millionen.
3.31
Korollar
Ist A eine endliche Menge, so ist P(A) eine endliche Menge, und es gilt:
kard(P(A)) = 2kard(A) .
Eine n-elementige Menge hat also genau 2n Teilmengen.
Beweis. Sei n := kard(A) ∈ N0 . Eine Teilmenge von A hat k Elemente
mit 0 ≤ k ≤ n¡ (siehe
3.27(ii)). Die Anzahl aller verschiedenen k-elementigen
¢
Teilmengen ist nk (siehe 3.30(iii)). Daher folgt nach 3.29(i), daß die Gesamtzahl
aller Teilmengen durch
¡n ¢ ¡n ¢
¡n ¢
n
+
+
.
.
.
+
0
1
n = 2
3.20
gegeben ist.
Eine andere Möglichkeit, 3.31 zu beweisen, besteht darin nachzuweisen, daß
P(A) ∼ {0, 1}A ist, und dann 3.29(iii) zu benutzen.
[3]–24
C1
Die natürlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen
Die folgenden beiden Sätze geben hinreichende Bedingungen dafür an, wann
nicht-leere Mengen Maxima oder Minima besitzen.
3.32
Jede nicht-leere endliche Menge reeller Zahlen besitzt
ein Minimum und ein Maximum.
Beweis. Wir zeigen mit vollständiger Induktion für n ∈ N:
A(n): Hat eine Menge reeller Zahlen n Elemente, so besitzt sie ein Minimum.
(A) Ist M eine einelementige Menge, so ist dieses eine Element Minimum von
M.
(S)
Sei M = {a1 , . . . , an , an+1 } eine (n + 1)-elementige Menge.
Nach Induktionsannahme besitzt dann {a1 , . . . , an } ein Minimum c. Ist
c < an+1 , so ist c das Minimum von M, andernfalls ist c ≥ an+1 und
daher an+1 das Minimum von M.
Der Beweis für die Existenz des Maximums verläuft entsprechend.
3.33
(i)
Korollar
Ist ∅ 6= M ⊂ {m ∈ Z : m ≥ m0 } =: Z≥m0 für ein m0 ∈ Z, so besitzt
M ein Minimum.
(ii) Ist ∅ 6= M ⊂ {m ∈ Z : m ≤ m0 } =: Z≤m0 für ein m0 ∈ Z, so besitzt
M ein Maximum.
Beweis. (i) Sei n1 ∈ M. Dann ist
{k ∈ Z : m0 ≤ k ≤ n1 } =: M1
eine endliche Menge. Nun ist ∅ 6= M ∩ M1 ⊂ M1 und daher eine nicht-leere
endliche Menge (siehe 3.27(ii)). Somit existiert min(M ∩ M1 ) nach 3.32.
Wegen M 3 min(M ∩ M1 ) ≤ m für m ∈ M ∩ M1 und min(M ∩ M1 ) ≤ n1 < m
für m ∈ M \ M1 , ist min(M ∩ M1 ) das Minimum von M.
(ii) verläuft analog.
3.34
Eine
ist.
(i)
(ii)
(iii)
Unendliche Mengen
Menge A heißt unendliche Menge, wenn sie keine endliche Menge
Eine unendliche Menge ist zu keiner endlichen Menge äquivalent.
Jede Obermenge einer unendlichen Menge ist unendlich.
N ist eine unendliche Menge.
Beweis. (i) Sei A eine unendliche, B eine endliche Menge. Dann gilt für ein
n ∈ N0 : B ∼ N≤n . Wäre A ∼ B, so wäre A ∼ N≤n und somit A eine endliche
Menge.
C1
[3]–25
Kapitel I
Reelle Zahlen
(ii) Sei A eine unendliche Menge und A ⊂ B. Dann ist B unendlich nach
3.27(ii)).
(iii) Angenommen, N ist endlich. Dann gibt es ein n ∈ N0 und eine bijektive
Abbildung f von N auf N≤n . Dann wäre f |N≤n+1 eine bijektive Abbildung
von N≤n+1 auf f (N≤n+1 ) ⊂ N≤n . Dann liefert n + 1 = kard(f (N≤n+1 )) ≤
kard(N≤n ) = n einen Widerspruch.
Der folgende Satz zeigt, daß die Menge der natürlichen Zahlen N — in einem
später noch zu präzisierenden Sinne — die kleinste“ unendliche Menge ist.
”
3.35
N als kleinste“ unendliche Menge
”
Sei A eine unendliche Menge. Dann gibt es eine injektive Abbildung von
N in A. Eine solche Abbildung heißt auch Folge mit Werten in A.
Beweis. Wir definieren eine Abbildung f von N in A induktiv. Sei a ∈ A und
setze f (1) := a. Nun sei f (1), . . . , f (k) definiert mit:
f (i) 6= f (j) für 1 ≤ i, j ≤ k und i 6= j;
(1)
f (i) ∈ A für i = 1, . . . , k.
(2)
Dann ist {f (1), . . . , f (k)} wegen (1) eine k-elementige und somit, wegen (2),
eine endliche Teilmenge von A. Daher ist Bk := A \ {f (1), . . . , f (k)} keine
endliche Menge (siehe 3.27(iii)) und somit insbesondere nicht-leer. Wähle nun
f (k + 1) ∈ Bk .
Dann gilt f (k + 1) 6= f (i) für i 6= k + 1. Da (1) für k gilt, gilt somit auch (1)
für k + 1.
Da (2) nach Konstruktion auch für k + 1 gilt, sind somit nach vollständiger
Induktion f (n) für n ∈ N definiert mit f (n) 6= f (m) für n 6= m und f (n) ∈ A
für n ∈ N.
Satz 3.36 ermöglicht nun eine Charakterisierung der endlichen Mengen, die auf
Dedekind (1831–1916) zurückgeht. Diese Definition charakterisiert die endlichen Mengen, ohne auf die Menge der natürlichen Zahlen Bezug zu nehmen.
3.36
(i)
Charakterisierung der endlichen und der unendlichen
Mengen
Eine Menge A ist genau dann endlich, wenn jede injektive Abbildung von A in sich surjektiv ist.
(ii) Eine Menge A ist genau dann unendlich, wenn es eine injektive
Abbildung von A in sich gibt, die nicht surjektiv ist.
Beweis. Zu zeigen ist:
(1)
(2)
[3]–26
((A endlich) ∧ (f : A → A injektiv)) ⇒ (f surjektiv);
(A unendlich) ⇒ (∃f : A → A injektiv mit f (A)⊂A).
6=
C1
Die natürlichen, die ganzen und die rationalen Zahlen
Zu (1): Dies ist Aussage 3.28(v).
Zu (2): Sei g : N → A eine nach 3.35 existierende injektive Abbildung. Setzt
man an := g(n), so gilt also ai 6= aj für i 6= j. Ferner gilt A = {an : n ∈ N} ∪ B
mit zu {an : n ∈ N} disjunkter Menge B := A \ {an : n ∈ N}. Setze nun
f (an ) := an+1
f (b) :=
b
für n ∈ N,
für b ∈ B.
Dann ist f : A → A injektiv. Wegen a1 6∈ f (A) = B ∪ {an+1 : n ∈ N} ist f
nicht surjektiv.
Gleichungen der Form
a+t=b
haben für a, b ∈ Z eine Lösung in Z.
Gleichungen der Form
a·t=b
haben für a, b ∈ Q mit a 6= 0 eine Lösung in Q.
Die quadratische Gleichung
t2 = 2
hat keine Lösung in Q, wohl aber — wie wir in § 4 sehen werden — in R.
3.37
√
2 ist keine rationale Zahl
Es gibt kein c ∈ Q mit c2 = 2.
Beweis. Angenommen, es gäbe
(1)
c ∈ Q mit c2 = 2.
Dann gäbe es m ∈ Z, n ∈ N mit
(2)
c = m/n, m und n teilerfremd.
(Zur Definition sowie einfacher Eigenschaften der Teilerfremdheit sei auf die
Schule oder die Ergänzungsstunde verwiesen.)
Aus (1) und (2) folgt m2 = 2n2 . Also ist m2 und damit auch m gerade. Somit
ist m = 2k mit k ∈ Z und daher 4k 2 = 2n2 , d.h. n2 = 2k 2 . Daher ist wieder n2
und somit n gerade. Also sind m und n nicht teilerfremd — im Widerspruch
zu (2).
√
Daß 2 keine rationale Zahl ist, hat die erste Grundlagenkrise“ der Mathema”
tik um ca. 500 v.Chr. ausgelöst. Nach der philosophischen Grundüberzeugung
des Pythagoras ist alles Zahl, d.h. für die Griechen der damaligen Zeit: Natürliche Zahl. Hat man zwei Strecken A bzw. B der Längen a bzw. b, so sind sie
nach dieser Überzeugung stets kommensurabel, d.h. es muß eine weitere (von
A und B in der Regel abhängende) Strecke C der Länge c geben, so daß die
Strecke C m-mal in A und n-mal in B aufgeht. Also muß für die Längen gelten:
C1
[3]–27
Kapitel I
Reelle Zahlen
a = mc und b = nc. Daher ist a : b = m : n eine rationale Zahl. Betrachtet
man nun ein Quadrat mit der Seitenlänge b = 1, so hat seine
√ Diagonale nach
dem mathematischen Satz des Pythagoras die Länge a = 2. Sind also die
Diagonale und die Seitenlänge des Quadrates kommensurabel,√wie es die philosophische Lehre des Pythagoras vorschreibt, so müßte a : b = 2 rational sein.
Dies widerspricht aber 3.37.
Für die gesamte Mathematik der damaligen Zeit war dies deshalb so entsetzlich, weil einerseits alle Beweise unter der Annahme der Kommensurabilität
von Strecken, Flächen, Raumkörpern und Winkeln geführt worden waren. Andererseits hatten die Griechen aber als erste das Prinzip vertreten, daß alle
mathematischen Aussagen bewiesen werden müßten. Die Griechen lösten dieses Problem etwa ein Jahrhundert später, indem Eudoxos (408–355 v.Chr.) die
Lehre von den sogenannten Proportionen von Größen (Strecken usw.) entwikkelte. Die Lösung, irrationale Zahlen einzuführen, ist erst in der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts in vollständiger Strenge gelungen.
Als Bücher für die Analysis I seien insbesondere empfohlen:
I) Das rund 650 Seiten umfassende Buch von H. Heuser: Lehrbuch der Analysis, Teil 1, B.G. Teubner Stuttgart, 10. Auflage.
Dieses Buch
– ist sehr ausführlich geschrieben und gut motiviert,
– ist sehr verständlich,
– enthält viele interessante Übungsaufgaben mit Anleitungen,
– bringt historische Bezüge und am Ende des Teils 2 einen historischen
Gesamtüberblick über die Analysis,
– stellt Anwendungen aus den Bereichen Physik, Chemie, Biologie, Psychologie, Medizin und Wirtschaftswissenschaften und Technik vor;
II) Das rund 380 Seiten umfassende Buch von W. Walter: Analysis 1, Grundwissen Mathematik 3, Springer Verlag, 2. Auflage.
Dieses Buch
– ist ausführlich geschrieben und gut motiviert,
– ist verständlich,
– enthält interessante Übungsaufgaben mit Anleitungen,
– bringt, in den Text integriert, viele historische Bezüge,
– stellt ebenfalls Anwendungen aus vielen Bereichen vor,
– läßt dadurch, daß es knapper als das Buch von Heuser geschrieben ist,
Beweisideen gelegentlich klarer hervortreten, ist dafür aber schwieriger
zu verstehen.
[3]–28
C1
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