Arbeitsplatzbezogene psychische Störungen Prof. Dr. Michael Linden Abt. Verhaltenstherapie und Psychosomatik am Reha-Zentrum Seehof der Deutschen Rentenversicherung Bund, Teltow/Berlin und Forschungsgruppe Psychosomatische Rehabilitation an der Charité Universitätsmedizin Berlin Bullet Points • Es gibt keine Indikatoren für eine Zunahme arbeitsbedingter psychischer Störungen • Es gibt spezielle arbeitsbezogene psychische Störungen: z.B. Arbeitsplatzängste • Ein Viertel der Bevölkerung leidet unter leistungsmindernden psychischen Störungen mit Arbeitsproblemen bei Controlling • Awareness- und Antistigmakampagnen führen zur besseren Erkennung und Behandlung von psychischen Störungen • Behindertenkonvention: Inklusion Psychisches und körperliches Belastungserleben in verschiedenen Berufen % Stressanforderungen Umfrage Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, N=17.562 Arbeitsstunden pro Jahr in Europa (Eurostat, nur Vollzeitbeschäftigte 2011) Anforderungsfit Umfrage Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, N=17.562 Der Mensch ist unterschiedlich AVEM-Typologie Gesundheitstypen: Risikotypen: Typ G („Gesundheit“) Typ A („Überforderung“) Vor der Arbeit Nach der Arbeit Typ S („Schonung“) Vor der Arbeit Nach der Arbeit Vor der Arbeit Nach der Arbeit Typ B („Burnout“) Vor der Arbeit Nach der Arbeit Arbeitsanforderungen sind unterschiedlich Lehrer Krankenschwester Manager Handwerker LKW Bau Pfarrer Sozialberuf Landwirtschaft Fließband Catering Lagerarbeiter Friseur 0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 % Klagen über hohen Stress The scale of occupational stress: A further analysis of the impact of demographic factors and type of job. London: HSE, 2000 Laienkonzept: Überforderung bzw. Stress > burn out Jederman weiß: Druck führt zu Stress, Stress führt zu Erschöpfung und burn out und macht krank • Problem 1: Stress wird ex post facto beschrieben und hat damit keinen Erklärungswert. Ein Stressor kann alles sein: Beförderung, Weiterbeschäftigung, Kündigung. • Problem 2: „Burn out“ ist ein Symptom und kann alles Mögliche bedeuten. • Problem 3: Externale Kausalattributionen verstellen Blick auf das eigentliche Problem und führen zu inadäquaten Reaktionen Individuelle Krankheitskonzepte Ursachen und Gründe für Brustkrebs aus Sicht der Patientinnen Vorgegebene Kategorien Rang (N = 165) % starker Ausprägung (Werte 4 u. 5 addiert)* 1. Umweltverschmutzung 2. Stress und Hetze des alltäglichen Lebens 3. Körperliche Veranlagung /Vererbung 4. Eigene seelische Probleme 5. Partnerschaftliche und famil. Belastungen 6. Verlust geliebter Person 7. Berufliche Belastung/Sorgen 8. Schicksal 9. Hohe Ansprüche an mich selbst 10. Ungünstige Lebenseinstellungen 11. Fehler und Versäumnisse des Arztes 12. Mangelndes Durchsetzungsvermögen 44 43 34 34 32 31 30 27 26 23 20 19 * bezogen auf 5er Skala mit 1 =„“gar nicht“, 5=„sehr stark “ zutreffend Muthny, UKM Münster Bullet Points • Es gibt keine Indikatoren für eine Zunahme arbeitsbedingter psychischer Störungen • Es gibt spezielle arbeitsbezogene psychische Störungen: z.B. Arbeitsplatzängste • Ein Viertel der Bevölkerung leidet unter leistungsmindernden psychischen Störungen mit Arbeitsproblemen bei Controlling • Awareness- und Antistigmakampagnen führen zur besseren Erkennung und Behandlung von psychischen Störungen • Behindertenkonvention: Inklusion Situation am Arbeitsplatz (KOLA) und psychosomatische Beschwerden (SCL-90) Akzeptierte Verantwortung Nicht honorierte Belastung Angst am Arbeitsplatz Autonomie am Arbeitsplatz Geistige und soziale Kompetenz Körperliche Arbeit Kopfschmerzen Rückenschmerzen + + Magenbeschwerden + Bauchschmerzen + Schlafstörungen + + Müdigkeit + Depression + + + + Durchfall Schwindel + Schwäche + Arbeit macht Angst: • Leistungsanforderungen – berufliches Scheitern • Bedrohung durch Dritte – unfreundliche Kunden • sachliche Bedrohung – Unfallgefahr • soziale Unterordnung – Hackordnung Soziale Ängste in der Bevölkerung öffentliche Rede 16 Rede vor Gruppe 14 vollen Raum betreten 12 fremde Toilette Schreiben unter Beob. 10 % 8 Essen unter Beob. Angst vor Blamage 6 Reden mit Autoritäten 4 Augenkontakt 2 Besuch einer Party Warenumtausch 0 Stein et al: Arch. Gen. Psychiat. 200,57,1046-1052 Fremden vorgestellt weren Posttraumatische Stresserkrankung Vor- und Nachteile des Rudelverhalten Gruppenordnung und Hackordnung Statussymbole Revierverhalten Inklusion und Ausgrenzung Mobbinghandlungen telefon. Mobbingbefragung 2001 (n=495) der BAUA Gerüchte, Unwahrheiten 70 60 % falsche Bewertung d. Arbeitsleistung Sticheleien, Hänseleien 50 Vorenthalt von Informationen 40 Arbeit massiv ungerecht kritisiert 30 Ausgrenzung 20 als unfähig darstellen 10 0 beleidigen Arbeitsbehinderung Arbeitsentzug Anteil von Patienten mit Arbeitsplatzabwesenheit in Abhängigkeit von unterschiedlichen Formen der Arbeitsplatzangst Bullet Points • Es gibt keine Indikatoren für eine Zunahme arbeitsbedingter psychischer Störungen • Es gibt spezielle arbeitsbezogene psychische Störungen: z.B. Arbeitsplatzängste • Ein Viertel der Bevölkerung leidet unter leistungsmindernden psychischen Störungen mit Arbeitsproblemen bei Controlling • Awareness- und Antistigmakampagnen führen zur besseren Erkennung und Behandlung von psychischen Störungen • Behindertenkonvention: Inklusion 12-Monatsprävalenz psychischer Störungen Bundes-Gesundheitssurvey (GHS-MHS) % 50 Männer Frauen Gesamt 37 40 31 30 25 20 10 0 18-29 30-39 40-49 50-59 Altersgruppe 60-65 Total Beeinträchtigungstage in den vergangenen 4 Wochen % und mittlere Anzahl bei Betroffenen (Bundesgesundheitssurvey 98) % der Personen pro Gruppe mit mind. 1 Beeinträchtigungstag/Monat 80 70 60 50 40 30 20 10 0 -10 -20 -30 -40 -50 Soziale Phobie Panikstörung Generalisierte Angst Agoraphobie Spezifische Phobie Major Depression Alkoholabhängigkeit Magen-,Darmerkrankungen Diabetes Kardio-vaskuläre Erkrankungen keine psychische Störung -1 -1 -1 -1 -1 -1 -9 -8 -7 -6 -5 -4 -3 -2 -1 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 5 4 3 2 1 0 mittlere Anzahl Beeinträchtigungstage/Mon Bio-psycho-social model of ICF: disability = (in)capacity / context Arbeitsmarkt und Arbeitsfähigkeit ICF: Fähigkeit + Kontext = Partizipation Schädliches Mitarbeiter Ranking Prof. M. Beckmann, Wirtschaftswissen, Univ. Basel • UBS: forced ranking system • 10% Note 5 • Entlassungsturniere (z.B. Infineon, General Electric) • Forciert Konkurrenzkampf und unterminiert Teamfähigkeit • Fördert Mobbing und Sabotage Basler Zeitung 15.11.2011 Bullet Points • Es gibt keine Indikatoren für eine Zunahme arbeitsbedingter psychischer Störungen • Es gibt spezielle arbeitsbezogene psychische Störungen: z.B. Arbeitsplatzängste • Ein Viertel der Bevölkerung leidet unter leistungsmindernden psychischen Störungen mit Arbeitsproblemen bei Controlling • Awareness- und Antistigmakampagnen führen zur besseren Erkennung und Behandlung von psychischen Störungen • Behindertenkonvention: Inklusion Renten wegen Erwerbsminderung nach Erkrankungsgruppen % Deutsches Ärzteblatt 2011, 108, B1956, lt. Statistik der DRV E ntwicklung AU-Tage Die Entwicklung der AU-Tage aufgrund psychischer Diagnosen bedeutet keine „Kostenexplosion“! 200 100 190 90 180 80 170 70 160 60 150 50 140 40 130 30 120 20 110 10 100 0 1995 2000 2005 2010 1995 2000 2005 2010 Die scheinbar dramatische Entwicklung häufigerer Krankschreibungen aufgrund psychischer Störungen (links) entspricht der Vergrößerung des Anteils an allen AU-Tagen (rechts; aktuell ca. 10-15%) Awareness-Aktionen, Antistigma-Programme Suizidraten in Deutschland Statistisches Bundesamt Bullet Points • Es gibt keine Indikatoren für eine Zunahme arbeitsbedingter psychischer Störungen • Es gibt spezielle arbeitsbezogene psychische Störungen: z.B. Arbeitsplatzängste • Ein Viertel der Bevölkerung leidet unter leistungsmindernden psychischen Störungen mit Arbeitsproblemen bei Controlling • Awareness- und Antistigmakampagnen führen zur besseren Erkennung und Behandlung von psychischen Störungen • Behindertenkonvention: Inklusion UN- Behindertenkonvention Artikel 27 „… das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, die in einem offenen , integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder angenommen wird …“ Betriebliches Gesundheitsmanagement zur Unterstützung psychisch Kranker „GREAT-Fokusgruppen gegen Arbeitsangst“ • • • • • • • Vermeidung der Bildung von Spontanrudeln Team wird zum Rudel Das Rudel hat Strukturen und Regeln Jeder im Rudel hat seinen Platz Einer trage des Anderen Last Förderung von Selbstwirksamkeit über das Rudel Helft Euch selbst dann hilft Euch die Behörde (wer immer das ist) Fehlzeiten vor und nach dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement in einer Behörde vorher nachher 0 5 10 Fehlzeiten 15 % Betriebliches Eingliederungsmanagement SGB IX, § 84, Prävention • Abs. 1 Der Arbeitgeber schaltet bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im....Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung des Verhältnisses führen können, möglichst frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung, den Personalrat und das Integrationsamt ein, um mit ihnen alle Möglichkeiten und alle zur Verfügung stehenden Hilfen zur Beratung und mögliche finanzielle Leistungen zu erörtern, mit denen die Schwierigkeiten beseitigt werden können.. • Abs. 2 Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung die Möglichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden kann und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann (betriebliches Eingliederungsmanagement)… Die betroffene Person....ist auf die Ziele....sowie die Art....der verwendeten Daten hinzuweisen.. • Abs. 3 Die Rehabilitationsträger....können Arbeitgeber....fördern. Betriebliches Eingliederungsmanagement Leidensgerechte Arbeitsplätze AU-Rate und Freisetzung in einer Telefonversicherung Fehlzeiten nach Branchen (in %) Fehlzeitenreport, WiDo öffentliche Verwaltung Baugewerbe Produktion Verkehr Bergbau Land- und Forstwirtschaft Dienstleistungen Handel Banken/Versicherungen 0 % 1 2 3 % 4 5 6 7 Medizinisch Beruflich Orientierte Rehabilitation (MBOR) – – – – – – – – – – – – – – – Differentialdiagnostik der Art der psychischen Störung Leistungsdiagnostik und Fähigkeitseinschränkungen Diagnostik der Arbeitsplatzproblematik Einzel- und Gruppenpsychotherapie zur Besserung von Selbstwirksamkeit, Angstabbau, Belastungsbewältigung Ergotherapeutisches Leistungstraining (Konzentration, Ausdauer, Funktionstraining) Arbeitsplatzbezogene Therapiegruppen: „Konfliktmanagement am Arbeitsplatz“, „Zeitmanagement am Arbeitsplatz“, „Beruf und Chance - Bewerbungstraining“ Arbeitsplatzsuche im Internetsuche Bewerbung aus der Klinik berufliche Reha-Beratung arbeitsplatzbezogene Einzelberatung Kontakte mit Arbeitgebern Berufliche Belastungserprobung Gestufte Wiedereingliederung nachgehende sozialarbeiterische Betreuung Nachbetreuung in IRENA / Curriculum Hannover