1 FoV – Methoden der BioPsy II PD Dr. Thomas Weiß 15-04-2003 Anja Koch MAGNETOENCEPHALOGRAPHIE - GRUNDLAGEN GRUNDLAGEN: PHYSIOLOGIE - DIPOLSTRUKTUR DES NEOKORTEX Dipol einer Pyramidenzelle: Afferente Impulssalve aus Thalamus oder anderen Kortexgebieten strömen als erregendes postsynaptisches Potential an den apikalen Dendriten. Stromsenke: Stromeintritt → IZR der apikalen Dendriten: die Kationen fließen ins Zellinnere bzw. von der darüber liegenden EEG-Elektrode weg Richtung Zellsoma → EZR der apikalen Dendriten: negativ = negatives Feldpotential, weil Ionen+ in die Dendriten strömen Stromquelle: Stromaustritt Extrazellulär fließt der Strom von Stellen geringer Depolarisation (Soma) in Richtung Depolarisation (apikale Dendriten) = passiver Strom, der von den Elektroden erfasst wird = Volumenströme Folge: Phasenumkehr zwischen Soma und apikalen Dendriten = Dipol Das EEG misst die extrazellulären Volumenströme. Aber diese Ströme nehmen den Weg des geringsten Widerstandes. Ihre Wege können dabei über weiße Substanz, Hirnhäute, Knochen zurück zur Stromsenke verlaufen. Durch die unterschiedliche Leitfähigkeit dieser Strukturen ist eine exakte Dipolbestimmung nicht möglich, Signale können „verschmieren“ und eine Interpretation ist erschwert. Alle experimentellen Fragestellungen und Analysen die mittels EEG bearbeitet werden, können auch mit dem MEG durchgeführt werden. Jede Bewegung elektrischer Ladungen generiert ein Magnetfeld. Mit dem MEG werden diese Aktivität von Stromsenken und -quellen gemessen. GRUNDLAGE BIOMAGNETISCHER UNTERSUCHUNGEN Besonderheiten des MEGs Rechte-Hand-Regel: Die Richtung des Magnetfeldes um einen stromdurchflossenen Leiter lässt sich durch die sog. R-H-R bestimmen. Der Daumen zeigt in die Stromrichtung, die Finger entsprechen der Richtung der Feldlinien. 1 2 Radiär versus tangential angeordnete Dipole: Nur tangentiale Dipole erlauben es, ein magnetisches Feld zu produzieren, welches außerhalb des Schädels messbar ist Radiär / vertikal: - Überlagerungen - Magnetisches Feld baut sich unterhalb der Schädeldecke auf (extern kein messbares magnetisches Feld) Tangential / parallel: - Parallelität - Magnetisches Feld außerhalb der Schädeldecke messbar (über senkrecht zum Schädel angeordnete Sensoren) MEG: Messung der magnetischen Ströme, die aus den intrazellulären Strömen heraus entstehen und die als Stromdipol (aktive Quelle des neuromagnetischen Feldes) von den parallel zur Hirnoberfläche ausgerichteten NZ ausgehen. Bei Annahme eines kugelförmigen Kopfes wird das messbare Magnetfeld ausschließlich durch IZ-Strömen bestimmt BIOMAGNETISCHE FELDER Stärke der vom menschlichen Körper erzeugten Magnetfelder: - kardiomagnetische Felder: 10 pT; - neuromagnetische Felder: 10-100fT [piko = p = 10-12 T; femto = f = 10-15 T; 10-12= Billionstel T = Tesla; Einheit der magnetischen Induktion, magnetischen Flussdichte „Stärke des Magnetfeldes“] Diese vom Körper erzeugten Magnetfelder sind um 9-11 Größenordnungen schwächer als die Magnetfelder, die in der natürlichen Umgebung vorkommen. Kann man diese schwachen Felder trotz der uns umgebenen starken Magnetfelder messen? Ziel ist die Registrierung extrem schwacher Magnetfelder, wobei Umgebungsstörungen soweit zu reduzieren sind, dass ein verwertbares Signal zur Verfügung steht. METHODIK ZUR REGISTRIERUNG BIOMAGNETISCHER FELDER IM MEG SQUIDs (Superconducting quantum interference device = supraleitendenden Quanteninterferonmeter) = Kernstück des MEGs, welches die Aufzeichnung der biomagnetischen Signale ermöglicht Magnetfeldsensoren mit supraleitenden Flussdetektoren bieten höchste Auflösung für auf Quanteneffekten beruhende Verfahren. Sie dienen der absoluten Messung des magnetischen Flusses Quantenmechanik: Theorie über die Bewegung und Wechselwirkungen mikrophysikalischer System (Elementarteilchen, Atome, etc.); wobei die Teilchen über Wellenfunktionen definiert werden; 2 3 Normalerweise reagieren Elektronen sehr empfindlich aufeinander und sind durch angelegte Spannung leicht ablenkbar bzw. wechselfreudig. Mittels bestimmter Effekte könne sie in ihrer Reaktivität gebannt werden. Meißner-Ochsenfeld-Effekt: Kühlt man einen Supraleiter (bestimmte Metalle, Metalloxide oder Keramikverbindungen) in Abwesenheit eines äußeren Magnetfeldes ab, so verliert dieser unterhalb einer Sprungtemperatur seinen Ohmschen Widerstand und drängt ein Magnetfeld aus sich heraus. Mit der Sprungtemperatur (Materialkonstante) verliert sich der elektrische Widerstand. Durch stabile Elektronenpaare (COOPER-Paare), kann ein verlustfreier Strom (ohne Widerstand) ohne eigenes Magnetfeld fließen. Josephson-Effekt: Wird an einem Supraleiter mit Josephson-Kontakten ein äußeres Magnetfeld angelegt fließt ein spannungsloser Strom, welcher eine Messung des betreffenden Magnetfeldes ermöglicht. Mit magnetfeldfreien Supraleitern gelingt die Registrierung extrem schwacher biomagnetische Felder, die vom menschlichen Hirn ausgesendet werden. SQUIDs: Aufgrund der Abkühlung auf ca. 4,2 K (Nähe des absoluten Nullpunktes) mittels flüssigen Heliums entsteht eine praktisch unbegrenzte elektrische Leitfähigkeit (widerstandsloser Stromleiter ohne eigenes Magnetfeld). Ein SQUID besteht aus einem Supraleiterring, der durch 2 Josephson-Kontakte unterbrochen ist. Über die Josephson-Kontakte ist ein Tunneln der Elektronen möglich. Die Elektronen können als Cooper-Paare (= stabile Elektronenverbindung; quantenphysikalisch als Wellen definiert) von einem Josephson-Kontakt zum anderen springen (= Tunneleffekt), ohne ihre supraleitende Fähigkeit zu verlieren (= messbarer quantenmechanischer Tunnelstrom = kritischer Strom = Interferenzphänomen der Cooper-Paare/Wellen). Dieser kritische Strom reagiert periodisch auf kleinste Änderungen durch ein äußeres Magnetfeld. Die Stärke des Tunnelstroms hängt von der Stärke des Magnetfeldes ab, das den Ring durchdringt. SQUIDS dienen somit als Magnetometer der absoluten Messung des magnetischen Flusses und der Lokalisation von Magnetfeldquellen. Supraleiter 1. Art: Kühlung mit Helium, bei 4,2 K Supraleiter 2. Art: Kühlung mit flüssigem Stickstoff, bei130 K Um die Empfindlichkeit der SQUIDs weiter zu erhöhen, wird es induktiv mit einer supraleitenden Aufnahmespule, die einen größeren Durchmesser aufweißt, gekoppelt. Die Aufnahmespulen sind so angeordnet, dass sie die senkrecht zur Schädeloberfläche stehenden Komponenten des Magnetfeldes erfassen. Beim Ganzkopf-MEG befinden sich in einem helmartigen Kühlgefäß, Dewar, (±) 150 supraleitende Aufnahme-Spulen, halbkugelförmig um die Kopfoberfläche herum angeordnet. Der zu registrierende magnetische Fluss wird von den Supraleitenden Induktionsspulen aufgenommen und in die SQUID-Detektoren eingekoppelt. Das Messsystem befindet sich in einem Isolierbehälter, in dem das flüssige Helium die Supraleitung bei einer Temperatur von 4,2 K aufrechterhält. 3 4 Geräteaufbau des MEGs: - Dewar (Vakuumisolierter Behälter für kryogene Flüssigkeiten, z.B. flüssiges Helium mit einer Temperatur von 4,2 K; - (±)1 150-kanalige Ganzkopfsysteme = Multikanalanlage vom Helmtyp; früher gab es Eindewardsysteme bzw. Zweidewardsysteme mit entsprechend deutlich weniger Kanälen - (±) 150 Registrierspulen (supraleitende Antennenspulen, pick-up coils) die extern, senkrecht zur Schädeloberfläche, den SQUIDs vorgeschaltet sind und deren Empfindlichkeit auf 10-15T erhöhen - SQUIDs und SQUID-Technik - Gradiometer (in Reihe geschaltete Registrierspulen, die Störungen aus Umgebungsfeldern eliminieren - Abschirmungskammer Ausschaltung von Störfaktoren (wie Erdmagnetfeld, elektrische Versorgungsnetze; etc.): - Abschirmungskammer mit Großraumabschirmung: dient der magnetischen und elektrischen Störfeldunterdrückung (a) active shielding: über Magnetspulen können störende Magnetfelder kompensiert werden (b) passive shielding: Kammerwände aus mehrschichtigem Metall, FrequenzAbschirmung über Cu oder Al - - Gradiometer: Antennensystem zur Reduzierung von Störpegeln; bestehend aus zwei gegenläufig gewickelte supraleitende Spulen Gradiometer-Prinzip: Grundlage ist, dass die Quellen der Störfelder relativ weit vom Gradiometer entfernt liegen und ein quasi homogenes Störfeld an den Gradiometer liefern. Dagegen liegen inhomogene, dipolartige neuromagnetische Quellen nah an den Antennen. Es erfolgt eine Messung des gesamten magnetischen Flusses. Mittels der Aufnahmespulen, die in Reihe den SQUIDs vorgeschaltet werden, findet eine gegenseitige Aufhebung der homogenen magnetischen Felder aus relativ weit entfernten Quellen und eine Verstärkung der nah liegenden neuromagnetischen Felder statt. „Metallfreie“ Probanden Parallele EEG-Aufzeichnung: „saubere“ Silberchlorid-Elektroden (kalt gepresst, ohne Lötstellen) Kosten-Nutzen? - Analog zu den elektrischen Potentialen können Frequenzbänder und ereigniskorrelierte magnetische Felder (EF, ERF) ermittelt werden. - Brain-Mapping / Grundlagenforschung: (...tonotope Karte im auditorischen Kortex, motorischer und sensorischer Homunkulus, Sprachareale,...) - Prächirurgisches Brain-Mapping: 1 Je nach technischer und qualitativer Ausstattung der elektrophysiologischen Labors kann die Anzahl der im Versuch verwendeten Spulen deutlich höher sein. 4 5 - Darstellung von Arealen vor der Epilepsieherd- oder Tumorresektion bei verstrichenen Gyri und Sulci Komponentenauswertung durch Überlagerung: Kombination aus MRT und MEG = zeit- und ortgetreue Darstellung der Magnetfeldquellen in morphologischen Strukturen; (a) MRT: Kopfoberfläche wird mit zweimal 5 Punkten über entsprechenden Kopfregionen gekennzeichnet (Vitamin E Kapseln); auf dem MRT-Bild deutlich sichtbar (b) MEG: gleiche stellen werden mit Sets aus je 3 orthogonalen Spulen markiert; relative Lage der Spulen werden über Lokalisationsprogramme den supraleitenden Antennen automatisch zugeordnet (= Gradiometer-SQUID-Anordnung) QUELLENANALYSE Bsp.: Akustisch evoziertes neuromagnetisches Feld im Positionsplot 31-kanaliger Positionsplot: → Ortsabhängigkeit → M100 (100 ms nach Stimulus) Isomagnetische Feldlinien M100 des AEF - Position der Mittelpunkte der Antennenspulen - durchzogenen Linien: positive Feldwerte - gestrichelte Linien: negative Feldwerte - Felddifferenz zwischen 2 benachbarten Linien - dipolartige Feldverteilung mit Maximum, Nulllinie, Minimum AUSWERTEALGORHITHMEN ...sind für Signalanalyse und -verarbeitung von außerordentlicher Bedeutung unter Beachtung von... - Quellenmodelle (Dipol, Multidipol, Multipol, Stromdichteverteilung) - Volumenleiter (Halbraumkugel, Kugel, mehrschalige Kugel, Ellipsoid, realistische Volumenleiter) - Kopfmodelle (symmetrisch, bei unsymmetrisch gehen auch Volumenströme bzgl.) werden sie berechnet. 5 6 Modellierung und Lokalisation bioelektrischer Aktivität 1. Definition des Volumenleiters Kugelmodelle: homogene Kugel oder 4-Kugelschalenmodell 2. Festlegung der elektrischen Quelle: 3. Vorwärtsproblem: Überlagerungen durch Beiträge verschiedener Magnetfelder 4. Inverseproblem: Berechnung des Ortes und der Richtung der Quellen nicht eindeutig möglich Quellenmodell Versuch, bestimmte Feldverteilungen möglichst gut zu bestimmen Beitrag bzgl. aufgeklärter Varianz durch einen Dipol, Multidipol oder Multipol. Dipol: - Vereinfachung des Hirns und der elektrischen Strukturen - Magnetisches Feld wird durch eine Quelle erklärt = Punktquelle - Ohne Aussage über umgebendes Gewebe Kopfmodelle und Volumenleiter Kugelmodelle zur Modellierung des menschlichen Kopfes (homogene Kugel, 4-Kugelschalen) = grobe Vereinfachung → Einführung realistischer Modelle (MRT-Aufnahmen) → in unsymmetrischen Kopfmodellen leisten auch die Volumenströme einen Beitrag zum gemessenen Magnetfeld. GESAMTURTEIL: - nicht invasiv, gute zeitliche und örtliche Darstellung von elektrophysiologischen Hirnprozessen, kostenintensiv & aufwendig Literatur Birbaumer, N. & Schmidt, R. F. (2003). Biologische Psychologie. Heidelberg: SpringerVerlag Rieger, J. (2000). MEG-Untersuchung zur Maskierung und Vorhersage der Wiedererkennung natürlicher Szenen. Dissertation - Universität Tübingen Rösler, F. (Hrsg.). Enzyklopädie der Psychologie – Biologische Psychologie. Themenbereiche: C.1.1; C.1.4; C.1.5. Sato, S. (1990). Advances in Neurology. New York: Raven Press 6 7 Weitere interessante www-Adressen: http://www.math.uni-muenster.de/cs/u/flyer/research/cowan98/node2.html http://www.talessin.de/scripte/mi/biosig.html http://iva.uni-ulm.de/PHYSIK/VORLESUNG/elehre/node119.html 7