KNOW-HOW Multi-Channel-Marketing eröffnet Unternehmen neue Kommunikationsstrategien Die richtigen Kanäle optimal nutzen D as Internet, Tablet-PCs und vor allem moderne Smartphones haben die Gesellschaft nachhaltig verändert. Waren es früher primär die Muße des Lesens oder Face-to-Face-Gespräche, die dem Informationsgewinn dienten, übernehmen zunehmend Websites, Apps und interaktive Online-Angebote diese Rolle. Immer mehr Bürger sind 24 Stunden am Tag online und nutzen die neuen Angebote. Dieser Trend geht auch an Ärzten, Apothekern und Patienten nicht spurlos vorbei. Pharmazeutische Hersteller werden dadurch mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Denn es geht darum, die jeweils passenden Kanäle zu detektieren, um mit ihren Kunden optimal und zielgruppenorientiert zu kommunizieren. >> Zeit wird gerade auch für Ärzte immer mehr zum Luxusfaktor. Der Medizinermangel zwängt sie gekoppelt mit ständig neuen Aufgaben in ein enges Terminkorsett. Für Außendienstmitarbeiter wird es dadurch immer schwieriger, ein Zeitfenster zu finden, in dem sie die Ärzte über Neuheiten und Services ihres Hauses informieren können. Da die Ärzte gleichzeitig verstärkt diverse Online- und Offline-Kanäle nutzen, droht den pharmazeutischen Unternehmen zunehmend der Verlust der Informationshoheit bei ihren wichtigsten Zielgruppen. Zudem muss die Industrie ihre Ressourcen bündeln. Rabattverträge mindern im Generikasegment die Erträge und erfordern gleichzeitig den Aufbau neuer Key-Account-Strukturen. Im Bereich der forschenden Arzneimittelhersteller wirkt sich die Nutzenbewertung, die immer stärker auf spezifische Patientenpopulationen ausgerichtet ist, ebenfalls umsatzmindernd aus. Der Abbau von Außendienstlinien ist die über alle Branchensegmente zu beobachtende konsequente Folge. Beide Entwicklungen erfordern es, die Kundenwünsche wesentlich stärker als bislang zu berücksichtigen. Ärzte erwarten zudem heute weit mehr als nur die reine Produktinformation. Unternehmen können dem entsprechen, indem sie Zusatznutzen wie Maßnahmen zur Erhöhung der Adhärenz oder hilfreiche Informationen zur erfolgreichen Praxisführung generieren und sie ihren wichtigsten Verordnern „mundgerecht“ anbieten. Denn neben den geänderten Informationswünschen wollen Ärzte zunehmend auch selbst darüber bestimmen, wann und über welche Kanäle sie von den Unternehmen kontaktiert werden. Wer dem entsprechen will, muss die verschiedenen Online- und Offline-Kanäle vernetzen und durch gezielte Messung von Kundenbedürfnissen die Voraussetzungen für einen optimalen und kundenzentrier- ten Dialog schaffen. Hierzu eignet sich das Multi-Channel-Marketing, das Unternehmen bei der Umsetzung ihrer individuellen und potenzialorientierten Strategien unterstützt. Den Markt und seine Teilnehmer kennen lernen Dabei ist es natürlich wichtig, zunächst den Markt und seine individuellen Teilnehmer noch besser kennen zu lernen. Hierzu bietet es sich an, im Vorfeld eine Kombination von Marktforschung und Targeting zu nutzen. Ein gutes Targeting hilft, die relevanten Zielkunden zu identifizieren und zu segmentieren. Mit den Methoden der Marktforschung lassen sich sehr gut Themen identifizieren, die die jeweiligen Kunden interessieren. Beim Ansatz von IMS werden Zielärzte beispielsweise durch Analysen von Verordnungen und tatsächlich eingelösten anonymisierten Rezepten gefunden. Dabei wird festgestellt, welches Marktpotenzial bei welchem Kundenanteil zu generieren ist. Zusätzlich kann auch die hypothesengestützte (heuristische) Methode angewandt werden. Besonders bei wichtigen Zielkunden kann es darüber hinaus hilfreich sein, sie direkt anzusprechen, wie und wann eine eventuelle Kontaktaufnahme durch das Unternehmen erfolgen soll. Abteilungsübergreifende Teams bilden Abb. 1: Kundenzentriertes Vorgehen ist der Schlüssel für Erfolg am Markt. 22 pharma R E L AT I O N S 09/14 Wie die Abbildung 1 zeigt, bietet sich eine große Vielfalt an Optionen für die Kundenansprache an. Dabei dienen die zahlreichen Online- KNOW-HOW Kanäle als wirkungsvolle Ergänzung der klassischen Maßnahmen, weil sie dem Arzt auch die interaktive Nutzung rund um die Uhr ermöglichen. Welche dieser Instrumente konkret eingesetzt werden sollen, hängt zunächst von den Ressourcen und Kompetenzen im eigenen Unternehmen ab. Da diese in unterschiedlichen Abteilungen verstreut liegen können, ist in den meisten Fällen eine Aufgabenteilung zwischen Marketing, externen Agenturen, MedWiss, Legal, Training und Kommunikation unerlässlich. Zudem sollte immer der Außendienst mit seiner konkreten Kenntnis des jeweiligen Arztes hinzugezogen werden. Denn die optimale Auswahl der richtigen Kanäle kann von Arzt zu Arzt sehr unterschiedlich sein. Ältere Mediziner sind oft deutlich weniger „online-affin“ als ihre jüngeren Kollegen, die wie selbstverständlich Smartphones oder Tablet-PCs (iPads) in ihren Alltag eingebaut haben. In jedem Fall sollte aus rechtlichen Gründen das Einverständnis des Arztes für die Kontaktaufnahme eingeholt werden. Zudem können sich die eigenen Präferenzen im Laufe der Zeit ändern. Dies ist ebenfalls zu berücksichtigen. Denn je größer die Akzeptanz bei der Zielgruppe ist, umso erfolgreicher werden auch die Ansprachen sein. Komplexe Prozesse via Datenbank steuern Alle diese Faktoren zeigen, dass Multi-Channel-Marketing zwar deutlich zielgenauer arbeiten kann, die Unternehmen aber auch vor neue Herausforderungen stellt. Ohne datenbankgestützte Softwareprodukte lassen sich diese komplexen Prozesse nur schwer steuern. Dabei kommt die speziell für den Bereich Healthcare entwickelte Software „Nexxus Marketing“ zum Einsatz, die die technische Unterstützung und Abbildung aller Maßnahmen einer Kampagne mittels verknüpften Datenbanken vornimmt. Damit werden die Voraussetzungen für eine integrierte Marktbearbeitung über mehrere Stufen geschaffen (Abb. 2). Sie beginnt mit der Analyse. Ergebnisse der Aufbereitung künftiger Marktlandschaften lassen sich einpflegen, und auch die Bestimmung der für das Unternehmen optimalen Organisationsstruktur, die KPI-Definitionen (Key Performance Indicators) und die Zielsetzung der Kampagne werden berücksichtigt. Nach der konzeptionellen Vorbereitung mit Zielgruppen-Targeting folgt die Entwicklung des Kampagnen-Designs und ggfs. eine Anpassung von Geschäftsprozessen. Da die Datenbank über Schnittstellen zu anderen Systemen verfügt, lässt sie sich in der Regel gut integrieren und schafft die Grundlagen für die Umsetzung einer Multi-Channel-MarketingKampagne. Komplettlösung bis hin zur Evaluierung Mittels „Customer Journeys“ wird registriert, wie die Kunden auf Kontaktmaßnahmen über die unterschiedlichen Kanäle reagiert haben (Anmeldungen, Anforderungen von Unterlagen, Websitebesuche etc.) und wann bzw. wie auf Kundenaktionen reagiert (Antwortmail, Reminder vor Event etc.) oder ihre Wünsche bedient wurden. Es lassen sich also nicht nur per Befragung ermittelte Präferenzen destillieren, sondern auch feststellen, ob Ärzte in ihrer Nutzung der Kanäle angegebenen Präferenzen folgen. Sind diese Ergebnisse nicht zufriedenstellend, kann zeitnah gegengesteuert und optimiert werden. Schließlich lassen sich über die Software auch Erfolgsmessungen eingeben, bei denen Aktions- und Kontrollgruppen mit oder ohne Außendienst bzw. mit oder ohne Marketing gegeneinander verglichen werden. In einer Kosten-NutzenAnalyse lässt sich dann ersehen, welchen Einfluss die verschiedenen Parameter auf Verordnungen hatten. Hierbei ist es insbesondere möglich, die Äquivalenzwerte der verwendeten Kanäle zu direkten Ansprachen durch den Außendienst zu ermitteln. Die Ergebnislieferung erfolgt in einem dynamischen Tool, mit dem wichtige Ergebnisse zusätzlich auch als Bericht aufbereitet werden können. Das erlaubt den einfachen Abb. 2: Integrierte Marktbearbeitung über mehrere Stufen. und schnellen Überblick darüber, inwieweit sich die eingesetzten Module unter dem Strich tatsächlich rechnen. MCM bereits erfolgreich eingesetzt Während Multi-Channel-Marketing vor allem in den USA bereits erfolgreich eingesetzt wird, bestehen hierzulande bei den Unternehmen noch Vorbehalte, diesen Ansatz aufzugreifen. So ist es nicht immer leicht, die Akzeptanz beim Außendienst zu erreichen. Auch die unternehmensinterne Abstimmung über verschiedene Abteilungen wird zunächst ebenso gescheut wie die naturgemäß zu beachtenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Unternehmen, die bereits Erfah- rungen mit diesem Konzept haben, konnten aber deutliche Vorteile gegenüber den klassischen Methoden feststellen. Dies gilt umso mehr, da sich bereits etablierte MultiChannel-Instrumente auch relativ leicht bei den Zielgruppen Apotheker und Patienten einsetzen lassen. Bereits auf mittlere Sicht wird Multi-Channel-Marketing daher auch in Deutschland als Standardlösung implementiert werden. Deutliche Erleichterungen bei der Einführung gab es übrigens dann, wenn alle teilnehmenden Mitarbeiter gemeinsam gratifiziert wurden. Dies hat sehr zur Akzeptanz im Unternehmen beigetragen. Bei einer orchestrierten Multi-Channel Kampagne ist der Erfolg ja schließlich auch vom Einsatz aller Mitwirkenden abhängig. << Autoren Janina Bäder arbeitet seit April 2010 bei IMS Health im Bereich Consulting. Als Principal ist sie verantwortlich für die Leitung von Pro­jekten, die die Steigerung von Vertriebs- und Marketingaktivitäten ermöglichen. Sie verfügt über eine langjährige Berufserfahrung aus Industrie und Beratung. Vor ihrem Wechsel zu IMS Health war Bäder beim Beratungsunterneh­men Arthur D. Little tätig und leitete zuletzt den Bereich Marketing bei Merckle Recordati. Kontakt: [email protected] Tim Schmölzer ist seit Januar 2013 bei IMS Health als Analyst im Bereich Consulting tätig. Seine Verantwortungsbereiche umfassen die Konzeption und Durchführung von verschiedenen Projekten zur Effizienzsteigerung von Vertrieb und Marketing. Vor seinem Einstieg bei IMS Health studierte Schmölzer Mathematik und Wirtschaftswissenschaften an der RWTH Aachen. Kontakt: [email protected] pharma R E L AT I O N S 09/14 23