Ökologische bausToffe raus aus der nische!

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Ökologische Baustoffe
raus aus der Nische!
Veranstaltungsdokumentation
des Ökobaukongresses 2012
IMPRESSUM
Herausgeberin
Bündnis 90/Die Grünen
Bundestagsfraktion
Platz der Republik 1
11011 Berlin
www.gruene-bundestag.de
Verantwortlich
Daniela Wagner MdB
Sprecherin für Bau- und Wohnungspolitik
Bündnis 90/Die Grünen
Bundestagsfraktion
Platz der Republik 1
11011 Berlin
E-Mail: @bundestag.de
Redaktion
Jonas Wille
Bezug
Bündnis 90/Die Grünen
Bundestagsfraktion
Info-Dienst
Platz der Republik 1
11011 Berlin
Fax: 030 / 227 56566
E-Mail: [email protected]
Schutzgebühr
€ 1,50
Redaktionsschluss
Juni 2013
ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 06/2013
INHALT
ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE!
Vorwort ......................................................................................... 3
Grüne Transformation der Städte voranbringen ....................................... 5
Renate Künast, Fraktionsvorsitzende .................................................. 5
Neue Entwicklungen im nachhaltigen Bauen ........................................... 7
Keynote: Prof. Dr. Dr. E.H. Werner Sobek ............................................. 7
Workshop 1: ................................................................................. 12
Triple Zero Ansatz – Welche Rahmenbedingung sollte die Politik setzen? ...... 12
Daniela Wagner, Sprecherin für Bau- und Wohnungspolitk ....................12
Aktuelle Förderung der Nutzung ökologischer Baustoffe in Deutschland .... 13
Carmen Hock-Heyl (Firma Hock GmbH & Co. KG) .................................... 15
Karlheinz Müller (Bau-Fritz GmbH & Co. KG) ........................................ 17
Workshop 2: ................................................................................. 18
Zertifizierungen – Greenwashing oder Segen für die Ökobaustoffe? ............ 18
Bettina Herlitzus, Sprecherin für Stadtentwicklung ...............................18
Klaus Fudicar (Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung) ........... 19
Theresa Keilhacker (Architektenkammer Berlin) ..................................... 23
Thomas Schmitz-Günter (natureplus e.V.) ............................................ 24
Workshop 3: ................................................................................. 24
Was ist in Ausbildung und Studium notwendig, um das ökologische Bauen
voranzubringen? ............................................................................ 26
Kai Gehring, Sprecher für Bildungs- und Hochschulpolitik .....................26
Dr. Volker Born (Zentralverband des Deutschen Handwerks) .................... 28
Prof. Dr.-Ing. Frank U. Vogdt (Technische Universität Berlin) .................. 29
Prof. Dr. Johannes Meyser (Technische Universität Berlin) ....................... 30
06/2013 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE!
Ökologisches Bauen Stärken – Rahmensetzung der Politik anpassen............ 34
Daniela Wagner, Sprecherin für Bau und Wohnungspolitik .................... 34
Anträge & Kleine Anfragen ................................................................ 36
Ökologische Baustoffe – Klima schützen, Energie sparen und Ölabhängigkeit
Energieeffizienz und Klimaschutz im Gebäudebereich (17/5778)
Kleine Anfrage Mittelabfluss bei den KfW-Gebäudeprogrammen in 2009
(17/3292)
Kleine Anfrage Mittelabfluss bei den KfW-Gebäudeprogrammen in 2010
(17/5855)
Kleine Anfrage Nachwachsende Baustoffe (17/2697)
ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 06/2013
VORWORT
Unter dem Motto: „Ökobaustoffe raus aus der Nische!“ diskutierte die grüne Bundestagsfraktion
am 28. September 2012 beim 4. Ökobaukongress
die Rahmenbedingungen für ökologische Baustoffe. Diese sind ein wichtiger Baustein für die Energiewende und Bestandteil des Aktionsplans zur
stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe.
Die konservativ-liberale Bundesregierung verschläft diese Aufgaben.
Klima schützen, Energie sparen und Ölabhängigkeit reduzieren
Deutschland hat sich international verpflichtet den
Ausstoß von Klimagasen hierzulande um mindestens 40 Prozent bis 2020 und um 95 Prozent bis
2050 zu senken. Mit den Klimazielen gehen Fragen
der Versorgungssicherheit und der Reduktion der
Abhängigkeit von fossilen Energieträgern einher.
Das Gros der fossilen Energierohstoffe wird aus
außereuropäischen Ländern importiert und es wird
immer teurer. Deutschland lag in 2008 mit seinem
Erdölverbrauch an 6. Stelle der 10 Länder mit dem
weltweit größten Erdölverbrauch. Die deutsche
Wirtschaft verausgabte im Jahr 2010 allein für ihre
Ölimporte 41,6 Milliarden Euro. Die Energiewende,
nicht nur im Gebäudebereich, stellt also die Möglichkeit dar, die Abhängigkeit von Ölimporten und
die Belastung der Wirtschaft über steigende Rohölpreise zu reduzieren.
Gebäudesanierungsprogramme der KfW, so wurden seit 2006 Neubau und der energetischen Sanierung von 2,4 MillionenWohnungen finanziert,
ca. 4,6 Millionen Tonnen CO2 eingespart und
320.000 Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert.
Für die Verwendung ökologischer Baustoffe gibt es
vor diesem Hintergrund erhebliches Potenzial.
Warum ökologische Baustoffe fördern?
Alternative Baustoffe haben trotz ihres großen
Potenzials für die Substitution klima- und umweltschädlicher Baumaterialien nur wenig Eingang
in die Aktionsprogramme zur Gebäudesanierung
gefunden und selbst im Neubau sind sie nur die
Ausnahme. Das wollen wir ändern.
Nach der Begrüßung durch die Fraktionsvorsitzende Renate Künast und einer Keynote von Prof. Dr.
Dr. e.H. Werner Sobek wurde in drei Workshops
folgenden Fragestellungen nachgegangen:
1 | Triple Zero Ansatz – Welche Rahmenbedingung
sollte die Politik setzen?
2 | Zertifizierungen – Greenwashing oder Segen
für die Ökobaustoffe?
3 | Was ist in Ausbildung und Studium notwendig,
um das ökologische Bauen voranzubringen?
Obwohl die konventionellen organisch-synthetischen Dämmstoffe über die Steuerbefreiung für
die stoffliche Nutzung von Erdöl bereits einen
Marktvorteil haben, stellt die Bundesregierung
ökologisch nachhaltige Baustoffe in der öffentlichen
Fördersystematik,
wie
den
KfWGebäudesanierungsprogrammen, mit Dämmstoffen
auf petrochemischer Basis gleich. Unter anderem
wegen dieses Marktvorteils und den daraus resultierenden niedrigen Preise der petrochemischen
Materialien werden Dämmstoffe aus ökologisch
nachhaltigen Materialien weniger verbaut. Schaut
man
auf
die
Zahlen
der
CO2-
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GRÜNE TRANSFORMATION DER STÄDTE VORANBRINGEN
RENATE KÜNAST, FRAKTIONSVORSITZENDE
Als Oscar Niemeyer mit der Gebäudeplanung der
neuen brasilianischen Hauptstadt Brasília beauftragt wurde, sagte er: „Architektur besteht aus
Traum, Phantasie, Kurven und leeren Räumen".
Doch während Niemeyers Planungsgrenze der Horizont war und neue Städte mitten in den Urwald
bauen konnte, bestehen in Europa keine leeren
Räume. Die Errichtung komplett neuer Städte, wie
etwa das Masdar City - Projekt in den Vereinigten
Arabischen Emiraten, spielt hier zu Lande keine
Rolle und wäre auch nicht zu bewerkstelligen. Viel
mehr muss es darum gehen, das Bestehende weiter zu entwickeln und zu verändern. Dennoch sollte Niemeyers Zitat auch in Europa als Aufforderung
verstanden werden, kreative und visionäre Lösungsansätze für die Herausforderungen unserer
Städte im 21. Jahrhundert zu finden. Aus bestehenden Räumen müssen "Möglichkeitsräume"
werden. Eine Debatte über die Transformation der
Kommunen hin zu lebenswerten grünen Städten
ist längst überfällig. Das Handeln der schwarzgelben Bundesregierung nach dem Atomausstieg
steht symptomatisch für den fehlenden zukunftsgewandten Überbau der Politik der MerkelKoalition. Diese verteidigt die Strukturen und Oligopole des alten Energiemarkts. Sie hat Deutschland eine angstbeladene Debatte um Kosten und
Technologien aufgezwungen, bevor man sich
überhaupt über Werte und das Ziel verständigt
hat. Dieser Schritt fehlt. Dabei würde er eine viel
breitere Zukunftsdebatte eröffnen.
Die Kernfrage des 21. Jahrhunderts lautet: wie
können wir Wohlstand und Nachhaltigkeit miteinander verbinden? Aus Sicht der Grünen brauchen
wir dazu eine Debatte über die Energiewende, die
neben Ernährung und Mobilität auch Wohnen einbezieht. Ein besonderer Fokus muss dabei auf die
Städte gelegt werden. Sie sind der Schlüssel der
Transformation, denn dort werden 80 Prozent der
Treibhausgase emittiert. Norman Foster sagte in
der Wirtschaftswoche im Jahr 2010: „Wir stehen
vor einem Epochenwechsel, die Zukunft gehört
ökologisch ausgerichteten Städten." Auf dem Weg
dorthin müssen die Probleme der Zersiedelung
und des Flächenverbrauchs gelöst werden. Einfamilienhäuser im "Grünen" sind gebaute Energieverschleuderung. Daher braucht es ein sinnvolles
Konzept der Nachverdichtung, ohne dabei die Biodiversität in den Städten zu zerstören. Im Gegenteil, die Städte müssen "durchgegrünt" und Urban
Gardening zu einer Bürgerbewegung werden. Die
soziale Durchmischung muss dabei erhalten bleiben und öffentliche Räume vor der fortschreitenden Kapitalisierung und Kommerzialisierung bewahrt werden. Darüber hinaus müssen wir die
Frage klären, wie urbane Mobilität und Bewegungsfreiheit für alle geschaffen werden kann. Wie
entwickeln wir statt der autogerechten Stadt eine
"mobilitätsgerechte" und "demografiefeste" Stadt?
Es geht uns Grünen in der Stadtpolitik um die
Schaffung neuer Lebensumfelder – „Möglichkeitsräume“ eben. In diesen Diskurs um nachhaltige
Städte muss sich das Thema „ökologisches Bauen“
stärker einmischen.
Gerade der Gebäudebestand in Deutschland darf
dabei nicht vernachlässigt werden. Heizen und
Warmwasser verbrauchen 40 Prozent der Endenergie in Deutschland. Die EU insgesamt gibt jährlich
zwischen 400 und 500 Mrd. Euro für den Import
fossiler Energien aus – Tendenz steigend. Dadurch
haben sich die Wohnnebenkosten mittlerweile zur
zweiten Miete entwickelt (plus 30% seit 2001). Die
Energiewende wird damit zur sozialen Aufgabe und Herausforderung. Das haben wir Grünen im
Blick. Diese Zahlen belegen damit, wie wichtig die
Gebäudeeffizienz ist. Unter Schwarz-Gelb ist sie
allerdings zu einem "schlafenden Riesen" verkommen. Seit über einem Jahr versagt die Bundesregierung die steuerliche Förderung für die
Gebäudeeffizienz zu organisieren.
Dabei ist die Energieeffizienz nicht allein eine
quantitative Frage, sie ist auch ganz entscheidend
eine Qualitätsfrage. Die Energiebilanz, die Recyclingmöglichkeit und der Lebenszyklus von Baustoffen muss viel stärkere Beachtung finden. So wird
beispielsweise beim Bau eines Holzhauses 30%
weniger Primärenergie verbraucht. 2011 wurde im
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oberbayerischen Bad Aibling innerhalb von wenigen Wochen ein achtgeschossiger Holzbau hochgezogen. Das dafür verbrauchte Holz wächst in ganz
Bayern innerhalb von 15 Minuten nach. Nachhaltige Baustoffe sind nicht nur wichtig für das Klima
und die Umwelt, sondern auch für die eigene Gesundheit. In Deutschland verbringen die Menschen
durchschnittlich 90% ihrer Lebenszeit in Innenräumen. Die Luft, die darin eingeatmet wird, darf
nicht durch gesundheitsschädliche Stoffe in den
Baumaterialien verpestet werden.
Das Potential für ökologische Baustoffe ist enorm.
Seit über zehn Jahren gibt es nun bereits das "Biosiegel für Baumaterialien", das Natureplus-Siegel.
Es hat einen wichtigen Beitrag zur Markteinführung von ökologischen Bauprodukten geleistet.
Heute gibt es mehr als 300 zertifizierte Produkte
von etwa 70 verschiedenen Herstellern. In Anbetracht der Tatsache, dass es bisher keinerlei staatliche Förderung für ökologische Baustoffe gibt, ist
dies eine sehr erfreuliche Entwicklung. Es ist mehr
als verwunderlich, dass für die Energiebilanz von
Gebäuden bisher keine öffentlichen Gelder bereitgestellt werden. Dabei basieren viele herkömmliche Baumaterialien wie etwa Styropor und Polystyrol auf Plastik. Das heißt, sie sind aus zweierlei
Gründen nicht zukunftsfähig. Zum einen weil
Kunststoffe auf Erdöl basieren und zum anderen
weil sie dadurch auch nicht abbaubar sind und bei
der Verbrennung giftige Gase entstehen können.
Wir Grünen sind der festen Überzeugung, dass
ökologisches Bauen eine immer stärkere Aufmerksamkeit finden wird. Wir wollen als Grüne Vorreiter sein als "Architekten des ökologischen Umbaus". Das schwarz-gelbe Angstschüren vor den
Kosten der Energiewende statt endlich die Frage
nach einer fairen Kostenverteilung systemarisch zu
lösen, ist jedoch enorm schädlich. Die Gesellschaft
und die Architekten und Architektinnen sind hier
schon deutlich weiter als die Bundesregierung. So
hat der Architekt und Mitinitiator der Deutschen
Gesellschaft für nachhaltiges Bauen Werner Sobek
gesagt: „Eine Architektur unserer und der kommenden Zeit muss ein radikal anderes, jetzt positives Verhältnis zur natürlichen Umwelt, zu ihren
Nutzern und zur ihr inhärenten Technologie haben.“ Diese Aussage muss die Leitlinie einer zukunftsgewandten Städte- und Baupolitik sein.
Die Vorteile von nachhaltigen Baustoffen sind also
unbestreitbar und die potentiellen Einsatzmöglichkeiten ungemein groß. So hat die KfW seit
2006 2,4 Millionen Wohnungssanierungen gefördert und damit Investitionen in Höhe von 74 Milliarden Euro angestoßen. Doch die KfW stellt bisher
petrochemische Dämmstoffe mit ökologischen
Materialien gleich. Wir brauchen daher dringend
eine Förderung von ökologischen Baustoffen. Die
Chancen dieses Zukunftmarktes dürfen nicht vertan werden. Heute müssen und können Verfahren
und Material entwickelt werden, die in einigen
Jahren für Stadtsanierungen und die Energiewende weltweit nachgefragt werden.
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NEUE ENTWICKLUNGEN IM NACHHALTIGEN BAUEN
KEYNOTE: PROF. DR. DR. E.H. WERNER SOBEK
Die Weltbevölkerung wächst weiter, gleichzeitig
leben proportional (und absolut) immer mehr
Menschen in Städten – und wollen mehr Wohnkomfort, als sie ihn bislang genießen konnten.
Aufgrund dieser Entwicklungen werden in den
nächsten 25 Jahren überall auf der Welt gigantische Bauvolumen realisiert. Angesichts des Volumens kann schon jetzt prognostiziert werden, dass
für eine herkömmliche Stahlbetonbauweise die
erforderlichen Ressourcen schlicht und ergreifend
nicht vorhanden sind. Wir können aber nicht nur
aus diesem Grund die Art des europäischen Städtebaus nicht einfach auf Schwellen- und Entwicklungsländer übertragen. Wenn wir Städte weiter
planen und bauen wie bisher, bedeutet dies ausufernde Städte (endless city), ausufernden Verkehr
(endless traffic) und endlosen Müll (endless
waste). Die gebaute Umwelt, also vor allem unsere
Städte, ist ein enormes anthropogenes Lager von
Ressourcen. Die Bauindustrie ist daher die Schlüsselindustrie, wenn wir unsere Klimaziele erreichen
wollen. Denn in der gebauten Umwelt fallen 50 %
des Massenmüllaufkommens an, werden 50 % der
natürlichen Ressourcen verbraucht, 35 % der
Energie verbraucht und 35 % der Emissionen verursacht.
Was ist das Triple Zero Konzept?
Wir haben deshalb das Triple Zero Konzept entwickelt, um die technischen Anforderungen an ein
wirklich nachhaltiges Gebäude in aller Kürze beschreiben zu können: Bei Herstellung, Betrieb und
Rückbau des Gebäudes soll weder fossile noch
nukleare Energie genutzt werden (Zero Energy).
Das Gebäude soll keine Emissionen verursachen
(Zero Emissions) und vollständig in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden (Zero Waste). Meiner
Auffassung nach sind Konzepte wie das „Triple
Zero Konzept“ oder das „Cradle To Cradle Prinzip“
von Michael Braungart die einzigen Ansätze, wie
heutzutage wirklich nachhaltig (und letztlich auch
moralisch vertretbar) gebaut werden kann. Ökologisches und nachhaltiges Bauens als Entsagungsästhetik funktioniert nicht. Unser Credo sollte sein:
Bauen wir nachhaltig und fulminant zugleich! Dass
(und wie) dies geht, haben wir – so denke ich – in
den vergangenen Jahren mit unseren diversen
Projekten hinreichend bewiesen.
Recyclingquote stärken
Städte müssen in Zukunft höher und kompakter
gebaut werden, wenn wir nicht weiter in erheblichem Ausmaß die knappe Ressource Fläche verbrauchen wollen. Aber auch bezüglich anderer
Ressourcen müssen wir viel sparsamer werden.
Verwenden wir die Baustoffe so, dass wir sie in der
so genannten End-of-Life-Phase wieder problemlos in den Stoffkreislauf zurückführen können −
oder produzieren wir nur Müll, gar Sondermüll!?
Diese Frage ist enorm wichtig. Wenn wir die weltweiten Eisenvorkommen weiter so ausbeuten wie
bisher, dann sind sie in 70 Jahren verbraucht. Bei
Kupfer ist das schon in 25 Jahren der Fall, bei Erdöl in 25 bis 35 Jahren. Wenn wir nicht schnell
gegensteuern, haben wir also schon bald ein Ressourcenproblem auch bei den Massenbaustoffen.
Die Bauindustrie hat, im Gegensatz zur Automobilindustrie, eine erschreckend niedrige Recyclingquote. Das muss sich dringend ändern. Bei Neubauten sollte deshalb schon bei der Planung viel
stärker auf die Recyclingfähigkeit der verbauten
Stoffe geachtet werden. Die Automobilindustrie
erreichte bereits 2010 eine Recyclingquote von
über 85 Prozent – hiervon sind wir im Bauwesen
noch meilenweit entfernt!
Realisierbare Lösungen finden
Als Forscher suche ich nach Lösungen, die unter
technischen, wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten realisierbar sind. Dies ist besonders
dann von zentraler Bedeutung, wenn wir den
Energieverbrauch betrachten. Bisher ist nachhaltige Architektur im Wesentlichen mit Energiesparen
in der Nutzungsphase korreliert worden. Diese
Einschränkung ist aber völlig inakzeptabel, ja irreführend. Für die Erstellung eines Gebäudes wird
das 20-25fache der Energie benötigt, die dieses
Gebäude später pro Jahr benötigt. Angesichts die-
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ser Relation stellt sich die Frage, wie zielführend
es ist, lediglich den Energieverbrauch in der Nutzungsphase zu betrachten – und diesen dann
auch nur um 3 bis 5 % zu senken!? Hinzu kommen
die extrem hohen Kosten, die mit einer energetischen Sanierung nach herkömmlichem Muster
verbunden sind. Als Schwabe bin ich gewohnt, die
Dinge richtig zu machen, also schaue ich nicht auf
3% Einsparpotential, sondern suche lieber gleich
nach besseren Lösungen – insbesondere beim
Blick auf die Kosten, die eine energetische Sanierung nach herkömmlichem Muster verursacht.
Kosten der energetischen Sanierung reduzieren
Die Kosten der energetischen Sanierung unseres
Gebäudebestandes kann man mit einem einfachen
Rechenbeispiel verdeutlichen: Es gibt 40 Millionen
Wohnungen und Einfamilienhäuser in Deutschland, von denen noch circa 35 Millionen energetisch saniert werden müssen. Die durchschnittliche
Wohnfläche einer Wohnung in Deutschland beträgt
82 m². Die Sanierungskosten belaufen sich, je
nach Wahl der Baumaterialien und Technik, auf
300 bis 1.500 € pro Quadratmeter. Auch wenn
man nur einen relativ niedrigen Wert von 500 €
pro Quadratmeter ansetzt, belaufen sich die Sanierungskosten für den gesamten deutschen Bestand
bereits auf rund 1.435 Milliarden (!) Euro. So kann
es also nicht weitergehen.
Erschwerend kommt hinzu, dass die gesetzlichen
Vorgaben für Neubauten, wie in der Energieeinsparverordnung, immer dem technisch Machbaren
extrem hinterherhinken. Der einseitige Versuch,
den Energieverbrauch von Bestandsgebäuden mittels Wärmedämmsysteme zu reduzieren, hat darüber hinaus - bei nicht sachegerechter Bauausführung - erhebliche Folgen hinsichtlich der Qualität
der Innenraumluft und des äußern Erscheinungsbildes des Gebäudes. Last, but certainly not least:
Herkömmlicher Vollwärmeschutz ist schwer zu
recyceln, denn es werden zwischen 5 bis 15 Baustoffe miteinander verklebt respektive verbaut.
Eine sortenreine Trennung dieser Baustoffe ist
oftmals kaum noch möglich. So werden allein in
Deutschland täglich mehrere 10.000 Kubikmeter
Sondermüll produziert.
Sicher geschieht all dies aus einer guten Absicht
heraus. Aber ich bin der Meinung, dass wir radikal
umdenken müssen. Nicht nur bei denkmalgeschützten Gebäuden, sondern auch bei vielen anderen Bestandsgebäuden sind die bisher verwendeten Ansätze oft nicht die richtige Lösung – aus
ästhetischen, aus technischen und aus finanziellen
Erwägungen. Ich schlage daher seit längerem zwei
Komponenten vor: Kluge Raumtemperaturführung
bei Abwesenheit der Nutzer, am besten durch eine
Hausautomation mit Einzelraumregelung, und das
von mir so bezeichnete "Prinzip der Schwesterlichkeit". Letzteres bedeutet: Wenn ein Gebäude
zu alt, zu schwach, zu schön, zu denkmalgeschützt
ist, darf man ihm nichts antun. Die Neubauten, an
denen wir zurzeit arbeiten, produzieren bis zu 170
% ihres eigenen Eigenbedarfs an Energie – sie
erwirtschaften also deutliche Überschüsse. Und
diese Überschüsse kann man ja einer Schwester
übertragen, also z.B. dem denkmalgeschützten
Nachbarhaus. Wir müssen viel stärker in Quartierszusammenhängen Dieses Ausgleichen auf kurze
Distanzen ist etwas, was ich in diesem Zusammenhang sehr stark favorisiere.
Wärmebedarf ohne Komfortverlust reduzieren
Da der größte Teil der Energie in einem Haus für
die Raumwärme benötigt wird, sollten wir hier
verstärkt ansetzten. Eine Untersuchung der Deutschen Energieagentur (DENA) hat gezeigt, dass
unter allen möglichen Maßnahmen die Hausautomation mit Einzelraumregelung (gefolgt von der
Dämmung der Kellerdecke) die größte Hebelwirkung pro eingesetzten Euro hat. Eine solche Hausautomation mit Einzelraumregelung erlaubt eine
Minimierung des Heizenergieverbrauchs, ohne
dass hierfür irgendwelche größeren Arbeiten in der
Wohnung erforderlich wären. Ein System, wie es
z.B. von dem Stuttgarter Start-up-Unternehmen
alphaEOS entwickelt wurde, ist selbstlernend, kabel- und batterielos. Es passt sich individuell an
die jeweilige Situation vor Ort an und kann flexibel
auf
Änderungen
reagieren.
Mittels
eines
Smartphones kann man bei Bedarf die Heizung in
seiner Wohnung auch von außerhalb steuern.
Wir müssen die Art des Bauens, Betreibens und
Benutzens unserer gebauten Umwelt weiterentwickeln und sie an neue Erkenntnisse anpassen.
8 | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 06/2013
Hierzu fehlen leider eine ganze Reihe von Werkzeugen und Methoden. Diese müssen entwickelt
werden. Ein weiteres kommt hinzu: Angesichts der
Komplexität der Materie kann heutzutage kein
einzelner mehr alle erforderlichen Einzelheiten
kennen bzw. alle benötigten Techniken beherrschen.
Es kommt also zukünftig viel mehr als bisher auf
eine enge interdisziplinäre, integrierte Zusammenarbeit aller an Planung und Bau Beteiligten
an. Eine wichtige Hilfestellung leisten natürlich
auch Wissensplattformen und Zertifizierungssysteme, wie sie z.B. von der von mir mitbegründeten
Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
(DGNB) erarbeitet und kontinuierlich weiterentwickelt werden. Das Zertifizierungssystem der DGNB
bietet eine umfassende Beschreibung all der Faktoren, die für die Nachhaltigkeit eines Gebäudes
bzw. eines Stadtquartiers relevant sind; das System macht auf diesem Weg Nachhaltigkeit
beschreibbar – aber auch messbar und vergleichbar. Die größte Herausforderung, vor der Architekten und Ingenieure in den nächsten Jahren stehen
werden, ist allerdings nicht, für eine Einhaltung
aller relevanten Normen zu sorgen – es geht vielmehr darum, Ökologie atemberaubend attraktiv
und aufregend zu machen.
06/2013 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | 9
WORKSHOP 1:
TRIPLE ZERO ANSATZ – WELCHE RAHMENBEDINGUNG
SOLLTE DIE POLITIK SETZEN?
DANIELA WAGNER, SPRECHERIN FÜR BAU- UND WOHNUNGSPOLITK
Deutschland hat sich international verpflichtet,
seinen Beitrag zu leisten, um den Anstieg der globalen Temperatur um mehr als 2 Grad zu verhindern. Dies bedeutet, dass der Ausstoß von Klimagasen hierzulande um mindestens 40 Prozent bis
2020 und um 95 Prozent bis 2050 gesenkt werden
muss. In den Bestandsgebäuden werden 40 Prozent der Endenergie für Wärme und Kühlung verbraucht und fast 20 Prozent der gesamten CO2Emissionen in Deutschland verursacht. Der Gebäudebereich spielt für das Erreichen der Klima- und
Energieeinsparziele eine zentrale Rolle. Mit den
Klimazielen gehen Fragen der Versorgungssicherheit einher. Das Gros der fossilen Energierohstoffe
wird aus außereuropäischen Ländern importiert
und es wird immer teurer. Deutschland lag in
2008 mit einem Erdölverbrauch von 118,1 Millionen Tonnen an sechster Stelle der zehn Länder mit
dem weltweit größten Erdölverbrauch. Die deutsche Wirtschaft zahlte im Jahr 2010 allein für ihre
Ölimporte 41,6 Mrd. Euro.
Bausande und -kiese sind mit etwa 239 Millionen
Tonnen mengenmäßig die mineralischen Rohstoffe, auf die knapp ein Drittel der heimischen Rohstoffproduktion entfällt. Die Entnahme von Rohstoffen beeinflusst die Umwelt negativ: Durch Veränderungen der Landschaft, Abholzung der Vegetation für Tagebaue, Absenken der Grundwasserspiegel, die Belastung des Grundwassers mit Metallen oder durch Versauerung sowie durch das
Risiko von Bergschäden.
steuerbefreiten stofflichen Nutzung von Erdöl keine gesteigerte Konkurrenzfähigkeit entwickeln,
obwohl die im Neubau und der energetischen
Gebäudesanierung üblicherweise verwendeten
Baustoffe hinsichtlich Energieverbrauch, CO2Emissionen, Haltbarkeit, Schadstofffreiheit und
Recyclingfähigkeit vielfach mangelhaft sind. Temporäres Bauen und somit leicht recyclebare Materialien werden eine immer größere Rolle spielen,
das Ideal „bauen für die Ewigkeit“ ist überholt.
Um die Klimaschutzziele zu erreichen, den Energieverbrauch sowie die CO2- Emissionen zu senken
und die Abhängigkeit von Erdölimporten zu reduzieren, ist die Steigerung der Ressourcen- und
Energieeffizienz sowie der Nachhaltigkeit im Gebäudebestand ein wichtiger Baustein. In Bezug auf
die Modernisierung der Wärmeversorgung und die
Steigerung von Energieeffizienz von Gebäuden sind
immerhin erste Schritte eingeleitet. Alternative
Baustoffe haben aber trotz des großen Substitutionspotenzials nur wenig Eingang in die Aktionsprogramme zur Gebäudesanierung gefunden und
selbst im Neubau sind sie nur die Ausnahme.
In diesem ersten Workshop wollen wir uns mit
Praktikerinnen und Praktikern austauschen, wo sie
Handlungsmöglichkeiten und Steuerungsansätze
für die Politik sehen.
Die von der rot-grünen Bundesregierung eingeführten Marktanreizprogramme für ökologische
Baustoffe wurden von den nachfolgenden Bundesregierungen nicht weitergeführt. Die Laufzeit
der Programme war zu kurz, um wesentliche dauerhafte Preissenkungen der Produkte zu erreichen.
Diese konnten gegenüber den Produkten aus der
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AKTUELLE FÖRDERUNG DER NUTZUNG ÖKOLOGISCHER BAUSTOFFE
IN DEUTSCHLAND
Hauptakteur der Förderung der stofflichen Nutzung
nachwachsender Rohstoffe ist die Fachagentur
Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR). Ziel der FNR
ist es die Ausgangslage und den Einsatz nachwachsender Rohstoffe unter anderem in dem Bereich Bauen und Wohnen zu verbessern bzw. zu
erhöhen. Die FNR wurde 1993, mit Sitz in
Gülzow/Mecklenburg-Vorpommern,
gegründet.
Projektträger der FNR ist das Bundesministerium
für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. die FNR ist die zentrale Koordinierungsstelle für den Bereich Nachwachsende Rohstoffe in
Deutschland.
Hierfür stehen der FNR verschiedene Instrumente
zur Verfügung, wie das Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe und der Aktionsplan zur
stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe.
Die Ausgangslage für den Einsatz nachwachsender
Rohstoffe beim Bauen und Wohnen ist je nach
Material recht unterschiedlich. Eine detaillierte
Marktbeschreibung ist aufgrund der vielfältigen
Anwendungen nicht möglich. Daher sollen hier nur
einige Eckdaten genannt werden. So lag 2009 der
Anteil der genehmigten Wohn- und Nichtwohngebäude in Holzbauweise in Deutschland mit insgesamt ca. 19.000 bei ca. 16 % der neuen Gebäude.
Der Gesamtmarkt für Baumaterialien aus Holz betrug 2010 13 Mrd. Euro. Im Vergleich hierzu lag
das Volumen des Gesamtmarkts für Baumaterialien
aus Kunststoffen 2010 bei 5,2 Mrd. Euro. Der
Dämmstoffmarkt lag 2009 insgesamt bei ca. 28
Mio. m³, davon waren weniger als 4 % Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen.
In der Innenraumgestaltung sind die Zahlen besser. So wurden 2010 in Deutschland insgesamt
Möbel für 15,4 Mrd. produziert, der Anteil aus
nachwachsenden Rohstoffen dabei lag bei 10,3
Mrd. (ca. 67 %). Auch wurde 2008 für die Produktion von Linoleum 13.000 t Leinöl genutzt. Ebenso
12 % der in 2008 genutzten 1,45 Mio. t pflanzlichen Öle und Fette wurden für die Herstellung von
Farben und Lacken verwendet. Die Aufgabenschwerpunkte der FNR liegt in der Förderung von
Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstrations-
projekten (Förderprogramm), Öffentlichkeitsarbeit,
Information und Beratung aller Zielgruppen mit
den Schwerpunkten Beratung zu Bioenergie und
Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen und dient
als deutscher Ansprechpartner für EU-Aktivitäten.
Die Fördergrundlagen und Finanzquellen 2012
Das bereits erwähnte Förderprogramm Nachwachsende Rohstoffe, notifiziert unter Beihilfenummer
657/2007 und mit einer Laufzeit bis 30.06.2015,
setzt sich aus verschiedenen Haushaltsmitteln des
Bundes zusammen:
Einzelplan 10 des Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Höhe von 59,0 Mio. €;
Einzelplan 60 der Allgemeinen Finanzverwaltung im Wirtschaftsplan des Energie- und
Klimafonds (EKF) in Höhe von 3,25 Mio. €;
Einzelplan 16 Bundesministeriums für Umwelt
zur Förderung von Einzelmaßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien mit 0,8 Mio €.
Dies macht allein für das Haushaltsjahr 2012eine
Gesamtsumme von 63,05 Mio. Euro.
Arbeitsschwerpunkte des Förderprogramms
Hierbei umfassen die Arbeitsschwerpunkte des
Förderprogramms Nachwachsende Rohstoffe die
Förderung Erneuerbarer Energien aus Biomasse,
die Förderung von Werkstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen wie etwa das Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen. Im Bereich Bauen wurden
seit 1998 fast 100 Vorhaben (Forschung zu
Holz/Holzwerkstoffen, Dämmstoffe, Fußböden,
Bauhilfsstoffe etc.) mit über 20 Mio. Euro Fördermitteln durch das BMELV und über die FNR Markteinführungsprogramme von 2003 bis 2007 unterstützt. Weiterhin hat die FNR Schmierstoffe aus
Pflanzenölen, Biokonversion und Verbraucherinformation mit dem Ziel der verstärkten Markteinführung von Produkten aus nachwachsenden Rohstoffen unterstützt. Besonderes Augenmerk der
FNR lag auf das Erschließen von neuen Anwendungsfeldern für Holz im Bereich Bauen & Wohnen, die Beseitigung von Anwendungsnachteilen
von Holz und Holzwerkstoffen im Baubereich (z.B.
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in den Bereichen Brandschutz, Dauerhaftigkeit),
die Verbesserung der Anwendungseigenschaften
einheimischer Hölzer als Alternative zu Importhölzern oder traditionellen Baustoffen, die Entwicklung neuer oder grundlegend verbesserter Verbundsysteme und -konstruktionen mit Holz und
Holzwerkstoffen. Ergänzend hierzu die Entwicklung
von grundlegenden Systemlösungen mit Holz und
Holzwerkstoffen, die Nutzung von Holz im mehrgeschossigen Holzbau und im Nichtwohnungsbau.
Sehr wichtig war auch die Implementierung von
Bilanzdaten für Holz in Planungs- und Bewertungssystemen.
Aktionsplan stoffliche Nutzung
Die Zielsetzung des Aktionsplans ist nicht weniger
als ein Gesamtkonzept für eine deutliche und anhaltende Steigerung des Biomasseanteils und der
Effizienz des Biomasseeinsatzes bei der Rohstoffversorgung in Deutschland unter Berücksichtigung
der Ziele und Anforderungen der nationalen und
europäischen Nachhaltigkeitsstrategien. Die Handlungsfelder des Aktionsplanes sind entsprechend
der Zielsetzung vielfältig und umfassen die Punkte
Sicherung der Rohstoffbasis, Sicherung der Nachhaltigkeit, Forschung und Entwicklung, Förderung
der Markteinführung, Information, Öffentliches
Auftragswesen, Industrielle Biotechnologie und
Bioraffinerien, Biobasierte Werkstoffe, Bauen und
Wohnen, Zellstoffnutzung, Stärkeverarbeitung,
Phytopharmaka, Kosmetika. Der Aktionsplan ist ein
Beitrag zur Ressourcenschonung und Rohstoffsicherung, zum Klimaschutz, zur Stärkung Deutschlands als Wirtschaftsstandort, zum Umweltschutz,
zur Sicherung von Arbeitsplätzen auch in ländlichen Räumen und zur sozio-ökonomischen Entwicklung von Entwicklungsländern.
Handlungsfeld: Bauen und Wohnen
Hier ist die Zielsetzung die Steigerung des Marktanteils für Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen bei Neubauten und Bausanierung und Erschließung neuer Anwendungsgebiete durch innovative Produkte. Entsprechend gestaltet sich der
Maßnahmenkatalog mit der Fortsetzung der Beratungstätigkeit und Öffentlichkeitsarbeit, der Berücksichtigung von relevanten Kriterien wie z.B.
Energieverbrauch bei Erfassung von Musterprojek-
ten über einen Architektenwettbewerb und Kommunikation der Projekte Information, der Ausund Weiterbildung von baurechtlichen Entscheidungsträgern, Genehmigungsbehörden, Bauherren/Architekten und Verbrauchern und Entwicklung von Lehr- und Fortbildungsmaterial und der
Förderung von Forschung und Entwicklung. Die
Fachberatung Bauen und Wohnen kann auf verschiedenen Wegen kontaktiert werden. Zum Beispiel
über
das
Internet
(www.naturbaustoffe.info), auf Messen und Veranstaltungen,
über eine Telefonberatung, Broschüren und Infoflyer, die BAUnatour Wanderausstellung zum Thema Bauen und Wohnen mit nachwachsenden Rohstoffen (www.bau-natour.de) oder dem HolzbauPlus Bundeswettbewerb Bauen mit nachwachsenden
Rohstoffen
(www.holzbaupluswettbewerb.info). Zusätzlich unterstützt die FNR
die Nachwuchsgruppe Holz an der Universität Göttingen. Ihr Ziel ist die Schaffung neuer Absatzmärkte und Anwendungsfelder für einheimische
Laubhölzer unter Anwendung neuartiger Technologien.
Zusammenfassung und Ausblick
Nachwachsende Rohstoffe beim Bauen und Wohnen sind keine Nischenanwendungen. Trotzdem
sind aufgrund veränderter Rahmenbedingungen
(rechtlich,
klimatisch,
technisch,
sozioökonomisch) stetige Weiterentwicklungen und
Verbesserungen notwendig. Die Rohstoffbasis für
einen weiteren Ausbau der stofflichen Nutzung
nachwachsender Rohstoffen für den Bereich Bauen
und Wohnen ist gegeben. Allerdings hat die Nahrungsmittelerzeugung Vorrang vor allen anderem
Nutzungskonkurrenten. Die Bundesregierung unterstützt sowohl den Ausbau der energetischen als
auch der stofflichen Nutzung. Integrierte Konzepte
sind gefragt.
Besonders wichtige Maßnahmen sind: Forschung,
Entwicklung und Demonstration, Unterstützung
der Markteinführung insbesondere durch Transparenz und Information für Verbraucher, EU-Normen
und -Label für biobasierte Produkte, der Abbau
ordnungsrechtlicher Hemmnisse, die Integration
biobasierter Produkte in die öffentliche Beschaffung sowie der vermehrte Einsatz von Nachhaltigkeitsstandards und Zertifizierungssystemen.
12 | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 06/2013
CARMEN HOCK-HEYL
(FIRMA HOCK GMBH & CO. KG)
Als Produkterfinderin, Gründerin und Geschäftsführerin der Hock GmbH & Co. KG stellte ich das
Unternehmen in einer Kurzpräsentation vor und
erläuterte die Nachhaltigkeitsziele in Bezug auf ein
zukunftsfähiges, Klima schonendes Bauen und
Wohnen.
Die Intension von mir und Herrn Heinz Amolsch,
dem Referenten der Hock-Geschäftsleitung, war
es, die seitens der Bundesregierung veröffentlichten Zielformulierungen kritisch zu hinterfragen
und Ansätze zu bieten, wie diese wirklich erreicht
werden können.
Die Ziele sind:
Reduktion der CO2-Emissionen um 80% bis
zum Jahr 2050.
Gebäudebestand soll bis zum Jahr 2050 „klima-neutral“ sein.
Atomausstieg bis zum Jahr 2022.
Nach Meinung von Frau Hock-Heyl und Herrn
Amolsch sind diese Ziele bei einer Beibehaltung
der derzeitigen Vorgehensweise und Förderpolitik
nicht erreichbar.
Die Gründe hierfür sind vielfältig, ich möchte hier
die schwerwiegenden anführen:
Sowohl im Rahmen der EnEV als auch bei KfWMittelvergaben spielen nachhaltige Argumente z.
B. für Dämmstoffe aus Naturfasern keine Rolle. Die
synthetischen und mineralischen Produkte haben
durch geschickte Lobbyarbeit feste Positionen in
der beim Bundes-Bauministerium angelegten Datenbank „Ökobau.dat“. Über die Empfehlung, für
alle Bauprodukte „EPDs“ anfertigen zu lassen, wird
der Eindruck erweckt, dies seine ökologische Produkte. Hock sieht hierin die große Gefahr des
„Greenwashings“.
Der „Aktionsplan für die stoffliche Nutzung nachwachsender Rohstoffe“ ist ein Papiertiger. Für
Bau- und Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen wird, trotz des Aktionsplans, nur sehr wenig getan.
Am Beispiel des Segments „Dämmstoffe“ habe ich
einige Kriterien aufgezeigt, die bei der Bewertung
und Förderung mit einem entsprechenden Stellenwert einbezogen werden müssten:
1 | Der Primärenergie-Bedarf für die Herstellung
der Produkte.
2 | Die Erstellung einer CO2-Bilanz für alle Bauprodukte.
3 | Die Verwendung eines möglichst hohen Anteils
nachwachsender Rohstoffe in den Produkten.
4 | Eine Volldeklaration aller Inhaltsstoffe.
5 | Klare Aussagen der Hersteller zur Entsorgung
der Produkte nach der Nutzungsphase.
Mit der Einbeziehung dieser Forderungen in einen
Kriterienkatalog könnte eine Reihe von positiven
Effekten realisiert werden, die die Erreichung der
politischen Ziele zumindest wahrscheinlicher machen würden.
Jedenfalls greift die derzeit praktizierte Förderpolitik erheblich zu kurz gegriffen. Es bedarf dringend
einer Gesamtbetrachtung von Bauprodukten entlang ihrer kompletten Lebenslinie. Also von der
Förderung der Rohstoffe, Herstellung der Produkte,
ihrer Lebensdauer und Recyclingfähigkeit.
Allein bei dem Punkt des Primärenergie-Bedarfs
öffnet sich das Fenster für ein riesiges Einsparpotenzial. Die von Herrn Amolsch vorgetragene Berechnung müsste noch wissenschaftlich geprüft
und untermauert werden. Aber im Ansatz zeigt sie
auf den richtigen Weg der „Energie-Effizienz“.
Unsere These lautet:
Die Herstellung aller Naturdämmstoffe benötigt
etwa nur 15% bis 20% der Energie, die für die
Herstellung von synthetischen und mineralischen
Dämmstoffen benötigt wird. Bei einem Volumen
von etwa 25 Millionen Kubikmeter Dämmstoffen,
die in Deutschland jährlich eingebaut werden,
könnte mit diesem Einsparpotenzial ein komplettes AKW abgeschaltet werden.
Die Firma Hock spricht sich angesichts dieser Tatsachen für folgenden Lösungsvorschlag aus:
06/2013 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | 13
Neu-Ausrichtung der derzeitigen Förderpolitik.
Fördermittelvergabe gezielt als Anreiz für Hersteller einsetzen, um die politischen Ziele
schneller zu erreichen.
Beispielsweise könnte die Förderung mit einer
Klassifizierung der Baustoffe arbeiten. Wie beispielsweise mit einer Klassifizierung von Bau- und
Dämmstoffen in Gruppen von A bis C. Wer die aufgeführten Kriterien erfüllt, hat ein A-Produkt mit
höchster Förderstufe. Die Fördermittel müssten aus
Sicht des Hauses Hock nicht erhöht werden. Es
müsste lediglich eine gerechtere Gewichtung zugunsten der stofflichen Nutzung nachwachsender
Rohstoffe erfolgen.
Aber eins muss auch klar sein: Eine derartige Änderung der Förderpolitik kann nur greifen, wenn
die Informationsdefizite und Hemmnisse beim
Verbraucher und allen am Bau Beteiligten bezüglich des Einsatzes von Naturbaustoffen abgebaut
werden. Das heißt wir müssen von den Architekten
und Bauingenieuren bis hin zu den ausführenden
Gewerken erheblich mehr informieren. Hierzu
wäre eine Öffentlichkeitskampagne ähnlich der bei
der Einführung des Bio-Siegels für Lebensmittel
erforderlich. Und Zweitens, dass die Verfügbarkeit
der Rohstoffe für solche Produkte für den Fall einer
erhöhten Nachfrage gesichert werden muss.
14 | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 06/2013
KARLHEINZ MÜLLER
(BAU-FRITZ GMBH & CO. KG)
Das Unternehmen Baufritz ist seit 1996 komplett
EMAS, das Eco-Management and Audit Scheme der
EU, geprüft und seit 1998 ist Baufritz nach DIN und
ISO zertifiziert. Darüber hinaus ist das Unternehmen Baufritz Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft für Dämmstoffe aus nachwachsenden
Rohstoffen e.V.
Der Baufritz-Weg beinhaltet folgende Aspekte
nachhaltigen Bauens und Wohnens: Vorrang für
Nachwachsende Rohstoffe, Minimierung technischer Felder, Untersuchungen im Rahmen der Produktentwicklung, Baustellenmessung (u.a. hinsichtlich Formaldehyd, VOC, Holzschutzmittel),
Kundenservice wie Grundstücksanalyse oder Produktempfehlungen, Spezialisierung auf Allergiker
und Patienten mit Multiple Chemical Sensitivity
(MCS). Die Verwendung nachwachsender Rohstoffe
als Baustoffe ist bei Baufritz Tradition. Aber warum
eigentlich? Nachwachsender Rohstoffe, kurz auch
NAWARO genannt, haben sehr gute Wärmeschutzeigenschaften, einen exzellenten sommerlichen
Wärmeschutz, diese haben eine gute Sorptionsfähigkeit, niedrige Ausgleichsfeuchten, sind CO2bindend und schonen in nicht unerheblichen Maße fossile Rohstoffvorräte.
Ergänzend bietet Baufritz den Schutz vor Hochfrequenz Strahlen und technischen Felder an. Wir
haben mittlerweile Erfahrung aus 3000 abgeschirmten Gebäuden X und -E ist Standard, X undE Plus kann als Option hinzu gebucht werden. Hinsichtlich der technischen Felder ist eine geschirmte
Leitungsführung und die Entmagnetisierung in
unseren Gebäuden Standard. Im Bereich Innenraumluftmessung haben wir Erfahrungen aus mitt-
lerweile rund 750 Raumluftmessungen. Die
Gesundheitszertifizierung unserer Gebäude erfolgt
mittels Cradle To Cradle, Natureplus, Sentinel Haus
Institut, Alkoha sowie des Instituts für Baubiologie
und Ökologie.
Die Vorschläge bezüglich des Themas des Workshops „Triple Zero Ansatz – Welche Rahmenbedingung sollte die Politik setzen?“ umfassen folgende
Punkte:
Es ist ein reduzierter Mehrwertsteuersatz für
Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen
notwendig.
Zusätzlich sollte es besondere Abschreibungsmöglichkeiten für Privatpersonen und Unternehmen bei der Verwendung nachwachsender Rohstoffe geben.
In Rahmen öffentlicher Planung sollte Vorgaben hinsichtlich der Verwendung nachwachsender Rohstoffe gemacht werden, beispielsweise ein Mindestanteil an nachwachsenden
Rohstoffen von 60 Prozent in der Konstruktion.
Die Fördermittel der Kreditanstalt für Wiederaufbau sollten an die Erstellung von CO2Bilanzen zum Beispiel mit LEGEP, eine Software für integrale Planung nachhaltiger Gebäude, gekoppelt werden.
Des Weiteren sollten die Fördermittel der Kreditanstalt für Wiederaufbau an die Verwendung Cradle-to-Cradle-zertifizierter Produkte
gekoppelt werden.
Bauprodukte mit Erdölanteilen sollten zusätzlich besteuert werden.
06/2013 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | 15
WORKSHOP 2:
ZERTIFIZIERUNGEN – GREENWASHING ODER
SEGEN FÜR DIE ÖKOBAUSTOFFE?
BETTINA HERLITZUS, SPRECHERIN FÜR STADTENTWICKLUNG
Wer mit ökologischen Baustoffen bauen möchte,
hat nicht nur das Beschaffungsproblem (auch heute führt kaum ein Baumarkt überhaupt ökologische Baustoffe), er/sie findet dazu noch einen undurchdringbaren Dschungel von Zertifikaten für
ökologische Baustoffe vor. Das erschwert das ökologische Bauen für die Verbraucherinnen und Verbraucher immens. Denn den Zertifikaten liegen oft
unterschiedliche Kriterien zu Grunde, sie sind teils
sehr komplex, teils beziehen sie sich auf einzelne
Produkte, teils betrachten sie die ökologische Bilanz eines ganzen Gebäudes.
Es gibt Label, deren Bewertung nach bestimmten,
wenn auch unterschiedlichen, Kriterien erfolgt. Es
gibt Produkt-Deklarationen, die sich rein auf die
Darstellung von Messwerten beschränken und damit für die Verbraucherinnen und Verbraucher im
Prinzip nutzlos sind. Selbst die Zertifizierung von
Bauvorhaben nach Bewertungssystemen des
nachhaltigen Bauens impliziert nicht zwangsläufig
die Verwendung ökologischer Baustoffe. Die Vergleichbarkeit bleibt damit auf der Strecke, die Unterschiede zwischen guten und schlechten Produkten verwischen. Zurück bleiben verwirrte Verbraucherinnen und Verbraucher und die Nutzung ökologischer Baustoffe wird so in keinster Weise voran
gebracht.
werden. Um die Informationen für die Verbraucherinnen und Verbraucher besser über ökologische Baustoffe zu informieren, ist auch die öffentliche Hand, und damit insbesondere das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung und das zugehörige Bundesamt, gefragt. Hier
müssen die Verbraucherinnen und Verbraucher
produktneutrale, transparente und vergleichbare
Informationen erhalten. Der Bund muss seiner
Vorbildfunktion auch beim nachhaltigen Bauen
und bei der Verwendung von ökologischen Baustoffen gerecht werden – ob beim Neubau oder
der Sanierung. Nur so haben die ökologischen
Baustoffe die Chance bekannter zu werden und ihr
Nischendasein zu beenden.
Eine einheitliche Zertifizierung ökologischer Baustoffe und einheitliche Zertifizierung von Gebäuden nach Nachhaltigkeitsgesichtspunkten, die für
die Verbraucherinnen und Verbraucher transparent
und übersichtlich gestaltet wird, wäre aus unserer
Perspektive sinnvoll. Dazu müssen Standards u.a.
für Energieverbrauch und Schadstoffgehalt der
Baustoffe festgelegt werden. In die Zertifizierung
von Gebäuden muss eine Lebenszyklusbetrachtung
integriert werden, ebenso sollte die Verwendung
von ökologischen Baustoffen zwingendes Kriterium
16 | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 06/2013
KLAUS FUDICAR
(BUNDESINSTITUT FÜR BAU-, STADT- UND RAUMFORSCHUNG)
Einbindung des Leitfadens Nachhaltiges Bauen in
die Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes und die
Umsetzung in der Bundesbauverwaltung
Der Leitfaden "Nachhaltiges Bauen" des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) ist Teil und Ergebnis der nationalen
Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung, die
seit 2002 alle gesellschaftlichen bedeutsamen
Bereiche einschließt und mit messbaren Zielen
unterlegt. Er liegt in überarbeiteter Fassung mit
Stand April 2013 vor und berücksichtigt die Prinzipien einer nachhaltigen Entwicklung als integraler
Bestandteil aller Planungs- und Entscheidungsprozesse im Lebenszyklus einer Immobilie. Hierzu
gehört die Formulierung von Zielen sowie die
Überprüfung und Bewertung der Zielerreichung der
Nachhaltigkeitskriterien.
Das Erfordernis des nachhaltigen Bauens umfasst
auch die Themen Energieeffizienz, Einsatz innovativer Baustoffe, Techniken und Verfahren sowie
Denkmalschutz und städtebauliche Integration.
Der Bund als größter öffentlicher Bauherr in
Deutschland nimmt mit dem Leitfaden eine baupolitische und baukulturelle Vorbildrolle für die
Planung, den Bau und den Betrieb von wirtschaftlichen und qualitätsvollen Gebäuden ein.
Der Leitfaden beschreibt Methoden und Verfahren
zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsaspekten im
Bauwesen. Darüber hinaus formuliert der Leitfaden einzuhaltende Zielvorgaben für die Gebäudeplanung von Neu- und Erweiterungsbauten sowie
für Baumaßnahmen im Bestand im Regelungsbereich der Bundesbauverwaltung bzw. der Richtlinien für die Durchführung von Baumaßnahmen
des Bundes (RBBau).
Mit der Einbindung des Bewertungssystems für
Nachhaltiges Bauen (BNB) liegt mit dem überarbeiteten Leitfaden eine komplexe Handlungsanleitung zum nachhaltigen Bauen vor. Die im aktualisierten Leitfaden formulierten Nachhaltigkeitsziele
und Anforderungen sollen ihre Wirkung weit über
ihren Regelungsbereich für die Bundesbauten hinaus entfalten.
Der Leitfaden besteht aus den vier Teilen:
Grundsätze zum nachhaltigen Bauen
Nachhaltige Baumaßnahmen
Empfehlungen für nachhaltiges Nutzen und
Betreiben von Gebäuden
Bauen im Bestand
Die Grundsätze des Nachhaltigen Bauens finden
sich in den drei Säulen wieder, die im Leitfaden
beschrieben und fachlich hinterlegt sind.
Ökologische Säule nachhaltigen Bauens
Die ökologische Säule des Nachhaltigen Bauens hat
zum Ziel,
die Minimierung des Energie- und Ressourcenverbrauchs,
die Reduzierung des Flächenverbrauchs,
die möglichst geringe Belastung des Naturhaushalts
im gesamten Lebenszyklus (Bau, Nutzung und
Rückbau) eines Gebäudes zu erreichen.
Ökonomische Säule nachhaltigen Bauens
Die ökonomische Säule des Nachhaltigen Bauens
beinhaltet die Gesamtwirtschaftlichkeit eines Gebäudes:
Optimierung der Gesamtkosten (Bau- und
Baunutzungskosten)
Wirtschaftliche Optimierung der Zeitpunkte für
Investitionen, Erneuerungs- und Wartungszyklen.
Soziale Säule nachhaltigen Bauens
Die soziale Säule des Nachhaltigen Bauens beschreibt die soziokulturellen Auswirkungen eines
Gebäudes:
städtebauliche bzw. landschaftsräumliche
Integration
denkmalpflegerische Aspekte
funktionale und andere den Menschen berührende Aspekte
06/2013 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | 17
Soziale Aspekte sind z.B. Barrierefreiheit, Sicherheit, Erreichbarkeit, Vereinbarkeit von Familie und
Beruf, Zufriedenheit mit den physischen Gegebenheiten am Arbeitsplatz, etc.
Bewertungssystem nachhaltiges Bauen für Bundesgebäude (BNB)
Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (BMVBS), wissenschaftlich begleitet durch das Bundesinstitut für Bau-, Stadtund Raumforschung (BBSR), hat in einer zweijährigen kooperativen Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e. V.
(DGNB) einen ersten Kriterienkatalog zur ganzheitlichen Betrachtung und Bewertung von Nachhaltigkeitsaspekten für Gebäude entwickelt.
Mit dem Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen für
Bundesgebäude des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, steht erstmalig
ein zum Leitfaden "Nachhaltiges Bauen" ergänzendes ganzheitliches quantitatives Bewertungsverfahren für Büro und Verwaltungsgebäude
(Neu-, Erweiterungs- und Bestandsbauten einschließlich Außenanlagen) zur Verfügung.
Die Bemühungen der Bundesregierung sind dabei
darauf gerichtet - mit dem neuartigen ganzheitlichen Nachhaltigkeitsansatz - ein wissenschaftlich
fundiertes und planungsbasiertes Bewertungssystem für nachhaltige Gebäude zu schaffen. Es
zeichnet sich durch die umfassende Betrachtung
des gesamten Lebenszyklus von Gebäuden unter
Berücksichtigung der ökologischen, ökonomische,
soziokulturelle Qualität sowie den technischen und
prozessualen Aspekten und durch ein transparent,
objektiv nachvollziehbares Bewertungssystem aus
und spiegelt damit auch die internationalen Entwicklungen im Bereich Normung zum Nachhaltigen
Bauen wieder.
Der Verwendungsbereich des Bewertungssystems
beschränkt sich vorerst auf nationale Verwaltungsund Bürogebäude, da die Bewertungsgrundlagen
/-methoden in der Regel basierend auf derzeit
gültigen deutschen Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen sowie nationalen Normen und Leitfäden für den Nichtwohnungsbau entwickelt wurden.
Bewertungsmethodik
Ziel des nachhaltigen Bauens ist der Schutz allgemeiner Güter, wie Umwelt, Ressourcen, Gesundheit, Kultur und Kapital. Aus diesen leiten sich die
klassischen drei Dimensionen der Nachhaltigkeit Ökologie, Ökonomie und soziokulturelle Aspekte ab, an denen auch die Qualität eines Gebäudes
gemessen werden muss. Darüber hinaus sind
technische Qualitäten sowie die Prozessqualität zu
betrachten, die als Querschnittsqualitäten Einfluss
auf alle Teilaspekte der Nachhaltigkeit haben.
Die fünf Teilaspekte werden jeweils getrennt in
ihrer Hauptkriteriengruppe bewertet und mit festgelegter Gewichtung zu einer Gesamtnote verrechnet. Dies bietet die Möglichkeit, herausragende
Qualitäten in ein oder mehreren Teilbereichen
auch gesondert darzustellen. Die Standortmerkmale werden getrennt von den Objektqualitäten bewertet und als zusätzliche Information ausgewiesen, da sie durch Planung und Gebäude nur sehr
eingeschränkt beeinflussbar sind.
Die unterschiedlichen Qualitäten werden anhand
von quantifizierbaren bzw.
beschreibbaren
Messgrößen gemessen bzw. bewertet, die in den
zugehörigen "Kriteriensteckbriefen" genau definiert werden. Eine Gewichtung der Kriterien innerhalb
der
übergeordneten
Qualitätsziele
(Kriterienhauptgruppe) erfolgt nach ihrer Relevanz
für die Schutzziele mit Hilfe eines Bedeutungsfaktors, der von 1 bis 3 (geringe bis hohe Bedeutung)
skaliert wird. Insgesamt kann in jedem Kriterium
eine maximale Bewertung mit 100 Punkten entsprechend der individuellen Berechnungsvorschrift
vorgenommen werden, wobei der Wert 100 immer
der Zielwertdefinition entspricht. Parallel zum
Zielwert wird ein Referenzwert und ein Grenzwert
definiert.
Zusammenfassend in einer Gesamtnote werden
abschließend die ökologischen, ökonomischen und
soziokulturellen Belange im Kontext mit den technischen und prozessualen Leistungen bewertet.
Die stetige Fortschreibung des Systems wird durch
regelmäßige Erweiterung des Kriterienkatalogs
aufbauend auf aktuellen Forschungsergebnissen
sowie Änderungen im Bereich von gesetzlichen
Regelungen, Normung etc. sichergestellt. Durch die
18 | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 06/2013
Kennzeichnung der Version (Jahr_Quartal) können
die unterschiedlichen Entwicklungsstufen voneinander unterschieden werden. Die Veröffentlichung von Bedeutungsfaktoren, Berechnungsvorschriften, Mindestanforderungen an den Gesamterfüllungsgrad aller Kriterien und Kriteriensteckbriefen für weitere Gebäudetypen erfolgt über
das Informationsportal Nachhaltiges Bauen sowie
über den Runden Tisch Nachhaltiges Bauen. Das
Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen zielt auf
den Kern des nachhaltigen Bauens den Ressourcenschutz. In diesem Kontext der Nachhaltigkeit
steht auch das Lebenszyklusprinzip, eine Bewertung von Standorten findet im Rahmen des BNB
nicht statt. Es dient der ganzheitlichen Betrachtung von Gebäuden mit Hilfe von 47
Kriteriensteckbriefen. Über diese Kriteriensteckbriefe können verschiedene Standards Bronze,
Silber, Gold + Noten vergeben werden.
Baustoffe Kreislauf
Baustoffe bilden die Grundsubstanz der gebauten
Umwelt. Beginnend mit der Rohstoffgewinnung
wird in der Regel über einen industriellen Bearbeitungsprozess ein Baustoff hergestellt. Dieser
wird entweder direkt zum Bauen verwendet oder
dient zur Herstellung komplexer Bauprodukte, die
dann zur Errichtung von Bauwerken dienen. Die
Errichtung von Bauwerken, die erforderlichen Reparaturen im Laufe ihrer Nutzungsphase und der
Abbruch von Bauwerken nach dem Erreichen ihres
Nutzungsendes sind oft mit irreparablen Eingriffen
in den stofflichen und energetischen Naturhaushalt verbunden. Für eine ressourcenschonende,
auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Kreislaufwirtschaft im gesamten Bauwesen sollten bei der Baustoffwahl immer folgende Kriterien berücksichtigt
werden: vermeiden, vermindern, verwerten.
Um die Schonung von stofflichen und energetischen Ressourcen zu verbessern, greifen neue Forschungsergebnisse, neue wirtschaftliche Aufbereitungs- und Recycling-Technologien und staatlichregulierende und wirtschaftsfördernde Maßnahmen Hand in Hand. Das Ziel ist die weitgehende
Weiter- und Wiederverwendung von Reststoffen
aus der laufenden Produktion sowie von Materialien aus Stoffkreisläufen. Dabei muss grundsätzlich
nach Baustoffen in neuen Produkten und Baustof-
fen im Baubestand unterschieden werden. Neue
Produkte zeichnen sich durch ein hohes Innovationspotenzial und eine vielfältige Funktionalität
aus. Der Trend zeigt, dass neue Bauprodukte in der
Regel aus einer Vielzahl von Stoffen bestehen und
in so genannten Kompositmaterialien auf den
Markt gebracht werden. Auch die Verbindungstechnik wird häufig unlösbar ausgeführt. Ein späteres Trennen nach Stoffgruppen wird immer
schwieriger. Hierfür müssen geeignete Verfahren
entwickelt werden.
Baustoffe im Bestand hingegen weisen weniger
komplexe Strukturen auf, können jedoch über die
Nutzungsdauer Verunreinigungen erfahren, die
eine Wiederverwendung erschweren. Darüber hinaus ist nach wie vor eine erhebliche Menge an
gesundheitsgefährdenden Baustoffen in unseren
Gebäuden verbaut. In der Regel sind diese für den
Nutzer nicht gefährlich, da diese fest in die Bauwerksstruktur eingebunden sind. Jedoch wird
beim Abbruch der gefährliche Stoff teilweise freigesetzt. Asbest ist ein typisches Beispiel dafür. Hier
gilt es weiterhin die Bauschaffenden über die
neuesten Techniken des Schutzes und der Beseitigung von gefährlichen Baustoffen zu informieren
und für die Zukunft dafür zu sorgen, dass das Gefährdungspotenzial so gering als möglich bleibt.
Geschäftsstelle Webcodis – Ökologisches Baustoffinformationssystem
Für das nachhaltige Planen, Bauen und Betreiben
von Gebäuden ist die Beurteilung und Auswahl
von Bauprodukten wesentlich. Hier bietet das
ökologische Baustoffinformationssystem WECOBIS
Informationen zu Umwelt- und Gesundheitsaspekten von Bauproduktgruppen an. WECOBIS bietet
strukturiert aufbereitete, herstellerneutrale Informationen zu gesundheitlichen und ökologischen
Aspekten einschließlich möglicher Anwendungsbereiche von Grundstoffen und Bauproduktgruppen.
Darüber hinaus gibt es Hinweise zu Rohstoffwahl,
Herstellung, Verarbeitung, Nutzung und Nachnutzung. WECOBIS bietet weiter Online-Verknüpfungen
mit weiteren Informations- und Datenquellen
insbesondere zu WINGIS (Gefahrstoffinformationssystem der Bauberufsgenossenschaften), sowie die
Integration von EPD (Environmental Product
Declaration) / LCA- (Life Cycle Assessment) Basisda-
06/2013 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | 19
ten. Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (BMVBS) betreibt WECOBIS gemeinsam mit der Bayerischen Architektenkammer.
Im Jahr 2010 wurde im Bundesinstitut für Bau,
Stadt- und Raumforschung (BBSR) eine Geschäftsstelle eingerichtet. Sie bündelt die Interessen der
Beteiligten und organisiert die Aktualisierung und
Weiterentwicklung des ökologischen Baustoffinformationssystems.
Quellen:
www.nachhaltigesbauen.de / www.bbr.bund.de
20 | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 06/2013
THERESA KEILHACKER
(ARCHITEKTENKAMMER BERLIN)
Nachfolgend wies ich, als Vorsitzende des Fachausschusses „Nachhaltiges Planen und Bauen“ der
Architektenkammer Berlin, darauf hin, dass sich
das Siegel der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB), sich zunehmend hin zu einem
Siegel der Deutschen Bau- und Immobilienindustrie verselbstständigt hätte. Auch wenn das DGNB
Siegel ursprünglich mit ehrenwerten Motiven engagierter Architekten und Ingenieure gestartet sei.
Dies bedeute in der Praxis oft, dass sich kaum einer mehr für die tatsächliche Performance im Betrieb interessiere bzw. sie öffentlich mache. Kenndaten zum laufenden Betrieb und Lebenszyklus
würden gerne unter Verschluss gehalten. Ähnliches
gälte leider auch für die umzugsbedingten Bundesbauten, in die viel Steuergeld für ehrgeizige
Energiekonzepte gesteckt wurde, deren jeweilige
Betriebsdaten dann aber nicht transparent und
verständlich öffentlich zugänglich gemacht werden. Somit gebe es keine Vergleichsmöglichkeiten
wichtiger Daten und Erkenntnisse, aus denen alle
Planer und Bauschaffenden für die Zukunft lernen
könnten.
Auch stellt sich die Frage, ob die technische Gebäudeausrüstung, die bei der Siegelbewertung
eine große Rolle spielt, einen Lebenszyklus von 10,
geschweige denn 50 Jahren überlebe. Daher ist
nur davor zu warnen, neue, nicht auf Langlebigkeit erprobte Techniken einzuführen. Diese mögen
zwar vor der Inbetriebnahme in der theoretischen
Bewertung vielleicht gut abschneiden, aber auf
lange Sicht ihre Versprechungen vielleicht nicht
halten.
nur für absolute Experten erschließe, werden herstellerneutrale Informationen zu Umwelt- und
Gesundheitsrelevanz von Bauproduktgruppen und
Grundstoffen für Architekten und Ingenieure immer wichtiger bei der Planung.
Das von Klaus Fudicar (vom Bundesinstitut für
Bau-, Stadt- und Raumforschung, BBSR) vorgestellte Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen für
Bundesbauten (BNB) geht meiner Auffassung nach
jedenfalls in die richtige Richtung, da es transparent und frei zugänglich für jedermann sei. Jede
Fachperson auf dem Gebiet des nachhaltigen Planens und Bauens solle sich meiner Meinung nach
in den fortwährenden Entwicklungsprozess am
Runden Tisch oder über Forschungsaufträge des
BMVBS einbringen und damit das BNB weiter voranbringen, d.h. auch mithelfen es den realen
Praxisanforderungen anzugleichen. Dies würde
sicherlich im einen oder anderen Fall auch bedeuten, das BNB zu vereinfachen.
Wichtig am Ende sei, den systematischen Weg des
BNB überhaupt anhand von vergleichbaren Kriterien zu gehen. Denn blumige Worthülsen allein erreichten selten das Ziel, Neubauten, aber auch den
Bestand nachhaltig für die Zukunft zu ertüchtigen
und den neuen Klimaanforderungen anzupassen.
Dafür sei das Bauen zu komplex. Nur gemeinsam
und mit einer transparenten Datenlage können wir
das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen ständig
verbessern und damit auch wirklich nachhaltige
Gebäude schaffen.
Ferner sollte mehr dafür geworben werden, das
vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (BMVBS) in Kooperation mit der
Bayerischen Architektenkammer (ByAK) bereitgestellte internetbasierte ökologische Fachinformationssystem WECOBIS weiter mit Baustoffinformationen auszubauen, die aktuell und frei zugänglich
sind. Da die Bauindustrie immer neue Mischprodukte herstelle, deren genaue Zusammensetzung
und damit Bewertung und Vergleichbarkeit sich
06/2013 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | 21
THOMAS SCHMITZ-GÜNTER
(NATUREPLUS E.V.)
Zunächst müssen wir unterscheiden zwischen ÖkoLabels für Gebäude als Ganzes (beispielsweise
DGNB, BNB, LEED) und Labels für einzelne Bauprodukte. Eigentlich wäre es wünschenswert, wenn
beides aufeinander aufbauen würde. Doch auf der
Gebäudeebene spielt die ökologische Qualität der
verwendeten Baustoffe derzeit aus unserer Sicht
nicht die entscheidende Rolle. Das ergibt sich etwa
aus der Gewichtung der Ökobilanzdaten der Bauprodukte innerhalb der Gesamtbewertung in den
(eigentlich identischen) deutschen Systemen DGNB
und BNB. Diese liegt nämlich nur bei 22,5 %. Gute
Produkte helfen zwar, aber Labels auf Gebäudeebene verwischen eher den Unterschied zwischen
guten und nicht so guten Materialien.
Wichtig ist auf der Produktebene der Unterschied
zwischen Labels (Umweltzeichen Typ I nach ISO
14024, z.B. „Blauer Engel“ oder „natureplus“)
und Deklarationen (Umweltzeichen Typ III nach ISO
14025, z.B. IBU). Beiden ist zunächst gemeinsam,
dass sie Umwelteigenschaften der Produkte ausweisen.
Eine EPD (Environmental Product Declaration), wie
sie in Deutschland v.a. vom IBU vergeben wird,
listet diese Eigenschaften, die auf Grundlage einer
Ökobilanz ermittelt wurden, allerdings nur auf und
bewertet sie nicht. Deshalb ist eine EPD auch eigentlich kein Nachweis umweltgerechter Produktion. Dieser könnte nur auf Grundlage einer Einordnung der ermittelten (Zahlen-)Werte geschehen,
welche die EPD bewusst vermeidet. Insofern ist
eine EPD für den Laien ohnehin, aber auch für den
nicht speziell geschulten Architekten oder Bauprofi
intransparent und unverständlich. Auch ein ökologisch negativ zu bewertendes Produkt kann heute
zumeist eine EPD vorweisen. Eine EPD kann deshalb nicht zur Orientierung bei der Produktauswahl dienen.
Labels liegen stattdessen immer bestimmte Anforderungen zu Grunde, sie bescheinigen eine oder
mehrere (ökologische) Vorzüge des Produktes. Sie
sind deshalb leichter verständlich und bieten so
Orientierung. Wichtig ist allerdings, dass diese
Labels auch nach objektiven und wissenschaftlich
begründeten Maßstäben bewerten, die transparent dargestellt sind. Wenn sie zudem – wie nur
im Fall natureplus gegeben – ebenfalls eine Ökobilanz zugrunde legen, die zusammen mit den
Labortests eine umfassende Bewertung des Produktes erlaubt, dann ergibt sich noch der Vorteil,
dass man sie problemlos in die Systeme zur Gebäudebewertung einbeziehen kann.
Auch Ökobaustoffe brauchen die objektive Kontrolle hinsichtlich ihrer Herkunft, Erzeugung, Produktion und Energieeffizienz. Aber auch betreffend
der Gefahr der Schadstoff-Emissionen in das Gebäude, die eine immer größere Rolle spielt wegen
der energetisch geforderten Luftdichtigkeit. Auch
Naturbaustoffe sind nicht per se gesund. Eine solche Kontrolle mit einem vernünftigen, gesellschaftlich abgestimmten Maßstab liefern keine
Deklarationen und auch keine Label mit sehr beschränkten Aussagen wie „lösemittelfrei“ oder
„aus Recycling“, sondern nur natureplus erfüllt
diese Anforderungen insgesamt.
Hinzu kommt, dass die neue EU-Bauproduktenrichtlinie (CPR Construction Product Regulation) ab
2014 eine Leistungserklärung vom Hersteller verlangt, welche als Grundlage für die CE-Deklaration
Aussagen zur Gesundheit und Nachhaltigkeit (im
Sinne von Energie- und Ressourceneffizienz) verlangt. Die Bauproduktenverordnung der EU sollte
dringend mit Inhalten gefüllt werden, besonders
in Hinblick auf Paragraph 7. Ein Label wie
natureplus liefert hierfür beste Grundlagen. Auch
wenn diese Leistungserklärung zunächst nicht
mehr als eine freiwillige Selbstdeklaration ist, so
bietet das europäische Recht doch den Ansatz, hier
aufgrund von Differenzierungen künftig Leistungsklassen einzuführen, mit denen sich Ökobaustoffe
besser identifizieren lassen würden.
Allerdings ist Nachhaltigkeit im Baubereich nicht
allein eine Frage der richtigen Information, sondern immer noch auch eine Frage der Kosten. Die
bessere Produktqualität und die oft nicht so stark
industrialisierte Produktion bedingt höhere Kosten, die der Markt nur zögerlich akzeptiert. Auch
die Zertifizierung und Qualitätsüberwachung kostet
22 | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 06/2013
natürlich Geld. Dies tragen allerdings die Hersteller. Dies macht Produkt-Ökolabel für den Planer so
attraktiv. Denn eine Zertifizierung von Gebäuden
mit den bestehenden Gebäudelabeln macht nur
bei Großprojekten wirklich Sinn und taugt nicht für
den Baualltag. So kostet ein DGNB-Audit einen
fünf- bis sechsstelligen Betrag. Wobei zusätzlich
auch noch die Gefahr des Schönrechnens besteht
(s.o.).
In Sachen nachhaltiges Bauen bzw. nachhaltige
Bauprodukte oder „Ökobaustoffe“ bleibt leider zu
konstatieren, dass zwischen den zwei beteiligten
Ministerien, dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, welches sich der Förderung von Bauprodukten aus
nachwachsenden Rohstoffen angenommen hat,
viele davon sind klassische „Ökobaustoffe“, und
dem Bundesministerium für Verkehr, Bau, Stadtentwicklung, welches das Bewertungssystem
nachhaltiges Bauen entwickelt hat und dabei ist,
mit diesem Instrument die Nachhaltigkeit der
Bundesbauten sicherzustellen, nur eine minimale
Koordination stattfindet. Dasselbe vermisse ich
auch in der Kooperation mit dem Umweltministerium, welches über das RAL Umweltzeichen „Blauer Engel“ ebenfalls Umwelt-Qualitätskriterien für
einige Bauprodukte formuliert hat.
Eine nachhaltige Förderung von Ökobaustoffen ist
über einzelne Förderprogramme hinaus am ehesten über die entsprechende Ausrichtung der Auftragsvergabe der öffentlichen Hand zu erreichen.
Das Thema Nachhaltigkeit in der öffentlichen Beschaffung steckt noch in den Kinderschuhen. Es
liegen Ansätze vor, diese müssten koordiniert und
systematisiert werden. Das Bundesinstitut für Bau, Stadt- und Raumforschung (BBSR) ist über die
Datenbank Wecobis hier federführend. Diese Aktivitäten sollten unterstützt werden.
06/2013 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | 23
WORKSHOP 3:
WAS IST IN AUSBILDUNG UND STUDIUM NOTWENDIG,
UM DAS ÖKOLOGISCHE BAUEN VORANZUBRINGEN?
KAI GEHRING, SPRECHER FÜR BILDUNGS- UND HOCHSCHULPOLITIK
Der Markt für energetische Gebäudesanierung hat
sich in den letzten Jahren dynamisch entwickelt.
Entsprechend geht die Nachfragekurve nach akademischen wie beruflich qualifizierten Fachkräften
seit Jahren steil nach oben. Aus grüner Sicht ist
dies eine sehr positive Entwicklung, bietet der
Baubereich doch ein riesiges Potenzial, Energie
einzusparen und damit den Klimaschutzzielen
näher zu kommen. Auch aus ausbildungs- und
arbeitsmarktpolitscher Sicht ist diese Dynamik
erfreulich, weil der gestiegene Fachkräftebedarf
beste Ausbildungs- und Beschäftigungschancen für
junge Menschen bereithält.
Die aus- und weiterbildungspolitische Herkulesaufgabe, für den gesellschaftlichen Wandel, den
eine flächendeckende energetische Gebäudesanierung bedeutet, ausreichend sach- und fachkundiges Personal zu qualifizieren, gab den Anstoß, im
Rahmen des Ökobaukongresses einmal die bildungspolitische Dimension anhand der ökologischen Baustoffe zu diskutieren. Bevor Sie die Beiträge der Impulsgeber lesen können, im Folgenden
noch die grüne Position:
Grüne Aus- und Weiterbildungspolitik: Rad nicht
neu erfinden
Da der Fachkräftebedarf nicht genau prognostiziert
werden kann und schwanken wird, ist uns Grünen
wichtig, dass die Bildungsinstitutionen flexibel auf
den Bedarf reagieren können. Einen eigenständigen Beruf oder ein eigenes Studium „Energetische
Gebäudesanierung“ zu schaffen, halten wir für
ungeeignet. Vielmehr sollten diesbezügliche Bildungsmaßnahmen an Grundkenntnisse in Bauberufen oder grundständigen Studiengängen anknüpfen und in vorhandene Bildungsgänge integriert werden.
getestete Modularisierung aller Ausbildungsberufe
an. Basiskenntnisse könnten in Grundmodulen für
die Bauberufe gemeinsam vermittelt werden. Darauf aufbauend könnten spezifische Module zur
energetischen Gebäudesanierung angeboten werden. Erforderliche Kenntnisse und Fertigkeiten für
Schlüsselthemen wie Feuchtigkeitsprobleme im
Altbau und ökologische Baustoffe könnten Bestandteil mehrerer Ausbildungsordnungen sein
und ebenfalls berufsübergreifend unterrichtet
werden.
Auch in der Hochschulpolitik gilt es, das Rad nicht
neu zu erfinden. Wichtiger ist, vorhandene Kapazitäten besser zu nutzen. Es existieren bereits diverse Studiengänge, die sich mit dem Themenkomplex befassen. So wäre etwa in Architektur,
Bauingenieurwesen, Umwelttechnik und Energietechnik die Hochschulbildung schrittweise praxisnaher und interdisziplinärer zu gestalten. Eigene
Studiengänge, die nur auf die energetische Bausanierung zugeschnitten sind, halten wir weder für
notwendig noch zielführend. Da die Nachfrage
nach umwelt- und energietechnischen Fähigkeiten
steigt, ist eine stärkere Verankerung von Kenntnissen der energetischen Gebäudesanierung in der
Architektur und ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen notwendig.
Grundkenntnisse in den Bereichen Statik, Konstruktion, Bauphysik etc. sollten immer Voraussetzung für eine weitere Spezialisierung sein. Die
Profilbildung könnte idealerweise im Masterbereich erfolgen. Hier kann ein breites Spektrum an
Inhalten vom Bautenschutz, Materialkenntnissen,
Logistik, Bauplanung, Finanzplanung, Denkmalpflege, Abdichten von Bauwerken bis hin zum
zukunftsfähigen Energiedesign vermittelt werden.
Die Hochschulautonomie bleibt dabei gewahrt.
In der beruflichen Bildung streben wir die von der
Bundesregierung modellhaft bereits erfolgreich
24 | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 06/2013
Mehr Kooperation, mehr Vernetzung und bessere
Unterstützung
Die Sanierung von Bestandsbauten stellt bei der
Planung, Koordination und Umsetzung der Maßnahmen höhere Anforderungen an das damit betraute Fachkräfteteam als Neubauten. Für den
Erfolg des Sanierungsprozesses ist deshalb die
Fähigkeit zur gewerkeübergreifenden Betrachtung,
Teamfähigkeit und Kommunikation entscheidend.
Daher wollen wir Grüne die bestehenden Aus- und
Weiterbildungs- bzw. Studienangebote der Kammern, Universitäten und Fachhochschulen im Bereich energetische Gebäudesanierung stärker vernetzen und die Kooperation untereinander etwa in
gemeinsamen Projektarbeiten stärken. Akademische Bildung und duale Ausbildung könnten auch
hier vom praxisnahen Lernen, das der realen Situation am Bau entspricht, profitieren.
Viel zu oft scheitert die Weiterbildung noch immer
am Geldbeutel. Wir Grüne wollen deshalb die
Menschen, die sich diese gesellschaftspolitisch
dringend notwendigen Weiterbildungen nicht
leisten können, im Rahmen des grünen Erwachsenen-BAföG besser als bisher dabei unterstützen.
Alle Maßnahmen gemeinsam und die Innovationskraft unseres Ausbildungs- und Hochschulsystem
bringen uns dem Ziel von mehr Know-how für das
ökologische Bauen einen großen Schritt näher.
06/2013 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | 25
DR. VOLKER BORN
(ZENTRALVERBAND DES DEUTSCHEN HANDWERKS)
Sanierungen und Modernisierungen an bestehenden Bauten spielen derzeit eine große Rolle im
Handwerk. Rund 450.000 Handwerksbetriebe sind
täglich mit energetischer Modernisierung und
Neubau beschäftigt. Von den rund 5 Millionen
Beschäftigten im Handwerk sind allein 1,5 Millionen Beschäftigte in den knapp 30 für den Erfolg
der Energiewende relevanten Handwerksberufen
tätig. Summa summarum gibt es in Deutschland
über 340 Ausbildungsberufe, wovon etwa 130 zum
Handwerk zählen, davon wird in ca. 30 Ausbildungsberufen – vorrangig rund um den Bau und
Ausbau - der Bereich energieeffizientes Bauen
behandelt. Im Bereich der Spezialisierungen und
Weiterqualifikationen gibt es über 20 Meisterqualifikationen sowie rund 300 Fort- und Weiterbildungen. Letztere reichen von eintägigen Angeboten bis zu sehr umfassenden Fortbildungslehrgängen, die mit öffentlich- rechtlichen Prüfungen von
den zuständigen Stellen abgenommen werden.
Bei einem Investitionsvolumen von ca. 600 Mrd.
Euro im Zeitraum von 2014 bis 2020 brauchen wir
zusätzlich 90.000 Facharbeiter in den für die
energetische Sanierung relevanten Berufen. Ab
2020 wird der Fachkräftemangel insgesamt besonders stark sein. Es gibt natürlich berufsspezifische Unterschiede. Heute werden vor allem schon
Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik
oder auch Anlagenmechaniker für Sanitär, Heizung
und Klimatechnik dringend gebraucht.
den insgesamt 45 Berufe, die sich mit den Themen
Erneuerbare Energien und Energieeffizienz beschäftigen, aus Handwerk und Industrie analysiert.
Was die Ausbildungsordnungen, Rahmenlehrpläne,
Fortbildungsprüfungsregelungen angeht, sind wir
bereits jetzt sehr gut aufgestellt. Die meisten Ausbildungsordnungen haben die erforderlichen qualitativen Beschreibungen der Ausbildungsinhalte.
Sie sind technikneutral und -offen formuliert, z. B.
sollte kein spezieller Werkstoff genannt werden,
damit die Ausbildungsinhalte nicht ständig aktualisiert werden müssen.
Aus Sicht des Handwerks gibt es dennoch Verbesserungsbedarf in verschiedenen Teilbereichen, wie
z. B. die stärkere Vermittlung von Kenntnissen der
Bauphysik bzw. eines ganzheitlichen, gewerkeübergreifenden Verständnisses von einem Haus als
System.
Dies werden wir in den kommenden Jahren aufgreifen. Aus- und Fortbildung müssen sich den
Herausforderungen stellen. Am ganzheitlichen
Bauen sind sehr viele Gewerke beteiligt, die gut
zusammenarbeiten müssen. Daher sind die Koordination und das gegenseitige Verständnis wichtig.
Das Zusammenwirken der Gewerke wird in Zukunft
Thema sein, ebenso wie man mit dem Kunden
agiert.
Das Thema Energieeffizientes Bauen bzw. Energetische Gebäudesanierung treibt das Handwerk
intensiv um, da es Innovationsmotor für über 20
Gewerke im Handwerk ist. Maßnahmen der Fachkräftesicherung werden im Handwerk intensiv
diskutiert – daher führt der ZDH als Konsortialführer die EU-Initiative „Build up skills“ auf nationaler Ebene durch. 2011 wurde gemeinsam mit 5
weiteren Konsortialpartnern das Nationale Projekt
im Rahmen der Initiative „Build up skills“ ins Leben gerufen. Über 50 Organisationen, darunter
auch 4 Bundesministerien und Vertreter der Industrie und des Handels, unterstützen diese nationale Initiative. Im Rahmen dieses Projektes wur-
26 | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 06/2013
PROF. DR.-ING. FRANK U. VOGDT
(TECHNISCHE UNIVERSITÄT BERLIN)
Als ich vor einigen Wochen gefragt wurde, ob ich
an der Veranstaltung teilnehmen würde, dachte
ich, dass sich die Veranstalter damit keinen Gefallen tun. Denn: Für mich gibt es keine ökologischen
Baustoffe, jedes Bauen belastet die Umwelt. Wir
können nur die Auswirkungen minimieren, die
Dosis macht die Medizin zum Gift!
Der BMVBS-Leitfaden Nachhaltiges Bauen ist der
richtige Ansatz. Umweltproduktdeklarationen bzw.
Environmental Product Declarations (EPD `s) beschreiben die Baustoffe - alle auf gleicher Basis.
Die technische Leistungsfähigkeit ist vergleichbar.
Das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen für
Bundesgebäude (BNB) ist hierfür die richtige Methodik. Das Thema ist komplex, aber Bauen ist das
eben. Die 46 Bewertungsbenchmarks sind daher
angemessen.
haltiges Bauen“ und hat auch eine Auszeichnung
vom BMBF als „Forschungscampus“ erhalten. Beachten Sie, dass Lehre und Forschung frei sind. Sie
können Lehrinhalte nicht verordnen, Sie können
sie aber belohnen. Es müssen Anreizsysteme geschaffen werden, zum Beispiel mit ausgelobten
Preisen, mit denen zusätzliche Wissenschaftliche
Mitarbeiter eingestellt werden können, denn die
Universitäten sind unterfinanziert. Eine Weiterbildungspflicht für Planer mit einem Punktesystem
wäre sinnvoll, um neue Themen in die Berufspraxis einzubringen.
Zum Ausbildungsangebot: An der TU Berlin wird
durch mein Fachgebiet eine Lehrveranstaltung
„Nachhaltiges Bauen“ auf Basis des Leitfadens
angeboten. Es besteht eine immense Nachfrage,
vor allem durch Bauingenieure, Architekten, Lehramtsstudierende und Wirtschaftsingenieure. Die
Vorlesung wird also interdisziplinär besucht. Studierende können sich mit Studienabschluss „Auditor im Sinne des Bewertungssystems nachhaltiges
Bauen“ nennen. Inhaltlich werden die Bewertungssysteme auch kritisch durchleuchtet. beispielsweise zur Gewichtung verschiedener ökologischer Kriterien im BNB. Zudem ist die alleinige
Betrachtung der energetischen Belange in der Betriebsphase, wie die EnEV dies tut, nicht mehr
ausreichend. Die Umweltauswirkungen müssen
immer im gesamten Lebenszyklus mitgedacht werden.
An jeder deutschsprachigen Uni finden Sie eine
Lehrveranstaltung zum nachhaltigen Bauen. Für
die TU 9, die größten technischen Universitäten in
Deutschland, gilt, dass sie sehr konkrete Angebote
an die Studierenden haben.
Der TU-EUREF-Campus am Gasometer Schöneberg
in Berlin ist ein gutes Beispiel für ein universitäres
Weiterbildungsangebot – auch zum Thema „Nach-
06/2013 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | 27
PROF. DR. JOHANNES MEYSER
(TECHNISCHE UNIVERSITÄT BERLIN)
Kernaufgabe des Fachgebietes Fachdidaktik Bautechnik und Landschaftsgestaltung ist die Qualifizierung des zukünftigen Lehrpersonals an berufsbildenden Schulen. Dabei werden in den Lehrveranstaltungen u.a. auch der Einsatz ökologischer
Baustoffe und energieeffizientes Bauen thematisiert. Gleichzeitig werden am Fachgebiet immer
auch Forschungs- und Entwicklungsprojekte
durchgeführt, die einen engen Bezug zum energieeffizienten Bauen und zur Weiterbildung in der
Bauwirtschaft haben:
2011 – 2014
WEB-TT Ägypten: Wasser,
Energie, Bauen - Training und Transfer
2010 – 2012
ECVET-D-Bau: Anerkennung
von Berufserfahrung in der Weiterbildung
2008 – 2013
Young-cities-Iran: Entwicklung energieeffizienter Stadtstrukturen
2008 – 2009
Lern.Lehm: Bewertung und
Anerkennung von Kompetenzen im Lehmbau
Ausgangslage
Bauen und Wohnen wirken sich enorm stark auf
die Umwelt aus. Grundflächen werden verbraucht,
Baustoffe produziert, genutzt, recycelt oder deponiert. Energie wird zudem während der Nutzungsphase der Gebäude und vor allem zur Erzeugung
der Raumwärme verbraucht. Eines der wichtigsten
umweltpolitischen Themen ist deshalb das energieeffiziente und nachhaltige Bauen. Auch das
Klimakonzept der Bundesregierung weist dem
Bausektor eine Schlüsselrolle zur Erreichung der
Klimaziele zu. Bis zum Jahr 2050 soll der Primärenergiebedarf bei Wohngebäuden um 80% gegenüber 1990 gesenkt werden (BMWi und BMU 2010,
S. 23). Da ein Großteil des heutigen Wohngebäudebestandes vor der ersten Wärmeschutzverordnung von 1977 errichtet und nur ein Teil davon
inzwischen energetisch saniert wurde, sind derzeit
etwa 75 % des Gebäudebestandes noch nicht hinreichend energieeffizient ausgestattet. Die jährliche Sanierungsrate liegt derzeit bei etwa 0,8 %
des Bestandes. Um bis zum Jahr 2050 alle Gebäude mindestens einmal zu erfassen und damit das
Klimaziel zu erreichen, muss sich die jährliche
Sanierungsquote auf 2 % erhöhen, also mehr als
verdoppeln (IWU und Bremer Institut 2010, S. 12).
Bauen im Wohnungsbau ist in Deutschland ohnehin schon seit einiger Zeit vor allem Bauen im Bestand. Drei Viertel aller Wohnungsbauleistungen
werden an bestehenden Gebäuden durchgeführt
(DIW 2012, S.33). Doch egal ob Neubau, Umbau
oder energetische Sanierung des Bestandes, die
Wahl der Baustoffe ist immer eine grundlegende
ökologische Entscheidung. Wie werden Baumaterialien hergestellt, welcher Energieeinsatz wird aufgewendet, welche Stoffe werden in die Umwelt
eingebracht, sind Verbundbaustoffe wieder zu
trennen, lassen sich die Baumaterialien recyceln
oder zumindest umweltverträglich deponieren?
Auf all diese Fragen müssen Facharbeiter und Ingenieure kompetent antworten können. Es besteht
dabei ein erheblicher quantitativer und qualitativer Qualifizierungsbedarf in der Erstausbildung,
der Weiterbildung und im Studium der Ingenieure.
Alle Bildungsreserven sind dafür zu mobilisieren.
Rolle des Bauhandwerks
Das Bauhandwerk nimmt bei der Auslösung von
Sanierungsentscheidungen und bei der Entscheidung für ökologische Baustoffe eine besondere
Rolle ein. Fast 60 % der Haushalte geben an, dass
sie diesbezüglich vor allem den Vorschlägen des
Handwerkers folgen. Seine Empfehlungen sind für
den Eigentümer wichtiger als die Hinweise staatlicher Organisationen, als Informationen im Internet
oder durch TV und Radio (DIW Wochenbericht, Nr.
34 (2011), S. 8). Jedoch stellt die Betriebsstruktur
der Bauwirtschaft eine besondere Herausforderung
dar. Mehr als 80% aller Unternehmen im Bauhauptgewerbe beschäftigen weniger als 20 Personen und die überwiegende Zahl der Beschäftigten
arbeitet in kleinen und mittelgroßen Betrieben.
Die Bauwirtschaft ist also in erheblichem Maße
kleinbetrieblich strukturiert. Dies wirkt sich auf die
Möglichkeiten der Weiterbildung des Personals,
aber teilweise auch auf die Güte der Kundenberatung aus. Viele Handwerksbetriebe beraten nur
bezogen auf ihr Gewerk. Um aber eine energetisch
sinnvolle Gesamtsanierung vorzunehmen, muss
28 | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 06/2013
das Gebäude als Gesamtsystem betrachtet werden.
Dazu ist eine berufs- und gewerkübergreifende
Sichtweise erforderlich. Das Zusammenwirken bezüglich der Arbeiten an der Gebäudehülle (Dach,
Wände, Fenster, Türen), an der Heizungs- und
Klimatechnik sowie der Elektrotechnik ist zwingend erforderlich. Aus- und Fortbildung müssen
deshalb diese Zusammenhänge viel mehr berücksichtigen als bisher. Das Zusammenspiel aller
Maßnahmen muss über das eigene Gewerk hinaus
abgestimmt sein.
Leider kommt es immer wieder dazu, dass Bauherren nicht kompetent und umfassend beraten werden. Man kann dann von einem „verpassten Moment“ sprechen. Sanierungsmaßnahmen werden
nur alle 30 – 40 Jahre durchgeführt. Wenn dabei
falsche Entscheidungen getroffen oder nicht alle
Potenziale einer ökologischen Sanierung ausgeschöpft werden, ergibt sich dazu erst Jahrzehnte
später wieder eine Chance. Eine entsprechende
Aus- und Weiterbildung der Hand-werksmeister
und Facharbeiter könnte dies verändern.
Adressaten von Aus- und Weiterbildung
Zwar sind die Handwerker und damit die Bauausführenden als erste zu nennen, wenn es um Qualifizierung hinsichtlich des Einsatzes ökologischer
Baustoffe und der Ausführung energetischer Sanierungsmaßnahmen geht. Sie sind es, die vor
allem bei der (Teil-)Sanierung von Gebäuden direkt von den Bauherren angefragt werden. Für
größere Bauprojekte und vor allem beim Neubau
entscheiden indes Architekten und Ingenieure
über den Einsatz ökologischer Baustoffe und geeigneter Sanierungsmaßnahmen.
Es müssen aber noch weitere Baubeteiligte entsprechend qualifiziert werden. Dazu gehören u.a.
Verkäufer von Systemhäusern, Finanzierer, Versicherer, Mitarbeiter von Genehmigungsbehörden,
Baustoffhersteller, Baustofflieferanten, Mitarbeiter
von Baumärkten etc. Sie alle haben einen erheblichen Einfluss auf die zu treffenden Entscheidungen. Zu berücksichtigen ist auch, dass Bauen und
Wohnen vom Nutzer sehr vielschichtig betrachtet
und bewertet werden. Es geht ihm nicht nur um
ökologische Baustoffe und einen nachhaltigen
Energieeinsatz. Es geht ihm um Baukosten, um die
bauphysikalischen Eigenschaften des Baumaterials, um Bauweisen, um die Beständigkeit der Materialien und die Zuverlässigkeit der Ausführung,
um Sicherheit und Werterhaltung. Weiter sind die
architektonische Erscheinung, regionale Traditionen, der Baustil und die äußere Gestaltung eines
Bauwerks wichtig. In die Entscheidung für oder
gegen einen Baustoff werden das eigene Wohlbefinden und die Behaglichkeit des Baumaterials
einbezogen. Das Haus oder die Wohnung ist zudem
für viele Menschen Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Man möchte sich mit dem Haus zeigen
und will damit gesehen werden. Die Festlegung
auf einen bestimmten Baustoff ist deshalb nicht
nur eine technische, ökonomische und ökologische
Entscheidung. Sie hat immer auch eine emotionale
Komponente.
Verankerung in den Lehrplänen
Keine Berufsausbildung und kein Studium im Bereich der Bauwirtschaft kommen heute ohne einen
fundierten Bezug zum energieeffizienten Bauen
aus. Auch in der Lehrerbildung für die beruflichen
Schulen wird seit vielen Jahren ein Schwerpunkt
auf das nachhaltige Bauen gelegt. Dabei werden
u.a. einzelne Baustoffe analysiert und ihre ökologische Eignung thematisiert. Allerdings kann dies
nicht der einzige Aspekt zur Bewertung von Baustoffen sein. Vielmehr müssen immer auch die
bauphysikalischen Eigenschaften, die sichere Verwendung und die Eignung des Baustoffs für bestimmte Einsatzfelder beurteilt werden. Dennoch
ist das Thema „nachhaltiges und ökologisches
Bauen und Sanieren“ von hoher Bedeutung. Für
die Gestaltung von Aus- und Weiterbildung sollten
dabei folgende Leitlinien angewendet werden:
1 | Ausgangspunkt kann nicht die abstrakte Dimension Nachhaltigkeit sein. Vielmehr muss
immer ein konkretes berufliches Handlungsfeld betrachtet werden.
2 | Die Auswirkungen des eigenen beruflichen
Handelns müssen reflektiert werden. Dazu
werden die sozialen, ökologischen und ökonomischen Folgen des eigenen Handelns eingeschätzt, die lokalen, regionalen und globalen Auswirkungen abgeleitet.
06/2013 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | 29
3 | Die Arbeitsprodukte werden in ihrem gesamten
Lebenszyklus betrachtet, vollständige Prozessketten untersucht.
4 | Es geht nicht um eine völlig neue didaktische
Orientierung, sondern um eine Ergänzung der
aktuellen berufspädagogisch-didaktischen
Prinzipien, um eine Erweiterung hinsichtlich
der Nachhaltigkeitsperspektive.
5 | Weiterhin sind Partizipation, Selbständigkeit,
Urteilsfähigkeit, Mitgestaltung, Mündigkeit und
Tüchtigkeit das Ziel der Ausbildung.
6 | Es muss nicht in jeder Lernsituation jeder Aspekt der Nachhaltigkeit vertieft werden.
7 | Didaktisch begründet sind Schwerpunktsetzungen (Exemplarität) erforderlich.
8 | Nicht alle Aufgaben können immer gleich gewichtet werden hinsichtlich der sozialen, ökologischen, ökonomischen Dimension.
9 | Es sollte aber immer eine Vollständigkeit hinsichtlich aller Dimensionen und Konfliktfelder,
der Spannungen und Dilemmata angesteuert
werden.
10 |
Ziel ist es, ein Bewusstsein für die eigene
Mitverantwortung zu schaffen.
11 |
Inhaltlich geht es um das Produkt der Arbeit (Handwerkerehre), um die konkreten Arbeitsprozesse wie Materialbeschaffung, Transport und Einsatz der Baustoffe, Abfallentsorgung und nicht zuletzt auch Kundenberatung.
12 |
Die Entwicklung einer nachhaltigkeitsbezogenen Berufsidentität ist als umfassende
Bildungsaufgabe zu verstehen.
Bildungsaufgabe weiterdenken
Es muss für alle Beteiligten am Bauprozess spezifische und immer konkrete Informationsangebote
geben. Bereits in der frühkindlichen Erziehung
kann über den Zusammenhang von Nachhaltigkeit und Wohnen aufgeklärt werden. Entsprechend
wäre dies in die Ausbildung von Erzieherinnen und
Erziehern einzubeziehen. Ebenso können in der
allgemeinbildenden Schule solche Inhalte intergiert werden, so z.B. im Rahmen der Berufsorien-
tierung. In der Berufsbildenden Schule, der Berufsvorbereitung, der Berufsausbildung sowie der
Techniker- und Meisterqualifizierung, in den baunahen Berufen wie auch in der kaufmännischen
Ausbildung können ökologische Bauweisen zum
Thema gemacht werden. Ebenso ist die Weiterbildung wie auch die akademische Ausbildung von
Architekten, Bauingenieuren und Berufsschullehrern entsprechend zu gestalten.
Zudem ist zu bedenken, dass nicht nur die formale
Bildung den Einsatz ökologischen Bauens beeinflusst. Der Rat von Freunden und Handwerkern
trägt erheblich zur Entscheidung von Bauherren
bei. Deshalb sind auch die allgemeinen, öffentlich
zugänglichen Informations- und Bildungsangebote
zu verbessern. Eine synaptische Gegenüberstellung
von Baustoffen kann dabei die Vorzüge, Einsatzmöglichkeiten und Energiebilanz von ökologischen
Baustoffen hervorheben, die vielfach eine höheroder gleichwertige Alternative bieten.
Fazit
Zwar kann und sollte die Aus- und Weiterbildung
nicht einseitig auf Ökobaustoffe ausgerichtet werden. Aber es muss allen Akteuren klar werden,
welche Konsequenzen ihr Handeln hat und welche
Verantwortung sie damit übernehmen. Dabei genügt es nicht, ein abstraktes Bild von Nachhaltigkeit zu vermitteln. Nachhaltigkeitsaspekte sind
immer an konkreten Fragen und Umsetzungen in
der Praxis zu reflektieren. Dabei ist vor allem zu
berücksichtigen, dass Bauen ein sehr komplexes
Geschehen ist, an dem viele Akteure beteiligt sind.
Der Einsatz von ökologischen Baustoffen und das
energieeffiziente Bauen als Teil der Energiewende
ist für die nächsten Jahrzehnte eine umfassende
Bildungsaufgabe. Allen Akteuren muss erfahrbar
gemacht werden, was nachhaltiges Bauen bedeutet.
Quellen:
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie
(BMWi) und Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) (2010):
Energiekonzept für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung.
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Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)
(2011): Wochenbericht, Nr. 34: Energiewende:
Fokus Gebäude.
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)
(2012): Strukturdaten zur Produktion und Beschäftigung im Baugewerbe – Berechnungen für das
Jahr 2011.
Institut Wohnen und Umwelt (IWU) und Bremer
Energie Institut (BEI) (2010): Datenbasis Gebäudebestand. Datenerhebung zur energetischen
Qualität und zu den Modernisierungstrends im
deutschen Wohngebäudebestand.
06/2013 | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | 31
ÖKOLOGISCHES BAUEN STÄRKEN –
RAHMENSETZUNG DER POLITIK ANPASSEN
DANIELA WAGNER, SPRECHERIN FÜR BAU UND WOHNUNGSPOLITIK
Die Betrachtung des Lebenszyklus eines Gebäudes
zeigt, dass nicht nur in der Nutzungsphase Energie
verbraucht wird, sondern auch bei der Herstellung
der Baumaterialien und des Gebäudes, sowie am
Ende der Nutzung beim Recycling. Natürliche Baustoffe wie Holz, Stroh, Hanf etc. verbrauchen in
ihrer Gewinnung deutlich weniger Energie und
sind CO2-neutral. Beim Bau eines Holzhauses wird
nur ca. 30% der Primärenergie im Vergleich zu
einer Massivhauskonstruktion verbraucht. Auch die
natürlichen Eigenschaften der ökologischen Baustoffe wirken sich positiv auf den Energieverbrauch
aus. So ist Holz im Gegensatz zu Beton ein warmes
Material und hat zudem gute Dämmeigenschaften.
Darum ist es sehr viel einfacher, ein Holzhaus
energieeffizient zu errichten als ein Haus aus Beton.
Umweltschädliche Subventionen abbauen
Wenn wir ökologisch nachhaltiges Bauen voranbringen wollen müssen wir verschiedene Maßnahmen ergreifen. Als mittelfristige Maßnahme ist
die Subvention petrochemischer Kunststoffe und
CO2-intensiver Baustoffe abzubauen. Es sollten die
Energie- und Stromsteuersubventionen für die
energieintensive Herstellung von Baustoffen wie
Zement und Keramik nur gewährt werden, wenn
die Produktion nachweislich von der Verlegung ins
weniger stark regulierte Ausland bedroht wäre und
keine gleichwertigen Alternativbaustoffe mit besserer Umweltbilanz bereitstehen.
Modellprogramm initiieren, Förderung anpassen
Kurzfristig wollen wir ein Modellprogramm für
ökologische Baustoffe mit einem Programmvolumen in Höhe von 20 Mio. Euro initiieren. Bei den
Programmen der KfW Bankengruppe für Neubau
und Sanierung ist der Einsatz ökologischer Baumaterialien stärker zu unterstützten, beispielsweise in
Form eines Standards Effizienzhaus Nature+. Das
Modellprogramm für ökologische Baustoffe soll die
Absatzzahlen dieser Produkte im Neubau und bei
energetischer Sanierung erhöhen und so die Abhängigkeit Deutschlands von Erdölimporten weiter
zu reduzieren. Ergänzend werden die Gebäudesanierungsprogramme der KfW Bankengruppe verstärkt auf ökologische Baustoffe ausgerichtet. Das
Konzept zum Effizienzhaus Nature+ könnte ähnlich
des Minergie-Modells aus der Schweiz ausgestaltet
werden. Das Minergie-Modell funktioniert wie
folgt: Weist ein Gebäude neben niedrigen Energieverbrauchswerten auch noch ein gesundes Raumklima auf, so darf es als Minergie-ECO bezeichnet
werden.
Weiterhin wollen wird prüfen inwieweit bei der
Förderung der nachträglichen Kerndämmung bei
zweischaligem Mauerwerk durch die Programme
der KfW Bankengruppe die Anforderung der Wärmeleitfähigkeit um die Anforderung einer nachgewiesenen Luftdichtheit der inneren Schale zu ergänzen ist.
Standards ökologisch ausrichten
Die Einführung von Standards für den Energieverbrauch von Baustoffen macht den Energieverbrauch sowie die Umwelt- und Klimaverträglichkeit von Bauprodukten transparenter und verbraucherfreundlicher. Als weitere kurzfristige Maßnahme sind die Standards für den Energieverbrauch
von Baustoffen einzuführen, die den gesamten
Lebenszyklus der Baustoffe, inklusive Herstellung
und Entsorgung, berücksichtigen. Bei Energieausweisen für Gebäude ist ebenfalls eine Nachhaltigkeitsbewertung mit Lebenszyklusbetrachtung der
Gebäude zu ergänzen. Wir wollen, dass ökologische Baustoffe in den Brandschutzkategorien gegenüber konventionellen Baustoffen nicht benachteiligt werden.
Ausbildung und Forschung stärker ökologisch
ausrichten
In den Ausbildungsverordnungen sollten mittelfristig gewerkeübergreifende Aspekte des Energie-
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sparens als verbindliche Ausbildungsinhalte im
Berufsbildungsgesetz (BBiG) und Gesetz zur Ordnung des Handwerks (HWO) verankert werden.
Weiterhin wollen wir die Forschung im Bereich
ökologischer Baustoffe stärken, indem der Aspekt
der Wohngesundheit und der Schadstoffemissionen im Wohnbereich im Rahmen der Ressortforschung stärker berücksichtigt und verstärkt wird.
Fazit
Ideen und unternehmerische Initiativen für eine
ökologische Bauweise und die Entwicklung ökologischer Bauprodukte von Privaten gibt es genug.
Jetzt gilt es, ihnen die Zugänge zum Markt zu erleichtern.
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ANTRÄGE & KLEINE ANFRAGEN
Ökologische Baustoffe – Klima schützen, Energie sparen und Ölabhängigkeit
reduzieren (17/11380)1
Energieeffizienz und Klimaschutz im Gebäudebereich (17/5778)2
Kleine Anfrage Mittelabfluss bei den KfW-Gebäudeprogrammen in 2009 (17/3292)3
Kleine Anfrage Mittelabfluss bei den KfW-Gebäudeprogrammen in 2010 (17/5855)4
Kleine Anfrage Nachwachsende Baustoffe (17/2697)5
1
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/17/113/1711380.pdf
2
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/057/1705778.pdf
3
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/032/1703292.pdf
4
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/058/1705855.pdf
5
http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/023/1702389.pdf
34 | ÖKOBAUSTOFFE RAUS AUS DER NISCHE! | Bündnis 90/Die Grünen Bundestagsfraktion | 06/2013
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