Globales Rapa Nui? Frieden und Sicherheit im Zeichen des

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Globales Rapa Nui?
Frieden und Sicherheit im Zeichen des Klimawandels
Steffen W. Allhoff / Sebastian K. Buciak / Achim Maas (Hg.)
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Steffen W. Allhoff / Sebastian K. Buciak / Achim Maas (Hg.):
Globales Rapa Nui? - Frieden und Sicherheit im Zeichen des Klimawandels
ISBN 978-3-941274-82-2
Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage 2011, Göttingen
© Optimus Verlag
URL: www.optimus-verlag.de
Printed in Germany
Papier ist FSC zertifiziert (holzfrei, chlorfrei und säurefrei,
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Autors unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,
Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
3
Einführung
Förderer
Seite 6
Einleitung
Steffen W. Allhoff/Sebastian K. Buciak/Achim Maas
Seite 7
Klimasicherheit
Oliver Rolofs
Seite 15
Themen und Regionen
Klimawandel und gewaltsame Konflikte – Ein komplexes Verhältnis
Martin Voigt
Seite 47
Energiesicherheit im Kontext des Klimawandels im asiatischpazifischen Raum
Kristof Duwaerts
Seite 71
Klimawandel und Migration als Sicherheitsfrage? Auswirkungen des
Klimawandels als Verstärker von Entwicklungsdefiziten und
Migrationsbewegungen am Beispiel Afrikas
Axel Kreienbrink / Susanne Schmid
Seite 97
Der Nexus von Umwelt und Migration – Ein Überblick über den
Forschungsstand
Sandra Barthel
Seite 127
Ökologischer Klimawandel im Nahen Osten – Konfliktverschärfende
Politisierung oder kooperationsinduzierte Pazifizierung?
Elmar Janssen
Seite 155
4
Ernährungssicherheit und Migration im Zeichen des Klimawandels –
Eine Feldstudie aus Zentral-Molukken, Indonesien
Katrin von der Dellen
Seite 190
Maßnahmen und Reaktionen
Landwirtschaftliche Produktivität und Klimawandel – Anthropogener
Einfluss auf Bodenverlust und –wiedergewinnung am Beispiel
Ägyptens
Maria Purzner
Seite 221
Die Rolle der Energieeffizienzmaßnahmen bei der Lösung der
Energie- und Umweltproblematik im Zeitalter der Globalisierung mit
Ausblick auf den südamerikanischen Beleuchtungsmarkt
Manuel Felipe Ramírez Basualto
Seite 240
Klimakontrolle oder Klimakatastrophe? Gefahren im Diskurs um
Geoengineering
Thilo Wiertz
Seite 258
Autorenverzeichnis
Seite 286
Umschlagfotographie: Ulrike Ritter
5
„Der Klimawandel ist das einzige, das die Zivilisation beenden könnte
und alles andere unwichtig macht.“
Bill Clinton, 2006 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos
Gewidmet meinem Bruder, Kamil Sebastian Buciak, für seine Unterstützung!
6
Förderer
Die Außen- und Sicherheitspolitischen Studienkreise e.V. (ASS) sind ein
deutscher Think Tank, der sich aus Studierenden und Absolventen von
verschiedenen Universitäten und Fachhochschulen zusammensetzt. Er wird
unterstützt durch Fachleute aus Wirtschaft, Politik, Journalismus und der
universitären Lehre. Mit seiner Arbeit will ASS die Demokratie und
Völkerverständigung fördern und mit vielseitigen Informationen zur Diskussion
und zu einer eigenen fundierten politischen Meinung beitragen - das Interesse der
Öffentlichkeit für das politische Weltgeschehen wecken und Interessierten eine
Plattform zur Weiterbildung und Engagement bieten.
http://www.sicherheitspolitik.org
Seidlers Sicherheitspolitik ist ein persönliches Blog, dass sich mit
verschiedensten Fragen deutscher und internationaler Sicherheitspolitik
auseinandersetzt. Die Themenplatte reicht von Afghanistan über maritime
Sicherheit bis hin zum Cyber Space. Felix F. Seidler M.A. will mit dem Blog
einen Beitrag zur Information und zur sicherheitspolitischen Debatte in
Deutschland leisten.
http://www.seidlers-sicherheitspolitik.net
7
Einleitung
Steffen W. Allhoff / Sebastian K. Buciak / Achim Maas
Von Menschen induzierte Umweltkatastrophen haben seit der Ära der
Industrialisierung eine zunehmende Dynamik erfahren. Der Aralsee ist ein
Beispiel für die Überbeanspruchung natürlicher Ressourcen, die den See fast
gänzlich austrocknen ließen. Nicht selten werden heute bestimmte Orte primär mit
Umweltkatastrophen in Verbindung gebracht: Die Minamata-Krankheit geht auf
die Einleitung von Methylquecksilberiodid ins Meer zurück, bei der bis zu 17 000
Menschen vergiftet worden sind. Das Bhopal-Unglück markiert einen der
schwersten Unfälle in der postmodernen Geschichte: Am 3. Dezember 1984 kam
es zu einer Exposition von Methylisocyanat. Bis zu 25 000 Menschen starben.
Tschernobyl wurde zum Atom-Mahnmal als es am 26. April 1986 im Block vier
des Kernreaktors zu einer Explosion kam. Bei der Ölkatastrophe im Golf von
Mexiko sind zwischen April und Juli 2010 zwischen 500 000 und eine Million
Tonnen Rohöl ins Meer ausgetreten und im März 2011 explodierten mehrere
Blöcke des Atomkraftwerks in Fukushima. In der Zukunft werden möglicherweise
diese ergänzt um Orte wie Kopenhagen, in denen Klimaverhandlungen scheiterten
und das Gefühl hinterlassen, eine Chance zur Vermeidung von Katastrophen
verpasst zu haben. Gemeinsam ist all den genannten industriellen
Umweltkatastrophen, dass sie ungeachtet ihrer teilweise erheblichen räumlichen
Ausdehnung stets lokal begrenzt blieben. In den letzten Jahren ist jedoch auch die
Möglichkeit einer globalen Umweltkatastrophe in den Fokus der Aufmerksamkeit
gerückt.
Die Auswirkungen des Klimawandels sind in den letzten Jahren zum
bedeutendsten politischen Thema geworden, das nicht nur die ökologische
Bewegung tangiert, sondern zu einer aktuellen Agenda von Friedensaktivisten,
Sicherheits- und Geopolitikern avancierte. Dessen Dramatik ist in jüngster Zeit
jedoch vor allem durch den vierten Sachstandsberichts des Weltklimarats
(Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC) 2007 in den Fokus
internationaler Aufmerksamkeit gerückt. Die Verleihung des Friedensnobelpreises
an den IPCC hebt einen Aspekt der Auswirkungen des Klimawandels hervor: Die
Auswirkungen auf Frieden und Sicherheit.
Die möglichen Konsequenzen des Klimawandels für Frieden und Sicherheit
wurden 2007 in einem vielbeachteten Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats
der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) herausgearbeitet.1
1
WBGU (2007): Welt im Wandel. Sicherheitsrisiko Klimawandel.
Berlin/Heidelberg: Springer.
8
Der WBGU hat in seinem Gutachten vier Hauptkonfliktkonstellationen bis zum
Jahr 2030 als besorgniserregend identifiziert:
(1) Nahrungsmittelkrisen
(2) Wasserverfügbarkeit
(3) Sturm- und Flutkatastrophen
(4) klimainduzierte Migration
Neben dem umfangreichen WBGU-Gutachten sind inzwischen eine Fülle weiterer
Beiträge zu den sicherheitspolitischen Implikationen des Klimawandels
erschienen. Die Palette reicht von Analysen regierungsnaher Think Tanks wie
dem
US-amerikanischen
Centre
for
Naval
Analysis,2
über
Nichtregierungsorganisationen wie den britischen International Alert3 oder Third
Generation Environmentalis4 bis hin zu wissenschaftlichen Abhandlungen auf
Konferenzen.5 Ob der Klimawandel jedoch wirklich zu mehr Unfrieden oder gar
Krieg in der Welt führt, ist umstritten.6 Eine besondere Problematik ist hierbei die
häufig vereinfachende Darstellung von Wirkungsketten: zum Beispiel, dass
Klimawandel direkt zu Unsicherheit führen würde. Ein anderes Problem, welches
oftmals in der öffentlichen Diskussion deutlich wird, ist die begriffliche Unschärfe
des Klimawandels.7
Parallel zur wissenschaftlichen Debatte wird auf politischer Ebene dem Risiko von
klimainduzierten Konflikten eine hohe Bedeutung beigemessen. Dies zeigen
beispielsweise die Berichte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Ban-Ki
moon, von 2009 zu den möglichen Sicherheitsauswirkungen des Klimawandels8
oder auch der Bericht des ehemaligen Hohen Repräsentanten der Europäischen
2
Centre for Naval Analysis (2007): National Security and the Threat of Climate
Change. Alexandria.
3
Smith, Dan/Vivekanda, Janani (2007): A Climate of Conflict. London.
4
Mabey, Nick (2008): Delivering Climate Security. International Security
Responses to a Climate Change World. London.
5
Bspw. “Climate Change and Security”, veranstaltet von der Royal Norwegian
Society of Sciences and Letters Oslo am 21.- 24. Juni 2010 in Trondheim oder
“Climate Change, Social Stress and Violent Conflict” des KlimaCampus Hamburg
am 19./20. November 2009 in Hamburg.
6
Gledditsch, Nils Petter/Nordås, Ragnhild (2009): Climate Change and Conflict.
A Critical Overview. In: die Friedens-Warte. Vol. 84. No. 2: S. 11-28.
7
Brzoska, Michael (2009): The Securitarization of Climate change and the Power
of Conceptions of Security. In: Sicherheit und Frieden. Vol. 27. No. 3: S. 137-145.
8
Ki-moon, Ban (2009): The Possible Security Implications of Climate Change.
Report of the Secretary-General. New York.
9
Union, Javier Solana, zu Klimawandel und internationaler Sicherheit.9 Die
britische Regierung erachtete es sogar als notwendig, mit Vizeadmiral Neil
Moresetti, einen eigenen Sondergesandten für Klima- und Energiefragen zu
ernennen und identifiziert in ihrer nationalen Sicherheitsstrategie Klimawandel auf
derselben Bedrohungsebene wie Terrorismus und die Proliferation von
Massenvernichtungswaffen.10 Manche Autoren halten langfristig gar einen
globalen Kollaps aufgrund des Zerfalls ganzer Staaten und Regionen durch
Armut, Katastrophen und Ressourcenkriege, gefolgt von Deglobalisierung und der
Auflösung der internationalen politischen Gemeinschaft, für möglich.11
Auch wenn letztere Betrachtungen als durchaus alarmistisch bezeichnet werden
können,12 so ist der Untergang ganzer Gesellschaften und Zivilisationen kein
ausschließbares Phänomen. Ein Blick in die Vergangenheit ist jedoch nur bedingt
hilfreich um festzustellen, ob diese Sorgen gerechtfertigt sind: Die
Weltbevölkerung, deren wirtschaftliche und soziale Verflechtung sowie deren
Ausdifferenzierung in Gesellschaften, Staaten, Religionen und Kulturen, war nie
so komplex wie heute. Zwar ist die Menschheitsgeschichte immer auch eine
Geschichte der Anpassung an wechselnde Klimaverhältnisse, doch wirkt das
Ausmaß möglicher klimainduzierter Veränderungen – so ein Meeresspiegelanstieg
von bis zu einem Meter bis 2100 angesichts mehrerer Hundertmillionen
Betroffener besorgniserregend. Gleichwohl lohnt sich ein Blick in die
vergleichende historische Analyse von Jared Diamond zum Untergang von
Gesellschaften.13
Jared Diamond erläutert in seiner Analyse fünf Faktorengruppen, welche
entscheidend zur Vermeidung eines umweltinduzierten Kollapses sind. Vier davon
sind nur zu unterschiedlichen Graden relevant, abhängig vom jeweiligen Kontext:
Grad der Umweltzerstörung, Klimawandel, feindselige Nachbarn und
Handelsmöglichkeiten mit freundlich gesinnten Nachbarn. Nur einer ist
kontextunabhängig immer zentral: Der Umgang einer Gesellschaft mit
Herausforderungen für ihren Fortbestand. Wendet man diese Faktoren auf die
9
Europäische Kommission/Solana, Javier (2008): Climate Change and
International Security. Paper from the High Representative and the European
Commission to the European Council. S113/08, 14 March 2008. Brüssel.
10
Cabinet Office (2008): The National Security Strategy of the United Kingdom.
Security in an Interdependent World. London.
11
Dyer, Gwynne (2008): Climate Wars. Carlton North. Welzer, Harald (2008):
Klimakriege. Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird. Frankfurt am Main.
12
Vgl. Brzoska (2009).
13
Diamond, Jared (2005): Collapse. How Societies Choose to Fail or Survive.
London.
10
heutige Situation an, ist insbesondere das historische Beispiel von Rapa Nui, zu
deutsch Osterinsel, interessant.
Rapa Nui ist vor allem für seine beachtlichen Steinskulpturen – „Moai“ genannt –
bekannt. Diese sind teils bis zu zehn Meter hoch und über 80 Tonnen schwer. Als
europäische Seefahrer die Insel „entdeckten“ fehlte es jedoch an Materialien –
insbesondere Bäumen – um die Moai zu transportieren oder aufzurichten.14
Während heutzutage das höchste Gewächs auf Rapa Nui kaum zwei Meter hoch
wird und der Großteil der Insel nur von Farnen und Büschen bewachsen ist, wurde
festgestellt, dass Rapa Nui lange Zeit von einem subtropischen Wald bedeckt war.
Vor dem Hintergrund oral tradierter Geschichte als auch Analysen vor Ort kam
Diamond schließlich zu dem Schluss, dass irgendwann Rapa Nui vollständig
entwaldet worden ist. Das Ergebnis war verheerend: Ohne Bäume nahm die
Bodenerosion gravierend zu, wodurch die Landwirtschaft erheblich zu leiden
hatte. Es fehlte an Holz zum Bau von Fischerbooten, Häusern, Werkzeugen und
zum Verfeuern.
Von Diamonds Faktorengruppen sind prinzipiell nur zwei für Rapa Nui relevant:
Durch die Isolation der Insel entfiel sowohl die Rolle von feindseligen Nachbarn,
welche den Vorgang noch beschleunigen hätten können, als auch die Möglichkeit
durch Außenhandel lokale Ressourcenengpässe zu substituieren. Klimawandel ist
im Falle von Rapa Nui im relevanten Zeitraum ebenfalls kaum von Bedeutung.15
Übrig bleiben Umweltzerstörung und die Reaktion der Gesellschaft: In Folge der
sich ergebenden Ressourcenknappheit brach das gesellschaftliche Gefüge auf
Rapa Nui zusammen. Geschichtliche Überlieferungen auf der Insel sind reich an
Gewaltkonflikten in Folge des Kollapses. Es handelte sich um eine radikale
Reduktion gesellschaftlicher Komplexität, die Bevölkerung starb jedoch nicht aus
und errichtete sich eine neue Gesellschaft – sie passte sich an die veränderte
Situation an, welche ohne Holz auskommen musste.
Vergleicht man Rapa Nui mit der heutigen, vom Klimawandel bedrohten Situation
werden eine Reihe von Ähnlichkeiten deutlich: Zum einen entfällt ebenfalls die
Problematik feindseliger Nachbarn. Ein interner „Systemgegensatz“ wie zur Zeit
des Kalten Krieges, welcher die Welt in zwei feindselige Lager mit der
Bereitschaft zur gegenseitigen Auslöschung spaltete, fehlt ebenfalls. Ebenso ist
die Substituierung schwindender Ressourcen durch Außenhandel nicht möglich.
Zwar wird die Rolle von neuen Technologien bis hin zur perspektivischen
Auswanderung auf benachbarte Planeten um irdischen Bevölkerungsdruck zu
14
15
Diamond (2005): S. 80.
Diamond (2005): S. 118.
11
reduzieren als Argument gegen Alarmismus angebracht.16 Dies scheint aber nach
gegenwärtigem Stand kaum in den nächsten Jahrzehnten umsetzbar zu sein, zumal
der Zugang zu Technologien und Ressourcen global nach wie vor sehr ungleich
ist.
Betrachtet man die übrigen Faktorengruppen, so sind in der Gegenwart
Umweltzerstörung und Klimawandel eng verwandt: Wie der IPCC in seinem
Sachstandsbericht 2007 dargelegt hat, ist die Menschheit mitverantwortlich für
Klimawandel und letzterer damit kein „externes“ Phänomen, welches über
Gesellschaften hereinbricht. In der Tat sehen eine Reihe von Autoren schon die
Grundlagen gegeben, die Zeit seit der Industrialisierung als Anthropozän zu
bezeichnen: Der Einfluss des Menschen auf seine Umwelt sei inzwischen so
umfassend geworden, dass dieser ein eigenes geologisches Zeitalter darstellen
würde.17 Dieses Zeitalter ist gleichzeitig von erheblicher Umweltzerstörung,
insbesondere dem Verlust von Biodiversität, aber auch von reichen Vorkommen
an fruchtbaren Böden, Grundwasser und anderen wichtigen Ressourcen
gekennzeichnet.
Vor diesem Hintergrund rücken gesellschaftlichen Antworten auf die
Auswirkungen des Klimawandel in den Vordergrund, und die Frage, ob sich ein
„Rapa Nui-Effekt“ einstellen wird: Sich aus dem Klimawandel ergebende Krisen
wie Nahrungsmittelengpässe oder der Verlust von Küstengebieten sind absehbar,
ebenso wie es auf Rapa Nui die vollständige Entwaldung war. Welche
strategischen Implikationen ergeben sich daraus für gesellschaftliches Handeln?
Diese Frage betrifft vor allem Art und Ausmaß der durch den Klimawandel
ausgelösten Transformationen. Sie schließt einerseits die Verschiebung
landwirtschaftlich produktiver Landstriche oder Küstenregionen ein, welche zu
einer Umverteilung von Lebenschancen als auch zur Verschiebung politischer und
wirtschaftlicher Machtverhältnisse führen kann. Andererseits müssen auch
Reaktionen auf den Klimawandel beachtet werden, wie Anpassungsmaßnahmen
oder eine mögliche Umstellung auf eine kohlenstoffarme Wirtschaft.
Historisch sind Zeiten des Umbruchs stets auch mit sozialen und politischen
Spannungen assoziiert gewesen, die sich auch gewaltsam in Form von Protesten
oder Gewaltkonflikten entladen können.18 Auch wenn ein globaler Kollaps
16
Vgl. bspw. die Ausführungen zur Rolle von Technologie und einer Besiedlung
des Mars zu Fragen von Umwelt und Sicherheit bei Dalby, Simon (2002):
Environmental Security. Minneapolis/London: S. 169 ff.
17
Siehe Dalby, Simon (2009): Security and Environmental Change. Cambridge.
18
Jung, Dietrich/Schlichte, Klaus/Siegelberg, Jens (2003): Kriege in der
Weltgesellschaft. Wiesbaden.
12
unwahrscheinlich wirken mag, so stellt sich die Frage, ob sich der Übergang in
eine vom Klimawandel veränderten Welt friedlich gestalten lässt.
Dieses Buch will dazu beitragen, die sich hieraus ergebenden Fragen eingehender
zu beleuchten. Der erste Teil widmet sich einer differenzierten Betrachtung der
Wechselbeziehungen zwischen Klimawandelauswirkungen und potentiellen
gesellschaftlichen Spannungsfeldern.
Eingangs bietet Oliver Rolofs´ Artikel zur „Klimasicherheit“ einen Überblick über
die Spannungsfelder zwischen den Folgen fortschreitender globaler Erwärmung
und ihrer sicherheitspolitischen Perzeption. Letzterer geht es einerseits um das
Erfassen und Abschätzen der klimatischen Auswirkungen auf Kernfelder der
Sicherheitspolitik, nicht zuletzt um die Frage nach Krieg und Frieden.
Andererseits soll der Kampf gegen den Klimawandel nicht nur, um im Bild zu
bleiben, auf einzelne Fronten der Umwelt-, Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik
beschränkt bleiben.
Martin Voigts Beitrag „Klimawandel und gewaltsame Konflikte – Ein komplexes
Verhältnis“ geht kritisch auf den gerade in der öffentlichen Diskussion vielfach
unterstellten kausalen Zusammenhang zwischen globaler Erwärmung und
bewaffneten Auseinandersetzungen ein. Mit Blick auf den aktuellen Stand der
noch recht jungen wissenschaftlichen Diskussion stellt er fest, dass insbesondere
Ressourcenrückgang und umweltbedingte Migration Konflikte fördern könnten.
Ob diese eskalieren, hängt wiederum maßgeblich von der geographischen Lage
bzw. der gesellschaftlichen Anpassungsfähigkeit betroffener Staaten ab. Nach der
Diskussion dieser Einflussfaktoren fasst Voigt die seiner Ansicht nach
wesentlichen Variablen und ihre gegenseitigen Wechselwirkungen in einem
Modell zusammen.
Kristof Duwaerts liefert mit „Energiesicherheit im Kontext des Klimawandels im
asiatisch-pazifischen Raum“ eine Betrachtung des aufstrebenden ostpazifischen
Raums. Ausgehend vom Zieldreieck zwischen Versorgungssicherheit,
Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit wird eine vergleichende Analyse
dreier Staaten unternommen: Der Volksrepublik China aufgrund ihres
weltpolitischen Gewichts und großen, zumeist durch Kohle gestillten,
Energiehungers sowie der kleineren, ebenfalls ökonomisch aufstrebenden Erdöl
Im- bzw. Exporteure Malaysia und Indonesien. Duwaerts geht dabei den beiden
Leitfragen nach, inwieweit die besagten Länder vom Klimawandel betroffen sein
werden und zweitens, welche Auswirkungen die absehbare Entwicklung auf ihre
Energiesicherheitspolitik haben wird.
Axel Kreienbrink und Susanne Schmid widmen sich dem Problemfeld der
umweltbedingten Migration. Einerseits ist davon auszugehen, dass der
13
afrikanische Kontinent besonders stark von der globalen Erwärmung betroffen
sein wird, andererseits sind zukünftige Bevölkerungsbewegungen gerade für das
benachbarte Europa von Relevanz. Nach einem Überblick über den Stand der
Debatte über Migration als Sicherheitsproblem sowie über ihre Ursachen wenden
sich die Autoren der vorhandenen empirischen Basis zu. Anhand der Analyse
bisheriger Fallstudien über die Wirkungskette Klimawandel-Migration-Sicherheit
sollen jenseits abstrakter Gedankenspiele Rückschlüsse auf die mögliche
Entwicklung gezogen werden.
Näher beleuchtet wird der umstrittene Begriff der Umweltmigration im
anschließenden Beitrag Sandra Barthels. Zwar wächst die Fachliteratur zum
Thema stark an, doch zeigen sich bislang deutliche Defizite hinsichtlich der
verfügbaren Daten sowie im Hinblick auf eine einheitliche Definition. Diese
Unklarheiten bzw. Uneinigkeiten über die theoretischen Grundlagen des
Klimawandels wirken sich negativ auf aufbauende Arbeiten bezüglich
Einordnung,
Verortung
und
Verlauf
möglicher
umweltbedingter
Bevölkerungsbewegungen aus, worunter nicht zuletzt die Politikberatung leidet.
Seit über sechzig Jahren ist der Krisenherd Nahost nicht erloschen, aller
Vermittlungsversuche zum Trotz. Könnte die globale Erwärmung diesen gar
weiter verschärfen? Wird es eine verstärkte Zusammenarbeit gerade im strittigen
Fall der Wassernutzung geben? Diesen Fragen stellt sich Elmar Janssen in seinem
Beitrag „Ökologischer Klimawandel im Nahen Osten – Konfliktverschärfende
Politisierung oder kooperationsinduzierte Pazifizierung?“ Hierbei steht die
Umweltpolitik im Mittelpunkt, und ob es über sie angesichts einer bedrohlich
wirkenden ökologischen Veränderung zu einem „politischen Klimawandel“ im
israelisch-arabischen Konflikt und seines verwobenen Problemkomplexes
kommen könnte.
Von ihren Beobachtungen vor Ort berichtet Katrin von der Dellen in
„Ernährungssicherheit und Migration im Zeichen des Klimawandels – Eine
Feldstudie aus Zentral-Molukken, Indonesien“. Die Bewohner dieser Inselgruppe
leben hauptsächlich von der Fischerei; insofern stehen sie sinnbildlich für die
große Anzahl von der Subsistenz- oder Primärwirtschaft abhängiger Regionen.
Die Autorin geht auf die Ernährungssicherheit der Einwohner der untersuchten
Insel Nusa Layn ein, und wie diese durch den Klimawandel bedroht wird – zu
abnehmenden Erträgen gesellt sich eine schlechtere Erreichbarkeit aufgrund
zunehmenden Wellengangs. Ebenfalls untersucht wird, inwiefern diese
Problematik zur wahrscheinlichsten Reaktion, nämlich der Abwanderung der
Betroffenen, führen könnte.
Marie Purzner analysiert „Landwirtschaftliche Produktivität und Klimawandel:
Anthropogener Einfluss auf Bodenverlust und -wiedergewinnung“ anhand des
14
Beispiels Ägypten. Die dortigen landwirtschaftlichen Flächen entlang des Nilufers
sind bereits jetzt durch steigenden Bevölkerungsdruck und Versalzung gefährdet.
Zunehmende Trockenheit droht diese Entwicklung zu verschärfen, weshalb die
Autorin nach eingehender Beschreibung des Problems auch die bisherige
Reaktionen und ihre Wirksamkeit vorstellt.
Ein erprobtes Instrument – man denke an die verschiedenen Bemühungen
innerhalb der OECD-Welt – ist das Eingreifen des Gesetzgebers durch
regulierende Vorschriften und Auflagen an Hersteller und Verbraucher. Weniger
bekannt hingegen ist „Die Rolle von Energieeffizienzmaßnahmen bei der
Bekämpfung der Klimaerwärmung im Rahmen der Globalisierung am Beispiel
des Beleuchtungsmarktes in Südamerika“, der sich Manuel Felipe Ramírez
Basualto widmet. Dabei wird auf die wichtigsten Staaten des Kontinents
eingegangen, und welche Hindernisse sich einer umfassenden Implementierung
nach dem Vorbild westlicher Länder entgegenstellen.
Eine interessantes Thema, das hier besprochen wird, ist nicht per se die
Vermeidung des Klimawandels, sondern vielmehr die aktive Kontrolle darüber,
welche Thilo Wiertz ins Blickfeld rückt: „Klimakontrolle oder Klimakatstrophe?
Gefahren im Diskurs um Geoengineering“ lautet sein Beitrag, der sich kritisch mit
der künstlichen Bindung vom Kohlenstoffdioxid und der Erhöhung der
Sonnenrückstrahlung auseinandersetzt. Wiertz untersucht dabei mittels
Diskursanalyse die Gefahren der jeweiligen Methoden und die grundlegenden in
der Diskussion vertretenen Standpunkte.
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