datz_2007_08_14-17.qxd 09.07.2007 11:07 SÜSSWASSE R Seite 14 „ C I C H L A S O M A“ N I G R O F A S C I AT U M Variable Zebras: Die Kleinen Blauen aus Honduras Der Zebrabuntbarsch ist nicht nur ein häufig gepflegter Aquarienfisch, sondern auch einer der am weitesten verbreiteten Cichliden Mittelamerikas. Es gibt etliche Populationen, die sich in Körperbau und Färbung deutlich voneinander unterscheiden. Eine wegen ihres hübschen Aussehens und ihrer Friedfertigkeit besonders populäre Form ist der „Honduran Red Point“. Von Michi Tobler D er Zebracichlide oder Grünflossenbuntbarsch, „Cichlasoma“ nigrofasciatum, ist in Mittelamerika weit verbreitet. Auf der pazifischen Abdachung findet man die Art von Guatemala bis zum Río-Tarcoles-Becken im nordwestlichen Costa Rica, auf der atlantischen Seite vom Río Aguan in Honduras bis zum Río Guarumo in Panama (Bussing 1998). Außerdem ist die Art heute in verschiedenen Flusssystemen Mexikos (so im Balsasund im Panuco-Becken) und in weiteren Gewässern rund um den Globus ausgesetzt worden, wo sie oftmals die autochthonen Fischarten beeinträchtigt (Tobler 2001). Es handelt sich um eine euryöke Art, die in Fließgewässern mit allen möglichen Strömungsgeschwindigkeiten und Untergründen ebenso wie in Seen zu finden ist. Sie ernährt sich als Allesfresser von aquatischen Insekten, pflanzlichem Material und Detritus. zeigen. Kopf, unpaarige Flossen und auch Teile des Körpers können eine hellblaue Färbung haben. Die Variabilität der Färbung von „C.“ nigrofasciatum beruht weitgehend darauf, dass die schwarzen Querbinden und die Blaufärbung unterschiedlich stark ausgeprägt sind. Varianten lassen sich auf drei Ebenen beobachten: • Es gibt Unterschiede in der Färbung zwischen den Geschlechtern (Sexualdichromatismus). Weibchen zeigen, vor allem zur Fortpflanzung, eine ausgeprägte Orangetönung am Bauch und teils in den Flossen; sie fehlt den Männchen. Zebra-Varianten Wie der Zebrabuntbarsch aussieht, weiß jeder Aquarianer. Die im Fachhandel meistens angebotene Form trägt sechs bis sieben schwarze Querbinden auf hellgrauem Grund. Der erste und der zweite Streifen verschmelzen häufig an der Basis, so dass die Tiere hinter dem Kopf ein V- oder Y-artiges Muster Ein Männchen des Honduran Red Point während der Brutpflege; im Gegensatz zu gewöhnlichen Zebra-Männchen zeigen sie in dieser Phase keine schwarzen Binden. 14 8/2007 · · 60. Jahrgang • Sowohl bei den Männchen als auch bei den Weibchen gibt es stimmungsabhängige Wechsel im Farbkleid. Während der Balz etwa ist die Blaufärbung stark ausgeprägt, so dass die Tiere besonders prächtig aussehen. Führt ein Paar Jungfische, sind praktisch keine Blautöne mehr zu sehen. Dann zeigen die Eltern ein kontrastreiches Kleid aus fast weißer Grundfärbung und tiefschwarzen Binden. Wie die Blaufärbung variiert auch die Ausprägung der Streifen. Oft sind die vorderen drei Binden um die Mittelachse der Flanke intensiviert; die übrigen können vollständig reduziert sein, so dass nur einige schwarze Flecke entlang der Mittelachse bleiben. • Vergleicht man Populationen aus dem gesamten Verbreitungsgebiet der Art, fällt auf, dass es große Unterschiede in ihrem Aussehen gibt. Wiederum variiert die Ausprägung der Querstrei- datz_2007_08_14-17.qxd 09.07.2007 11:08 Seite 15 Während der Balz sind weibliche Honduran Red Points vergleichsweise passiv; ihre Blaufärbung erreicht zu dieser Zeit aber höchste Intensität. fen und der Blaufärbung. Zudem finden sich Unterschiede in der Intensität der Bauchfärbung der Weibchen. Neben farblichen Unterschieden fallen auch Differenzen in der Gestalt auf. Auf der Halbinsel Nicoya in Costa Rica etwa findet man hochrückige Tiere mit steil ansteigender Stirn. Weiter im Norden, in der Provinz Guanacaste, wirken die Tiere besonders spitzköpfig und schlanker. Im Südosten, an der Grenze zu Panama, schauen sie etwa intermediär aus. Auffällige Honduras-Form Nicht reproduktive Honduran Red Point-Männchen sind weniger attraktiv gefärbt. Die blauen Töne und die charakteristische Rotfärbung der unpaarigen Flossen sind aber immer gut zu sehen. Färbung in den unpaarigen Flossen, vor allem in der Schwanzflosse – daher der Name. Laut Wessel (2006) ist auch eine gewisse Reduktion des schwarzen Querbindenmus- ters typisch. Bei unterlegenen Tieren ist die Streifung nicht so stark reduziert wie bei dominanten. Wessel weist aber auch darauf hin, dass dies bei anderen Populationen der Art ebenfalls zu beobachten ist. Bei meinen Tieren sind meist nur die zu Flecken reduzierten vorderen drei Querstreifen zu sehen. Im Aquarium hat sich bei mir herausgestellt, dass diese Fische (aus dem Río Mongo, Papaloteca-System) eher langsam wachsen und vergleichsweise kleinwüchsig sind. Aufgefallen ist mir auch die gering ausgeprägte Streitlust. Während die Pflege und vor allem die Vergesellschaftung von Grünflossenbuntbarschen wegen ihres hohen Aggressionspotenzials vor allem in kleinen Aquarien problematisch sein kann, erinnern Honduran Red Points in dieser Hinsicht an Vertreter der Gattung Apistogramma. Auseinandersetzun- ▼ In den letzten zehn Jahren pflegen Aquarianer vermehrt eine Form des Zebracichliden aus Honduras, die in den USA als „Honduran Red Point“ bekannt ist. Hartnäckig hielten sich längere Zeit Gerüchte, dass es sich dabei um eine weitere Zuchtform des Zebras handele, die durch Hybridisierung mit einem nahen Verwandten (etwa „Cichlasoma“ spilurum) entstanden sei. Mittlerweile ist klar, dass Honduran Red Point eine natürliche Form darstellt, die im Nordosten von Honduras vorkommt. Wessel (2006) fand sie vom Papaloteca-Einzug (dieses Flusssystem liegt nördlich der von Bussing angegebenen Nordgrenze der Verbreitung von „C.“ nigrofasciatum) nach Südosten bis zum Río los Amadros und Patuca-System. Honduran Red Points zeichnen sich durch eine kräftige Blaufärbung auf dem ganzen Körper aus, die in beiden Geschlechtern auch außerhalb der Fortpflanzungszeit zu sehen ist. Männchen zeigen zudem eine weinrote Beim Honduran Red Point sind die Männchen das aktivere Geschlecht bei der Balz. 60. Jahrgang · · 8/2007 15 datz_2007_08_14-17.qxd 09.07.2007 11:08 SÜSSWASSE R Seite 16 „ C I C H L A S O M A“ N I G R O F A S C I AT U M „Cichlasoma“ spilurum (hier ein Männchen aus dem Río Belleaire) kommt neben Gewöhnliche „C.“ nigrofasciatum aus dem Río Mongo unterscheiden sich von gewöhnlichen „C.“ nigrofasciatum im Habitat von Honduran Red Points vor. den Honduran Red Points nicht nur im Aussehen, sondern auch im Verhalten; hier ein Weibchen bei der Brutpflege. „Cichlasoma“ oder Archocentrus? ▼ Die Verwendung von Gattungsnamen bei mittelamerikanischen Cichliden generell – und bei den kleinen Arten um „Cichlasoma“ nigrofasciatum im Speziellen – ist in den letzten Jahren sehr inkonsistent. In einigen wissenschaftlichen Arbeiten wird der Zebrabuntbarsch in die Gattung Archocentrus gestellt, und besonders unter Aquarianern ist der Name Cryptoheros populär. Beide Klassifikationen sind nicht vollständig zufrieden stellend, denn Zebras sind zumindest laut dem dezeitigen Stand des Wissens nicht näher mit den Typusarten dieser beiden Gattungen verwandt. Die Kenntnisse der Verwandtschaftsbeziehungen der Arten um „C.“ nigrofasciatum sind im Augenblick sehr lückenhaft, und es bleibt deshalb zukünftigen wissenschaftlichen Arbeiten vorbehalten, die Details zu klären und die Art endgültig einer Gattung zuzuordnen. Bis dahin werden diese Buntbarsche in der Datz als „Cichlasoma“ angesprochen. Wer sich für Einzelheiten in der Diskussion um die Verwandtschaftsverhältnisse mittelamerikanischer Cichliden interessiert, dem sei die folgende Website empfohlen: http://www.cichlidae.info/sections/default.php?id=fca. gen zwischen den Tieren beschränken sich meist auf Drohgebärden. In einem 160 Liter fassenden, stark strukturierten Becken halte ich drei ausgewachsene Paare. Selbst wenn zwei von ihnen gleichzeitig brüten, gibt es keine aggressionsbedingten Probleme. Auch deutlich kleinere Fische lassen sich gut mit den Honduran Red Points vergesellschaften. Wie Wessel konnte ich beobachten, dass die Tiere bei der Fortpflanzung wenige (bis zu 30 bei mir, bis zu 50 bei Wessel) und relativ kleine Eier legen. Die Nachzucht, aufgrund der Kleinheit der Larven etwas schwieriger als die anderer Formen der Art, ist aber nicht problematisch. Unterschiedliche Arten? Die Differenzen im Aussehen, im Verhalten und in der Fortpflanzungsbiologie der Honduran Red Points im Vergleich zu den sonst 16 8/2007 · · 60. Jahrgang erhältlichen Zebracichliden führten schnell zu Spekulationen: Handelt es sich um eine noch nicht beschriebene, eigenständige Art (Borstein 2005; Wessel 2006)? Tatsächlich sind die Unterschiede zu Zebras, wie man sie meistens im Handel findet, frappierend – allerdings eignen sich solche Fische kaum als Vergleichsgruppe. Vielmehr muss man die Bandbreite der Variation natürlicher Populationen betrachten. Schnell stellt man fest, dass die oft genannten Hauptunterscheidungsmerkmale – die reduzierte Aggressivität, die flächige Blaufärbung und gewisse Reduktionen der Querstreifung – auch bei anderen Populationen von „C.“ nigrofasciatum zu beobachten sind. Charakteristisch scheinen hingegen die flächige Blaufärbung beider Geschlechter und die weinroten Flossen der Männchen zu sein. Obschon ich bei Tieren einiger Populationen in Costa Rica gelbe und orangefarbene Töne in den Flossen beobachtet habe, kenne ich keine weitere Form, bei der dieses Merkmal so deutlich dokumentiert wurde. Auch wenn „C.“ nigrofasciatum eine äußerst variable Art ist, gibt es bisher keine systematischen Arbeiten, die ihre Variabilität über größere Teile ihres Verbreitungsgebietes dokumentieren und analysieren. Bisher ist also nicht bekannt, ob es sich bei den unterschiedlichen Formen nur um Standortvarianten handelt, die bezüglich der Fortpflanzung nicht voneinander isoliert sind, oder ob wir es mit einem Komplex aus mehreren bisher nicht beschriebenen Arten zu tun haben (diese Alternative ist aufgrund neuer Daten wahrscheinlicher; Concheiro et al. 2007; Schmitter-Soto, persönliche Mitteilung). Auffallend ist, dass sich ähnelnde Formen in weit auseinanderliegenden Habitaten vorkommen können. Beispielsweise sehen „C.“ nigrofasciatum aus dem Südosten Costa Ricas den Tieren ähnlich, die Stawikowski & Werner (1998) aus Guatemala abbilden. Im Gegensatz dazu lassen sich im kleinen Costa Rica Populationen finden, die sich deutlich voneinander unterscheiden (siehe oben). Eine Ursache für diese mosaikartige Verbreitung könnte lokale Adaption (Anpassung) an spezielle Umweltbedingungen sein. Möglicherweise sehen sich alle Zebrabuntbarsche aus kleinen, klaren Bächen sehr ähnlich, ob sie nun in Costa Rica oder in Guatemala leben. Tiere aus großen Flüssen oder Seen könnten sich von Bachpopulationen unterscheiden, weil sie andere Umweltbedingungen vorfinden. Die höhere Wassertrübung könnte Auswirkungen auf die Evolution des Farbkleides haben, unterschiedliche Strömungsverhältnisse könnten einen anderen Körper- datz_2007_08_14-17.qxd 09.07.2007 11:08 Seite 17 Auch gewöhnliche Zebras können stimmungsabhängig die Querstreifung Bei meinen Honduran Red Points ist eine deutliche Querstreifung nur bei reduzieren; dennoch sind auf diesem Bild die Unterschiede zu den Hondu- Weibchen während der Brutpflege zu sehen. ran Red Points deutlich zu sehen. Fotos: M. Tobler bau selektieren, die Anwesenheit großer Raubfische könnte Fortpflanzungsstrategien und Verhalten beeinflussen. Mit diesen Hintergrundinformationen kann man spekulieren, dass es sich beim Honduran Red Point nur um eine weitere Form des weit verbreiteten Zebrabuntbarsches handelt. Eine Anmerkung von Wessel (2006) gibt jedoch Anlass dazu, die Sachlage etwas anders einzuschätzen. Seinen Informationen folgend kommen die Honduran Red Points syntop mit zwei nahen Verwandten vor: „Cichlasoma“ spilurum (von Wessel als Archocentrus cutteri bezeichnet) und „gewöhnlichen“ „C.“ nigrofasciatum, denen die flächige Blaufärbung und die weinroten Flossen fehlen. Angeblich gibt es von den drei Formen weder Hybriden, noch sind jemals gemischte Paare beobachtet worden. Wenn die Honduran Red Points tatsächlich mit gewöhnlichen Zebras zusammen vorkommen und von denen reproduktiv isoliert sind, wäre diese Form tatsächlich als eigenständige Art anzusehen. Dieser Befund sollte allerdings durch systematische Untersuchungen bestätigt werden. Da es schon Spekulationen über einen hybriden Ursprung der Honduran Red Points gab, wäre es interessant zu wissen, ob die Form vielleicht durch natürliche Hybridisierung entstanden ist. Seit dem Spätsommer 2006 halte ich auch gewöhnliche Zebrabuntbarsche aus dem Río Mongo. Im Vergleich zu den Honduran Red Points vom selben Fundort sind mir weitere Unterschiede – besonders im Verhalten – aufgefallen, die Wessel (2006) nicht erwähnt. Bei den gewöhnlichen Zebras spielen die Weibchen eine sehr aktive Rolle bei der Balz. Dann präsentieren sie sich in ihren schönsten Farben: Die Querstreifen sind deutlich zu sehen, der orangefarbene Bauch sowie die grünen und blauen Zonen an Flossen und Unterkörper zeigen ihre höchste Intensität. In dieser Prachtfärbung balzen die Weibchen aktiv die Männchen an. Bei den Honduran Red Points hingegen verschwinden die Querstreifen in dieser Zeit fast völlig. Obwohl die blaue Färbung auf dem gesamten Körper kräftig ausgeprägt ist, sind die charakteristischen Merkmale der weiblichen Prachtfärbung stark reduziert. Außerdem übernehmen bei Honduran Red Points die Männchen die aktive Rolle bei der Balz. Somit unterscheiden sich Honduran Red Points fundamental – nicht nur von gewöhnlichen „C.“ nigrofasciatum, sondern auch von anderen mittelamerikanischen Kleincichliden mit Weibchenbalz („Cichlasoma“ myrnae, „C.“ nanoluteum oder „C.“ septemfasciatum). Während der Brutpflege tragen gewöhnliche Zebras ein äußerst kontrastreiches Kleid mit schwarzen Binden auf hellem Grund. Sämtliche Glanzfarben werden weitgehend unterdrückt. Honduran Red Points hingegen zeigen weiter ihre himmelblaue Grundfärbung in beiden Geschlechtern. Einige Weibchen haben während der Brutpflege schwarze Querbalken (allerdings nicht so ausgeprägt wie gewöhnliche Zebras), andere nicht, dafür aber eine rußige Färbung von der Kehle über den Bauch bis zur Afterflosse. Männliche Honduran Red Points zeigen auch zur Brutpflege nie Querstreifen, scheinen sich aber stärker daran zu beteiligen als gewöhnliche Zebras (das trifft zumindest für meine Tiere zu). Diese Unterschiede zwischen Honduran Red Points und gewöhnlichen „C.“ nigrofasciatum werden zur Zeit eingehend untersucht. Bis erste Resultate vorliegen, kann man sich nur wünschen, dass sich die Honduran Red Points in unseren Aquarien etablieren und das verstaubte und angekratzte Image des Zebrabuntbarsches etwas aufpolieren. Mit ihrer Attraktivität, ihrer Kleinheit und ihrer geringen Aggressivität hat die Form mit Sicherheit das Zeug dazu. Dank Dan Woodland (Ohio) hat mir freundlicherweise „C.“ spilurum aus dem Río Belleaire und gewöhnliche „C.“ nigrofasciatum aus dem Río Mongo für vergleichende Beobachtungen überlassen. ■ Literatur Borstein, S. (2005): Archocentrus sp. „Honduran Red Point“ – a convict, or not? GCCA’s Cichlid Chatter 2005 (3): 14–15. Bussing, W. A. (1998): Peces de las aguas continentales de Costa Rica. San José. Concheiro Perez, G., O. Rican, G. Orti, E. Bermingham, I. Doadrio & R. Zardoya (2007): Phylogeny and biogeography of 91 species of heroine cichlids (Teleostei: Cichlidae) based on sequences of the cytochrome b gene. Molecular Phylogenetics and Evolution: Im Druck. Stawikowski, R., & U. Werner (1998): Die Buntbarsche Amerikas, Band 1. Stuttgart. Tobler, M. (2001): „Cichlasoma“ nigrofasciatum – ein Buntbarsch erobert die Welt. D. Aqu. u. Terr. Z. (Datz) 54 (6): 22–25. Wessel, R. (2006): The Honduran Red Point: A beautiful blue convict-type species from Honduras. Trop. Fish Hobby. 54 (11): 104–106. 60. Jahrgang · · 8/2007 17