Forschung Entwicklung Neue Bauelemente durch photonische Kristalle V o n R i c h a r d Quelle: Richard Sietmann Lange Zeit galten photonische Kristalle als exotische Idee der Grundlagenforschung. Jetzt rückt die Möglichkeit, mit ihnen schwellenlos angesteuerte Laser oder Monomode-LEDs herzustellen, in greifbare Nähe. S i e t m a n n E 0,5 100 nm 0 1200 1300 Wellenlänge [nm] 1400 1 Relative Intensität lektronik und Optoelektronik beruhen auf der Tatsache, daß in Halbleitermaterialien die Beweglichkeit von Elektronen im Kristall zwar gehemmt, jedoch nicht gänzlich unterbunden ist: Zwar trennt eine Bandlücke „verbotener“ Energiezustände die im Valenzband gebundenen Elektronen von den freien Elektronen in den höheren Energiezuständen des Leitungsbandes, doch gänzlich unüberwindlich ist sie nicht. Unter Energiezufuhr, zum Beispiel durch Erwärmen, können Elektronen vom Valenz- in das Leitungsband befördert werden und der elektrische Widerstand sinkt. In umgekehrter Richtung, bei der Rekombination eines Leitungsbandelektrons mit einem „Loch“ im Valenzband, wird Energie frei. Die elektronische Bandlücke ist die wesentliche Voraussetzung für die optoelektronischen Eigenschaften von Halbleitern, denn die zum Überspringen nötige Energie kann Lichtquanten (Photonen) zugeführt oder von ihnen weggetragen werden. Photodioden beispielsweise absorbieren ein Photon, wenn ein Elektron vom Valenz- ins Leitungsband wechselt und dort zum Stromfluß beiträgt. Bei Lumineszenzdioden (LEDs) und Laserdioden (LDs) ist es umgekehrt; in ihnen setzen spontan vom Leitungs- ins Valenzband springende Elektronen Photonen frei und verursachen so den Leuchteffekt. Bei den LDs kommt noch hinzu, daß dieser Übergang von einer selbstverstärkenden Rückkopplung stimuliert wird, was zu einer spektral sehr reinen und überdies kohärenten Lichtemission führt. Die Rückkopplung wird durch einen optischen Resonator erreicht. Die Stirnflächen des aktiven Kristalls stellen natürliche Spiegelflächen dar, zwischen denen die Photonen beziehungsweise Lichtwellen hin- und herge- Relative Intensität 1 0 1265 1270 1275 Wellenlänge [nm] 1280 1285 © Bild 1: Die Spektralverteilung der Emission einer LED (oben) ist bei gleicher Mittenwellenlänge deutlich breiter als das Emissionsspektrum einer Laserdiode (unten). In der Abbildung verteilt sich die Energie im wesentlichen auf fünf eng benachbarte Moden. Bettet man die LED in einen photonischen Kristall ein, so gleichen sich die Spektren an worfen werden und das aktive Medium mehrfach durchlaufen. Aufgrund der geometrischen Abmessungen können sich in dem Resonator nur bestimmte Eigenschwingungen, sogenannte Moden, als stehende Wellen ausbilden. Zur stimulierten Emission tragen aller- 76 dings nur diejenigen Moden bei, die in den Frequenzbereich des Laser-Übergangs des aktiven Mediums fallen. So entsteht die für Laserstrahlung typische und extrem schmale Resonanzkurve der Intensität über der Frequenz (Bild 1). Dennoch bleibt die Lumineszenz, die spontane Rekombination von Elektron/Loch-Paaren, auch in Laserdioden ein konkurrierender Vorgang. Nur ein kleiner Teil der nach wie vor auftretenden spontanen Emission koppelt mit den vom Resonator vorgegebenen Schwingungszuständen des elektromagnetischen Feldes und regt die Laseroszillationen an. Der Rest verteilt sich auf andere, freie Schwingungsformen und wird seitlich abgestrahlt. Dieser Mechanismus ist der Grund, daß die stimulierte Emission erst ab einem bestimmten Schwellwert des Pumpstromes eintritt. Der muß so stark sein, daß er die Verluste der spontanen Emission in die freien Raummoden überwindet. In der Kennlinie äußert sich dieser Verlust darin, daß die Ausgangsleistung erst oberhalb eines gewissen Schwellstromes plötzlich stark ansteigt (Bild 2). Das heißt, bislang ist stets ein Mindeststromfluß – typischerweise 30 Milliampére – durch die Laserdiode erforderlich, bevor der Lasereffekt einsetzt. Dies ist letztlich elektrische Leistung, die nicht für die Übertragung zur Verfügung steht und die somit den Wirkungsgrad der optoelektronischen Wandlung herabsetzt. 쑺 Die photonische Bandlücke In einem idealen Resonator treten alle emittierten Photonen nur in einer einzigen Schwingungsmode auf. Doch in der Festkörperelektronik galt die spontane Emission von Licht stets als natürliche und nicht zu beeinflussende Eigenschaft optischer Halbleiter. Im Jahre 1987 zeigte der damals bei Bellcore beschäftigte Physiker Eli Yablonovitch erstmals einen Weg auf, wie sie sich möglicherweise unterbinden läßt. Man weiß, daß die spontanen Übergänge mit dem Strahlungsfeld verkoppelt sind, das die aktive Zone unmittelbar umgibt. Gelingt es, diese Umgebung so zu verändern, daß sie die Aus26 98 breitung der Lichtwelle verhindert, dann wird damit auch der Elektronenübergang blockiert – ähnlich wie eine annullierte Zugverbindung verhindert, daß der Reisende von A nach B gelangt. Die Idee, analog zur elektronischen eine photonische Bandlücke – also verbotene oder unzugängliche Energiezustände für Photonen in Halbleitern – herzustellen, ist nicht leicht zu realisieren. Die elektromagnetischen Wellen optische Leistung [mW] 20 schwellenloser Laser Laserschwelle LED 0 © konventionelle Laserdiode 10 0 10 20 30 Laserdiodenstrom [mW] 40 50 Bild 2: Kennlinien von LED, konventioneller Laserdiode und schwellenlosem Laser durchlaufen dielektrische Materialien normalerweise fast ungehindert, nur an Stellen mit Brechzahlunterschieden kommt es zu Reflektionen. Um einen photonischen Kristall mit einer optischen Bandlücke zu verwirklichen, müssen regelmäßige, dreidimensionale peri- odische Gitterstrukturen aufgebaut werden, die aus Bereichen mit stark wechselndem Brechungsindex bestehen. An diesen werden die Lichtwellen ähnlich gestreut, wie die Materiewellen der Elektronen an den Atomgittern des Halbleiterkristalls. Den prinzipiellen Nachweis der Existenz photonischer Bandlücken haben Yablonovitch und sein Kollege Axel Scherer Anfang der neunziger Jahre bei Bellcore geführt. Sie bohrten ein Gitter von Löchern in acht Millimeter Abstand aus drei sorgfältig berechneten Raumrichtungen in ein Dielektrikum. Die Löcher wirkten als Streuzentren für die Photonenwellen, so daß infolge destruktiver Interferenz bei Frequenzen zwischen 13 und 16 GHz keine Wellenausbreitung mehr stattfinden konnte. Für diesen Mikrowellenbereich war das Material künstlich intransparent geworden. Die zunächst exotisch erscheinende Idee ist seither von einigen anderen Festkörperphysikern aufgegriffen worden. Unlängst berichteten Shawn Lin und Jim Fleming vom Sandia National Laboratory in New Mexico, einer Großforschungseinrichtung des amerikanischen Energieministeriums, über die erfolgreiche Herstellung eines mit mikromecha- Entwicklung Bild: Sandia National Laboratory Forschung Bild 3: REM-Aufnahme eines mit mikromechanischen Strukturierungstechniken hergestellten photonischen Kristalls nischen Verfahren hergestellten, dreidimensionalen photonischen Kristalls, dessen Bandlücke bei 10µm im fernen Infrarot liegt. Sie hatten dazu einen Silizium-Wafer mit Siliziumdioxyd beschichtet, darin gleichmäßig Gräben geritzt und diese mit Polysilizium aufgefüllt. Die Oberfläche wurde dann gleichmäßig eben geschliffen, erneut mit SiO2 bedeckt und darin ebenfalls regelmäßige Polysiliziumstreifen strukturiert, allerdings rechtwinklig zu dem in der darunterliegenden Schicht. Nachdem durch Wiederholung dieser Prozeßschritte mehrere solcher kreuzweisen Doppellagen hergestellt waren, wurde das SiO2 als Stützmaterial mit Fluorwasser- HINTERGRUND Lichtemission von Halbleitern Betreibt man eine Diode aus einem geeigneten Halbleitermaterial wie Galliumarsenid (GaAs) oder Indiumphosphid (InP) in Durchlaßrichtung, so injiziert der elektrische Strom Elektronen in das p-dotierte und Löcher in das n-dotierte Material. In der unmittelbaren Umgebung des p-nÜbergangs – der aktiven Zone von 10 bis 100 nm Dicke – entsteht im p-Gebiet ein Überschuß an Elektronen und Löchern im n-Gebiet. Fällt ein Elektron aus dem Leitungsband in das Valenzband zurück (Rekombination), so wird die freiwerdende Energie in der Form eines Lichtquants (Photon) abgestrahlt. Die strahlende Rekombination der Ladungsträger kann auf zwei unterschiedliche Weisen stattfinden: spontan oder stimuliert. Bei der spontanen Emission erfolgt die Energieabgabe eines Elektron/Loch-Paares völlig unkorreliert mit anderen Emissionsprozessen. Die stimulierte Emission hängt dagegen vom elektrischen Feld der Lichtwelle am Ort der Elektron/Loch-Paare ab und ist stark korreliert: Die stimuliert emittierten Photonen müssen sich in Frequenz, Phase und Richtung dem äußeren Strahlungsfeld anpassen. 26 98 LED Die Lichtemission von Lumineszenzdioden beruht ausschließlich auf den spontanen Rekombinationen von Elektronen im Leitungsband und Löchern im Valenzband. Der spektrale Bereich der Emission hängt von der Art des Halbleiters ab und wird von der Energiedifferenz zwischen dem Leitungs- und Valenzband bestimmt. Der Bandabstand, beziehungsweise die Energielücke, entspricht der Mindestenergie, die benötigt wird, um ein im Valenzband gebundenes Elektron aus seiner Bindung zu befreien und als frei bewegliches Elektron zum Ladungstransport im Leitungsband beitragen zu lassen. Obwohl die „Umwandlung“ von Elektronen in Photonen mit einem internen Wirkungsgrad von nahezu 100 Prozent erfolgt, läßt sich aufgrund der Schwierigkeit, das Licht zu extrahieren, davon extern nur sehr wenig nutzen. Von dem in alle Raumrichtungen abgestrahlten Licht entfällt nur ein sehr kleiner Anteil von etwa zwei Prozent auf den Austrittskegel. Der Rest bleibt im Innern des Kristalls gefangen, wird dort hin- und herreflektiert und führt zu hohen Wärmeverlusten. In konventionellen LEDs versucht man den Aufbau so zu gestalten, 77 daß ein möglichst großer Teil des Lichtes in den Austrittskegel geworfen wird. LD Unter normalen Umständen ist die Rate der spontanen Emission stets größer als die der stimulierten; daran ändert auch ein noch so großer Pumpstrom nichts. Laserstrahlung, die Dominanz der stimulierten Emission, entsteht erst im Zusammenwirken mit einem optischen Resonator, der durch Rückkopplung die Intensität des Strahlungsfeldes in der aktiven Zone erhöht. Der optische Resonator wird im allgemeinen durch zwei reflektierende Spiegel um das aktive Medium herum gebildet, zwischen denen die Photonen beziehungsweise Lichtwellen hin- und hergeworfen werden. Bei den Halbleiterlasern bilden die Stirnflächen des aktiven Kristalls von selbst natürliche Spiegel, die die Photonen reflektieren, so daß sie die aktive Zone mehrfach durchlaufen und den kollektiven Übergang vom Leitungs- ins Valenzband induzieren. Dazu muß die Anregung durch das Strahlungsfeld allerdings groß genug sein, so daß der Lasereffekt erst ab einem Schwellwert des Pumpstromes durch die Diode eintritt. Entwicklung Forschung p-Kontakt aktive Zone © p-type p n-type n n-Kontakt – Bild 4: Schematische Darstellung einer in einen photonischen Kristall eingebetteten LED. Physiker am MIT arbeiten an der Realisierung dieses photonischen Bauelements stoffsäure herausgelöst, so daß auf eine Kreuzgitterstruktur aus Polysilizium mit regelmäßigen Hohlräumen im Abstand von 4,8µm entstand (Bild 3). Gelingt es, denselben Effekt auch bei optischen Wellenlängen zu erzielen und in den photonischen Kristall obendrein den p-nÜbergang einer LED einzubetten, so läßt sich – wie die im vergangenen Jahr veröffentlichten theoretischen Berechnungen von Shanhui Fan am Massachusetts Institute of Technology (MIT) zeigen – von vornherein die spontane Emission des Lichtes in die „falschen“ Richtungen und Schwingungszustände unterdrücken. In dem Modell, daß den Berechnungen zugrundelag, ist die p-Schicht einer scheibenförmigen GaAs-LED mit zweidimensional angeordneten Löchern perforiert (Bild 4). Bei geeignet bemessenem Verhältnis von Lochdurchmesser zum Lochabstand entsteht dann eine photonische Bandlücke, die die unerwünschte Ausbreitung des Lichts in der Ebene der Scheibe verhindert und nur die spontane Emission in die Richtung der Normalen zuläßt. „Bisher haben wir die spontane Emission immer als fundamentale Naturkonstante angesehen, jetzt können wir sie ingenieurmäßig angehen“, ist Yablonovitch überzeugt. „Ich persönlich glaube, daß dabei ein neuer Typ von Lichtquelle herauskommen wird, den man als Single-Mode-LED bezeichnen könnte: nicht mehr ganz LED, noch nicht ganz Laser – irgendetwas dazwischen“. Doch noch ist es nicht so weit. Was die Herstellung photonischer Kristalle so schwierig macht, sind die Dimensionen. Die gesamten Abmessungen eines solchen Bauelementes müssen in der Größenordnung der halben Lichtwellenlänge liegen – 1.500 nm bei dem für die Glasfaserübertragung interessanten Infrarotbereich. Das erfordert die zwei- und dreidimensionale Strukturierung mit Röntgen- oder Elektronenstrahl-Lithografie im Sub-µ–Bereich. Anders als die planaren Techniken in der Mikroelektronik ist sie sehr viel schwieriger zu beherrschen und muß wegen der hohen Brechzahlunterschiede auch noch andere Materialien in Betracht ziehen. Experimentell sind die MIT-Forscher dem Ziel dadurch schon recht nahe gekommen, daß sie zunächst auf den p-n-Übergang verzichteten und das Problem auf die Herstellung eines passiven Bauelementes mit einer eindimensionalen Periodizität reduzierten. Die Anordnung bestand aus Löchern im Abstand von 220 nm. Die regelmäßige Struktur wurde dadurch gestört, daß der Abstand in der Mitte 420 nm betrug. Daran konnten sie die Filterung von Wellenlängen bei 1,5µm nachweisen. „Man HINTERGRUND Elektronische und photonische Bandlücken Die elektronische Bandlücke ist die Mindestenergie, die nötig ist, um das äußerste (Valenz-) Elektron der Ionen in einem Kristall in den höheren Energiezustand des Leitungsbandes zu ‘heben’, wo es sich frei bewegen und zum Stromtransport beitragen kann. Die Entstehung der elektronischen Bandstruktur in Festkörperkristallen ist ein quantenmechanischer Effekt, der darauf beruht, daß Elektronen sowohl Teilchen- als auch Welleneigenschaften haben. Leitungsund Valenzband sowie die sie trennende Bandlücke resultieren aus der Wechselwirkung der Elektronenwellen mit dem Ionengitter des Kristalls, die als Streuzentren zur destruktiven Interferenz bestimmter Elektronenwellenlängen führen; die zugehörigen Energiewerte sind für die Elektronen „verboten“. Ein ähnlicher Effekt läßt sich für elektromagnetische Wellen (Photonen) mit künstlichen Strukturen hervorrufen, die aus Dielektrika (Nichtmetallen) mit periodisch wechselndem Brechungsindex aufgebaut sind. Bei geeignet gewählten Abmessungen entsteht in solchen photonischen Kristallen eine Bandlücke für die elektromagnetische Wellen: Es gibt spezielle Frequenz- beziehungsweise Wellenlängenbereiche, innerhalb derer sie sich nicht in dem Dielektrikum ausbreiten können. Der Kristall wird für diese Wellenlängen intransparent. Durch die Einbettung von Lumineszenzoder Laserdioden in photonische Kristalle – also durch die Kopplung der elektronischen Bandlücke des lichtemittierenden Halbleiters mit der photonischen Bandlücke des umgebenden dielektrischen Materials – hoffen Wissenschaftler, das Emissionsverhalten der optoelektonischen Lichtquellen maßschneidern zu können. 78 schickt einen Lichtpuls mit einem Gemisch von Frequenzen hinein“, erläutert der Leiter der MIT-Arbeitsgruppe, John Joannopoulos, „und wenn er auf die Anordnung trifft, wird nur die von der Störstelle festgelegte Frequenz hindurchgelassen“. 쑺 Selbstorganisierende Prozesse Auf einem völlig anderen Weg als mit den Standardverfahren der Optoelektronik – Epitaxie, Lithografie und Ätzprozesse – sind jetzt Judith Wijnhoven und Willem Vos von der Universität Amsterdam zu vergleichbaren mikroporösen Strukturen gelangt. Mit Hilfe einer Kombination von naßchemischen Reaktionen und Sinterung gelang es ihnen, photonische Kristalle herzustellen und an ihnen die Bandlücke nachzuweisen. Sie verwendeten poröses Bild: J. Wijnhofen, W. Vos / Science Quelle: MIT + Bild 5: REM-Aufnahme eines p hotonischen Kristalls mit Lufteinschlüssen in TiO2, hergestellt durch selbstorganisierende Sinterprozesse und naßchemische Reaktionen Opal als Ausgangsmaterial, daß als Matrix diente. Dessen regelmäßige Hohlräume füllten sie im zweiten Schritt mit Titandioxyd, im dritten Verfahrensschritt entfernten sie das Stützmaterial. Der photonische Kristall besteht so aus gleichmäßig angeordneten, kugelförmigen Lufteinschlüssen in einer Ti2O2-Matrix. Im Labor wurden auf diese Weise dreidimensionale Kristallproben mit Porendurchmessern von 2 µm bis hinunter zu 0,24 µm hergestellt (Bild 5). Solche „selbstorganisierenden“ Prozesse stellen möglicherweise eine kostengünstigere Lösung zur Fabrikation dar; ob sich das Verfahren allerdings auch auf industrielle Herstellungsbedingungen übertragen läßt, ist derzeit noch völlig offen. Zumal die regelmäßige Periodizität nicht alles ist: Wiederum analog zu Halbleitern, entfalten photonische Kristalle ihren größten Nutzen, wenn sie gezielt mit Störstellen oder Defekten versehen (dotiert) werden können, die dann innerhalb des unterdrückten Wellenlängenbereichs ein Fenster für die Ausbreitung einer bestimmte Wellenlänge öffnen. Wenn beispielsweise die Periodizität des Kristalls unter26 98 Herkömmliches Prisma Quelle: NEC brochen wird, indem man eines der Löcher entfernt, verändert das die Randbedingungen der Wellenausbreitung so, daß in der Umgebung des Defektes spezifische Wellenformen existieren können, während alle anderen blockiert werden. Der photonische Kristall wirkt dann als hochselektives Filter. Mehr noch: Er ist zugleich ein Wellenleiter. Ein linienförmiger Defekt zwingt die Welle (das Photon), in ihrer Bahn der Linienführung des Defektes zu folgen – wie ein perfekter Spiegel selbst um 90°Kanten herum. Neben dem Einfluß auf die spontane Emission ist allein diese Eigenschaft schon von außerordentlichem Interesse für die Optoelektronik. Denn bislang wird die Größe der optoelektronisch integrierten Schaltungen vor allem durch die Lichtwellenleiter auf den Chips bestimmt, welche die einzelnen Elemente wie Dioden, Laser oder Polarisatoren verbinden und die bei zu starker Krümmung starken Streuverlusten unterliegen. Gelingt es, Lichtführung und andere passive optische Elemente auf den Chips mit Hilfe photonischer Kristalle zu realisieren, wären sehr viel höhere Integrationsdichten zu erzielen. Im September meldete das japanische Unternehmen NEC, daß es in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit Optoelektronikern des Telekommunikationsriesen NTT unter der Leitung von Shojiro Kawakami von der Tohuku-Universität bereits gelungen ist, Prismen einer Größe von nur noch 10 bis 100µm herzustellen, die wie ein konventionelles Prisma die verschiedenen Wellenlängenanteile eines „weißen“ optischen Eingangssignals aufspalten und auf kleinstem Raum voneinander trennen können – nur sehr viel effektiver: Experimentell ließ sich bei einer Veränderung der Wellenlänge um ein Prozent von 1.000 auf 990 nm eine Richtungsänderung um 60 Prozent nachweisen. Dies ist etwa das hundertfache dessen, was bei gewöhnlichen Prismen aus Glas oder Silizium zu beobachten ist (Bild 6). Die Prismen selbst bestehen aus sechseckig-wabenförmigen Strukturen mit einer räumlichen Periodizität von 0,3 bis 0,4 µm, die aus alternierenden Schichten von SiO2 mit niedrigem Brechungsindex und Si mit hohem Brechungsindex aufgebaut wurden. Sie eröffnen erstmals die Möglichkeit zur Large-Scale-Integration (LSI) von Add/Drop-Multiplexern in der WDM-Technik. Photonischer Kristall © Bild 6: Das von NEC hergestellte „Super-Prisma“ aus einem photonischen Kristall erzeugt eine hundertfach stärkere wellenlängenabhängige Richtungsstreuung als ein konventionelles Prisma aus Glas oder Silizium. Diese Eigenschaft macht es sehr interessant für Add/DropMultiplexer in WDM-Übertragungssystemen „Um zu anderen Wellenlängen zu gelangen, müssen wir lediglich die Periode des Kristalls anpassen – bei 1.550 nm beispielsweise müßte die Kristallperiode um den Faktor 1,55 größer sein als in unserem Experiment, statt 0,3µm also 0,465µ“, erläutert Akihisa Tomita vom Forschungsinstitut für Optoelektronik- und Hochfrequenzkomponenten der NEC in Tsukuba. Was allerdings de Herstellung kompletter integrierter Bauelemente betrifft, gibt er sich keinen Illusionen hin: „Wir haben bisher nur den Effekt demonstriert. Wir hoffen, daß wir die ersten Prototypen von funktionsfähigen integrierten Schaltungen vielleicht in fünf Jahren herstellen können“. (WP) 26 98