Rationelles Management Infekt-gefährdeter bzw. infizierter

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Ausgabe 996 • 67. Jg. • KW 26/2013
Rationelles Management
Infekt-gefährdeter bzw.
infizierter Wunden
Praxisrelevante Aspekte
der Therapie von
Harnwegsinfekten
Sonnenschutzmittel 2013
Reisediarrhoe –
Prophylaxe und Therapie
im Überblick
Gesundheitsgefährdung
durch den Eichenprozessionsspinner
Überaktive Blase –
Anticholinergika
im Fokus
BEILAGE:
Themenheft Diabetes
Fachkurzinformation siehe Seite 198
P.b.b. • Verlagspostamt 1180 Wien • GZ13Z039504M • ISSN 0048-5128
Fachkurzinformation siehe Seite 198
Nr. 996 | inhalt
Autoren dieser Ausgabe
Prim. Univ.-Doz. Dr. Robert Strohal
Vorstand der Abteilung für Dermatologie
und Venerologie Landeskrankenhaus Feldkirch,
Akademisches Lehrspital, Feldkirch
Wissenschaft
174 Rationelles Management
Infekt-gefährdeter bzw. infizierter Wunden
Prim. Univ.-Doz. Dr. Robert Strohal
180 Praxisrelevante Aspekte der Therapie
von Harnwegsinfekten
Dr. Arno Lechner
184 Sonnenschutzmittel 2013:
Von der Sturm-und-Drang-Periode
Dr. Arno Lechner
Additiv-Facharzt für Infektiologie und Tropenmedizin
Division Medizinische Mikrobiologie
Universitätsinstitut für Medizinisch-Chemische
Labordiagnostik Universitätsklinikum der
Paracelsus Med. Privatuniversität
Salzburg
in die Ära der Aufklärung
Univ.-Prof. Dr. Harald Maier
Thema
172 Placebo, Nocebo und die Macht der Worte
Gibt es ein ethisches Dilemma des Aufklärungs
gesprächs und welche Lösungsstrategien werden empfohlen?
Fortbildung
188 Reisediarrhoe – Prophylaxe und Therapie im Überblick
194 Gesundheitsgefährdung
Univ. Prof. Dr. Harald Maier
Universitätsklinik für Dermatologie
Wien
durch den Eichenprozessionsspinner (Thaumetopoea processionea Linné)
188 Überaktive Blase – Anticholinergika
im Fokus
Pharma
199 News und Produkte
Liebe Leserin, lieber Leser!
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei Personenbezeichnungen die
männliche Form gewählt. Die Angaben beziehen sich aber auf Angehörige
beider Geschlechter.
Impressum
ISSN 0048-5128 DVR 0163538
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Oberndorf, Univ.Prof. Dr. Heinz Dittrich, Wien, Prim. Univ.Prof. Dr. Bernd Eber, Wels, Univ.Prof. Dr. Walter Gebhart, St. Pölten, Univ.Prof. Dr. Reinhard Graf, Murau,
Prim. Dr. Stefan Harrer, Wien, OA Dr. Hans Jürgen Heppner, Nürnberg, Univ.Prof. Dr. Gerhart Hitzen­berger, Wien, Univ.Prof. Dr. Gert Klein, Graz, Univ.Prof. Dr. Gertrude
Kubiena, Wien, Univ.Prof. Dr. Ronald Kurz, Graz, Univ.Prof. Dr. Anton Neu­­mayr, Wien, Prim. Univ.Prof. Dr. Max Pichler, Großgmain, Prim. Univ.Prof. Dr. Fried­rich Renner,
Ried im Inn­kreis, Univ.Prof. Dr. Helmut Sinzinger, Univ.Prof. Dr. Gerd Zechner, Wien. Druckauflage: 15.000 Stück. ÖAK-geprüft (2. Halbjahr/2012).
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171
172
thema
Placebo,
Nocebo und
die Macht
der Worte
Placebo- und Nocebo-Effekte beeinflussen den Erfolg oder
Misserfolg von Therapien erheblich. Welche Rolle spielen dabei
die Erwartungshaltung des Patienten und die „machtvollen Worte
des Arztes“, was bedeutet das für die Arzt-Patienten-Kommunikation, gibt
es ein ethisches Dilemma des Aufklärungsgesprächs und welche Lösungsstrategien werden empfohlen?
W
ussten Sie, dass der Placebo-Effekt
bereits durch den griechischen Philosophen Platon Erwähnung fand?
Er war der Meinung, dass Worte durchaus die
Kraft haben, Kranke zu heilen, und: er legitimierte die medizinische Lüge, um Ärzten die
Scheu davor zu nehmen. Das widersprach allerdings der damaligen Vorstellung von guter
ärztlicher Behandlung, wie sie etwa Hippokrates formulierte, und vielleicht erklärt dieser Widerstreit auch ein wenig das gewisse
Dilemma, in dem man sich auch heute noch
in Bezug auf Placebo und allem, was damit in
Zusammenhang steht, befindet.
Viel mehr als bloße Einbildung
Denn schon allein die oftmals verwendete deutsche Übersetzung von Placebo als
„Scheinmedikament“ wird nach Meinung
von Experten dem Phänomen nicht gerecht.
Tatsächlich zeigen aktuelle Studien, dass die
Placebo-Wirkung viel mehr umfasst als bloße Einbildung und dass sie auch nicht – wie
lange angenommen - auf rein psychologische Weise zu erklären ist.
Neuere Forschungsergebnisse mit modernsten bildgebenden Verfahren zeigen, dass sich
der Placebo-Effekt an neurophysiologischen
Mechanismen festmachen lässt, und er macht
einen nicht zu unterschätzenden Anteil an der
Wirksamkeit jedes Verums aus, hieß es dazu am
17. Internationalen Wiener Schmerzsymposi-
ARZT & PRAXIS
um, das im März dieses Jahres stattfand, und
bei dem man sich auch dem Thema „Placebo
und Nocebo in der Schmerztherapie“ widmete.
Neurochemische Mechanismen
Berichtet wurde dort auch, dass Untersuchungen zu den Mechanismen von PlaceboEffekten bei Schmerzen zeigten, dass das
Placebo nicht nur dafür sorgt, dass Schmerz
nicht mehr wahrgenommen wird, sondern
dass in der Peripherie erst gar kein Schmerzsignal entsteht. Hirnforscher kennen dieses
Phänomen als „Top-Down-Hemmung“, die
neurochemischen Mechanismen, die dabei
am Werk sind, werden gegenwärtig noch
Foto: © Fotolia
nicht vollständig verstanden, doch manche
Experten sind der Überzeugung, dass endogene Opioide und deren Rezeptoren maßgeblich an der Wirkung beteiligt sind.
Schmerz, Angst
und der Nocebo-Effekt
All das gilt auch für den „bösen Bruder“ des
Placebos, das Nocebo („Ich werde schaden“).
Auch dazu gibt es heute eine Reihe klinischer Studien, die den Effekt belegen. So
gelang es etwa, bei gesunden Probanden
die schmerzstillende Wirkung eines starken
Opioids vollkommen aufzuheben, indem man
den Versuchspersonen nur sagte, eine Noce-
Böser Bruder Nocebo oder: Der Fall Derek Adams
Derek Adams, ein 26-jähriger US-Amerikaner, leidet unter Depressionen. Er nimmt
an einer wissenschaftlichen Studie teil, in der ein neues Antidepressivum getestet
wird. Als ihn wenig später seine Freundin verlässt, ist er so verzweifelt, dass er
keine andere Lösung sieht als sich das Leben zu nehmen. Er schluckt 29 Kapseln
des Studienmedikaments auf einmal. Kurz darauf beginnt er zu zittern und heftig zu
atmen, sein Blutdruck sinkt dramatisch.
Ein besorgter Nachbar fährt in die Notaufnahme. Obwohl die Ärzte dort über
Stunden alles versuchen, geht es Adams immer schlechter. Schließlich aber findet
einer der Ärzte heraus, dass er zu den Kontrollpatienten der Studie gehört: Er hat
Placebos geschluckt. Als der vermeintlich Todkranke davon erfährt, verschwinden
seine Symptome, und wenig später kann er das Krankenhaus verlassen.
Der eindrucksvolle Fall Derek Adams wurde 2007 im US-amerikanischen Fachjournal „General Hospital Psychiatry“ beschrieben und gilt als Klassiker der NoceboForschung.
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thema
bo-Injektion würde kurzfristig die Schmerzempfindlichkeit verstärken. Angst ist dabei
der entscheidende Faktor, und in Studien
mit Brain-Imaging wurden die beteiligten
Gehirnregionen identifiziert und der Neurotransmitter Cholezystokinin als Vermittler
zwischen Schmerz und Angst „überführt“.
Der Faktor Erwartungshaltung
Noch etwas komplizierter wird die Sache,
weil offenbar auch Erfahrungen mit Medikamenten aus der Vergangenheit unbewusst
bei weiteren Therapieversuchen einen Placebo- oder Nocebo-Effekt ausüben können. In
der Praxis bedeutet das beispielsweise, dass
ein Patient, der einmal auf ein bestimmtes
Medikament nicht angesprochen hat, auch
bei weiteren Medikamenten schlechtere
Chancen auf einen Behandlungserfolg haben wird. Dies belegt etwa eine Studie mit
gesunden Probanden, von denen jene, die
schlechte Erfahrungen mit einer vermeintlich schmerzlindernden Salbe gemacht hatten, einen Tag später auch auf ein echtes
und wirksames Schmerzpflaster in klinisch
relevantem Maß schlechter ansprachen. Eine
wichtige Rolle spielt hier die induzierte negative Erwartung: Wenn ein Mittel einmal
nicht gewirkt hat, ist auch die Wirkung des
nächsten eingeschränkt. Angesichts dieser
Erkenntnisse stellten manche Experten am
Schmerzsymposium auch die Frage, ob der
Rat vieler medizinischer Empfehlungen und
Guidelines, die Therapie immer mit dem
schwächsten Medikament zu beginnen, auch
tatsächlich in jedem Fall sinnvoll ist. Und
eine andere Frage, die auftauchte, betrifft
die durch die gesetzliche Verpflichtung bedingte ausführliche Information über mögliche Komplikationen von medizinischen Behandlungen – zum Beispiel in Beipackzetteln
oder umfangreichen Aufklärungs- und Einverständniserklärungen. Auch sie sollte laut
Expertenurteil diskutiert werden.
Das Wort:
Ein zweischneidiges Schwert
All das hat natürlich auch entscheidende
Auswirkungen auf die Kommunikation zwischen Arzt und Patient – vor allem in Bezug
darauf, was ein Mediziner mit seinen „therapiebegleitenden“ Worten auslöst. Nicht
umsonst lautet ein berühmtes Zitat: „Worte
sind das mächtigste Werkzeug, über das ein
Arzt verfügt. Worte können allerdings – wie
ein zweischneidiges Schwert – sowohl tief
verletzen als auch heilen.“
So kann zum Beispiel auch die verbale und
nonverbale Kommunikation von Ärzten und
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Pflegepersonal zahlreiche – unbeabsichtigte
– negative Suggestionen enthalten, die möglicherweise eine Nocebo-Antwort auslösen,
heißt es in der aus dem Jahr 2012 stammenden
Übersichtsarbeit „Nocebophänomene im klinischen Alltag“ aus dem Deutschen Ärzteblatt.
Zitiert wird dazu etwa eine Studie bei radiologischen Punktionen, die zeigte, dass Angst und
Schmerz der Patienten verstärkt wurden, wenn
in der Ankündigung der Maßnahme Worte wie
„stechen“, „brennen“, „wehtun“, „schlimm“
oder „Schmerz“ enthalten waren.
Weiters wird dort berichtet, dass Patienten vor
allem in als existenziell bedrohlich erlebten
Situationen wie zum Beispiel einer Operation,
schwerer Krankheit oder einem Unfall stark
empfänglich für negative Suggestionen sind.
Auch zeigte eine qualitative systematische
Übersichtsarbeit, dass Patienten mit vermehrter Angst, Depressivität und Somatisierungsneigung ein höheres Risiko haben,
unerwünschte Wirkungen nach Umstellung
auf ein Generikum anzugeben.
Ärzte im Dilemma
Nun sind Ärzte einerseits dazu verpflichtet,
den Patienten über eine Behandlung und
ihre möglichen Nebenwirkungen zu informieren, andererseits obliegt es ihnen, die
Risiken eines medizinischen Eingriffs – inklusive den Risiken einer Aufklärung - zu
minimieren. Die in der oben angeführten
Übersichtsarbeit referierten Studien zeigen
jedoch, dass durch ein Aufklärungsgespräch
häufig Nocebo-Antworten induziert werden.
Dies wurde auch am 17. Wiener Schmerzsymposium bestätigt: Der Behandler spielt in
diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle;
die gewählten Formulierungen, die Art der
Aufklärung – das alles wirkt sich auf den
Erfolg einer Intervention aus, und hier muss
bei vielen Ärzten erst das entsprechende Bewusstsein dafür geschaffen werden, welchen
gewollten oder ungewollten starken therapeutischen Effekt allein das ärztliche Verhalten haben kann, hieß es dort.
Lösungsstrategien
Fragt sich also, welche Lösungsstrategien es
gibt, um dieses Dilemma zu mildern. Aus den
wissenschaftlichen Arbeiten zum NoceboEffekt im klinischen Alltag ergeben sich im
Wesentlichen drei Möglichkeiten. Da ist zum
einen das Fokussieren auf die Verträglichkeit
im Aufklärungsgespräch: Denn die Information über die Häufigkeit möglicher Nebenwirkungen kann positiv „Die meisten Patienten vertragen die Maßnahme sehr gut“ oder
negativ „x Prozent der Patienten berichten
über … Nebenwirkungen“ formuliert werden.
Ein anderer Ansatz ist das „erlaubte Verschweigen“: Dabei wird der Patient zum
Beispiel vor der Verschreibung eines Medikaments gefragt, ob er damit einverstanden
ist, keine Informationen über milde und/
oder passagere Nebenwirkungen zu erhalten.
(Über mögliche schwere und/oder irreversible Nebenwirkungen muss der Patient jedoch
aufgeklärt werden.)
Eine dritte berichtete Möglichkeit besteht
in der Patientenedukation: Wie eine systematische Übersichtsarbeit zeigte, reduzierte
die Schulung von Patienten mit chronischen
Schmerzen durch einen Apotheker die Anzahl der unerwünschten Wirkungen von Medikamenten von 4,6 auf 1,6.
Ausblick
Angesichts dieser Studienergebnisse empfehlen die Experten in diesem Zusammenhang vor allem Kommunikationstrainings
mit Schauspieler-Patienten im Medizinstudium und Curricula der psychosomatischen
Grundversorgung. Sie sollen die Fähigkeit,
die Macht der Worte des Arztes gezielt und
hilfreich für den Patienten zu nutzen, fördern. Denn für viele Menschen sind auch
heutige Ärzte so etwas wie „Eingeweihte in
die geheimnisvollen Fragen von Leben und
Tod“, und offenbar gibt es kaum ein mächtigeres Placebo als einen Mediziner im weißen
Kittel – und wohl auch kaum ein machtvolleres Nocebo.
- gv -u
Placebo und Nocebo
Placebo- und Noceboeffekte werden heute als psychobiologische Phänomene gesehen, die durch den gesamten therapeutischen Kontext entstehen. Darunter fallen
Scheinbehandlungen, Behandlungserwartungen und Vorerfahrungen der Patienten,
verbale und nonverbale Kommunikation der Behandler sowie Patient-BehandlerInteraktion.
Placebophänomene sind in der Medizin seit Jahrzehnten bekannt und umfangreich untersucht. Eine Wirksamkeit von Placebo ist für subjektive Beschwerden wie
Schmerzen und Übelkeit nachgewiesen.
Die Kehrseite von Placebophänomenen, Nocebophänomene, rücken erst in den
letzten Jahren in den Fokus der Grundlagenwissenschaft und klinischen Medizin.
ARZT & PRAXIS
173
174
Wissenschaft
Prim. Univ.-Doz. Dr. Robert Strohal
Vorstand der Abteilung für Dermatologie und Venerologie
Landeskrankenhaus Feldkirch, Akademisches Lehrspital
Carinagasse 45-47, 6800 Feldkirch
E-Mail: [email protected]
Rationelles Management Infektgefährdeter bzw. infizierter Wunden
Bakterielle Infektionen stellen eine große Herausforderung in der Behandlung akuter wie auch chronischer Wunden dar.
Der therapeutische Erfolg basiert hierbei auf einer exakten Identifikation Infekt-gefährdeter bzw. infizierter Wunden und
den darauf abgestimmten adäquaten antiinfektiösen Interventionen.
E
indeutig diagnostizier- und therapierbar sollten Infektionen mit typischen
lokalen (Rötung, Schwellung, Überwärmung, Schmerz, Funktionseinschränkung)
bzw. darüber hinausgehenden systemischen
Entzündungszeichen (Fieber, Erhöhung von
Leukozyten bzw. CRP) sein.
Darüber hinaus existiert jedoch eine große Bandbreite an klinisch problematischen
Wunden, welche gefährdet sind, eine lokale
Infektion auszubilden bzw. sogar zur Quelle einer systemischen Infektion zu werden.
Mangels klarer Vorgaben zur Definition
Infektionsrisiko =
Abb. 1:
solcher Infekt-gefährdeter Wunden werden heutzutage einerseits zu häufig und oft
unreglementiert Antibiotika eingesetzt bzw.
andererseits aber auch notwendige Interventionen unterlassen. Beide Vorgehensweisen
führen jedoch zu äußerst problematischen
Situationen: Fördert eine unkritische Antibiotikagabe Resistenz-Entwicklungen bzw.
MRSA-Entstehung, so kann die unbehandelte lokale Infektion sehr schnell nicht nur
zu einer meist erheblichen Verschlechterung
der lokalen Wundsituation führen, sondern
auch zur Quelle einer systemischen Infektion
Anzahl der Keime x ihre Pathogenität
Immunabwehr des Patienten
Definition des Infektionsrisikos adaptiert nach Archibald und Hierholzer
a) Areal des ersten Strichs des
keimtragenden Tupfers, Keimlast +
b) Areal des zweiten Strichs des
keimtragenden Tupfers, Keimlast ++
c) Areal des dritten Strichs des
keimtragenden Tupfers, Keimlast +++
Abb. 2:
Kulturplatte zur semiquantitativen Bestimmung der Erregerlast
ARZT & PRAXIS
mit dem lebensbedrohlichen klinischen Zustandsbild der Sepsis werden.
Eine diesbezügliche frühzeitige Erkennung
solcher „Risikowunden“ erscheint daher
wesentlich – diese klinische Notwendigkeit
ist allerdings bislang ohne relevante Unterstützung aus der Literatur geblieben. Daher
hat sich eine Gruppe von Experten gebildet,
um zur Klärung des Begriffs „Risikowunde“
beizutragen bzw. entsprechende Entscheidungshilfen hinsichtlich Wundsituationsgerechter Anwendung geeigneter Interventionen anzubieten. Der hierbei angewandte
Delphi-Prozess führte zu einem eindeutigen
Ergebnis.
Grundlegendes zur
Bewertung des Infektionsrisikos
Das Infektionsrisiko definiert sich als Produkt
aus Keimzahl und deren Pathogenität geteilt
durch die Abwehrlage des Patienten (siehe
Abb. 1). Demnach geht das Ausmaß der Erregerlast mit einem linearen Anstieg des Infektionsrisikos einher. Andererseits vermag eine
Steigerung der Abwehrlage bzw. eine Senkung von Keimzahl oder deren Pathogenität
das Infektionsrisiko zu verringern.
Erregerlast
Bestimmt wird diese mittels mikrobieller Kulturtechniken. Im deutschen Sprachraum hat sich
in der klinischen Routineanalyse der Abstrich
etabliert, von dem mittels mikrobieller Kultivierung eine semiquantitative Mengenbestimmung
der Erregerlast (0, +, ++, +++) erhoben wird
(siehe Abb. 2).
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Wissenschaft
Derart definierte Zustände der unterschiedlichen mikrobiellen Wundbelastung dürfen
aber klinisch nicht isoliert – sprich ohne
Betrachtung der Gewebsreaktion des Wirtes – gesehen werden. Daher hat sich in den
letzten Jahren folgende Einteilung mikrobiell
belasteter Wundsituationen etabliert:
- Kontamination: In der Wunde wird nur
eine geringe Menge sich nicht teilender
Bakterien ohne entsprechende Wirtsreaktion gefunden.
- Kolonisation: Es werden größere Mengen
an Bakterien gefunden, welche sich zudem
aktiv teilen – also nicht vollständig von
Keimen befreite Wundareale repopulieren –
können. Allerdings kommt es auch in dieser
Situation zu keiner relevanten Wirtsreaktion.
- Kritische Kolonisierung: Gefunden werden große Mengen an Bakterien, die sich
aktiv teilen und durch lokale Toxinwirkung
zu einer genau beschriebenen Wirtsreaktion führen. Zu den typischen Veränderungen gehört neben der Wundstase auch die
Bildung eines rötlichen fragilen Granulationsgewebes. Oftmals bildet sich mehr
Exsudat und der Patient klagt über neu
aufgetretene Schmerzen.
- Lokale Infektion: Hierbei tritt eine klinisch sichtbare immunologische Wirtsreaktion auf mit den typischen Entzündungszeichen Rötung, Schwellung bzw.
Überwärmung von Haut und Gewebe.
Daneben kommt es häufig zur Ausbildung
von Schmerz und Funktionseinschränkung.
Dies kann zusammen mit massiver Geruchsentwicklung und Wundheilungsstagnation auftreten.
- Systemische Infektion: Im Bereich chronischer Wunden entspricht diese immer
auch einer lokalen Infektion, welche durch
Tab. 1:
Generalisierung zu typischen Systemreaktionen wie Fieber bzw. einem Anstieg von
Leukozyten und CRP führt.
Daraus folgt, dass die Erregerlast an sich nicht
das alleinige Kriterium für das Vorliegen einer Infektion bzw. einer Infektionsgefährdung
sein kann. Bei entsprechender Disposition des
Patienten oder einer hohen Pathogenität des
Erregers (z. B. multiresistente Keime) kann
schon eine geringere Keimzahl eine relevante
systemische Infektion auslösen.
Endogene Risikofaktoren
Gemäß der Definition des Infektionsrisikos
spielt die Abwehrlage des Patienten für die
Entstehung von Infektionen eine wesentliche
Rolle – dabei werden die gesamten mit dem
Immunstatus des Patienten einhergehenden
Faktoren für eine erhöhte Infektionsgefahr
der Wunde als endogen bezeichnet (siehe
Tab. 1). Ihnen gemeinsam ist eine Schwächung des Immunsystems – diese kann z. B.
krankheits-, alters- oder ernährungsbedingt
auftreten. Zudem kann eine Immunsuppression iatrogen – etwa medikamentös – induziert sein.
Somit ist eine chronische Wunde nicht per
se als Risikowunde zu betrachten. Andererseits sind häufig jene Faktoren, welche die
Abwehrlage eines Patienten schwächen,
zugleich auch für Wundheilungsverzögerungen verantwortlich und tragen somit
zur Chronifizierung einer Wunde bei – hierzu zählen etwa ein unzureichend eingestellter Diabetes mellitus, Immunsuppressiva,
Malnutrition oder arterielle Durchblutungsstörungen.
Exogene Risikofaktoren
Eine Auflistung exogener, nicht-immuno-
Aufstellung von Wunden mit besonderer Infekt-Gefährdung, geordnet
nach endogenen und exogenen Risikofaktoren
Endogene und immunologisch begründete erhöhte Infektionsgefahr
• Immundefekte (angeborene, erworbene)
• Diabetes mellitus
• hohes bzw. geringes (Neugeborene, Babys, Kleinkinder) Lebensalter
• Verbrennungswunden
• Malnutrition
Exogen und nicht-immunologisch begründete erhöhte Infektionsgefahr
• stark verschmutzte Wunden (Schuss-, Biss-, traumatische Wunden)
• Fremdkörper in situ
• postoperative Wunden nach Eingriffen mit hoher Keimexposition
• spezifische Pathogenität und Virulenz des Erregers
• lokalisationsbedingte Gefährdungen
• umfeldbedingte Gefährdungen (z. B. berufs- und lebensgewohnheitsbedingt)
ARZT & PRAXIS
logisch begründeter Faktoren findet sich in
Tabelle 1. Dazu zählen per se infektionsgefährdete Wunden wie postoperative und
Schuss- bzw. Bisswunden. Während bei
postoperativen Wunden vor allem ein ungeplanter sekundärer Wundheilungsverlauf
mit einem direkten Risiko auf Basis der Erregerlast assoziiert ist, stellt die Schusswunde eine Sonderform dar. Die Notwendigkeit
eines Debridements des Schusskanals ergibt
sich hierbei einerseits durch die Gewalt des
Geschosses (verursacht Rissquetschwunde
mit massiver Gewebsverletzung) und andererseits durch die hohe Radialbeschleunigung (führt zu Hitzeentwicklung mit lokalen
Verbrennungen). Bisswunden stellen an sich
bereits mikrobiell belastete Wunden dar.
Als weiterer Risikofaktor gilt eine Verschmutzung der Wunde – sie kann entweder direkt
entstehen oder aber dadurch, dass der Träger
der Wunde einen besonderen Beruf ausübt,
welcher entsprechende Wundhygienemaßnahmen nur schwer ermöglicht. Andererseits
kann aber auch eine Schmutzgefährdung
durch die Lokalisation der Wunde (z. B. Perineum) bedingt sein.
Beurteilung des Infektionsrisikos –
W.A.R.(Wound at risk)-Score
Aufgabe dieses Scores ist die Gewichtung der
beim Patienten vorhandenen Risikofaktoren.
Hierzu wurden mögliche Faktoren gemäß der
Stärke ihres Einflusses auf das Infektionsrisiko klassifiziert – entsprechend den Risikoklassen 1–3 werden dabei 1–3 Risikopunkte
für den jeweiligen Faktor vergeben (siehe
Tab. 2). Anschließend gilt es, die vergebene
Punkteanzahl zusammenzuzählen. Erreicht
der Patient eine Punktesumme von ≥ 3, so
liegt aus klinischer Sicht eine infektionsgefährdete Wunde vor.
In diesem Zusammenhang gilt es zu betonen, dass dieser Score auf Basis umfassender klinischer interdisziplinärer
Erfahrung der Expertengruppe formuliert
wurde. Da zum jetzigen Zeitpunkt klare
Evidenzdaten der Literatur fehlen, sollte
dieser Score auch als Basis weiterführender Diskussionen wie auch Forschungsaufgaben gesehen werden. Zudem sollte
der Risiko-Score in der Praxis überprüft
und dementsprechend auch kontinuierlich adaptiert werden.
Notwendige Interventionen
an der Infekt-gefährdeten bzw.
infizierten Wunde
Entsprechend dem Algorithmus zum Infektionsrisiko (siehe Abb. 1) bedeutet eine SenJahrgang 67 | 996 | 2013
Fachkurzinformation siehe Seite 187
178
Wissenschaft
Tab. 2:
Klassifizierung der Risikofaktoren nach der Stärke ihres Einflusses auf das Infektionsrisiko
Risikoklasse
Risikodefinition
(anhand von Risikozuständen und unterschiedlichen Indikationen)
Klasse 1
a) erworbene immunsuppressive Erkrankung (z. B. Diabetes mellitus)
b) erworbener Immundefekt durch medikamentöse Therapie wie
Cyclosporin, Methotrexat, Glukokortikoide, Antikörper
c) Erkrankung mit soliden Tumoren
d) hämatologische Systemerkrankung
e) postchirurgische Wundheilungsstörung, welche zu (ungeplanter)
Sekundärheilung führt
f) durch Lokalisation besonders keimbelastete Wunden
(z. B. Perineum, Genitale)
g) problematische hygienische Bedingungen durch soziales oder
berufliches Umfeld (z. B. Landwirt, LKW-Fahrer)
h) Lebensalter des Patienten > 80 Jahre
i) geringes Lebensalter des Patienten (Frühgeborene, Babys,
Kleinkinder)
j) Bestandsdauer der Wunde > 1 Jahr
k) Wundgröße > 10 cm2
l) chronische Wunden aller Kausalitäten mit einer Tiefe > 1,5 cm
m)stationärer Langzeitaufenthalt des Patienten > 3 Wochen
Klasse 2
a) schwere erworbene Immundefekte (z. B. HIV-Infektion)
b) stark verschmutzte Akutwunden
c) Biss-, Stich- und Schusswunden zwischen 1,5 und 3,5 cm Tiefe
Scorepunkte
(W.A.R.)
Das Vorliegen einer Risikodefinition
gibt jeweils einen Risikopunkt.
(Mehrfachnennungen möglich)
Die Punkte werden summiert.
Das Vorliegen einer Risikodefinition
gibt jeweils zwei Risikopunkte.
(Mehrfachnennungen möglich)
Die Punkte werden summiert.
Klasse 3
a) Verbrennungswunden mit Beteiligung von > 15 % KOF
b) Wunden, welche eine direkte Verbindung zu Organen oder
Funktionsstrukturen aufweisen (z. B. auch Gelenke) bzw.
körperfremdes Material enthalten
c) schwerste angeborene Immundefekte wie beispielsweise
Agammaglobulinämie, schwere kombinierte Immundefekte (SCID)
d) Biss-, Stich- und Schusswunden > 3,5 cm Tiefe
Das Vorliegen einer Risikodefinition
gibt jeweils drei Risikopunkte.
(Mehrfachnennungen möglich)
Die Punkte werden summiert.
Entsprechend der Klasse der Risikofaktoren werden für ihr Bestehen jeweils 1 bis 3 Punkte vergeben.
Die Risikopunkte sind anschließend insgesamt zu summieren.
Ein Score ≥ 3 Punkte bedeutet das Vorliegen einer aus klinischer Sicht Infekt-gefährdeten Wunde und bedingt somit die klinische Indikation zur Anwendung lokaler Antiseptika.
Hinweis: Von dieser Empfehlung unabhängig können weitere Behandlungsindikationen bestehen, die eine lokale antimikrobielle Behandlung per se erfordern, z. B.
- Erreger-Eradikation bei Nachweis von multiresistenten Erregern (gemäß Vorgaben des Robert-Koch-Institutes)
- kritisch kolonisierte Wunden
kung der Erregerlast im Bereich der Wunde
auch immer eine Senkung des Infektionsrisikos.
Wesentlich ist dabei ein abgestuftes Vorgehen, welches Keimbesiedelung, Gewebsreaktion und Risikofaktoren Rechnung trägt
(siehe Tab. 3):
ARZT & PRAXIS
Am einen Ende des breiten Spektrums der
Schmutz- oder Keim-belasteten Wunde liegen nicht Infekt-gefährdete kontaminierte
(z. B. Gelegenheits-/Bagatellwunden) bzw.
kolonisierte Wunden (z. B. unproblematische chronische Wunden). Hier ist sicherlich
an Maßnahmen der Wundreinigung bzw. des
Debridements zu denken – speziell antiseptische Maßnahmen verbieten sich jedoch.
Somit ist die automatische – schon fast sui
generis zu sehende – Verwendung von Antiseptika beim Verbandswechsel als klinisch
nicht regelrecht einzustufen.
Die Infekt-gefährdete Wunde bildet jenen
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Wissenschaft
Bereich dieses Spektrums, wo erstmalig antimikrobielle Maßnahmen – am besten in
Form von Antiseptika – Anwendung finden.
In der Beurteilung des individuellen Infektionsrisikos hilft der W.A.R.-Score – eine
Punktesumme von ≥ 3 bedingt dabei die
klinische Indikation zur Anwendung lokaler
Antiseptika. Von dieser Empfehlung unabhängig können weitere Behandlungsindikationen bestehen, die eine lokale antimikrobielle Behandlung per se erfordern, wie z. B.
eine Erreger-Eradikation bei Nachweis von
multiresistenten Keimen (gemäß Vorgaben
des Robert-Koch-Institutes) bzw. kritisch
kolonisierte Wunden. Zusammenfassend
sollten also kolonisierte Infekt-gefährdete
bzw. kritisch kolonisierte Wunden bei jedem Verbandswechsel zuvor mit Antiseptika
behandelt werden. Reinigung bzw. Debridement ergänzen das adäquate Wundmanagement.
Die große Gefahr einer Entstehung von Resistenzen bzw. Sensibilisierungen verbietet
unter anderem die Verwendung topischer
Antibiotika – die Gabe systemischer Antibiotika in dieser Situation verbietet sich von
selbst.
Am anderen Ende des Spektrums befinden
sich Wunden mit lokalen bzw. systemischen
Infektzeichen. Dabei bedürfen lokal infizierte
Wunden eines – oftmals chirurgischen – Debridements, der Reinigung bzw. einer lokalen
Antiseptik – erst bei Anzeichen einer systemischen Infektion ist zudem eine geeignete
systemische Antibiotika-Therapie indiziert.
Bemerkungen zum Debridement
Abhängig vom Belag oder Biofilm der Wunde
gilt es, vor deren antimikrobieller Behandlung ein regelrechtes Debridement durchzuführen. Hierzu bieten sich verschiedene
Optionen an. Neben dem meist auf Wundverbänden basierenden enzymatischen, absorptiven oder autolytischen Debridement
besteht die Möglichkeit des biochirurgischen
Debridements in Form einer Madentherapie
(vornehmlich Larven der Goldfliege) oder des
mechanischen Debridements. Möglich ist
letzteres etwa mittels eines speziellen Mikrofasertuchs, Ultraschall oder Hydrochirurgie
– zudem bieten sich als neuere Alternativen
Mikrofasertücher bzw. Monofilament-Faserschwämme zur schmerzarmen Entfernung
von Biofilm bzw. darüber hinaus locker haftenden Belägen (z. B. Fibrin) an. Bei ausgeprägten nekrotischen Belägen ist ein chi-
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Tab. 3:
Klinisches Spektrum der Schmutz- oder Keim-belasteten Wunde samt
dazugehörenden antiinfektiösen Interventionen
Kontaminierte,
nicht infektionsgefährdete
Wunde (z. B. Gelegenheits-,
Bagatellwunde)
Kolonisierte,
nicht infektionsgefährdete
Wunde (z. B. unproblematische
chronische Wunde)
Kolonisierte,
infektionsgefährdete Wunde
Kritisch kolonisierte Wunde
• Reinigung
• ggf. Debridement
• Wundverband
• Antiseptik/antimikrobieller Wundverband
• Reinigung
• ggf. Debridement
Lokal infizierte Wunde
• Antiseptik/antimikrobieller Wundverband
• Reinigung
• chirurgisches Debridement
Systemische Infektion
bei infizierter Wunde
• systemische antimikrobielle Therapie
• lokale Antiseptik/antimikrobieller Wundverband
• Reinigung
• chirurgisches Debridement
rurgisches Debridement (Skalpell, scharfer
Löffel, Ringcurette etc.) angezeigt.
Bemerkungen zur lokalen
antimikrobiellen Therapie
Da bei Antiseptika keine Spezifizierung
für Keime besteht, wurden in einem Konsensus (ZfW 3/2004) als geeignete Stoffe
zur Wundantiseptik folgende empfohlen:
Povidon-Jod bzw. Octenidindihydrochlorid
zur kurzzeitigen Anwendung aufgrund mikrobieller Kontamination (z. B. nach Trauma)
oder auf kolonisierten oder infizierten akuten
Wunden sowie Polihexanid bzw. Taurolidin
zur wiederholten Anwendung auf chronischen, schlecht heilenden bzw. empfindlichen
Wunden.
Aufgrund der guten Gewebeverträglichkeit
und der klinisch offensichtlichen Wundheilungsförderung gilt Polihexanid als Mittel
der ersten Wahl für schlecht heilende chronische bzw. für sehr empfindliche Wunden
(z. B. Verbrennungswunden 2. Grades) sowie
für Lavagen.
Als Applikationsformen stehen etwa Lösungen, Wundgele oder Wundauflagen bzw.
-verbände zur Verfügung.
So sind etwa Wundauflagen mit Polihexanid-Imprägnierung sowie Polihexanid-hältige Wundauflagen mit arzneilich unterstützender Wirkkomponente verfügbar. Führt die
Imprägnierung im Sinne eines präventiven
Ansatzes zu einer Keimzahlverminderung
im Verband, so stellt letztere Wundauflage
einen aktiv antimikrobiell wirksamen Wundverband dar, der bei kritisch kolonisierten
bzw. infizierten Wunden mit schwacher bis
mittelstarker Exsudation eingesetzt werden
soll.
Unter den antimikrobiellen Wundverbänden
ist von diesem feuchtigkeitsregulierenden
Polihexanid-hältigen Celluloseverband eine
große Gruppe von silberhältigen Verbandsstoffen abzugrenzen. In Letzterer befinden
sich zahlreiche Verbandsstoffe wie Alginate,
Hydro- bzw. Aquafasern sowie Hydrokolloide,
welche äußerst unterschiedliche Mengen an
Silber freisetzen. Für die Therapie lokaler Infektionen sollte dabei ein Produkt mit hoher
Silberabgabe verwendet werden.
Darüber hinaus als antimikrobiell wirksam
beschrieben werden Wundultraschall, Stoßwellentherapie, Hydrochirurgie, Hyperthermie, Maden- bzw. Bakteriophagen-Behandlung sowie medizinischer Honig – allerdings
mit unterschiedlicher Evidenz.
Der Einsatz Antibiotika-hältiger Topika ist
aus verschiedensten Gründen abzulehnen
– so etwa wegen unsicherer Wirksamkeit,
kritischer Zytotoxizität, Irritations- bzw. Allergiepotential, Schmerzinduktion, Resistenzentwicklung und/oder resorptiver Risiken.u
Literatur beim Verfasser
ARZT & PRAXIS
179
180
Wissenschaft
Dr. Arno Lechner
Facharzt für Innere Medizin, Additiv-Facharzt für Infektiologie und Tropenmedizin, Division Medizinische Mikrobiologie,
Universitätsinstitut für Med.-Chemische Labordiagnostik, Universitätsklinikum der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität
Müllner Hauptstr. 48, 5020 Salzburg
E-Mail: [email protected]
Praxisrelevante Aspekte
der Therapie von Harnwegsinfekten
Harnwegsinfektionen (HWI) sind die häufigsten bakteriellen Infektionen bei Erwachsenen. Diverse Guidelines und
Therapieempfehlungen stellen die Grundlage zur Auswahl in der Therapie von HWI dar. Deren Umsetzung in die Praxis
ist mitunter nicht einfach und gelegentlich mit Fallstricken und Schwierigkeiten verbunden, was in diesem Beitrag
neben sonstigen praxisrelevanten Hinweisen und Empfehlungen zur Sprache kommen soll.
D
as Spektrum von HWI reicht von der
(vermeintlich) banalen akuten Zystitis
über protrahierte und komplizierte Infektionen wie beispielsweise Pyelonephritis
bei Nephrolithiasis bis zur potenziell fulminant verlaufenden Urosepsis. Die Unterscheidung unkomplizierte vs. komplizierte HWI ist
essentiell für die Einschätzung des klinischen
Verlaufes, der Breite des zu erwartenden Erregerspektrums und möglicher bakterieller
Resistenzen, was auf die Auswahl und Dauer
der antibiotischen Therapie entscheidenden
Einfluss hat. Komplizierte HWI sind darüber
hinaus häufig durch einen protrahierteren
Verlauf und ein höheres Rezidivrisiko ge-
Tab. 1:
kennzeichnet. Die anatomischen, funktionellen und metabolischen Störungen, welche
komplizierte HWI definieren, sind in Tabelle 1
angeführt.
Vorbemerkungen
zu Diagnostik und Therapie
Auf die Diagnostik von HWI sei in diesem
Beitrag nur insoweit hingewiesen, als neben
dem klinischen Bild und dem Harnstreifen die
Harnkultur mit Resistenzbestimmung sowie
deren Indikation und Interpretation für die
Therapieauswahl von entscheidender Bedeutung sein können. Dabei sind auch Diskrepan-
HWI – komplizierende Faktoren
anatomische Veränderungen
funktionelle Veränderungen
angeborene, z. B.
mechanisch/funktionell, z. B.
Ureterabgangsstenose
Harntransportstörungen
Harnröhrenklappen
Entleerungsstörungen
Phimose
Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie
erworbene, z. B.
Störungen der angeborenen Immunität
Konkremente
Diabetes mellitus
Prostatahypertrophie
Leberinsuffizienz
Schwangerschaft
Störungen der erworbenen Immunität
Harnleiterstrikturen
HIV
postoperativer Status
Fremdkörper, z. B. Blasenkatheter, Harnleiterschienen
Prostatahypertrophie
ARZT & PRAXIS
zen zwischen der In-vitro-Wirksamkeit eines
Antibiotikums, wie sie im Antibiogramm zum
Ausdruck kommt, und der In-vivo-Situation
zu beachten. Beispielsweise können Fluorchinolone (FQ) durch ihr günstiges pharmakokinetisches und -dynamisches Profil
im Harn eine effektive antibakterielle Wirksamkeit gegenüber Erregern erreichen, die in
vitro eine Resistenz aufweisen. Umgekehrt
kann die minimale Hemmkonzentration von
FQ gegenüber Uropathogenen bei saurem pH
bis zum 40-Fachen ansteigen, sodass der Bestimmung des pH-Wertes im Streifentest in
solchen Fällen große Bedeutung zukommt.
Die häufig empfohlene diätetische und medikamentöse Ansäuerung des Harnes sollte
beim Einsatz von FQ daher unterbleiben.
Therapie-Empfehlungen
Asymptomatische Bakteriurie: Diese stellt
in der Regel keine Behandlungsindikation
dar. Darüber hinaus hat bei jüngeren Frauen mit rezidivierenden HWI in dieser Situation der Einsatz von Antibiotika deutlich
häufigere Rezidive zur Folge und beinhaltet
auch eine höhere Neigung zur Multiresistenz
von E. coli. Ausnahmen sind die Schwangerschaft, während derer eine asymptomatische
Bakteriurie ein deutlich erhöhtes Risiko für
Pyelonephritis und Frühgeburtlichkeit beinhaltet, und eine bevorstehende transurethrale Prostataresektion (TURP). In beiden Fällen
sollte gemäß vorliegendem Antibiogramm
die asymptomatische Bakteriurie behandelt
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werden. Es muss allerdings auch darauf hingewiesen werden, dass
bei geriatrischen Patienten HWI symptomarm oder atypisch – beispielsweise mit Sturzneigung und Verwirrtheit – verlaufen können,
sodass nach sehr diskreten und atypischen Symptomen eines HWI
gefahndet werden muss. Derartige Bakteriurien bei geriatrischen
Patienten gelten in solchen Fällen nicht als asymptomatisch, sondern sind Ausdruck eines therapiebedürftigen HWI.
Akute Zystitis bei prämenopausalen Frauen: Die antibiotische Therapie der in der Praxis am häufigsten zu behandelnden akuten Zystitis der prämenopausalen Frau ist nach
maßgeblichen Empfehlungen in Tabelle 2 wiedergegeben. Die derzeit sowohl in den Empfehlungen der European Urological
Association (EAU) als auch in jenen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft
(PEG) bei prämenopausalen Frauen als erste Wahl angeführten
Antibiotika Pivmecillinam, Fosfomycin und Nitrofurantoin wurden
aufgrund des günstigen Resistenzprofils der Leitkeime von HWI, der
akzeptablen Heilungsrate, der möglichen Kurzzeittherapie von 1–3
Tagen und der geringen biologischen Kollateralschäden wie Resistenzentwicklung und Antibiotika-assoziierte Clostridien-Kolitis prominent positioniert. Darüber hinaus nehmen die genannten Antibiotika auch deshalb diesen Stellenwert in der Behandlung der akuten
Zystitis bei prämenopausalen Frauen ein, da sie in vielen Fällen eine
Wirksamkeit gegenüber den zunehmend häufigeren ESBL-positiven
Enterobakterien zeigen. Allerdings fehlt ihnen die Wirksamkeit gegenüber Staphylococcus saprophyticus, der in 2–3 % der Fälle von
Zystitis ursächlich nachgewiesen wird. FQ und Cotrimoxazol (TMP/
SMX) sind bei HWI hinsichtlich mikrobiologischer und klinischer Effektivität als Goldstandard anzusehen, allerdings nur soweit keine
mikrobielle Resistenz besteht. Laut AURES-Resistenzbericht aus dem
Jahr 2011 liegt diese in Österreich bei FQ um 18 % bzw. bei TMP/SMX
um 26 %, sodass diese Antibiotika in der empirischen Therapie ohne
vorliegendes Antibiogramm kaum infrage kommen. Zusätzlich ist zu
erwähnen, dass FQ mögliche biologische Kollateralschäden wie oben
angeführt nach sich ziehen können. Ciprofloxacin, Levofloxacin und
Prulifloxacin ermöglichen die tägliche Einmalgabe, was die Compliance fördert und bei abendlicher Gabe aufgrund des Verbleibes des
Antibiotikums in der Blase über Nacht einen zusätzlichen therapeutischen Effekt haben kann. Beta-Lactam-Antibiotika wie Amoxicillin/
Clavulansäure, Ampicillin/Sulbactam und Cefalexin sind in internationalen Empfehlungen nicht als erste Wahl oder als Alternative geführt, weil in der Indikation einer akuten Zystitis im Vergleich zur
FQ und TMP/SMX die mikrobiologische Eradikation geringer ist; im
Consensus Statement der ÖGIT (Österreichische Gesellschaft für
Infektionskrankheiten und Tropenmedizin) vom Juni 2011 rangiert diese
Antibiotikagruppe allerdings auch unter dem Hinweis auf ihre klinische
Effektivität durchaus gleichwertig neben den oben erwähnten Antibiotika.
Akute Zystitis bei postmenopausalen Frauen: Die Behandlung der
akuten Zystitis der postmenopausalen Frau ist im Wesentlichen ident
mit jener der prämenopausalen Frau, außer dass die Kurzzeittherapien
weniger gut durch Studien belegbar sind. Rezidivierende HWI in dieser
Patientinnengruppe haben häufig eine Zystozele, Inkontinenz oder Restharnbildung zur Ursache, weshalb in solchen Fällen eine entsprechende
urologische und fallweise auch eine gynäkologische Diagnostik erfolgen
sollten. Reduktion von Laktobazillen durch Östrogenmangel und eine
konsekutive Vermehrung von Enterobakterien im vaginalen Schleimhautmilieu bei postmenopausalen Frauen sind ebenfalls als häufige UrJahrgang 67 | 996 | 2013
Fachkurzinformation siehe Seite 198
182
Wissenschaft
Tab. 2:
Antibiotische Therapie der akuten, unkomplizierten Zystitis bei prämenopausalen Frauen (nicht-gravide)
European Association of Urology
(EAU), 2010
Paul-Ehrlich-Gesellschaft Österreichische Gesellschaft für Infektionskrankheiten und
(PEG), 2010
Tropenmedizin (ÖGIT), 2012
1. Wahl
Fosfomycin
Pivmecillinam
Nitrofurantoin
1. Wahl
Fosfomycin
Pivmecillinam
Nitrofurantoin
alternativ
Fluorochinolon Trimethoprim oder
Cotrimoxazol bei Resistenz von E. coli
< 20 %
2. Wahl
Fluorochinolon Trimethoprim
oder Cotrimoxazol bei
Resistenz von E. coli
< 20 %
Tab. 3:
Amoxicillin/Clavulansäure, Ampicillin/Sulbactam, Cefalexin,
Ciprofloxacin, Levofloxacin, Fosfomycin, Pivmecillinam,
Nitrofurantoin
Antibiotische Therapie der Pyelonephritis
European Association of Urology
(EAU), 2010
Paul-Ehrlich-Gesellschaft
(PEG), 2010
leicht- bis mittelgradig:
orale Therapie möglich
leicht- bis mittelgradig:
orale Therapie möglich
1. Wahl
Fluorochinolon
(bei Resistenz von E. coli < 10 %)
1. Wahl
Fluorochinolon
(bei Resistenz von E. coli < 10 %)
alternativ
Cefpodoxim
2. Wahl
Cefpodoxim
Amoxicillin/Clavulansäure
(nur wenn Gram-positive Erreger
nachweisbar)
bei bekannter Empfindlichkeit
Amoxicillin/Clavulansäure
(vorzugsweise Gram-positive
Erreger) TMP/SMX
Österreichische Gesellschaft für Infektionskrankheiten
und Tropenmedizin (ÖGIT), 2012
Ceftriaxon, Cefotaxim, Amoxicillin/Clavulansäure,
Ampicillin/Sulbactam, Fluorochinolon
Cotrimoxazol
(bei Resistenz von E. coli < 10 %)
Aminoglykosid oder Carbapenem
(bei ESBL-Rate > 10 % und „hoher“
Rate an Fluorochinolon-resistenten
E. coli
sache von Infektrezidiven anzusehen, was durch
eine vaginale Östrogensubstitution günstig beeinflusst werden kann.
Akute Zystitis bei Männern: Die wesentlich seltenere akute Zystitis bei Männern
ist häufiger mit einem der oben erwähnten
komplizierenden Faktoren (beispielsweise
benigne Prostatahypertrophie) assoziiert.
Dementsprechend ist in vielen Fällen neben dem Ausschluss einer Urethritis eine
rasche urologische Abklärung erforderlich.
Die antibiotische Therapie sollte so wie bei
allen komplizierten HWI auf Basis der Harnkultur und des Antibiogrammes erfolgen. Pivmecillinam und Fosfomycin sind allerdings in
ARZT & PRAXIS
dieser Personengruppe durch klinische Studien
nicht belegt und sollten nicht eingesetzt werden. Eine Zystitis bei Männern, die mit Fieber
verbunden ist, kann auf eine begleitende akute
Prostatitis hinweisen und sollte mit Antibiotika
behandelt werden, welche einen ausreichenden Wirkspiegel im Prostatagewebe erreichen
wie FQ oder Drittgenerations-Cephalosporine
wie Ceftriaxon. Auch die Therapiedauer wird
von 7 Tagen bei der afebrilen Zystitis auf meist
14 Tage bei der fieberhaften Zystitis bei anzunehmender (Begleit-)Prostatitis verlängert.
Akute Pyelonephritis: In der Behandlung
der akuten Pyelonephritis ist die klinische
Differenzierung zwischen „leichtgradig“ und
„schwerwiegend“ Grundlage für die Entscheidung, ob eine antibiotische Therapie peroral
erfolgen kann und damit eine ambulante
Betreuung möglich ist. Allgemeinsymptome
wie Übelkeit, Erbrechen und Kreislauflabilität sind als Anzeichen eines schwerwiegenderen Verlaufes zu werten und erfordern eine
parenterale Therapie. Die antibiotische
Therapie der akuten Pyelonephritis ist nach
maßgeblichen Empfehlungen in Tabelle 3
wiedergegeben. Die Schwierigkeit in der
oralen Therapie der leichten Pyelonephritis
liegt in der aktuellen Resistenzlage von E. coli
begründet, welche eine empirische Therapie
mit FQ oder TMP/SMX als inadäquat erscheinen lässt. Die in der Empfehlung der EUA und
Jahrgang 67 | 996 | 2013
Wissenschaft
der PEG angegebene Alternative des Cefpodoxims ist zwar studienmäßig gut belegt,
allerdings wegen der niedrigen empfohlenen
Dosierung von 2 x 200 mg/Tag und der geringen Konzentration im Harn in Österreich
wenig gebräuchlich. Daraus ist die Empfehlung im Consensus Statement der ÖGIT verständlich, die Behandlung der Pyelonephritis
mit einem hoch dosierten DrittgenerationsCephalosporin wie Ceftriaxon oder einem
Beta-Lactam/Beta-Lactamase-InhibitorAntibiotikum wie Amoxicillin/Clavulansäure
oder Piperacillin/Tazobactam durchzuführen.
Da in derartigen Fällen jedenfalls eine Harnkultur und eine Resistenzbestimmung durchgeführt werden sollten, kann bei Empfindlichkeit gegenüber FQ oder TMP/SMX bei leichter
Pyelonephritis dann auf eine orale antibiotische Therapie umgestellt werden, was zu
einer Verkürzung des stationären Aufenthaltes führen kann. Hoch dosierbare FQ wie
Levofloxacin und Ciprofloxacin ermöglichen
weiters einer Verkürzung der Therapiedauer
auf 5–7 Tage gegenüber 14 Tagen bei Anwendung von Beta-Lactam-Antibiotika.
Katheter-assoziierter HWI: Die Behandlung Katheter-assoziierter HWI sollte bei
restriktiver Indikation für die Belassung
eines Blasenkatheters auf symptomatische
Patienten beschränkt bleiben und ebenfalls
auf Basis einer Resistenzbestimmung erfolgen. Häufig kann in dieser Situation auf
ein breit wirksames Antibiotikum dennoch
nicht verzichtet werden. Die lokale Anwendung von Antiseptika oder Antibiotika ist
sowohl prophylaktisch als auch therapeutisch durch Studien nicht belegt und daher
nicht durchzuführen.
u
Praxistipps
• Die Differenzierung zwischen komplizierten und unkomplizierten HWI bildet die Grundlage für adäquate diagnostische und therapeutische Maßnahmen.
• Die asymptomatische Bakteriurie stellt mit Ausnahme jener in der Schwanger-
schaft und vor einer TURP keine Behandlungsindikation dar.
• Die Auswahl adäquater Antibiotika bei HWI richtet sich nicht nur nach den aktuellen Resistenzdaten, sondern auch nach pharmakokinetischen und
-dynamischen Charakteristika eines Antibiotikums, dessen Potenzial einer
Kurzzeittherapie und möglichst geringer biologischer Kollateralschäden.
Fachkurzinformation siehe Seite 198
183
184
Wissenschaft
Univ.-Prof. Dr. Harald Maier
Universitätsklinik für Dermatologie
Währinger Gürtel 18–20, 1090 Wien
E-Mail: [email protected]
Von der Sturm-und-Drang-Periode
in die Ära der Aufklärung
Sonnenschutzmittel 2013
Ein Sonnenschutzmittel im Reisegepäck mitzunehmen, gleichgültig, ob die Reise in ein exotisches Urlaubsparadies, zum
Gletscherskifahren mit anschließendem Hüttenzauber oder lediglich ins nächste Freibad führt, gehört zu den Ritualen
modernen Freizeitverhaltens. Derzeit steht eine Vielzahl verschiedener Sonnenschutzmittel, für jeden Hauttyp und auch
für jede Brieftasche, zur Auswahl.
A
ls letzten Schrei bieten findige
Kosmetika-Produzenten unter dem
Schlagwort „Everyday Photoprotection“ Pflegeprodukte an, die – als vielleicht
einzig wirksames Anti-Aging-Prinzip – UVFiltersubstanzen enthalten. Doch kaum ist
der Markt weitgehend von einem breiten
Angebot diverser fertiger Sonnenschutzmittel durchdrungen, verschaffen sich warnende Stimmen zunehmend Gehör, welche vor
übermäßigem Sonnenschutzmittelgebrauch
warnen. Was vernünftige SonnenschutzVerfechter schon immer wussten: Die ambiente Sonnenstrahlung hat auch positive Effekte auf den Menschen. Ein Faktum, welches
die Einwohner Zentraleuropas im vergangenen Winter, der seit Beginn der Wetteraufzeichnungen der dunkelste war, schmerzlich
erfuhren. Neben den psychischen Auswirkungen von lichtarmen Perioden machen die
Langzeitfolgen von zu geringer Sonnenbestrahlung derzeit in der wissenschaftlichen
Literatur Schlagzeilen. Die Vitamin-D-Diskussion war damit eröffnet – oder besser:
wieder eröffnet – und es macht Sinn, sich
mit den Aussagen kritisch auseinanderzusetzen; denn so wirksam die positiven
Aspekte der UV-Strahlung für die menschliche Gesundheit von puristischen Sonnenschutz-Verfechtern unter den Teppich
gekehrt wurden, so überzeichnet werden
nun die Effekte von Vitamin D wiedergegeben. Vitamin D wird als Heilsbrin-
ARZT & PRAXIS
ger für alle möglichen Leiden gehandelt:
von der anti-inflammatorischen Wirkung
bis zur Krebsprävention. Der vorliegende Artikel zielt darauf ab, den praktizierenden Kolleginnen und Kollegen das
elementare Rüstzeug für eine sinnvolle
Photoprotektion in die Hand zu geben.
Vernünftiges Sonnen und Sonnenschutzverhalten lautet dabei die Devise.
Sonnenschutzmittel –
Technisches und Regulatives
Die EU hat in den vergangenen Jahren die Deklaration von Sonnenschutzmitteln verbessert.
Als Sonnenschutzmittel darf ein Produkt erst
bezeichnet werden, wenn ein SPF (Sun Protection Factor) von mindestens 8 vorliegt (Österr.
Lebensmittelbuch; IV. Auflage/Codexkapitel
B 33/Kosmetische Mittel). Gleichzeitig wurde auch der numerische Sonnenschutzfaktor
zugunsten von Schutzkategorien aufgegeben
(s. Tabelle). Aus der täglichen Praxis kann ich
jedoch berichten, dass es sehr lange dauern
wird, bis sich die Schutzkategorien ebenso
fest im kollektiven Bewusstsein verankern
wie der numerische Sonnenschutzfaktor.
Eine weitere Neuerung ist, dass Sonnenschutzmittel einen effizienten UVA-Schutz
bieten müssen. Dieser wird als PF (Protection
Factor) UVA auf der Packung deklariert und
muss mindestens 1/3 des UVB-Schutzes ausmachen (UVB: UVA-Balance). Vollkommen zu
Recht, denn Hautalterung ist nach wie vor
zu einem beträchtlichen Teil auf den UVAAnteil des Sonnenspektrums zurückzuführen,
ebenso wie die Auslösung von Photodermatosen.
Leider haben die EU-Behörden wieder verabsäumt, eine Deklaration für photostabile
Produkte einzufordern. Kritische Stimmen
vermuten dahinter einen (allzu großen) Einfluss der Industrie. Aus der Mitte der 1990iger Jahre stammt nämlich die Erkenntnis,
dass sich viele organische UV-Filter unter
der Einwirkung der UV-Strahlung sterisch
verändern und dadurch ihre Absorptionsfähigkeit signifikant einbüßen. In den 90erJahren ein heiß diskutiertes Phänomen,
wurde das Thema Photostabilität nun von
der ISO WG 7 aufgegriffen und bei der Erstellung der Testvorschriften zur Ermittlung
der UV-Schutzwirkung berücksichtigt. Die
geforderte Bestrahlung der Probe vor dem
Sonnenschutzmitteltest federt zwar die
Vortäuschung eines höheren Schutzfaktors
ab, der Zerfallsprozess im Falle einer instabilen Sonnenschutzmittelzubereitung an
sich bleibt aber weiterhin unberücksichtigt.
Da dieser Zerfall auf der Haut der Konsumentin/des Konsumenten stattfindet und negative
Auswirkungen auf die Hautgesundheit haben
kann, halte ich die Forderung, nur ausreichend
photostabile Produkte auf dem Markt zuzulassen, auch weiterhin für gerechtfertigt. So
konnte in Studien gezeigt werden, dass Sonnenschutzmittel mit instabilen UV-Filtern
Jahrgang 67 | 996 | 2013
Fachkurzinformation siehe Seite 187
186
Wissenschaft
Tab.:
Schutzkategorie eines Sonnenschutzmittels
Auf dem Etikett
genannte Kategorie
Auf dem Etikett
genannter Lichtschutzfaktor
Gemessener
Lichtschutzfaktor
Niedriges
Schutzniveau
6
10
6–9,9
10–14,9
Mittleres
Schutzniveau
15
20
15–19,9
20–24,9
Hohes
Schutzniveau
30
50
30–49,9
50–59,9
Sehr hohes
Schutzniveau
50+
≥ 50
Mindestschutz
gegen UVA-Strahlung
Kritische
Mindestwellenlänge
1/3
des auf dem
Produkt angegebenen
Lichtschutzfaktors
370 nm
Österreichisches Lebensmittelbuch; IV. Auflage/Codexkapitel B 33/Kosmetische Mittel – veröffentlicht 14. 5. 2008
häufiger phototoxische/-allergische Reaktionen hervorrufen als stabile Sonnenschutzmittelzubereitungen.
Insgesamt hat aber die Sicherheit bei den
Sonnenschutzmitteln in Europa deutlich
zugenommen, und dies ist sowohl auf die
Entwicklungstätigkeit der Sonnenschutzmittelhersteller als auch auf die Regulierung
durch die europäischen und nationalen Behörden zurückzuführen. In Sonnenschutzmitteln dürfen nur registrierte UV-Filter
bis zu einer genau definierten maximalen
Konzentration verarbeitet werden.
Weiters gibt es Produkte mit unterschiedlichen Schutzkapazitäten und Produkte mit
unterschiedlichen Texturen für die verschiedenen Anwendungsbereiche. Stichprobenartige Untersuchungen durch die AGES
(Agentur für Ernährungssicherheit) finden
pro Jahr nur ganz wenige Produkte, deren
tatsächlicher Sonnenschutzfaktor nicht mit
dem ausgelobten Faktor übereinstimmt.
In Tests, welche von meiner Arbeitsgruppe
durchgeführt wurden, zeigt sich auch eine
stetige Verbesserung der Photostabilität
von in Österreich erhältlichen Sonnenschutzprodukten.
Immer wieder wird die Frage gestellt, ob denn
wohl physikalische Filter – vornehmlich Zinkoxid (ZnO) und Titandioxid (TiO2) – sicherer
seien als chemische UV-Filtersubstanzen.
Im Unterschied zu organischen UV-Filtern,
welche die UV-Strahlung absorbieren und in
Form von infraroter Strahlung (also in niedrig-energetischen Portionen) wieder abgeben,
reflektieren und streuen diese Metalloxide
die UV-Strahlung. Bei den genannten Metalloxiden handelt es sich aber um potente
Photokatalysatoren, die organisch-chemische
Reaktionen beschleunigen. Daher müssen sie
mit inerten Materialien ummantelt werden
(Coating). Sieht man aber elektronenmikro-
ARZT & PRAXIS
skopische Bilder von solchen Metalloxiden,
wird einem sehr bald bewusst, dass das Coating nicht vollständig sein kann; es bleiben
immer aktive Kanten und Spitzen der kleinen
Metallsplitter unbedeckt und können daher
ihre katalytische Wirkung entfalten. In ihrer
Mikroform haftet den Metalloxiden der Makel an, dass sie die Haut weiß färben (Whitening). Um für die Konsumenten kosmetisch
akzeptable Lösungen anbieten zu können,
werden ZnO und TiO2 den Sonnenschutzmitteln als Nanopartikel beigemengt. Es
kommen Partikel zum Einsatz, deren Größe
unter 100 nm liegt. Damit vergrößert sich
einerseits die aktive Oberfläche der Metalloxidfraktion dramatisch, andererseits
stellt sich berechtigt die Frage, ob Teilchen
dieser Größe die Haut penetrieren können.
Während die Evidenzlage sehr gut ist, dass
es zu keiner signifikanten Penetration von
Nanopartikeln durch intakte Haut von Erwachsenen kommt, fehlen solche Untersuchungen bei Kinderhaut und Haut mit
Barrieredefekten. Derzeit muss die Antwort
auf die Frage nach der Sicherheit von Sonnenschutzmitteln lauten, dass das sicherste
Sonnenschutzmittel jenes ist, welches mit
der geringsten Zahl an aktiven UV-Filtern
die gewünschte Schutzwirkung erzielt.
Auch hier kann Positives berichtet werden:
Es gibt neue Filtersubstanzen, die sowohl
UVB als auch UVA filtern.
Richtige Anwendung von Sonnenschutzmitteln – Einordnung von topischen Sonnenschutzmitteln in den Kanon der photoprotektiven Maßnahmen
Während die Sonnenschutzmittel technisch
gesehen ständig verbessert werden, besteht
bei der Anwendungspraxis dieser Mittel ein
großer Nachholbedarf. Der Glaube an die
„Allmacht“ der Sonnenschutzmittel verführt
Menschen oft zu übermäßigem Sonnenkonsum, da sie sich in trügerischer Sicherheit
wiegen. Unterstützt wurde diese Erkenntnis
durch die Daten einer Studie, in der Melanome in der Gruppe der Sonnenschutzmittelanwender signifikant häufiger auftraten als
in der Vergleichsgruppe. Das bedeutet natürlich nicht, dass Sonnenschutzmittel Krebs
auslösen, sondern bezieht sich auf das risikoreichere Verhalten jener Menschen, die sich
durch ein Sonnenschutzmittel vollkommen
geschützt fühlen.
Sonnenschutzmittel müssen auch in das
photoprotektive Gesamtkonzept richtig eingeordnet werden. Sonnenschutz beginnt im
Kopf, so lautet meine Devise; darunter sind
richtige Einschätzung der persönlichen UVEmpfindlichkeit, richtiges Sonnenverhalten
und richtiger Einsatz von Sonnenschutzmitteln zu verstehen. Wir Ärzte dürfen
nicht aufhören zu betonen, dass Sonnenschutzmittel nur ergänzend zu, und nicht
anstatt anderer Schutzmaßnahmen eingesetzt werden dürfen. Denn noch immer gilt,
dass Schatten der beste Sonnenschutz ist,
gefolgt von textilem Sonnenschutz, Kopfbedeckung und Sonnenbrille. Sonnenschutzmittel sollen die Haut überall dort schützen,
wo andere Sonnenschutzmaßnahmen nicht
möglich sind wie z. B. bei Sport und Arbeit
im Freien. Sonnenschutzmittel müssen auch
richtig angewandt werden. So müssen alle
UV-exponierten Hautareale mit einer ausreichenden Menge Sonnenschutzmittel bedeckt und der Sonnenschutzmittelfilm regelmäßig erneuert werden. Den Verheißungen,
dass einmal eincremen reicht, sollte kein
Glauben geschenkt werden.
Sehr erfreulich ist die wissenschaftliche Zuwendung zum Thema „Beruf und Sonnenschutz“. Sonnenschutz bei Außenarbeitern
ist extrem wichtig, da sich diese BerufsJahrgang 67 | 996 | 2013
Wissenschaft
gruppen ja berufsbedingt sehr lange in der
Sonne aufhalten und auch entsprechend
hohe UV-Dosen abbekommen. Die besondere
Situation bei Außentätigkeiten und die Vorbehalte der Außenarbeiter gegenüber Sonnenschutzmitteln im klassischen Sinne machen
dieses Gebiet allerdings zu einem schwierigen
Terrain für Sonnenschutz-Verfechter.
Zusammenfassung
und Ausblick
Zusammenfassend haben sich Sonnenschutzmittel als effizienter Teil eines umfassenden Sonnenschutzkonzeptes etabliert.
EU-weite Regulierungen tragen wesentlich
zur Verbesserung des Sicherheitsprofils von
Sonnenschutzmitteln bei.
Neben der Auswahl eines qualitativ hochwertigen Produktes, das auf Verwendungszweck,
den kosmetischen Hauttyp und persönliche
Vorlieben abgestimmt werden muss, ist die
richtige Anwendung der Sonnenschutzmittel
von großer Bedeutung für die photoprotektive Prophylaxe. u
Literatur beim Verfasser
Fachkurzinformationen
Bretaris Genuair 322 Mikrogramm Pulver zur Inhalation
Qualitative und quantitative Zusammensetzung: Jede abgegebene Dosis (die über das Mundstück
abgegebene Dosis) enthält 322 μg Aclidinium (als 375 μg Aclidiniumbromid). Dies entspricht einer abgemessenen Dosis von 343 μg Aclidinium (als 400 μg Aclidiniumbromid). Liste der sonstigen Bestandteile: Lactose-Monohydrat. Anwendungsgebiete: Bretaris Genuair wird als bronchodilatatorische
Dauertherapie bei Erwachsenen mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) angewendet,
um deren Symptome zu lindern. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Aclidiniumbromid, Atropin
oder eines seiner Derivate, einschließlich Ipratropium, Oxitropium oder Tiotropium, oder gegen einen
der in Abschnitt 6.1 genannten sonstigen Bestandteile. Pharmakotherapeutische Gruppe: Anticholinergika; ATC-Code: R03BB05. Inhaber der Zulassung: Almirall, S.A., Ronda General Mitre, 151, E-08022
Barcelona, Spanien. Verschreibungspflicht/Apothekenpflicht: Rezept- und apothekenpflichtig. Weitere Angaben zu den Abschnitten Dosierung und Art der Anwendung, Besondere Warnhinweise und
Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstige
Wechselwirkungen, Fertilität, Schwangerschaft und Stillzeit sowie Nebenwirkungen entnehmen Sie
bitte der veröffentlichten Fachinformation. Bretaris® Genuair® wird unter der Lizenz von Almirall S.A.
vermarktet. Stand der Information: März 2013
Eliquis 2,5 mg Filmtabletten, Eliquis 5 mg Filmtabletten
Pharmakotherapeutische Gruppe: direkte Faktor Xa Inhibitoren, ATC Code: B01AF02. Qualitative und
quantitative Zusammensetzung: Jede Filmtablette enthält 2,5 bzw. 5 mg Apixaban. Sonstige Bestandteile mit bekannter Wirkung: Jede 2,5 mg Filmtablette enthält 51,43 mg Lactose. Jede 5 mg Filmtablette
enthält 102,86 mg Lactose. Liste der sonstigen Bestandteile: Tablettenkern: Lactose, Mikrokristalline
Cellulose (E460), Croscarmellose Natrium, Natriumdodecylsulfat, Magnesiumstearat (E470b), Filmüberzug: Lactose Monohydrat, Hypromellose (E464), Titandioxid (E171), Triacetin (E1518); Eliquis 2,5
mg Filmtabletten: Eisen(III) hydroxid oxid x H2O (E172); Eliquis 5 mg Filmtabletten: Eisen(III) oxid (E172).
Anwendungsgebiet:: Eliquis 2,5 mg Filmtabletten: Zur Prophylaxe venöser Thromboembolien (VTE) bei
erwachsenen Patienten nach elektiven Hüft oder Kniegelenksersatzoperationen. Eliquis 2,5 mg und
Eliquis 5 mg Filmtabletten: Zur Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei erwachsenen Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern (NVAF) und einem oder mehreren Risikofaktoren,
wie Schlaganfall oder TIA (transitorischer ischämischer Attacke) in der Anamnese, Alter ≥ 75 Jahren,
Hypertonie, Diabetes mellitus, symptomatische Herzinsuffizienz (NYHA Klasse ≥ II). Ggegenanzeigen:
• Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der sonstigen Bestandteile. • Klinisch relevante
akute Blutung. • Lebererkrankungen, die mit einer Koagulopathie und einem klinisch relevanten Blutungsrisiko verbunden sind. • Läsionen oder klinische Situationen mit hohem Risiko einer schweren
Blutung wie z. B. akute oder kürzlich aufgetretene gastrointestinale Ulzerationen, maligne Neoplasien mit hohem Blutungsrisiko, kürzlich aufgetretene Hirn oder Rückenmarksverletzungen, kürzlich
erfolgte chirurgische Eingriffe an Gehirn, Rückenmark oder Augen, kürzlich aufgetretene intrakranielle Blutungen, bekannte oder vermutete Ösophagusvarizen, arteriovenöse Fehlbildungen, vaskuläre
Aneurysmen oder größere intraspinale oder intrazerebrale vaskuläre Anomalien. • Die gleichzeitige
Anwendung von anderen Antikoagulanzien z. B. unfraktionierte Heparine, niedermolekulare Heparine
(Enoxaparin, Dalteparin etc.), Heparinderivate (Fondaparinux etc.), orale Antikoagulanzien (Warfarin, Rivaroxaban, Dabigatran etc.) außer bei der Umstellung der Antikoagulationstherapie von oder
auf Apixaban oder wenn unfraktioniertes Heparin in Dosen gegeben wird, die notwendig sind, um
die Durchgängigkeit eines zentralvenösen oder arteriellen Katheters zu erhalten. Pharmazeutischer
Uunternehmer: Bristol Myers Squibb/Pfizer EEIG, Bristol Myers Squibb House, Uxbridge Business
Park, Sanderson Road, Uxbridge, Middlesex, UB8 1DH, Vereinigtes Königreich. Kontakt in Österreich:
Bristol-Myers Squibb GesmbH, Wien, Tel. +43 1 60143-0. Verschreibungspflicht//Apothekenpflicht: NR,
apothekenpflichtig. Weitere Angaben zu den besonderen Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen
für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln oder sonstige Wechselwirkungen,
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Schwangerschaft und Stillzeit sowie Nebenwirkungen sind der veröffentlichten Fachinformation zu
entnehmen. Stand: Feb 2013
Spasmolyt 20 mg – Dragées
Zusammensetzung: Jede überzogene Tablette enthält 20 mg Trospiumchlorid. Wirkstoffgruppe: Urologisches Spasmolytikum, ATC Code G04BD09. Anwendungsgebiete: Zur symptomatischen Behandlung der Dranginkontinenz und/oder häufigem Wasserlassen und Harndrang bei Patienten mit dem
Syndrom der überaktiven Blase (z. B. idiopathische oder neurologische Blasenstörung, Detrusorhyperreflexie). Gegenanzeigen: Trospiumchlorid ist kontraindiziert bei Patienten mit Harnretention,
schweren gastrointestinalen Störungen (einschließlich toxischem Megacolon), Myasthenia gravis,
Engwinkelglaukom und Tachyarrhythmien. Trospiumchlorid ist ebenfalls kontraindiziert bei Patienten
mit Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der sonstigen Bestandteile. Sonstige
Bestandteile: Tablettenkern: Weizenstärke, Mikrokristalline Cellulose, Lactose-Monohydrat, Povidon,
Croscarmellose-Natrium, Stearinsäure, Hochdisperses Siliciumdioxid, Talkum; Tablettenmantel: Saccharose, Carmellose-Natrium, Talkum, Hochdisperses Siliciumdioxid, Calciumcarbonat (E 170), Macrogol 8000, Titaniumdioxid (E 171), Eisenoxidhydrat gelb (E 172), Gebleichtes Wachs, Carnaubawachs.
Abgabe: Rezept- und apothekenpflichtig. Zulassungsinhaber: MADAUS GmbH, Wien. Angaben zu
Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen, Wechselwirkungen und Nebenwirkungen sowie zur Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen.
Tasectan® | 02-2013
Was ist Tasectan® und wofür wird es angewendet? Tasectan® ist ein Medizinprodukt, das die physiologische Funktion der Darmwand wiederherstellt. Es wurde speziell entwickelt, um die Symptome von
unterschiedlich verursachtem Durchfall wie Druckgefühl im Bauch und häufiger Stuhlgang zu bekämpfen und zu mindern. Tasectan® wirkt innerhalb von 12 Stunden. Tasectan® enthält einen Gelatine- und
Tanninsäurekomplex, der mechanisch wirkt, indem er die entzündete Darmschleimhaut schützt. Diese
Wirkung beruht auf der Fähigkeit, eine schleimhauthaftende Schutzschicht auf Proteinbasis zu bilden, die
mit den für die lokalen Entzündungen verantwortlichen Mukoproteinen einen Komplex bildet und deren
Ausscheidung im Stuhl fördert. Das Gelatinetannat aus dem das Medizinprodukt besteht, wird im Magen
nicht verändert und wirkt, indem es eine Schicht bildet, die die Darmschleimhaut schützt, und die Häufigkeit und Dauer der Durchfälle reduziert. Das Medizinprodukt ist in Form von Kapseln für Erwachsene und
in Form von Pulver für Kinder erhältlich. Inhalt der Packung: 20 Beutel zu je 250 mg (Anwendung bei Kindern), Blisterpackung mit 15 Kapseln zu je 500 mg. Gebrauchsanweisung: Kapseln - Kapsel mit reichlich
Wasser schlucken. Pulver - Inhalt eines Beutels in einem Glas Wasser auflösen. Tasectan kann auch mit
Fruchtsaft oder Joghurt eingenommen werden. Dosierung: Erwachsene: 1 bis 2 Kapseln alle 4 bis 6 Stunden, bis die Symptome abklingen. Die Dosierung kann nach Bedarf erhöht werden (nur in Absprache mit
dem Arzt). Kinder unter 3 Jahren: 1 Beutel alle 6 Stunden, bis die Symptome abklingen. Kinder zwischen
3 und 14 Jahren: 1 oder 2 Beutel alle 6 Stunden, bis die Symptome abklingen. Warnhinweise: Beachten
Sie folgende Warnhinweise: • Das Medizinprodukt nach dem auf der Verpackung aufgedruckten Ablaufdatum nicht mehr verwenden. • Die Kapseln nicht schlucken wenn die Blisterpackung geöffnet oder beschädigt ist. Keine geöffneten oder beschädigten Beutel verwenden. • Zwar sind keine Nebenwirkungen
bekannt, doch sollte das Medizinprodukt nicht in der Schwangerschaft oder in den ersten Monaten des
Stillens angewendet werden. Auf jeden Fall sollten Sie vor der Anwendung stets Ihren Arzt konsultieren.
• Wenden Sie sich an Ihren Arzt, wenn die Darmwandreizung oder der Durchfall nicht zurückgeht. • Bei
Raumtemperatur lagern, von Wärmequellen fernhalten. • Das Medizinprodukt nicht einfrieren. • Für Kinder unzugänglich aufbewahren. Gegenanzeigen und unerwünschte Wirkungen: Im Zusammenhang mit
diesem Medizinprodukt wurden keine unerwünschten Wirkungen oder Gegenanzeigen berichtet. Rev:03
dated 15712/2011. Pharmazeutische Fabrik Montavit Ges.m.b.H., Salzbergstraße 96, A-6067 Absam/Tirol,
Tel: +43 5223 57926, www.montavit.com.
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Reisediarrhoe – Prophylaxe
und Therapie im Überblick
Jährlich sind rund 40 Millionen Menschen aus der westlichen Welt im Urlaub oder auf Geschäftsreisen davon betroffen
– bei Reisen in (sub-)tropische (Risiko-)Gebiete entwickeln also durchschnittlich 15–50 % einen akuten Durchfall. In
der Folge werden praxisrelevante Aspekte der Erkrankung, Keimspektrum sowie therapeutische und prophylaktische
Optionen zusammengefasst.
D
efinitionsgemäß liegt eine Diarrhoe bei
Erwachsenen vor, wenn ≥ 3 ungeformte
Stühle (breiig – flüssig) pro Tag abgesetzt
werden und gleichzeitig ≥ 1 Begleitsymptom
besteht (Übelkeit/Erbrechen, Bauchschmerzen,
[schmerzhafter] Stuhldrang, blutig-schleimige
Stuhlbeimengungen, Fieber).
Bei einer unkomplizierten Diarrhoe wird der
Durchfall von Übelkeit/Erbrechen und/oder
Bauchschmerz und/oder Stuhldrang begleitet. Sie kann bei gutem Allgemeinzustand
ohne weitere Abklärungen symptomatisch
behandelt werden. Erreger sind meist nichtinvasive Bakterien oder Viren.
Bei blutig-schleimigen Stuhlbeimengungen
und/oder Fieber ist von einem invasiven, also
schwereren Krankheitsverlauf auszugehen
und eine adäquaten Abklärung bzw. Therapie
angezeigt. Schwerere Verläufe mit behandlungsbedürftigen Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten sowie mit/ohne Dysenterie (blutige Diarrhoe mit Schleimabgang, Tenesmen,
Schmerzen und Fieber) wurden in verschiedenen Studien in 3–15 % der Fälle beobachtet.
Zwar ist diese Erkrankung im Allgemeinen
ausgesprochen selbstlimitierend (in 9 von 10
Fällen), von meist kurzer Dauer (Abheilung
durchschnittlich nach 3–4 Tagen ohne Komplikationen) und in der Symptomatologie nur
selten bedrohlich, dennoch mehrheitlich sehr
einschränkend. So ist etwa die Hälfte der Betroffenen gezwungen, die Urlaubsaktivitäten
abzubrechen, und rund ein Drittel zumindest
für einen Tag ständig auf Bett bzw. Toilette
angewiesen. Im Mittel sind die Erkrankten
24 Stunden vollkommen „außer Gefecht gesetzt“.
Zudem können unterschiedlichste gastrointestinale Symptome (z. B. Diarrhoe, Obstipation, Abdominalschmerz, Meteorismus)
über einen mehr oder minder langen Zeitraum persistieren bzw. intermittierend auftreten. So verwundert es nicht, dass bei der
Versorgung von Patienten nach Auslandsaufenthalt „Diarrhoe“ das häufigste Symptom ist.
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5–10 % der Betroffenen entwickeln ein postinfektiöses Reizdarmsyndrom – als Risikofaktoren dafür gelten jüngere Frauen, vorbestehende Angststörung bzw. Depression, Fieber
bzw. Gewichtsverlust während der akuten
(Gastro-)Enteritis sowie CampylobacterInfektion. Studiendaten zufolge persistierten
dabei die Reizdarm-Beschwerden in über der
Hälfte der Fälle > 5 Jahre.
Risikofaktoren
Dazu zählt zunächst das Reiseziel. Als Hochrisikogebiete gelten Südasien, Afrika südlich
der Sahara und Südamerika – hier erkranken
20–90 % der Reisenden. Auf Nilkreuzfahrtschiffen sind bis zu 80 % der Passagiere
betroffen. Die Infektionsraten in Hochrisikoregionen scheinen sich über die letzten 50
Jahre nicht wesentlich verändert zu haben.
Seltener tritt eine Diarrhoe bei Reisen in den
Mittleren Osten, nach Südostasien, Nordafrika, Mittelamerika und Ozeanien auf – und
zwar durchschnittlich in 3,5–14 % der Fälle.
Niedrigrisikogebiete sind Europa, Nordamerika, Nordostasien und Australien mit einer
Durchfallhäufigkeit < 2,5 %. Genauso niedrig
ist die Gefährdung von Personen aus Hochrisikoländern einzuschätzen, wenn diese
Regionen mit niedrigem Risiko bereisen.
Als weitere Reise-abhängige Risikofaktoren gelten Jahreszeit (Regenzeit begünstigt bakterielle, Trockenzeit virale
Infekte), Reisestil (Individualtourismus >
geführte Rundreise > Badeurlaub), Unterbringung (einfache Quartiere > Standardhotels > Luxushotels) sowie Aufenthaltsdauer im Gastland und Anzahl der
Diätfehler. So tritt die Reisediarrhoe in über
90 % der Fälle zwischen 3. und 9. Reisetag auf. Eine frühe Manifestation wird begünstigt durch die Tatsache, dass sich nur
ein bemerkenswert kleiner Anteil der Reisenden an einschlägige Diätempfehlungen
hält („boil it, cook it, peel it or forget it“). So
ergab etwa eine Studie an 30.000 Touristen
in Jamaika, dass 95 % Eiswürfel in Getränken akzeptiert, 90 % Salate gegessen, 80 %
Leitungswasser bzw. Milchprodukte getrunken, 55 % Glace sowie nicht gares Fleisch
oder Meeresfrüchte gegessen und nur 3 %
potenziell gefährliche Lebensmittel zur
Gänze gemieden haben.
Hinzu kommen an den Reisenden gebundene
Risikofaktoren wie Herkunftsland (westliche
Welt), Alter (> 70 Jahre, Kinder/Jugendliche) bzw. vorbestehende Erkrankungen (z. B.
geringe Magensäurebildung, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Diabetes mellitus bzw. schwerere weitere Komorbiditäten) und Therapien (z. B. Immunsuppression,
Antibiotika- bzw. Magensäure-blockierende
Therapie) sowie eine bestehende Schwangerschaft. Auch genetische Faktoren könnten
einer individuellen Prädisposition zugrunde
liegen.
Erregerspektrum
Reisdiarrhoen gelten als klassische fäko-orale
Infektionen – dementsprechend große Bedeutung haben hygienische Zustände sowie
Lebensmittelzubereitung und -aufbewahrung
vor Ort.
Als Hauptauslöser gelten Bakterien – vor allem Durchfall-erzeugende E. coli, Shigellen,
Salmonellen, Aeromonas, Plesiomonas und
Non-Cholera-Vibrionen.
Unter den Viren gelten Noroviren als häufigstes verursachendes Agens. Protozoeninfektionen sind demgegenüber selten, sollten
aber speziell bei subakuten bzw. chronischen
Verläufen differentialdiagnostisch in Erwägung gezogen werden.
Bakteriell und viral bedingte Enteritiden
weisen eine kurze Inkubationszeit auf, wohingegen bei Erkrankungen mit später Manifestation (> 8–10 Tage nach Rückkehr)
sowie bei anhaltenden oder rezidivierenden
Durchfällen vor allem an parasitäre Infektionen (v. a. Giardia lamblia bzw. Entamoeba
histolytica, seltener Cyclospora cayetaneneJahrgang 67 | 996 | 2013
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sis bzw. Kryptosporidien; selten Wurminfektionen) zu denken ist.
Darüber hinaus sollte berücksichtigt werden, dass gastrointestinale Beschwerden
auch im Rahmen systemischer Infektionen
auftreten können – so berichten bis zu 20 %
der Patienten mit Malaria tropica über
Durchfälle, Erbrechen bzw. Abdominalschmerzen.
Invasive Infektionen werden verursacht
durch EIEC, EAEC, EHEC, Campylobacter, Salmonellen, Shigellen, Yersinien, Clostridium
difficile bzw. Vibrionen oder MAC (Mycobacterium Avium Complex) sowie durch Amöben
oder Viren (z. B. enteritisches Adenovirus,
CMV).
Hinsichtlich der Bedeutung einzelner Erreger
und der – zum Teil erheblichen – regionalen
Unterschiede gibt die Tabelle Auskunft. In
einem beträchtlichen Ausmaß kann allerdings
kein ätiologisches Agens identifiziert werden
– so bei Shah et al. in 39–50 % der Fälle.
Tab.:
Seit den 70er-Jahren haben sich ETEC als die
am häufigsten identifizierten Erreger etabliert – nach Angaben von Shah et al. weltweit durchschnittlich in 30,4 % aller Fälle.
Die Keime produzieren hitzelabile wie auch
-stabile Enterotoxine, die eine sekretorische Diarrhoe auslösen. Als weitere wichtige
darmpathogene Gruppe von Bedeutung gelten EAEC – zusammen mit ETEC verursachen
sie etwa in Lateinamerika/Karibik bzw. Südasien rund die Hälfte aller Reisediarrhoen.
Invasive bakterielle Pathogene wie Campylobacter, Shigellen oder Salmonellen sind
von vergleichsweise größerer Bedeutung in
Süd- bzw. Südostasien. in Südostasien gilt
zudem nicht ETEC, sondern Campylobacter
als Haupterreger von Reisediarrhoen. Bei
Reisen in den Nahen Osten sahen Feedman
et al. ETEC und Campylobacter als häufigste Durchfallauslöser – und zwar mit Resistenzmustern ähnlich dem indischen Subkontinent. Was Campylobacter betrifft, so
überwiegen weltweit Chinolon-resistente
Stämme.
Aeromonas und Plesiomonas sind in allen
Hochrisikogebieten weltweit für bis zu rund
10 % aller Reisediarrhoen verantwortlich.
Noroviren gelten nach ETEC und EAEC als
dritthäufigstes Pathogen – sie treten weltweit auf, von Bedeutung sind sie aber vor
allem in Lateinamerika/Karibik bzw. Afrika,
weniger hingegen in Asien. Wenngleich sie
immer wieder als einziges Pathogen im Stuhl
von betroffenen Patienten gefunden werden,
so ist dennoch mit bakteriellen Koinfektionen
(vor allem ETEC) in bis zu 39 % der Fälle zu
rechnen. Zudem scheint es spezielle Settings
mit einem höheren Norovirus-Infektionsrisiko zu geben. Hierzu zählen Rucksacktourismus und Abenteuerreisen ebenso wie
Kreuzfahrten und Langstreckenflüge. So werden Noroviren etwa auf Kreuzfahrtschiffen
mit rund 80 % aller Ausbrüche von Durchfall- bzw. Erbrechensepisoden assoziiert –
Reisediarrhoe – identifizierte Erreger in Lateinamerika/Karibik, Afrika, Südasien (indischer Subkontinent), Südostasien
Erreger
Lateinamerika/Karibik (%)
Afrika (%)
Südasien (%)
Süostasien (%)
ETEC
33,6
31,2
30,6
7,2
EAEC
24,1
1,8
16,0
unbekannt
EPEC
14,3
7,7
unbekannt
18,0
EIEC
2,7
1,3
unbekannt
1,0
EHEC
unbekannt
0,5
unbekannt
unbekannt
DAEC
6,2
0
2,9
0
Campylobacter
2,5
4,6
7,8
32,4
Shigella
6,6
8,6
8,0
2,2
Salmonella
4,4
5,5
6,6
9,1
Aeromonas
0,8
3,2
2,8
3,3
Plesiomonas
1,3
2,5
5,4
4,8
Vibrionen gesamt
0,1
2,3
3,4
9,2
Non-CholeraVibrionen
0,1
2,3
3,0
9,0
Vibrio cholerae
0
0
0,4
0,2
Rotavirus
7,2
6,7
5,1
3,8
Norovirus
16,9
12,8
unbekannt
3,1
Giardia lamblia
1,3
1,6
6,2
5,7
Cryptosporidium
2,0
1,3
6,2
5,7
1,1
1,0
3,8
2,5
48,8
44,7
39,0
50,2
Entamoeba
histolytica
Kein Pathogen
identifiziert
ETEC: EnteroToxische E. Coli; EAEC: EnteroAggregative E. Coli; EPEC: EnteroPathogene E. Coli; EIEC: EnteroInvasive E. Coli;
EHEC: EnteroHämorrhagische E. Coli; DAEC: Diffus-Adhärente E. Coli
Modifiziert nach Shah, DuPont, Ramsey 2009 – 51 Studien/1973–2004
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wobei sich die Infektion oftmals erst auf den
letzten Reisetagen manifestiert. Als zweithäufigstes Pathogen auf Kreuzfahrtschiffen
gilt ETEC – meist in Häfen auf der Reise an
Bord gebracht. Auf Langstreckenflügen erfolgt die Transmission vor allem über Toilettenbesuche Kranker, wobei das Angehen der
Infektion durch die geringe dafür benötigte
Pathogenmenge erleichtert wird.
In einigen Regionen der Welt – insbesondere
in Asien – verlangen auch Protozoen ätiologisch mehr Beachtung.
Rehydratation
Erste einfache wie auch wirkungsvolle Maßnahme bei akuter Diarrhoe ist der Flüssigkeits- und Elektrolytersatz durch eine primär orale Rehydratation – insbesondere bei
Kindern ist dies essentiell. Die ORS-Lösung
der WHO hat sich in diesem Zusammenhang
bewährt und nutzt den bei vielen Durchfallerkrankungen intakt bleibenden NatriumGlukose-Kotransport mit sekundärer Wasseraufnahme aus. Dies bewirkt neben einer
Verbesserung des Hydratationsstatus gleichzeitig eine Eindickung des Darminhaltes und
somit eine Verminderung des Durchfalls.
Die genau definierte ORS-Lösung (pro Liter
Wasser 13,5g Glukose, 2,6 g Natriumchlorid, 2,9 g Natriumbikarbonat [oder -citrat]
bzw. 1,5 g Kaliumchlorid) kann nachgeahmt
werden (1 Liter abgekochtes und abgekühltes Wasser + 8 TL Zucker [möglichst Traubenzucker] + 1 gestrichener TL Kochsalz +
ggf. ¾ TL Backpulver + ggf. 1–2 Bananen;
ggf. 100 ml Orangensaft zur Geschmacksverbesserung und für Kaliumzufuhr). Darüber
hinaus stehen auch Fertigpräparate für Erwachsene (Normhydral®) wie auch Kinder
(Normolyt®) zur Verfügung – speziell bei
Säuglingen und Kleinkindern empfiehlt sich
die Anwendung eines solchen speziell konzipierten Präparates.
Diät
Milchprodukte sollten weitgehend vermieden werden, da vor allem bakterielle und
virale Infektionen einen passageren Laktasemangel hervorrufen, welcher über die unverdaute Laktose zu weiteren Durchfällen,
Blähungen und voluminösen, schaumigen
Stühlen führen kann. Ebenso sollten Koffein
und Alkohol gemieden werden, da beide Frequenz und Volumen des Stuhlgangs erhöhen.
Eine Nulldiät ist unnötig und sollte vermieden werden. Stattdessen sollten die Patienten zur Aufnahme kurzkettiger Kohlenhydra-
ARZT & PRAXIS
te wie Kartoffeln, Reis, Nudeln, Bananen und
Suppen ermuntert werden. Zudem kann bei
ansonsten gesunden erwachsenen Patienten
ohne wesentliche Zeichen einer Dehydrierung eine adäquate Flüssigkeits- und Elektrolytbalance mit Limonaden, Suppen und
Salzstangen erreicht werden. Bei Patienten
mit drohender Dehydrierung bzw. Begleiterkrankungen ist jedoch eine gezielte orale
oder intravenöse Rehydrierung notwendig
(siehe oben).
Subsalicylat die meisten Daten vor – so
konnte in zahlreichen Studien eine relativ
rasche Reduktion der Diarrhoefrequenz gezeigt werden. Allerdings führte die Einnahme auch zu reversibler Schwarzfärbung von
Stuhl und Zunge. Wismut-Subsalicylat ist in
Österreich nicht zugelassen.
Symptomatische Therapie
Was die Adstringentien betrifft, so stellt
Tannin in verschiedensten Darreichungsformen eine interessante Option in der symptomatischen Therapie der Reisediarrhoe dar.
Tanninalbuminat (Tannalbin®) ist eine Gerbsäure-Eiweiß-Verbindung mit gerbender, adstringierender und sekretionshemmender Wirkung – dadurch werden Stuhlwassergehalt rasch
vermindert, Konsistenz gebessert und Stuhldrang
behoben. Das im geschädigten Darmepithel
enthaltene Eiweiß wird durch die allmählich
freiwerdende Gerbsäure gebunden und mit Bakterien bzw. Entzündungsstoffen innerhalb von
5–30 Minuten in das Darmlumen abgestoßen.
Dieser sich bei weiterer Anwendung wiederholende Vorgang führt zur Epithel-Neubildung.
Durch die adstringierende Tannin-Wirkung
soll ganz allgemein die resorptive Aktivität der
Darmmukosa herabgesetzt werden. Nach oraler
Aufnahme wird Tanninalbuminat nicht nennenswert resorbiert. Es ist schwer löslich und
wird nach oraler Aufnahme im Magen nicht
aufgespalten. Während der Darmpassage wird
Tannin im neutralen bis schwach alkalischen
Milieu allmählich freigesetzt. Zugelassen ist
Tannalbin® ab 6 Jahren.
Gelatine-Tannat (Tasectan®) stellt einen
Komplex aus Tanninsäure und Gelatine dar,
welcher den Magen unverändert passiert. Im
basischen Milieu des Dünndarms wandelt
sich dieser in ein Gel um, welches die Darmwand im Sinne eines Schutzfilms auskleidet.
Dies verhindert die Anhaftung von Bakterien
bzw. Viren an der Darmschleimhaut. Zudem
kommt es zur Komplexbildung mit Toxinen und
somit zu deren Neutralisation wie auch zur
Bindung von Entzündungsmediatoren. Darüber
hinaus wird die Elimination aller Komponenten
über den Stuhl gefördert. Die physiologische
Funktion der Darmschleimhaut wird wiederhergestellt, Darmflora und -motilität hingegen
werden nicht beeinflusst. Die Wirkung ist eine
mechanische und setzt rasch ein – so etwa in
einer Studie innerhalb von 12 Stunden. Der
Komplex wird nicht resorbiert und zeigt daher keine systemischen Effekte. Zugelassen ist
Tasectan® bereits ab < 3 Jahren.
Motilitätshemmer: Bekanntester Wirkstoff
ist das Opioid Loperamid. Dieses wirkt vorwiegend lokal (an den Muskelzellen der
Darmwand) und reduziert die propulsive
Peristaltik, verlängert die intestinale Transitzeit, erhöht Wasser- und Elektrolytresorption
bzw. den Analsphinktertonus, verändert aber
nicht die physiologische Darmflora.
Zugelassen ist Loperamid für Erwachsene und
Kinder ab 12 (Imodium®, Loperamid ratiopharm
akut®, Loperamid Sandoz®) bzw. 8 Jahren
(Enterobene®, Normakut®) sowie für Kinder von
2–8 Jahren (Imosec®). Erwachsene sollten dabei
als Erstdosis 4 mg und danach 2 mg nach jedem
ungeformten Stuhl einnehmen – pro Tag je nach
Präparat allerdings nicht mehr als 8/12/16 mg.
Zudem ist die Einnahmedauer auf 2 Tage beschränkt.
Loperamid wirkt schnell, aber nur symptomatisch. Geeignet ist es demnach als „Notfallsmedikation“ – es sollte aber von Laien nicht
kritiklos und insbesondere nicht zu lange
eingesetzt werden. Zudem ist diese Substanz
kontraindiziert bei Infektionen durch invasive Erreger mit Fieber und/oder Blutabgang.
Dem liegt die Sorge zugrunde, dass die Lähmung der Darmmotilität zu einer längeren
Verweildauer der Erreger im Intestinaltrakt
und somit zu verzögerter Keimelimination
bzw. Akkumulation von Toxinen mit Gefahr
eines toxischen Megakolons führt. Dies hat
verschiedentlich Experten dazu veranlasst,
im Falle einer Anwendung von Loperamid
eine Komedikation mit einem Antibiotikum
zu empfehlen. Darüber hinaus konnte für die
Kombinationstherapie aus Loperamid und
Antibiotika in mehreren Studien eine bessere
Wirkung gezeigt werden als für die jeweiligen Monotherapien – demnach wird von
verschiedenen Experten bei Antibiotikagabe
eine kurzzeitige Komedikation mit Loperamid
empfohlen.
Adsorbentien/Adstringentien: In der Gruppe der Adsorbentien liegen für Wismut-
Für andere Adsorbentien wie Kaolin, Pektin
oder medizinische Kohle liegen keine überzeugenden klinischen Studien vor.
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Fachkurzinformation siehe Seite 198
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Die Kombination aus Tanninalbuminat und
Ethacridinlactat mediiert über Letzteres zudem anticholinerge und spasmolytische Eigenschaften, ist in Österreich jedoch nicht
zugelassen.
Probiotika: Als wesentliche Wirkmechanismen gelten direkte antibakterielle Effekte
(Bakteriozine blockieren die Vermehrung
Gram-positiver wie auch -negativer Bakterien), eine Aktivierung des Schleimhautassoziierten Immunsystems (vermehrte IgAFreisetzung, Aktivierung der zellvermittelten
Immunität) sowie die Exklusion (in ausreichend hoher Konzentration Bildung eines
biologischen Schutzfilms auf der Schleimhautoberfläche; dieser verhindert die Bindung
pathogener Erreger an die Darmzellen). Ihre
Effektivität bei akuten Durchfallerkrankungen ist gut dokumentiert – Wirksamkeit und
Wirkeintritt der einzelnen Produkte sind allerdings unterschiedlich. In den aktuellen
Leitlinien zur akuten infektiösen Gastroenteritis der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung
(GPGE) werden Probiotika zur Therapie der
akuten Diarrhoe empfohlen. Dabei sollten
nur Probiotika-Stämme zum Einsatz kommen, die in RCT nachgewiesen wirksam waren – hohe Dosis und früher Einsatz scheinen sich günstig auszuwirken. Metaanalysen
zeigten unter Probiotika eine Verkürzung der
Durchfalldauer von 14–20 Stunden. Infolge
der stabilisierenden Wirkung auf die Darmflora macht darüber hinaus eine Probiotikagabe ergänzend zur antibiotischen Therapie
Sinn.
Zur Verfügung stehen als Arzneimittel Lactobacillus casei var. rhamnosus (Antibiophilus®;
ab Säuglingsalter), Lactobacillus gasseri + Bifidobacterium longum (Omniflora® ab 6 Jahren), Enterococcus faecium SF 68 (Bioflorin®,
Reflor®; Erwachsene und Kinder ab 12 Jahren;
laut Fachinformation liegen bei Kindern zwischen 2 und 12 Jahren Berichte über erfolgreiche Anwendungen vor, diese seien jedoch
durch klinische Studien noch nicht abgesichert) bzw. Saccharomyces boulardii (Yomogi®;
ab 2 Jahren).
Therapie von Übelkeit/Erbrechen: Hier hat
sich die Gabe von Metoclopramid (Metoceolat®,
Metogastron®, Paspertin®) bewährt.
Antibiotische Therapie
Chinolone, Rifaximin und Azithromycin
haben sich hinsichtlich Verkürzung der Dauer einer Reisediarrhoe als effektiv erwiesen.
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Ihre empirische Gabe ist nur bei schwerem
Verlauf (z. B. Hypovolämie, > 6 Stühle/Tag,
Dauer > 2–3 Tage, Risikoperson) und hierbei
insbesondere bei Vorliegen von Fieber und/
oder blutig-schleimigen Beimengungen angezeigt.
Laut De la Cabada und DuPont bestimmen in
erster Linie Region (und somit zu erwartendes Keimspektrum) sowie klinisches Bild die
Substanzwahl.
Chinolone sind dabei die am längsten diesbezüglich eingesetzten Antibiotika – sie wirken
schnell und erfassen ein breites Keimspektrum
einschließlich invasiver Enteropathogene. Zu
beachten sind allerdings Resistenzen in vielen
Reiseländern (z. B. Lateinamerika, Asien – v. a.
Indien) seitens verschiedener häufiger Durchfallerreger (z. B. bestimmte E. coli-Stämme,
Campylobacter, Shigellen etc.).
Als Dosierung werden etwa für Ciprofloxacin (Ciflox®, Ciprofloxacin „1A Pharma“®,
„Arcana“®, „Genericon“®, „Hexal“®, „Krka“®,
„Ranbaxy“®, „ratiopharm“®, „Sandoz“®, Cipromed®, Ciprostad®, Ciproxin®) 2 x 500 mg/Tag
(3–5 Tage) oder für Levofloxacin (Levofloxacin
„1A Pharma“®, „Actavis“®, „Bluefish“®, „ratiopharm“®, „Sandoz“®, Tavanic®) 1 x 500 mg/
Tag (3–5 Tage) empfohlen.
In der Behandlung unkomplizierter Reisediarrhoen (95 % der Fälle in Lateinamerika bzw.
Afrika sowie 90 % in Südasien) als vergleichbar effektiv zu den weiteren genannten
Antibiotika hat sich Rifaximin (Colidimin®)
erwiesen. Zugelassen ist es unter anderem
zur kausalen Behandlung von Reisediarrhoen
durch sensitive, nicht-invasive enteropathogene Bakterien bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren. Als Dosierung werden
2–3 x 200–400 mg (400–1200 mg/Tag) empfohlen – soweit ärztlich nicht anders verordnet, darf die Behandlungsdauer bei Reisediarrhoe 3 Tage nicht überschreiten. Rifaximin wirkt lokal im Darm – seine Resorption
ist vernachlässigbar und somit die Risiken für
systemische Nebenwirkungen bzw. Resistenzentwicklung gering. Aufgrund seiner fehlenden
systemischen Verfügbarkeit ist Rifaximin allerdings nicht geeignet für die Behandlung von
invasiven Infektionen.
Weder für Chinolone noch für Rifaximin
ist aufgrund des bislang Gesagten eine
Wirksamkeit gegenüber Campylobacter
wahrscheinlich – hier gilt Azithromycin
(Azithromycin „1A Pharma“®, „Actavis“®,
„Arcana“®, „Genericon“®, „+pharma“®,
„ratiopharm“®, „Sandoz“®, „Stada“®, Zi-
thromax®) als Antibiotikum erster Wahl.
Da dieses auch gegenüber verschiedensten
weiteren bakteriellen Verursachern invasiver Infektionen wirkt, scheint Azithromycin
etwa in Süd- bzw. Südostasien als Erstmedikation von Vorteil (invasive Erreger sind
hier häufig anzutreffen). Empfohlen wird
eine Dosierung von 1 x 500 mg/Tag (3 Tage)
bzw. von verschiedenen Autoren auch die
einmalige Gabe von 1000 mg.
Eine Antibiotika-Selbstmedikation bringt Vorund Nachteile mit sich – so steht die Möglichkeit eines raschen Therapiebeginns den Risiken
von nicht indizierter bzw. zu früh abgebrochener Behandlung sowie einer Resistenzentwicklung gegenüber. Je nach Reiseziel ist allerdings
die Mitnahme von zwei verschiedenen Substanzen sinnvoll – etwa von Ciprofloxacin oder
Rifaximin bei massivem wässrigem Durchfall
ohne Fieber oder Blutbeimengungen im Stuhl
sowie von Azithromycin bei Anzeichen einer
invasiven Erkrankung.
Hinsichtlich der gezielten Antibiotikagabe
gilt, dass Campylobacter-Infektionen auf
Azithromycin (1 x 500 mg/Tag über 3 Tage)
und Shigellosen darüber hinaus auch z. B.
auf Cipro- bzw. Levofloxacin sowie Salmonellosen auf die eben genannten Chinolone
ansprechen.
Die Protozoen Giardia lamblia und Entamoeba histolytica sprechen auf Metronidazol (Anaerobex®) in einer Dosierung von 3 x
500 mg/Tag über 10 Tage an.
Nicht indiziert hingegen ist eine Antibiotikagabe bei EHEC-Infektionen, da eine
Antibiotikagabe hier zu einer erhöhten Toxinfreisetzung durch geschädigte Bakterien
führt, was das Risiko für ein hämolytischurämisches Syndrom oder eine thrombotisch-thrombozytopenische Purpura deutlich
erhöht.
Prophylaxe
Diese ist vor allem notwendig bei besonders
Exponierten (z. B. Beschäftigte in Gesundheitswesen, Katastrophenhilfe, Flüchtlingscamps bzw. Projekten von Hilfsorganisationen), weiters solchen, für deren Tätigkeit
Diarrhoe inakzeptabel ist (z. B. Geschäftsreisende, Militär, Politiker) oder solchen, die
durch Diarrhoe besonders gefährdet sind
(z. B. Kleinkinder, chronisch Kranke, ältere
Reisende).
Darüber hinaus wurde der Diarrhoe wegen
ihres häufigen Auftretens auf Reisen und
ihrer engen Assoziation mit dem postinfektiösen Reizdarmsyndrom ganz allgemein
große Aufmerksamkeit gewidmet.
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Hygiene: „Koche es, gare es, schäle es oder
vergiss es“ – unbestritten wirksam, aber kaum
eingehalten. Dennoch: Ebenso wenig wie ein
Luxushotel vor der Akquirierung einer Reisediarrhoe schützt, scheint zumindest beim
Pauschaltourismus das Essverhalten einen
wesentlichen Einfluss auf die Inzidenz der Diarrhoe zu haben.
Chemoprophylaxe: Wismut-Subsalicylat –
viermal täglich in voller Dosierung verabreicht
– zeigte eine Protektionsrate von 65 %.
Auch die Kombination aus Tanninalbuminat
und Ethacridinlactat scheint einen relativ
hohen Schutz gegen Reisediarrhoe zu bieten
- in vergleichenden Untersuchungen betrug
er bis zu 38 %. Der schützende Effekt auf die
Darmschleimhaut scheint auch gegen invasive Erreger zu wirken.
Probiotika werden seit längerem in der
Reisediarrhoe-Prophylaxe diskutiert – Veränderung des Darmmilieus im Sinne eines
Infektionsschutzes und Erschwerung der
Ansiedlung pathogener Keime werden dem
zugrunde gelegt. Zur Prävention bieten sie
sich nicht zuletzt auch deshalb an, weil sie
unabhängig davon wirken, ob Bakterien oder
Viren potentielle Verursacher von akuten Diarrhoen sind, und weil sie bei Erwachsenen
wie auch Kindern gegeben werden können.
Sazawal et al. stellten in ihrer Metaanalyse unter verschiedensten Probiotika eine
Risikoreduktion hinsichtlich Reisediarrhoe
von 6–21 % fest. Generell reduzierte die
präventive Einnahme von Probiotika zudem
Erkrankungsschwere wie auch -dauer (um 1
–2 Tage) – wiederum zeigten sich allerdings
Wirksamkeitsunterschiede bei verschiedenen
Probiotika.
Resorbierbare Antibiotika wurden in den
70er- und 80er-Jahren eingesetzt (vor allem Doxycyclin und Chinolone) – 1985 wurde jedoch im Rahmen eines NIH-Konsensus
von einem solchen Vorgehen abgeraten, und
zwar nicht zuletzt wegen beobachteter Nebenwirkungen und bestehender Befürchtungen hinsichtlich Resistenzentwicklung.
Dies ist unter dem vernachlässigbar absorbierten Antibiotikum Rifaximin nicht zu befürchten. Darüber hinaus zeigten zwei Studien eine
Reisediarrhoe-Protektionsrate von 58–77 %
für junge Reisende von den USA nach Mexico.
Die prophylaktische Einnahme von Rifaximin
über 1 oder 2 Wochen hat zudem nur minimale Auswirkungen auf die Kolonflora.
Immunoprophylaxe: Hier nimmt der in Österreich bei Erwachsenen und Kindern ab 2 Jahren
zugelassene aktiv immunisierende Totimpfstoff
gegen Cholera (Dukoral®) einen besonderen
Stellenwert ein, da hiermit gleichzeitig ein
Schutz gegen das hitzelabile Toxin von ETEC
erreicht werden kann. Bei weitestgehendem
Fehlen von Nebenwirkungen liegt der Schutz
gegen Cholera bei 85 % und jener gegen
ETEC-induzierte Diarrhoen bei rund 70 %. Da
der Impfstoff schon seit 1992 in Skandinavien
zugelassen ist, liegen ausreichende Erfahrungen zu Reaktogenität und protektiver Effek-
tivität vor. Aufgrund der hohen Erregervariabilität beim Syndrom „Reisediarrhoe“ waren
die Erwartungshaltungen zur Effektivität der
Impfung eingeschränkt und wurden initial
auf rund 20 % geschätzt. Dies hat sich in der
Praxis jedoch nicht bestätigt – neueren Daten
zufolge liegt diese in einzelnen Studien sogar
bis zu 57 %.
Eine universelle Impfung gegen Reisediarrhoe gibt es allerdings aufgrund des
breiten Erregerspektrums nicht – abhängig
von Reiseziel und persönlichen Risikofaktoren werden jedoch weitere Impfungen (z. B.
gegen Salmonella typhi, Rotaviren etc.) empfehlenswert sein.
- mb -u
Literatur:
[1]De la Cabada Bauche J, DuPont HL: New Developments in Traveler´s Diarrhea; Gastroenterol Hepatol 2011; 7(2): 88–95
[2]Shah N, DuPont HL, Ramsey DJ: Global etiology of
traveler´s diarrhea: systematic review from 1973
to the present; Am J Trop Med Hyg 2009; 80(4):
609–614
[3]Feldmeier H: Reisediarrhö – häufigstes Problem
auf Fernreisen; Pharmazeutische Zeitung 29/2012
[4]Fux C: Infektiöse Diarrhoe; Infektiologische Konzepte 31.5.2012
[5]Allerberger F et al.: ABS-Group; Diagnose und
Therapie von Infektionskrankheiten im niedergelassenen Bereich und in Spitalsambulanzen – Diagnose und Therapie bei Durchfall; 2. Auflage 2011
[6]Jelinek T (Hg.): Kursbuch Reisemedizin – Beratung, Prophylaxe, Reisen mit Erkrankungen; Thieme Verlag 2012; 1. Auflage
[7]Högenauer C et al.: Reisediarrhoe; A & P 10/2011;
Themenheft Gastroenterologie
[8]Fachinformationen zu den aufgeführten Präparaten
Fachkurzinformation siehe Seite 187
193
194
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Gesundheitsgefährdung
durch den Eichenprozessionsspinner
(Thaumetopoea processionea Linné)
Es gehört zu den absoluten Wunschprojekten jedes medizinischen Forschers, ein ganzes Krankheitsbild erforschen zu
dürfen. Diese Möglichkeit bietet sich mir und meiner Arbeitsgruppe nun aufgrund eines hoch dotierten Forschungsauftrags des Umweltbundesamts Deutschland zur Untersuchung der Auswirkungen des Eichenprozessionsspinners auf
die Gesundheit des Menschen.
N
eben einer Risikobewertung sollen die
Epidemiologie der Krankheitserscheinungen, Nachweisverfahren der Noxe,
Aufklärung des Pathomechanismus der einzelnen Haut- und Schleimhautreaktionen,
Diagnosehilfe und Methoden effizienter Prävention wissenschaftlich untersucht werden.
Das Projekt ist auch deshalb so reizvoll für
mich, da es nur durch eine intensive interdisziplinäre Zusammenarbeit umzusetzen
sein wird. Neben verschiedenen medizinischen
Disziplinen (Umweltdermatologie, Allergologie und Immunologie, Public Health, Histopathologie) besteht eine enge Kooperation mit
dem Institut für Forstentomologie der Universität für Bodenkultur in Wien.
Der Eichenprozessionsspinner
als Gifttier für Mensch und Tier
All jenen, die den Eichenprozessionsspinner
(Fachbezeichnung: Thaumetopoea proces-
den. Die mikroskopisch kleinen, mit
sionea Linné) nur aus den Medien
Widerhaken versehenen Brennhaakennen, möchte ich dieses Gifttier
re enthalten ein Eiweißgift (Thaukurz vorstellen (Abb. 1). Der Eichenmetopoein) und sitzen auf Rüprozessionsspinner (EPS) ist ein
ckenelementen, welche als Spiegel
Vertreter der Familie der Prozessibezeichnet werden. Die Vertragung
onsspinner aus der Gattung Lepider Haare erfolgt passiv entweder
doptera. Lepidoptera sind im aduldurch Abstreifen oder durch den
ten Stadium nachtaktive Falter. NeWind. Setae haben ideale Flugeiben T. processionea kommen in Eu- Univ.-Prof. Dr.
genschaften, sodass sie zu perfekten
ropa noch zwei weitere Arten von Harald Maier
aerogenen Noxen werden. Alle geProzessionsspinnern vor: Der Pinisundheitlichen Auswirkungen durch giftige
enprozessionsspinner (Thaumetopoea pityLepidoptera auf Menschen (und Tiere) – sei es
ocampa) und der Kiefernprozessionsspinner
durch isolierte Setae, abgeworfene Raupen(T. pinivora). Allen drei Arten ist gemeinsam,
hüllen und Nester oder lebende Tiere – werdass sie gefürchtete Forstschädlinge sind
den als Lepidopterismus bezeichnet.
(allerdings an unterschiedlichen WirtspflanBei den dermatologischen Erscheinungen
zen), zur Massenvermehrung neigen und
stehen heftig juckende Hautreaktionen im
sich im Raupenstadium gegen ihre natürliVordergrund. In einer von uns untersuchten
chen Feinde mit Gifthaaren – sogenannten
Patientengruppe konnten wir drei verschiedene
Setae – zur Wehr setzen. Diese Gifthaare
Hautreaktionen identifizieren: 1. persistierende
können auch Menschen und Tieren – in ersentzündliche Knoten (Abb. 2), 2. toxisch-irritater Linie Weidetieren – zum Verhängnis wer-
Abb. 2:
¢
+
¢ä
Mit freundlicher Erlaubnis von John Wiley & Sons Ltd.
Abb. 1:
Lebenszyklus von T. processionea
ARZT & PRAXIS
Persistierende entzündliche Papeln bei einem
Kind, das bei einem Windstoß von
Setae wie von einem Pfeilhagel
getroffen wurde.
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tive Dermatitis (Abb. 3) und 3. Quaddelbildung
(Kontakturtikaria) (Abb. 4). Es wird aber auch
das Auftreten von anaphylaktischen Reaktionen diskutiert. Ob es tatsächlich zu solchen
potentiell lebensbedrohlichen Krankheitsbildern kommt, ist noch immer umstritten und
soll ebenfalls im Rahmen des Projektes untersucht werden.
Der EPS ist in erster Linie im östlichen österreichischen Bundesgebiet verbreitet. Allerdings reicht das Verbreitungsgebiet im
Westen bis nach Salzburg, wo es an starke
Befallsherde in Bayern anschließt, und im
Süden bis ins Grazer Becken. Neben geschlossenen Eichenwäldern befällt der EPS
auch lichte Waldränder, Baumgruppen und
einzeln stehende Eichen in Wohngebieten
und gewinnt damit Bedeutung für die urbane Bevölkerung. Sehr häufig kommt der
EPS aufgrund kleiner Epidemien bei Kindergarten- und Schulkindern, welche mit ihren
Aufsichtspersonen Ausflüge in befallene
Naherholungsgebiete unternehmen, in die
Medien.
Beim Eichenprozessionsspinner kommt es zu
periodischen Massenvermehrungen. Warum
diese stattfinden, ist bisher noch nicht eindeutig geklärt. Neben periodischen Phänomenen, die mit dem Zyklus von natürlichen
Feinden zusammenhängen, werden auch
mikroklimatische Veränderungen diskutiert.
Die Bundeshauptstadt Wien und das östliche Bundesgebiet waren in den 1990erJahren von dieser Situation sehr stark betroffen. Eine ähnliche Situation liegt derzeit
in Berlin sowie den Ländern Brandenburg
und Sachsen-Anhalt vor. Dies war auch der
Grund, warum das Umweltbundesamt dieses
Forschungsprojekt vergeben hat. Bei der Bewerbung hatte die österreichische Arbeitsgruppe die Nase vorne, da wir uns mit dem
Massenvermehrungsphänomen in Österreich
intensiv auseinandergesetzt und drei einschlägige Artikel in hochrangigen Fachjournalen publiziert haben.
1. Work-Package: Teilprojekt
„Methoden zur Risikobewertung“
und Teilprojekt „Epidemiologie der
Krankheitserscheinungen bei
Risikoberufen“
Während das erste Teilprojekt, nämlich die Risikobewertung, bereits voll im Laufen ist (Abb.
5), bereite ich derzeit die epidemiologische
Studie vor. Dabei soll prospektiv die Häufigkeit
des Auftretens von Haut- und Schleimhauterscheinungen, hervorgerufen durch die Gifthaare des EPS, bei Angehörigen von Risikoberufen
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Mit freundlicher Erlaubnis von John Wiley & Sons Ltd.
Abb. 3:
Toxisch-irritative Dermatitis
erforscht werden. Neben klassischen, exponierten Berufen wie Gärtner bzw. Forstarbeiter
zählen zu unserer Zielpopulation auch Lehrer
und Kindergartenpädagogen sowie Schul- und
Kindergartenkinder, deren Schulstandort bzw.
Kindergarten in einem Befallsgebiet liegt oder
die Ausflüge in befallene Parks oder Waldgebiete unternehmen. Als Kontrollgruppe dient
die Gruppe dieser Risikoberufe in einem Landstrich ohne EPS-Befall. Der sozialmedizinische
Aspekt wird durch qualitative Interviews Betroffener abgeklärt. Da keine der bekannten
Haut- oder Schleimhautreaktionen pathognomonisch ist, kann man von einer großen Dunkelziffer von Lepidopterismus-Fällen ausgehen.
Wir hoffen daher sehr auf die Unterstützung
durch die Kollegenschaft – insbesondere die
praktischen Ärzte, niedergelassenen Dermatologen bzw. Schul- und Arbeitsmediziner. Das
Forschungsprojekt soll ja neben dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn von Nutzen für
die tägliche Praxis im niedergelassenen Bereich
sein, um mit einem einfachen Algorithmus zur
richtigen Diagnose zu kommen, bei diagnostischen Problemen telemedizinische Hilfe von
einem Zentrum erhalten und zur Vorbeugung
die richtigen präventivmedizinischen Schritte
setzen zu können.
Die Unterstützung, welche wir uns erwarten, besteht in einer Sensibilisierung der
Risikoberufe und Zuweisung beim Vorliegen bestimmter Schlüsselsymptome an die
Universitätsklinik für Dermatologie in Wien
bzw. an das medizinische Zentrum, welches die Kontrollgruppe betreut. Es wurde
an der Wiener Klinik bereits jetzt eine Spezialsprechstunde eingerichtet, im Rahmen
derer die Patienten untersucht werden. Im
kommenden Herbst wollen wir die Studienzielgruppe durch Gestaltung einer eigenen
Website sowie durch einschlägige Informationsveranstaltungen auf die Studie
verstärkt aufmerksam machen. Die eigentliche Studie wird 2014 durchgeführt werden.
Auf die wissenschaftliche Herausforderung
und die notwendige Zusammenarbeit mit dem
niedergelassenen ärztlichen Bereich freue
Abb. 4:
Kontakturtikaria
ich mich, zusammen mit den Mitgliedern meiner
Arbeitsgruppe EPS (Univ.-Prof. Dr. Axel Schopf,
Forstentomologie, Ass. Prof. Dr. Tamar Kinaciyan
und Univ.-Prof. Dr. Erika Jensen-Jarolim, Immunologie und Allergologie sowie Univ.-Lektor. Dr.
Wolfgang Spiegel, Public Health). Wir hoffen,
schon bald die ersten Ergebnisse präsentieren
zu können. u
Literatur beim Verfasser
Abb. 5:
Mitarbeiter des Instituts
für Forstentomologie beim
Zählen von Gelegen in der Krone
eines Eichenbaums
Univ.-Prof. Dr. Harald Maier
Universitätsklinik für Dermatologie
Medizinische Universität Wien
Währinger Gürtel 18–20, 1090 Wien
E-Mail:
[email protected]
eichenprozessionsspinner@
meduniwien.ac.at
ARZT & PRAXIS
195
196
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Überaktive Blase –
Anticholinergika im Fokus
Basierend auf Daten aus sechs europäischen Ländern kann von einer Prävalenz von 12–17 % ausgegangen werden –
dennoch ist die überaktive Blase nach wie vor unterdiagnostiziert und -therapiert. Die Pharmakotherapie stellt eine
zentrale Säule der primär konservativen Therapie dar – als Mittel erster Wahl gelten Anticholinergika.
I
n der deutschsprachigen Leitlinie werden
Anticholinergika mit geringem Nebenwirkungsprofil unter Beachtung der Kontraindikationen zur medikamentösen Therapie der
überaktiven Blase empfohlen[1].
Anticholinergika gelten dabei als Mittel der
1. Wahl – und zwar als Mono- oder Kombinationsbehandlung mit anderen Optionen
(Östrogenisierung, Blasentraining, Physiotherapie [Biofeedback, Elektrostimulation]),
wobei Kombinationstherapien effektiver sind
als die Monotherapie [1].
Anticholinergika verbessern Symptome der
überaktiven Blase über zwei Mechanismen
– zum einen über eine kompetitive Hemmung der Acetylcholin-Bindung an Muskarinrezeptoren der Blasenmuskulatur (Folge:
Hemmung der Muskelkontraktion) und zum
anderen über eine Inhibition urothelialer
sensorischer Rezeptoren (Folge: Herabsetzung der afferenten Nervenaktivität) [2, 3].
Da Anticholinergika in unterschiedlichem
Ausmaß unverändert mit dem Harn ausgeschieden werden, dürfte ein Teil des Effektes
über direkten Urothelkontakt mediiert werden. Wenngleich sich dies bislang in klinischen Studien nicht auswirkte, so könnten
weitestgehend unverändert ausgeschiedene
Vertreter wie Trospiumchlorid dennoch von
Vorteil sein. Zudem würden sich solche Substanzen für eine direkte intravesikale Instillationstherapie eignen [2].
Für nachstehende Substanzen sind derzeit
folgende Präparate in Österreich zugelassen
und im Erstattungskodex aufgeführt:
• Oxybutynin: oral - DETRUSAN®, DITROPAN®,
OXYBUTYNIN „ERWO“®, „HEXAL“®,
„RATIOPHARM“®; transdermal - KENTERA®
• Solifenacin: VESICARE®
• Tolterodin: DETRUSITOL®, SANTIZOR®
(Retard-Präparat), TOLTERODIN „ACTAVIS“®,
„EASYPHARM“®, „PFIZER“®, „RATIOPHARM“®
• Trospiumchlorid: INKONTAN®, SPASMOLYT®,
URIVESC® (Retard-Präparat)
Verschiedene Anticholinergika (Solifenacin,
Tolterodin, Trospiumchlorid) sind in Österreich (auch) in oraler Einmal-Darreichungs-
ARZT & PRAXIS
form verfügbar; von Oxybutynin ist eine
transdermale Applikationsform erhältlich.
Die Wirksamkeit der Substanzen ist belegt
(NNT: 7) – zu den modernen Substanzen
liegen neuere und umfangreichere Studiendaten vor [1, 3]. Die Evidenz hinsichtlich
direkter Anticholinergikavergleiche ist hingegen weniger robust. Randomisierte Daten
sprechen für eine bessere Wirksamkeit der
„Extended release“(ER)-Formulierungen von
Oxybutynin bzw. Tolterodin gegenüber den
schnellwirksamen Formen. Zudem dürfte
Solifenacin vergleichbar effektiv sein wie
Tolterodin ER bzw. Fesoterodin effektiver als
letzteres. Allerdings scheint die Inzidenz von
Nebenwirkungen mit steigender Dosis zuzunehmen [3].
In einer Metaanalyse haben Chapple et al.
systematisch die Ergebnisse aus 83 randomisierten prospektiven Studien aufgearbeitet
mit folgender Schlussfolgerung: Antimuskarinika sind wirksam, sicher bzw. gut verträglich und verbessern die Lebensqualität.
Letzteres war unter Darifenacin, Fesoterodin,
transdermalem Oxybutynin, Propiverin ER,
Solifenacin, Tolterodin bzw. Tolterodin ER
oder Trospiumchlorid zu beobachten. Keine
einzige schwerwiegende Nebenwirkung trat
unter den untersuchten Anticholinergika
signifikant häufiger auf als unter Placebo.
Insgesamt wurde am häufigsten über Mundtrockenheit berichtet (29,6 % versus 7,9 %
unter Placebo), gefolgt von Pruritus (15,4
% versus 5,2 % unter Placebo) [4]. Empfehlenswert bei ersterem ist der Einsatz von
zuckerfreien Bonbons bzw. Kaugummis oder
anderen Sialogoga [2].
Als weitere erwähnenswerte Nebenwirkung
gilt Obstipation - diese vermag zudem Symptome der überaktiven Blase zu verstärken, da
eine volle Ampulla recti die Blasenkapazität
vermindert. Eine diesbezügliche Patientenberatung sollte Empfehlungen zu ballaststoffreicher Ernährung sowie zur eventuellen Verwendung geeigneter Laxantien beinhalten [2].
In der Vergangenheit immer wieder diskutiert
wurden auch zentralnervöse unerwünschte
Wirkungen wie Verwirrtheitszustände bzw.
kognitive Defizite, wofür vor allem ältere
Menschen gefährdet zu sein scheinen. Als
weitere diesbezügliche Nebenwirkungen
wurden etwa Schwindel, Benommenheit,
Müdigkeit, aber auch Schlaflosigkeit berichtet. Prädisponierend dürften sich dabei gerade im Alter eine reduzierte Metabolisierung
bzw. Elimination über Leber bzw. Nieren,
Veränderungen an den Muskarinrezeptoren,
Polypharmazie, aber auch zerebrovaskuläre
Insuffizienz oder andere die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke beeinflussende
Erkrankungen auswirken [2]. In diesem Zusammenhang dürften Trospiumchlorid sowie
Dari- bzw. Solifenacin von Vorteil sein – so
haben etwa randomisierte Studien für diese
Substanzen keine negativen Effekte auf die
Kognition bei älteren PatientInnen nachweisen können [2, 3].
So wird etwa in der deutschen PRISCUS-Liste
[5] zu (un-)retardiertem Oxybutynin bzw.
nicht-retardiertem Tolterodin festgehalten,
dass diese mit kognitiven Beeiträchtigungen
in Zusammenhang stehen und unerwünschte
anticholinerge ZNS-Wirkungen auftreten können. Weiterhin wird ausgeführt, dass unter den
genannten Substanzen sowie unter Solifenacin
Mundtrockenheit häufig als Nebenwirkung zu
beobachten sei. Bei älteren Menschen wird
daher in dieser Liste der alternative Einsatz
von Trospium sowie von nicht-medikamentösen Therapien (Beckenbodengymnastik, Physio- und Verhaltenstherapie) empfohlen.
Die vagolytische Wirkung auf das kardiovaskuläre System kann zu Veränderungen
von Herzfrequenz und Blutdruck führen.
Dementsprechend könnten M3-selektive
Anticholinergika bei PatientInnen mit vorbestehender Herzerkrankung von Vorteil sein,
allerdings ist dies bislang nicht klar untersucht [2].
Laut Claxton et al. scheinen neuere Antimuskarinika bzw. einmal tägliche Gaben besser
vertragen zu werden und sind möglicherweise wirksamer hinsichtlich einer Symptomverbesserung. Manche Anticholinergika
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Fachkurzinformationen siehe Seite 187 und198
198
f o r t bil d u n g
erlauben durch ihre flexible Dosierung eine
individuelle Titration [1]. Zudem dürften jene
PatientInnen mit Schluckschwierigkeiten
oder Nebenwirkungen unter oraler Gabe von
einer alternativen Applikationsroute (transdermal) profitieren [2].
Umfassende Daten zur jeweiligen Verträglichkeit bieten die Fachinformationen der
Präparate, da sie eine Übersicht zur Häufigkeit beobachteter unerwünschter Arzneimittelwirkungen bieten, geordnet nach den
jeweiligen Organklassen [1]. Einer besonderen Aufmerksamkeit bedürfen in diesem
Zusammenhang eingeschränkte Leber- bzw.
Nierenfunktion, Miktionsschwierigkeiten, Kontraindikationen, Schwangerschaft, Medikamenteninteraktionen sowie ältere Menschen
per se [3].
PatientInnen mit Kontraindikationen gegen
Anticholinergika sollten die bereits erwähnten konservativen Therapiealternativen angeboten werden [2].
Gerade in den ersten drei Monaten sieht man
bei vielen PatientInnen ein „Adhärenzprob-
lem“ - möglicherweise wegen der oft langsamen und in kleinen Schritten eintretenden Symptombesserung bzw. auftretender
Nebenwirkungen [2]. So sahen etwa Sexton
et al. Abbruchsraten von 43–83 % in den
ersten 30 Behandlungstagen [3]. Wesentlich
sind daher exakte Indikationsstellung und
Information bzw. Motivation der PatientInnen sowie engmaschige Verlaufskontrollen.
Darüber hinaus sind komplette „Heilungen“
selten und können (je nach Variabilität von
Lebensstil bzw. Flüssigkeitszufuhr) von nur
kurzer Dauer sein. Messbare Symptomverbesserungen (Reduktion der Miktionen/24
Stunden sowie der Episoden von Pollakisurie
bzw. Drang(Inkontinenz) können einerseits
manchmal bereits eine Woche nach Therapiebeginn eintreten, andererseits auch bis zu
12 Wochen auf sich warten lassen. Dementsprechend sinnvoll erscheint es, eine erste Erfolgsbeurteilung zunächst nach vier Wochen
vorzunehmen – wenn in diesem Zeitraum
sich die Symptome nicht adäquat rückgebildet haben und noch keine Nebenwirkungen
aufgetreten sind, kann die Dosis des jeweiligen Anticholinergikums hochtitriert werden.
Ein Therapieversagen auf eine oder mehrere
Substanzen dieser Klasse bedeutet nicht die
Wirkungslosigkeit der gesamten Substanzklasse - daher sind ein oder mehrere Wechsel
innerhalb der Klasse sinnvoll [2]. - mb -u
Literatur:
[1] Heidler H, Gauruder-Burmester et al.; Die überaktive
Blase - Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), Arbeitsgemeinschaft Urogynäkologie und Plastische Beckenbodenrekonstruktion (AGUB), Deutschen Gesellschaft
für Urologie (DGU), Arbeitsgemeinschaft Urogynäkologie und rekonstruktive Beckenbodenchirurgie
(AUB, Österreich), Österreichischen Gesellschaft
für Urologie, Arbeitsgemeinschaft Urogynäkologie
(AUG, Schweiz); Juni 2010; www.awmf.org
[2] Marinkovic SP et al.; The management of overactive
bladder syndrome; BMJ 2012; 344: e2365
[3] Robinson D et al.; Antimuscarinic drugs to treat
overactive bladder; BMJ 2012; 344: e2130
[4] Chapple CR et al.; The effects of antimuscarinic
treatments in overactive bladder: an update of
a systematic review and meta-analysis; Eur Urol
2008; 54(3) 543–562
[5] Holt S, Schmiedl S, Thürmann PA; PRISCUS-Liste
potenziell inadäquater Medikation für ältere
Menschen; Stand 1.2.2011: http://priscus.net
Fachkurzinformationen
Unidrox® 600 mg-Filmtabletten, 10 Stück
Zusammensetzung: 1 Filmtablette enthält 600 mg Prulifloxacin. Sonstiger Bestandteil: 76 mg Lactose/Filmtablette.
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Infektionen der unteren Harnwege, akute Exazerbation einer chronischen Bronchitis, akute bakterielle Rhinosinusitis.
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Patienten angewendet werden, bei denen die Symptome weniger als 4 Wochen dauern und wenn andere Antibiotika,
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keine Wirkung zeigten. Bei der Auswahl der antibiotischen Behandlung von Infektionskrankheiten beim Patienten,
sollte das lokale Empfindlichkeitsmuster von Antibiotika berücksichtigt werden. Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit
gegen den Wirkstoff oder gegen andere, verwandte Antibiotika des Chinolon Typs oder einen der sonstigen Bestandteile. Kinder vor der Pubertät oder Jugendliche unter 18 Jahren mit nicht abgeschlossener Skelettentwicklung. Patienten, in deren Anamnese Sehnenerkrankungen vorkommen, die mit der Verabreichung von Chinolonen verbunden
sind. Schwangerschaft und Stillzeit. Sonstige Bestandteile: Kern: Lactose-Monohydrat, mikrokristalline Cellulose,
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Infektionen der Harnwege. Gegenanzeigen: Bekannte Überempfindlichkeit gegenüber einem der Inhaltsstoffe von
Uro-Vaxom. Die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit von Uro-Vaxom wurden nicht geprüft bei Kindern unter 4 Jahren.
ATC-Code: G04BX – Andere Urologika. Zulassungsinhaber: OM Pharma SA, 22, rue du Bois-du-Lan, 1217 Meyrin 2/
Genf. Stand der Information: September 2006. Vifor Pharma
Voltadol® Forte Schmerzgel
Zusammensetzung: 1 Gramm Voltadol Forte Schmerzgel enthält 23,2 mg Diclofenac-Diäthylamin, entsprechend 2 %
Diclofenac. Hilfsstoffe: Butylhydroxytoluol, Carbomer, Coco-Caprylcaprat ,Diäthylamin, Isopropylalkohol ,Flüssiges
Paraffin, Macrogol-Cetostearylether, Oleylalkohol, Propylenglycol, Eukalyptus-Parfüm, Gereinigtes Wasser. Anwendungsgebiete: Voltadol Schmerzgel wird angewendet bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 14 Jahre: Zur lokalen
Behandlung von – Schmerzen durch Muskelverspannungen (u. a. auch bei Lumbago) – Schmerzen und Schwellungen nach stumpfen Verletzungen und Sportverletzungen (wie z. B. Verstauchungen, Zerrungen, Prellungen). Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff oder einen der in Abschnitt 6.1 genannten sonstigen Bestandteile.
ARZT & PRAXIS
Patienten, bei denen durch Acetylsalicylsäure oder andere nichtsteroideale Antiphlogistika/Antirheumatika (NSAR)
Anfälle von Asthma, Urtikaria oder akuter Rhinitis ausgelöst werden. Im letzten Schwangerschaftsdrittel und auf der
Brust stillender Mütter (siehe 4.6). Kinder und Jugendliche unter 14 Jahre (siehe 4.2). ATC-Code: Pharmakotherapeutische Gruppe: Nichtsteroidale antiphlogistische Zubereitungen zur topischen Anwendung, ATC-Code: M02A A15.
Abgabe: Apothekenpflichtig. Packungsgrößen: 100 g. Kassenstatus: No-Box. Zulassungsinhaber: Novartis Consumer
Health – Gebro GmbH. Weitere Angaben zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstigen Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit, Nebenwirkungen sowie Gewöhnungseffekten entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation. Stand: 02/2013
Xarelto® 15 mg / 20 mg Filmtabletten
Wirkstoff: Rivaroxaban. Vor Verschreibung Fachinformation beachten. Zusammensetzung: Wirkstoff: 15 mg / 20 mg Rivaroxaban. Sonstige Bestandteile: Mikrokristalline Cellulose, Croscarmellose-Natrium, Lactose-Monohydrat, Hypromellose,
Natriumdodecylsulfat, Magnesiumstearat, Macrogol (3350), Titanoxid (E171), Eisen(III)oxid (E172). Anwendungsgebiete:
Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei erwachsenen Patienten mit nicht-valvulärem Vorhofflimmern und einem oder mehreren Risikofaktoren, wie kongestiver Herzinsuffizienz, Hypertonie, Alter ab 75 Jahren,
Diabetes mellitus, Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke in der Anamnese. Behandlung von tiefen
Venenthrombosen (TVT) und Lungenembolien (LE) sowie Prophylaxe von rezidivierenden TVT und LE bei Erwachsenen.
Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Rivaroxaban oder einen d. sonst. Bestandteile; klinisch relevante akute Blutungen; Läsionen oder Situationen mit einem signifikanten Risiko einer schweren Blutung; gleichzeitige Anwendung von
anderen Antikoagulanzien außer bei der Umstellung der Antikoagulationstherapie auf oder von Rivaroxaban oder wenn
unfrakt. Heparin in Dosen gegeben wird, die notwendig sind, um die Durchgängigkeit eines zentralvenösen oder arteriellen Katheters zu erhalten; Lebererkrankungen, die mit einer Koagulopathie u. einem klinisch relevanten Blutungsrisiko,
einschließlich zirrhotischer Patienten mit Child Pugh B und C, verbunden sind; Schwangerschaft u. Stillzeit. Vorsichtsmaßnahmen und Warnhinweise: Eine klinische Überwachung in Übereinstimmung mit der antikoagulatorischen Praxis
wird während der gesamten Behandlungsdauer empfohlen. Die Gabe von Xarelto sollte bei Auftreten einer schweren
Blutung unterbrochen werden. Die Anwendung von Rivaroxaban wird nicht empfohlen bei Patienten: - mit einer schweren Nierenfunktionseinschränkung (Kreatinin-Clearance < 15 ml/min), - die zeitgleich eine systemische Behandlung mit
Wirkstoffen, die gleichzeitig stark CYP3A4 und P-gp inhibieren, z. B. Azol-Antimykotika oder HIV-Proteaseinhibitoren,
erhalten, - mit einem erhöhten Blutungsrisiko und, da keine Daten vorliegen, bei Patienten: - unter 18 Jahren, - mit künstlichen Herzklappen, - mit einer LE, die hämodynamisch instabil sind oder eine Thrombolyse oder pulmonale Embolektomie
benötigen, - die zeitgleich mit Dronedaron behandelt werden. Die Anwendung sollte mit Vorsicht erfolgen bei Patienten:
- mit erhöhtem Blutungsrisiko, - mit einer schweren Nierenfunktionsstörung (Kreatinin-Clearance 15–29 ml/min), - mit
einer Nierenfunktionsstörung, wenn gleichzeitig andere Arzneimittel eingenommen werden, die zu erhöhten Rivaroxaban Plasmaspiegeln führen, - die gleichzeitig auf die Gerinnung wirkende Arzneimittel erhalten, - die gleichzeitig starke
CYP3A4 Induktoren erhalten. Bei Patienten mit dem Risiko einer ulzerativen gastrointestinalen Erkrankung kann eine
prophylaktische Behandlung erwogen werden. Obwohl die Behandlung mit Rivaroxaban keine Routineüberwachung
der Exposition erfordert, können die mit einem kalibrierten quantitativen Anti-Faktor Xa- Test bestimmten RivaroxabanSpiegel in Ausnahmesituationen hilfreich sein. Für Patienten mit einer mittelschweren oder schweren Nierenfunktionsstörung sowie für Patienten mit einer TVT/LE, deren abgeschätztes Blutungsrisiko überwiegt gelten spezielle Dosisempfehlungen. Xarelto enthält Lactose. Nebenwirkungen: Häufig: Anämie, Schwindel, Kopfschmerzen, Augeneinblutungen,
Hypotonie, Hämatome, Epistaxis, Hämoptyse, Zahnfleischbluten, gastrointestinale Blutungen, gastrointestinale u. abdominale Schmerzen, Dyspepsie, Übelkeit, Verstopfung, Durchfall, Erbrechen, Pruritus, Hautrötung, Ekchymose, kutane und
subkutane Blutung, Schmerzen in den Extremitäten, Blutungen im Urogenitaltrakt, Nierenfunktionseinschränkung, Fieber,
periphere Ödeme, verminderte Leistungsfähigkeit, Transaminasenanstieg, postoperative Blutungen, Bluterguss, Wundsekretion. Gelegentlich: Thrombozythämie, allergische Reaktion, allergische Dermatitis, zerebrale und intrakranielle
Blutungen, Synkope, Tachykardie, trockener Mund, Leberfunktionsstörung, Urtikaria, Hämarthros, Unwohlsein, Anstieg
von: Bilirubin, alkalischer Phosphatase im Blut, LDH, Lipase, Amylase, GGT. Selten: Gelbsucht, Blutung in einen Muskel,
lokale Ödeme, Anstieg von konjugiertem Bilirubin, vaskuläres Pseudoaneurysma (gelegentlich beobachtet bei der Präventionstherapie nach einem ACS nach perkutaner Intervention). Häufigkeit nicht bekannt: Kompartmentsyndrom oder
(akutes) Nierenversagen als Folge einer Blutung. Inhaber der Zulassung: Bayer Pharma AG, 13342 Berlin, Deutschland.
Verschreibungs-/Apothekenpflicht: NR, apothekenpflichtig. Weitere Angaben zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln und sonstigen Wechselwirkungen, Schwangerschaft und Stillzeit und Nebenwirkungen sind der veröffentlichten Fachinformation zu entnehmen. Stand der Information:
November 2012
Jahrgang 67 | 996 | 2013
Pharma
Jahrgang 67 | 996 | 2013
Hilfe bei Spielsucht
Kostenfreies
Früherkennungs- und
Therapieprogramm
Immer mehr Österreicher suchen
ihr Glück im Spiel, wobei der Einsatz oft sehr hoch ist. Spätestens
wenn das Spielverhalten zwanghaft wird und trotz negativer
Konsequenzen für sich und das
soziale Umfeld fortgesetzt wird,
ist die Grenze vom harmlosen
Freizeitvergnügen zur Spielsucht
überschritten.
Zurzeit leiden etwa 1 % der Österreicher unter zwanghaftem Spielverhalten, auch Spielsucht genannt,
mit gravierenden Folgen für sich
und ihr soziales Umfeld. Diesen
Menschen bietet pro mente Oberösterreich in enger Zusammenarbeit mit der Nervenklinik Wagner
Jauregg (WJ) die „Ambulanz für
Spielsucht“, die den Betroffenen
ein kostenfreies Früherkennungsund Therapieprogramm bietet.
„Geldmangel herrscht nicht nur
bei den Spielern sondern auch bei
den Helfern, besonders in Zeiten
immer knapper werdender Mittel
der öffentlichen Hand. Daher sind
wir auf Sponsoren angewiesen, um
den Betrieb aufrecht zu erhalten
und freuen uns über die aktuelle
Unterstützung von Germania Pharmazeutika und der Germania Apotheke (team santé)“ so erklärt Prim.
Dr. Kurosch Yazdi, der Präsident
von pro mente Oberösterreich und
Leiter der Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen am WJ.
Nähere Informationen:
www.promenteooe.at/spielsucht;
www.germania.at
Von Links: Prim. Dr. Kurosch Yazdi (WJ,
pro mente), Mag. Georg Fischill, Dr. Karl
Nekrep (Germania Pharmazeutika) und
Prof. Univ.-Doz. Dr. Werner Schöny (pro
mente) bei der Spendenübergabe.
Bretaris® Genuair®
(Aclidiniumbromid)
NEU bei COPD
Bretaris® Genuair® ist ein langwirksamer Muskarin-RezeptorAntagonist (LAMA) zur Dauertherapie bei Erwachsenen mit
chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD). Die Inhalation
erfolgt zweimal täglich über
einen vorbefüllten, sofort einsatzbereiten Inhalator (Genuair®) mit
akustischem und optischem Feedback System.[1] Bretaris® Genuair®
zeichnet neben dem patientenfreundlichen Inhalator insbesondere eine Verbesserung der Tagund Nachtsymptomatik [1, 2] bei
COPD aus. Bei Nierenfunktionsstörung und älteren Patienten ist keine
Dosisanpassung notwendig.[1]
Nähere Informationen:
A. Menarini Pharma GmbH
Mag. (FH) Elisabeth Marschall
Pottendorfer Strasse 25–27/3/3/Top 1
1120 Wien; Tel.: 01 879 95 85-0
E-Mail: [email protected]
[1] Bretaris® Genuair® Fachinformation,
Stand März 2013
[2] Fuhr R. et al., Efficacy of aclidinium
bromide 400 μg twice daily compared
with placebo and tiotropium in patients
with moderate to severe COPD. CHEST
2012;141(3).745–52
Bretaris® Genuair® wird unter Lizenz von
Almirall S.A. vermarktet.
Alvesco®
Gezielte Therapie des
allergischen Asthma
Die Vermeidung von Allergenen ist
zumeist nicht möglich, die anti-inflammatorische Therapie mit inhalativen Corticosteroiden (ICS) bildet
deshalb nach wie vor die Basis der
Asthmatherapie. Die Bedeutung einer frühzeitigen entzündungshemmenden Therapie bei Asthma bronchiale konnte mehrfach bestätigt
werden. Zusätzlich kann die Verwendung von ultrafeinen Partikeln
die Inhalationseffizienz und somit
die anti-inflammatorische Wirksamkeit der Therapie erhöhen.[1]
Ciclesonide (Alvesco®) ist ein inhalatives Steroid und weist im Vergleich
zu anderen ICS (sowohl Monosubstanzen als auch Fix-Kombinationen
mit ß-Mimetika) mit nur 1,0 μm die
kleinste Partikelgröße auf.[2] Die
kleine Partikelgröße resultiert aus der
Formulierung als HFA-Suspensionsaerosol und ermöglicht eine hohe
Lungendeposition und eine Verteilung bis in die kleinen Atemwege.[3]
Nach allergen-induzierter Bronchokonstriktion zeigt Alvesco® bereits
in niedrigen Dosen und bei einmal
täglicher Gabe eine signifikante Reduktion sowohl der asthmatischen
Früh- als auch der Spätreaktion.[4]
Nähere Informationen:
Takeda Pharma Ges.m.b.H.,
Astrid Strohmeyer, Brand Manager,
[email protected]
[1] Wantke F: Wien Klin Wochenschr Educ
2011; DOI 10.1007/s11812-011-0010-2; [2] Van
den Berge et al.; Allergy 2013:68;16-26; [3] Nave
R, Mueller H: International Journal of General
Medicine 2013; 6: 99–107; [4] Gauvreau et al.:
J Allergy Clin Immunol 2005; 116: 285–91
ARZT & PRAXIS
ALVPR05131
Das neue Messgerät CONTOUR®
XT ist die neueste technologische
Entwicklung von Bayer auf dem
Gebiet der Blutzuckerselbstmessung. CONTOUR® XT ermöglicht
jetzt auf einfache Art und Weise
noch genauere Messergebnisse
zu erzielen als bisher und präzise
Entscheidungen im Rahmen des
Diabetesmanagements zu treffen.
Unterstützt werden die Präzisionsmessungen durch die neuen CONTOUR® NEXT Sensoren.
Contour® XT: Mehr Lebensqualität durch präzisere Messungen
dank Multi-Puls-Technologie
Das Blutzuckermessgerät CONTOUR®
XT ist zuverlässig, anwenderfreundlich und sofort einsatzbereit.
Das CONTOUR® XT Messgerät sowie die CONTOUR® NEXT Sensoren
verfügen natürlich über die No
Coding Technologie, so wie man
es von Blutzuckermessgeräten der
CONTOUR® Familie gewohnt ist.
Neu beim CONTOUR® XT Messgerät ist die Multi-Puls Technologie.
Durch die Multi-Puls-Technologie
werden sieben separate Impulse
innerhalb der Messzeit von nur
fünf Sekunden ausgelöst. Jeder
Impuls generiert dabei eine Vielzahl an Daten über die Blutprobe.
Diese Informationen
werden dann an
das CONTOUR®
XT weitergeleitet und ergeben
einen hochpräzisen Messwert.
Darüber hinaus wurde
auch die Technologie der Sensoren noch
weiter verbessert. Die neuen
CONTOUR® NEXT Sensoren sind
hochstabil gegenüber Umgebungs-
einflüssen und unterstützen somit
noch genauere Messergebnisse.
Blutzucker messen – Jederzeit.
In fünf Sekunden. Und noch
präziser.
Das Blutzuckermessgerät CONTOUR®
XT ist ohne Voreinstellungen einsatzbereit. Für eine präzise und verlässliche Bestimmung des Blutzuckerwerts reicht die geringe Menge von
0,6 µl Blut aus. Nach nur fünf Sekunden wird das präzise Messergebnis in
leicht ablesbaren und großen Zahlen
auf dem Display angezeigt.
Diabetes-Monitoring – einfach
und unkompliziert.
Im Zusammenspiel mit GLUCOFACTS® DELUXE, der innovativen,
leicht zu bedienenden und kostenlosen Diabetes-ManagementSoftware, wird aus dem CONTOUR®
XT ein digitales Tagebuch. GLUCOFACTS® DELUXE erleichtert die Auswertung von Blutzuckermesswerten
und unterstützt bei der Interpretation dieser Werte.
CONTOUR® XT - bereits
verfügbar! Sie möchten mehr
erfahren?
Kontaktieren Sie uns doch unter
der kostenfreien Servicehotline:
0800/220 110 oder per E-Mail:
[email protected].
Foto: © Pedro Salvadore
CONTOUR® XT – die neue
Dimension der Messgenauigkeit. Von Bayer.
Einfach. Und jetzt noch
präziser.
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Fachkurzinformation siehe Seite 187
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