In der eisigen Kälte von Taiga und Tundra Die Nenzen Eine mit einem dicken Pelzmantel bekleidete ältere Frau hält in ihren Armen ein ebenfalls in dicke Tücher und Stoffe eingewickeltes Kleinkind. Liebevoll lächelnd drückt die Frau mit dem geblümten Kopftuch das Kind an sich, um es so vor der eisigen Kälte zu schützen. Die beiden gehören zu dem Volk der Nenzen. Die Kultur der Nenzen Eine im Nordosten des europäischen Teils Russlands und im Nordwesten Sibiriens gelegene indigene Bevölkerungsgruppe sind die Nenzen. Mit 30.000 - 40.000 Menschen ist dieses Volk das größte verglichen mit anderen Naturvölkern im Norden Russlands. Die Nenzen erreichten ihr heutiges Siedlungsgebiet, das von der Kola-Halbinsel bis zur Taimyr-Halbinsel reicht, im ersten Jahrtausend unserer Zeitrechnung. Ihre Lebensweise orientiert sich in erster Linie an der Rentierzucht. Dementsprechend sind diese Tiere auch ihr wichtigstes Gut. Sie spannen sie vor ihre Schlitten, nähen Kleider aus ihrem Fell und ernähren sich natürlich auch von ihrem Fleisch. Wie viele andere Naturvölker, so sind auch die Nenzen eine starke Minderheit verglichen mit den Russen. Viele von ihnen leben in Autonomen Kreisen, wie russische oder früher sowjetische Verwaltungseinheiten genannt werden. Der Großteil Eine große Familie Auch heute halten noch viele Nenzen an ihren alten Traditionen fest und ziehen als Nomaden mit ihren Rentierherden durch die Weiten Sibiriens besiedelt den Autonomen Kreis der Nenzen, der in Nordwestrussland liegt und dessen Hauptstadt Narjan-Mar ist. Die Bezeichnung „Nenzen“ stammt von dem Naturvolk selbst und bedeutet so viel wie „Menschen“. Bis ins 20. Jahrhundert hinein wurden sie jedoch als Samojeden bezeichnet. Da die Wortteile „samo“ und „jed“ in der russischen Sprache jedoch „Selbst-Esser“ bedeuten, wurde dieser Name als abwertend empfunden, was schließlich zur Folge hatte, dass er nur noch sehr selten verwendet wurde und sich die Samojeden in Nenzen „umtauften“. Auch wurde der Begriff „Samojeden“ für verschiedenste Völker des nördlichen Sibiriens gebraucht und schloss somit andere Naturvölker wie die Nganasanen, Enzen oder auch die Selkupen, die allesamt Sprecher der samojedischen Sprachen sind, mit ein. Noch heute fasst man diese indigenen Völker unter dem Sammelbegriff „samojedische Völker“ zusammen. Das (bedrohte) Leben des russischen Naturvolks Bis heute lebt ein Großteil der Nenzen mit ihren alten Traditionen und Sitten. Viele von ihnen sind noch immer Rentierzüchter, Fischer und Jäger. Als Nomaden ziehen sie ständig von einem Ort zum nächsten, wobei in der Zwischenzeit viele von ihnen sesshaft geworden sind und von Gemüseanbau, Pelztierjagd, aber auch von Rentier- und Rinderzucht leben. Zu den sogenannten „Vollnomaden“ gehören auch die 1000-2000 Bewohner der schwer erreichbaren Jamal-Halbinsel im Westen Sibiriens. Diese Wald-Nenzen, wie sie genannt werden, ziehen in den Wintermonaten meist in Familienverbänden durch die südliche Taiga, während sie im Sommer durch die Tundra bis hin zur Küste des Polarmeeres ziehen. Ihre Rentiere sind natürlich immer mit dabei. Allgemein werden die Nenzen in zwei Gruppen unterteilt – die Menschen, die in der Tundra leben und die damit die Mehrheit bilden sowie die Nenzen in den Waldgebieten. Im Vergleich zu anderen westsibirischen Naturvölkern ist es den Nenzen am besten gelungen, ihre traditionelle Lebensweise, Sprache und auch Kultur zu behalten. So sprechen bis heute noch immer drei Viertel der Mitglieder dieses Volkes ihre Muttersprache, wobei es hier starke Unterscheide gibt, was die verschiedenen Regionen betrifft. Wie leider die meisten indigenen Völker so leben auch die Nenzen immer mehr mit der Gefahr, ihre traditionellen Werte zu verlieren. Die Bedrohung des Naturvolks geht hierbei in erster Linie auf die in ihren Gebieten sehr stark vorhandenen Öl- und Gasvorkommen zurück. So ist das Land der Nenzen beispielsweise für Deutschland und Europa der wichtigste Lieferant für Erdgas. Besonders die traditionelle Rentierzucht ist aufgrund der vermehrten Abholzung, der Vernichtung von Rentierweidegründen und der Zerstörung der Wanderwege in Gefahr. Doch viele der Nenzen setzen sich zur Wehr, wobei sie von der Organisation „Yasavey – Der den Weg kennt“ tatkräftig unterstützt werden. Maliza, Kopalchem und andere Traditionen Da es in Sibirien und Russland lange und vor allen Dingen sehr kalte Winter mit starkem Frost, Schneestürmen und Temperaturen bis zu minus 59 Grad Celsius geben kann, muss die Bekleidung der Nenzen an dieses raue Klima angepasst werden. Traditionell tragen die Männer als Teil ihrer Kleidung so zum Beispiel die so genannte „Maliza“, ein Anorak, der aus Rentierfell genäht wird. Die Kapuze sowie die an die Ärmel angebrachten Handschuhe sind angenäht, damit auch bei starkem frostigen Wind nichts verloren geht. Oft binden sich die Männer um ihre „Maliza“ einen Ledergürtel, an den sowohl ein Messer, ein Beutel für die Pfeife, ein Feuerzeug und früher auch eine Aufbewahrungsmöglichkeit für Schießpulver gehängt werden. Auch bei den Frauen gibt es bestimmte Kleidungsrituale. Oft sind die Mäntel, die sie tragen mit dem Fell von Polarfüchsen und Hasen, mit bunten Tüchern oder Perlenstickereien verziert. Auch sie tragen einen Gürtel, an den sie Kupferpfeifen, Ringe und Kupferfiguren hängen. Mittlerweile wird die traditionelle Kleidung von den Nenzen jedoch häufig nur noch an Festtagen getragen. Wie bereits erwähnt, ernähren sich die Nenzen vorrangig von Rentierfleisch, wobei dieses oftmals roh und noch blutig gegessen wird, da es durch die oft unmenschlichen Bedingungen in diesen Lebensräumen meist keine Möglichkeit zur Zubereitung gibt. Jedoch ist auch über einem Lagerfeuer angebratenes Rentierfleisch sehr beliebt, oftmals essen die Nenzen dazu verschiedene Arten von Nudeln. Während Reis und Gemüse fast gar nicht auf ihrem Speiseplan stehen, ist Brot, besonders Roggenbrot, sehr beliebt. Um frisch gewonnenes Rentierfleisch über lange Zeit haltbar zu machen, wird es in Salz eingelegt und später roh, geräuchert oder gedörrt gegessen. Konserven für Zeiten der Not oder als Hilfe für jemanden, der sich in der rauen Gegend verirrt hat, können aber auch aus speziell zubereitetem und über mehrere Jahre hinweg in Dauerfrostboden aufbewahrtem Rindfleisch, dem sogenannten „Kopalchem“ bestehen. Später wird dieses Fleisch in Streifen geschnitten und mit Salz verfeinert gegessen. Neben dem Rentierfleisch ernähren sich die Nenzen aber auch von Rind- und Schweinefleisch, von Meerestieren und dabei besonders von Fisch, der gekocht oder geschmort wird. Heißer Tee ist – mit Sicherheit auch aufgrund der eisigen Temperaturen – sehr beliebt bei dem Naturvolk, wobei die Nenzen auch Säfte und Kompott aus gesammelten Früchten herstellen. Larissa Disch, 13d