Erdbeben in Norddeutschland und Europa T. Dahm, B. Hofmann, A. Polster, M. Thorwart Institut für Geophysik, Universität Hamburg, Bundesstr.55, 20146 Hamburg, email: [email protected] Ungefähr 50 Erdbeben lösen pro Tag Bewegungen aus, die Menschen in der Nähe der Epizentren spüren. Alle paar Tage findet ein größeres Ereignis statt, das in einigen Fällen schwere Schäden verursacht. Erdbeben, die die Umwelt der Menschen verändern, haben seit jeher fasziniert. Vor etwa 100 Jahren begannen Seismologen diesem Phänomen mit Hilfe von Seismometern und Erdbebenstationen auf den Grund zu gehen. Eine dieser Erdbebenstationen steht in Bad Segeberg isoliert von den vom Menschen verursachten Störgeräuschen am Grund der Bad Segeberger Höhle (Abb.1). Diese Station gehört zu einem Netz von modernen Stationen in Deutschland, die gemeinsam in der Lage sind, seismische Wellen von Schadensbeben weltweit zu registrieren und diese Beben schnell zu lokalisieren. Die Station in Bad Segeberg ”lauscht” kontinuierlich nach Erdbebenwellen von entfernten, aber auch von lokalen Erdbeben. 350˚ 355˚ 0˚ 5˚ 10˚ 15˚ 20˚ 65˚ 65˚ Magnituden/Intensitäten > 5.5/7.0 Magnituden von 4.0 bis 5.5 Magnituden von 2.7 bis 4.0 Regionalnetz Zentraler Nordseegraben Abb. 1 Seismische Regionalnetz-Station in Bad Segeberger Höhle (BSEG) Heute weiß man, dass fast alle Schadensbeben tektonischen Ursprungs sind und in Schwächezonen an den Rändern von starren Erdplatten (Lithosphärenplatten) auftreten. An diesen Nahtstellen bewegen sich die Lithosphärenplatten gegeneinander und fokussieren, falls sie sich verhaken, große tektonische Spannungen. Bei einem Erdbeben, das durch eine kleine Instabilität in einer Tiefe zwischen etwa 5 - 20 km ausgelöst wird, bewegen sich die Erdschollen schnell gegeneinander, so dass die über Jahrhunderte aufgebauten Spannungen in wenigen Sekunden wieder abgebaut werden. Der Bruchvorgang des Bebens erzeugt Bodenerschütterungen und seismische Wellen, die die ganze Erde durchlaufen und von seismischen Stationen in der Nähe des Bebens und evtl. weit entfernt auf der ganzen Erde registriert werden (Abb.2). 60˚ 60˚ 55˚ 55˚ 50˚ 50˚ 45˚ 45˚ 350˚Niederrheinische 355˚ Bucht Werratal Oberrheingraben 0˚ 5˚ 10˚ Deutsch-Tschechische 15˚ 20˚ Grenzregion Abb. 3 Seismizität in Mitteleuropa, Historische Schadensbeben (Intensität I0 > 7) wurden von 800 bis 2000 n.Chr. erfaßt. Instrumentell aufgezeichnete Beben für Magnituden M > 2.7 seit etwa 1975. Neben den Intraplattenbeben ist Norddeutschland von natürlichen Einsturzbeben oder von vom Menschen ausgelösten Beben betroffen (Abb.4). Einsturzbeben können auftreten, wenn Wasser im Untergrund liegende Salzstöcke auslaugt und dadurch größere Hohlräume schafft, die plötzlich in sich zusammenfallen können. Beispiele sind Einsturzbeben im Westen von Hamburg oder in Lüneburg. Dieser Typ von Einsturzbeben ist in der Regel schwach, d.h. die seismischen Wellen werden nur wenige Kilometer weit verspürt. Da die Hohlräume aber häufig nur wenige Zehner Meter unter der Erdoberfläche liegen, kann es zu lokalen Schäden und Absackungen kommen. 5˚ 55˚ 6˚ 7˚ 8˚ 9˚ 10˚ 11˚ 12˚ km 0 13˚ 14˚ 15˚ 55˚ RGN 50 100 HLG 54˚ 54˚ BSEG Hamburg Bremen 53˚ ? ? Hannover IBBN Rh 52˚ CLZ ei n BUG Dusseldorf O RUE Berlin NRDL Amsterdam 53˚ GOR de r 52˚ Elb e Leipzig CLL 51˚ 5˚ 6˚ 7˚ 8˚ tectonic: M 1-2 M 2-3 M 3-4 M>4 Post-Zechstein Abb. 2 Seismogramme des Magnituden Ml = 3.4 Bebens am 19.05.2000 bei Wittenburg, aufgezeichnet in Bad Segeberg. Auf den drei Komponenten (Vertikal, N-S, O-W) sind die Einsätze der Primär- (P-) und Sekundärwelle (S-Welle) zu sehen. Tektonische Beben dieser Art finden an fast allen bekannten Plattengrenzen und Schwächezonen weltweit statt. In Europa betrifft das vor allem die aktiven Plattengrenzen in der Mittelmeerregion, die mitteleuropäischen Grabensysteme wie der Oberrheingraben und die Niederrheinische Bucht, sowie die Regionen aktiver Gebirgsbildung (Abb.3). In Norddeutschland gibt es keine Plattengrenzen und es treten vereinzelt schwache Beben innerhalb der tektonischen Platte auf (Intraplattenbeben). Aus historischer Zeit sind keine starken Schadensbeben für Norddeutschland bekannt. Die Zahl der instrumentell erfaßten Intraplattenbeben ist sehr gering. Beispiele sind das Wittenburg-Beben 2000 (M3.4), das Rostock-Beben 2001 (M3.4) oder das Dorum/Bremerhaven-Beben 2005 (M2.8). Aufgund der geringen, isolierten Seismizität von tektonischen Intraplattenbeben in Norddeutschland ist nicht zu erwarten, daß dort großflächige, aktive Schwächezonen existieren, die das Potenzial für sehr starke Schadensbeben haben. 9˚ 10˚ collapse: M 2-3 M 3-4 11˚ 12˚ 13˚ 14˚ 51˚ 15˚ induced/triggered: M 1-2 M 2-3 M 3-4 M>4 Zechstein Rotliegend Carbon Abb. 4 Erdbeben in Norddeutschland (tektonisch, induziert und Kollaps) zwischen 1000 und 2006. Gasfelder in unterschiedlichen Tiefenformationen (Zechstein, etc.) sind farbig markiert. Ausgelöste und induzierte Beben treten meistens im Zusammenhang mit Bergbau und Gas- oder Ölförderung auf. Durch die Entnahme von Fluiden oder Gas aus dem Boden können die Schichten mit dem porösen Speichergestein in sich zusammensacken. Das über- und unterliegende Sediment hält den Spannungslasten nicht mehr stand und es kommt zu einem ausgelösten Beben. Die meisten ausgelösten Beben dieser Art haben Magnituden kleiner als Ml < 5, wobei Ausnahmen möglich sind. Die Beben sind räumlich immer an Bergbau- und Förderregionen gekoppelt (Abb.4). Die Erdbeben bei Rotenburg (2004, M4.5) oder Soltau (1977, M4.0) traten ebenfalls in der Nähe von Gasfeldern auf und stehen daher in möglichem Zusammenhang zu den Feldern (Dahm et al., 2005). In Bergbauregionen wie bei Ibbenbühren oder im Ruhrgebiet treten induzierte Beben stark gehäuft auf (Abb.4). Referenzen DAHM, KRÜGER, STAMMLER, KLINGE, KIND, WYLEGALLA, GRASSO, (2005): The Mw = 4.4 Rotenburg, N-Germany, earthquake and its possible relationship with gas recovery. BSSA, submitted LEYDECKER, G. (2002): Erdbebenkatalog für die Bundesrepublik Deutschland mit Randgebieten für die Jahre 800 - 2001. – Datenfile http://www.bgr.de/quakecat