Hörgeräte und Cochleaimplantate

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Ausarbeitung
zum Vortrag im Rahmen des
Hauptseminars Experimentalphysik SS06 zum Thema:
Physikalische Grundlagen der medizinischen Diagnostik
Hörgeräte und
Cochleaimplantate
Von
Katharina J. Ollefs
Betreuer: Dr. Andreas Ney
Inhalt:
• Messgrößen / Skalen
1.1 Der Schall
1.2 Druck-Frequenzbereich der Akustik
1.3 Pegelmaße der Akustik
1.4 Psychophysische Größen
• Das Ohr
2.1 Das äußere Ohr
2.2 Das Mittelohr
2.3 Das Innenohr
2.4 Das Audiogramm
• Hörgeräte
3.1 Prinzipieller Aufbau
3.2 Bauarten
• Cochleaimplantate
•
Zukunftsausblick
2
1.1 Der Schall
Der vom Ohr registrierte physikalische Reiz ist der Schall. Schallwellen sind periodisch fortschreitende Dichtewellen
im Medium, eine longitudinale
Welle. Diese können z.B. durch
eine periodische Bewegung eines
Stempels erzeugt werden, wobei
die vor der Oberfläche des Stempels sitzenden Moleküle im Takt
XPHLQH6WUHFNHKLQ- und herbewegt werden. Als rücktreibende
Kraft wirkt die Elastizität, die jeder
Körper mit endlicher Kompressibilität
Abb.1 [1] Laufende Schallwelle in einem Rohr
besitzt. Solche Bewegungen pflanzen
sich in einem elastischen Medium wellenförmig fort. In der Abbildung auf der rechten
Seite sieht man eine Momentaufnahme einer Schallwelle in einem Rohr. Im FolgenGHQZLUGQXQGHU=XVDPPHQKDQJ]ZLVFKHQGHU9HUVFKLHEXQJ[WGHU0ROHNüle
und den dadurch verursachten Druck- bzw. Dichteänderungen im Medium berechnet.
'D]XZLUGDQJHQRPPHQGDVVVLFKGLH9HUVFKLHEXQJGHU0ROHNüle in x-Richtung
ZLHHLQHHEHQHKDUPRQLVFKH:HOOHDXVEUHLWHWPLW.UHLVIUHTXHQ]& Œ7XQG
:HOOHQ]DKON Œ [W 0 VLQ&W N[
-û9
1 û9
Aus der Definition der Kompressibilität: ˆ
folgt ûS S[W S0 ˆ 9
VûS
BeWUDFKWHWPDQHLQNOHLQHV7HLOYROXPHQ9 $û[GHU6FKDOOZHOOHPLWGHP4XHUVFKQLWW
A, dessen linke Begrenzung sich um ξ1 und dessen rechte Begrenzung sich um ξ2
während der Zeit ûWEHZHJHZREHLVLFKVHLQ9ROXPHQXP ∆V = A(ξ2 − ξ1 ) ≡ A∆ξ
1 A∆ξ
1 ∂ξ
ändert, so erhält man: ∆p = −
≈−
. Somit ergibt sich für die Druckänderung
κˆ A∆x
κˆ ∂x
1 ∂ξ(x,t) 1
bei der ebenen harmonischen Welle: ∆p = −
= kξ0 cos(ωt − kx) . Die Druckκˆ ∂x
κˆ
änderung wird auch als Schalldruck bzw. Schallwechseldruck p bezeichnet und ist
LQGHU*UDILNDXIJHWUDJHQ6LHLVWXPJHJHQüber der Elongation verzögert, was
∂ξ(x,t)
auch für die Schallschnelle ξ (x,t) =
= ωξ0 cos(ωt − kx) gilt.
∂t
M Nm pm
=
(mit pV=Nk b T) folgt für die
Mit der Dichte ρ = =
V
V
kBT
mkξ0
Dichteänderung: ∆ρ(x,t) =
cos(ωt − kx) .
κˆkB T
Die meisten Messgeräte messen den Effektivwert des Schalldruckes, also den
T
Schalldruck, gemittelt über eine Periode (T=1/f) : peff =
p
1 2
p dt = 0
∫
T0
2
3
ρ0 2 2 peff 2
ω ξ0 =
. Eine weitere be2
ρ0 υ2
zeichnende Größe einer Schallwelle ist die Intensität I der Welle, die auch als Schallp 2
stärke bezeichnet wird. Für diese gilt: I = ρE υ = eff . Aus der Energiedichte der
ρ0 υ
Schallwelle läßt sich auch die Amplitude der Auslenkung der Moleküle berechnen mit
1 2ρE
.
der Formel: ξ0 =
ω ρ0
Für die Energiedichte einer solchen Welle gilt: ρE =
1.2 Druck-Frequenz-Bereich der Akustik:
Einen Überblick über
die Druck- und Frequenzbereiche gibt die
auf der rechten Seite
befindliche Grafik. Der
effektive Druck in Pa ist
über der Frequenz aufgetragen, wobei oberhalb die entsprechende
Wellenlänge DQgegeben ist. Der schraffierte
Bereich ist dem Ohr als
Sinnesorgan zugänglich und somit für das
Folgende relevant.
Wie man erkennen
Abb.2 [1] Druck-Frequenz-'LDJUDPPWellenlänge in Luft,
kann, erstreckt sich der
peff Effektivwert des Schallwechseldrucks
dynamische Bereich des
Ohres über Frequenzen von 16Hz bis 20.000Hz und über einen Bereich des effektiven Wechseldruck von 2 ⋅ 10 −5 Pa bis 200Pa. Den Schall in dem Bereich, der dem Ohr
zugänglich ist, nennt man auch Hörschall. Die mit A, B und C bezeichneten Punkte
bilden die Eckpunkte des menschlichen Hörbereichs. Zu bemerken ist, dass bei A die
Amplitude der Auslenkung 6,6 ⋅ 10−3 m ist und bei Punkt B bei höherer Frequenz bei
gleichem effektiven Wechseldruck die Amplitude der Auslenkung nur 6,6 ⋅ 10−6 m beträgt. Den geringsten Wechseldruck nimmt das Ohr des Menschen bei 4000Hz
(Punkt C) wahr. Dort ergibt sich eine Amplitude der Molekülauslenkung von
nur 2,6 ⋅ 10−12 m , was geringer als der Atomdurchmesser der einzelnen Atome ist.
1.3 Pegelmaße in der Akustik:
Da sich der effektive Wechseldruck, wie in der vorigen Grafik zu erkennen war, um
bis zu sieben Größenordnungen ändert, werden Schalldruck und –intensität (und
damit verwandte Größen) oft nicht in absoluten Größen angegeben, sondern in logarithmisch reduzierten Pegelmaßen. Man spricht dann allgemein vom Schallpegel, der
I
folgendermaßen definiert ist: LI = a ⋅ log ; wobei a ein willkürlich festzusetzender
I0
Zahlenfaktor ist und I0 eine ebenfalls festzusetzende Bezugsintensität. Der Schallpe4
gel wird heute in der dimensionslosen Einheit Dezibel (dB) angegeben, oft mit dem
Zusatz SPL (sound pressure level), um diesen Pegel von anderen in der Physik üblichen Pegelmaßen abzugrenzen. (Ursprünglich wurde die Einheit Bel mit 1Bel=10dB
festgesetzt.)
Einige der gebräuchlichen Pegelmaße sind:
I
Schallintensitätspegel: LI = 10 ⋅ log
I0
p
Schalldruckpegel: mit I peff 2 folgt Lp = 20 ⋅ log eff
peff ,0
P
Schallleistungspegel: LP = 10 ⋅ log
P0
Typische Schallpegelwerte sind:
Schallquelle
L in dB
I in W/m²
p in Pa
Hörschwelle
0
2 ⋅ 10−5
10
10−12
10−11
Atmen
6,3 ⋅ 10 −5
Unterhaltung (1m)
60
10−6
2 ⋅ 10−2
PKW (10m)
70
10−5
6,3 ⋅ 10 −2
Autohupe (5m)
100
10−2
2
Düsenflugzeug (50m)
130
101
63
Großes Raketentriebwerk
(1m)
180
106
2 ⋅ 104
[1]
1.4 Psychophysische Größen
Die wahrgenommene Lautstärke ist nicht rein physikalisch festgelegt. Bei der Bestimmung sind Angaben einer Versuchsperson notwendig und hängen somit jeweils subjektiv von den physiologischen Besonderheiten der Person ab. Man hat es also mit
psychoakustischen Phänomenen zu tun. Zum einen ist die Empfindlichkeit unseres
Ohres, also die gerade wahrnehmbare Intensität, kompliziert frequenzabhängig. Zum
anderen führt eine Verdopplung der Schallintensität nur zu einer ca. 1,3-mal so großen (wahrgenommenen) Lautstärke. Allerdings wächst die Schallstärkeempfindung
annähernd mit dem Logarithmus der Schallintensität. Bereits im 19. Jahrhundert wurde von Ernst H. Weber und Gustav T. Fechner der heute als Weber-Fechner-Gesetz
bekannte Zusammenhang zwischen der psychophysischen Empfindungsstärke E
(dies ist in unserem Fall die Lautstärke Ln ) und der physikalischen Reizstärke (dies
I2
= CI (lnI2 − lnI1 ) .
I1
Für die wahrgenommene Lautstärke wurden zwei eigene Maßeinheiten eingeführt,
die die Frequenz- und die Intensitätsabhängigkeit beschreiben:
Die Lautstärke Ln wird in der Einheit Phon angegeben. Da die empfundene Lautstärke von der Frequenz abhängig ist, wird eine Schallquelle mit einem reinen Sinuston
bei 1kHz verglichen bis beide als gleich laut empfunden werden. Bei einer Schallist in unserem Fall die Intensität I) hergeleitet: ∆E ≡ E2 − E1 = CI ⋅ ln
5
quelle, die einen Ton der Frequenz 1kHz aussendet,
entspricht folglich der Zahlenwert der empfundenen
Lautstärke Ln dem Zahlenwert des Schalldruckpegels
Lp .
Da m Schallquellen, die alle jeweils eine Lautstärke
n haben, zusammen nicht n ⋅ m laut sind, wird dieser Nachteil der Phonscala, durch die zweite Größe der
Lautheit N kompensiert. Diese Größe wird in der Einheit Son angegeben. Bei 1kHz gilt: 1 Son=40 Phon.
Die weitere Beziehung der beiden Größen ist näherungsweise gegeben durch: N ≈ 2ß(Ln − 40) mit ß ≈ 0,01
Die Beziehung zwischen der Lautheit N und der Intensität I ist näherungsweise gegeben durch: N ≈ b 3 I
Abb.3 [1] Bei 1kHz: Lautheit N in
Anhängigkeit von Lautstärke
LN
2. Das Ohr
Das Ohr (lat. auris) wird häufig das Hörorgan genannt.
Streng genommen ist diese
Bezeichnung allerdings nicht
ganz korrekt, da der Sinneseindruck des Hörens erst im
Gehirn entsteht. Das Ohr
kann man grob in drei Bereiche einteilen: Das äußere
Ohr, das Mittelohr und das Innenohr.
2.1 Das Äußere Ohr
Abb.4 [2]
Schematische
Darstellung des Ohres
Das äußere Ohr besteht aus
der sogenannten Ohrmuschel
und dem äußeren Gehörgang.
Die Ohrmuschel besteht aus einem Knorpelgerüst, dass straff mit Haut
überzogen ist und ein charakteristisches Relief hat, das für jeden Menschen so individuell verschieden ist, wie der Fingerabdruck und im Normalbereich eine große Bandbreite an Variationen aufweist. Sie wirkt
sich als Hindernis für den von hinten einfallenden Schall aus und erzeugt zudem je nach Einfallsrichtung des Schalls eine spezifische Modulation des Frequenzgangs. Die Analyse dieser Modulation im Gehirn
ermöglicht uns so herauszufinden, wo sich eine Schallquelle befindet.
Abb.5 [3]
Dies wird als Richtungshören bezeichnet. Nur wenige Menschen sind in
der Lage, ihre Ohrmuschel zu bewegen, im Gegensatz zu den meisten Tieren, bei
denen die Beweglichkeit der Ohrmuscheln („Lauscher“) eine lebenswichtige Rolle zur
Ortung von Gefahr andeutenden Geräuschen spielt.
Eine Erkrankung der Ohrmuschel hat für das Hören als solches keine wesentliche
Bedeutung und selbst der Verlust, z.B. durch einen Unfall, hat für die einfachen Hörfunktionen kaum Folgen. Allerdings sind angeborene Missbildungen der Ohrmuschel
6
zu beachten, da diese häufig gemeinsam mit Missbildungen anderer Teile des Ohres
bzw. anderer Organe wie zum Beispiel der Niere oder des Herzens auftreten.
Der äußere Gehörgang stellt einen Tunnel dar, der durch den Schädelknochen zum
Mittelohr führt und von diesem durch das Trommelfell abgeschlossen ist. Er ist vollständig mit Haut ausgekleidet, die Drüsen enthält, welche den Ohrenschmalz (Cerumen) zur Desinfektion und Selbstreinigung produzieren. Im äußeren Drittel befindet
sich unter der Haut weiches Bindegewebe und Knorpel. Weiter innen liegt die Haut
fast direkt auf dem Knochen; dort ist die
Abb.6 [2] Isophone, Hörfläche und
Hauptsprachbereich (hell)
Gehörgangshaut stark schmerzempfindlich. Aufgabe des Gehörgangs ist
es, den von außen einfallenden Schall
zum Trommelfell und somit zum
Mittelohr zu leiten, die sogenannte
Luftleitung. Folglich hat eine Verengung oder Verlegung des äußeren
Gehörgangs einen großen Einfluss auf
das Hörvermögen einer Person. Der
äußere Gehörgang verhält sich wie
eine gedackte Orgelpfeife; er ist also
HLQ-Resonator. Die Resonanzen
lieJHQEHLXQGMit einer
Länge von ca. 2,5 cm ergibt sich für
die erste Resonanz:
c
λ
= 0,025m ⇒ λ = 0,1m m it f=
4
λ
⇒ f = 3430Hz
(die anderen Resonanzen ergeben
sich analog: f2 = 10394Hz und f3 = 17150Hz ). Erkennen kann man dieses resonante
Verhalten auch an einer besonderen Empfindlichkeit des menschlichen Gehörs in
diesem Bereich, wobei die dritte Resonanzfrequenz bereits am äußeren Ende des
Hörbereichs liegt. Der Hörbereich ist derjenige Intensitäts- und Frequenzbereich, der
dem Ohr als Sinnesorgan zugänglich ist. Dieser wird eingegrenzt, von zwei Isophonen; dies sind Kurven gleicher empfundener Lautstärke. Die niedrigste Isophone wird
auch als Hörschwelle bezeichnet.
2.2 Das Mittelohr
Das Mittelohr ist ein mit Luft gefüllter Raum,
in dem sich die drei Hörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel befinden. Diese
Konstruktion ist notwendig, da die Energie
des Schalls von dem Medium Luft in ein wäßriges Medium im Innenohr übertragen werden
muss.
Für Schall an Grenzflächen gilt allgemein:
Aus der Energieerhaltung folgt
I I
Ir + It = Ie ⇒ r + t = ρs + τs = 1 mit dem Reflexionsgrad ρs und dem
Ie Ie
Abb.7 [1] Mittelohr
7
Transmissionsgrad τs (früher Reflexionsvermögen und
Abb.8 [2]
Das
Transmissionsvermögen). Im Folgenden werden nun diese
beiden Größen berechnet, wobei nur der senkrechte Einfall Innenohr
betrachtet wird.
Es gilt der Impulserhaltungssatz: mξ e + mξ r = mξ t mit der Molekülmasse m und der Schallschnelle ξ , woraus mit ξ ↑↓ ξ folgt
e
r
⇒ ξ e − ξ r = ξ t mit der Beziehung
p
p
erhält man die Formel:
ξ 0 ≡ ωξ0 = 0 bzw. dem Ausdruck ξ =
ρ0 υ
ρ0 υ
1
1
(p e − p r ) =
p t . Der Term Z ≡ ρo υ heißt spezifische Impedanz
ρ01υ1
ρ02 υ2
eines Mediums.
Außerdem gilt an der Grenzfläche Kräftegleichgewicht, somit gilt für die auf das
Molekül wirkenden Schalldruckkräfte: Fe + Fr = Ft und mit F = p a mit dem Molekülquerschnitt a folgt: p
e
+ p r = p t . Setzt man dies in die obere Gleichung ein und
p2eff p2eff
p~r Z2 − Z1
formt um, so erhält man:
ergibt
=
≡ rp mit p~0 = peff 2 und I=
=
p~e Z 2 + Z1
Z
ρ0 υ
sich ein analoger Ausdruck für die Intensitäten: r =
2
p
p2eff ,r
p
2
eff ,e
=
Ir
. So erhält man für den
Ie
2
 Z − Z1 
I
Reflexionsgrad ρs ≡ r = rp2 =  2
 und für den
Ie
 Z2 + Z1 
2
 Z − Z1 
I
4Z2 Z1
Transmissionsgrad τs ≡ t = 1 − ρs = 1 −  2
. Mit den Werten der
 =
2
Ie
Z
Z
+
Z
Z
+
( 1 2)
1
 2
spezifischen Impedanz für Luft ZLuft = 4,16 ⋅ 10²
kg
und Wasser
m²s
kg
erkennt man, dass der Reflexionsgrad nahezu gleich eins ist.
m²s
Es würde nur ca.1% der Energie transmittiert. Im menschlichen Ohr werden allerdings ca. 60% der Schallenergie auf das Innenohr übertragen. Das liegt daran, dass
durch den anatomischen Aufbau der Gehörknöchelchen die Reflexion verringert wird.
Dies nennt man auch Impedanzanpassung und wird hauptsächlich durch zwei Mechanismen erzielt. Es gilt: pT A TlH = poF A oFlA . Zum einen ist der Hebelarm des Hammers ca. 1,3-mal so lang wie der des Amboss, sodass auf die Steigbügelfußplatte eine größere Kraft auf das Ovale Fenster auswirkt, als die Luft ursprünglich am Trommelfell ausübt. Zum anderen ist die Fläche der Steigbügelplatte ( A oF = 0,032cm2 )
Z Wasser = 1,48 ⋅ 106
deutlich kleiner als die Fläche des Trommelfells ( A T = 0,55cm2 ), sodass eine Druckerhöhung erreicht wird. [4]
Krankheiten wie Entzündungen oder Vereiterungen können dazu führen, dass die
Gehörknöchelchen geschädigt werden oder ein Überdruck entsteht, sodass das
Trommelfell dauerhaft überspannt ist und nicht frei schwingen kann. Außerdem können die Gehörknöchelchen durch ein Knalltrauma, also kurzzeitig sehr große Schalldrücke, beschädigt oder zerstört werden.
8
2.3 Das Innenohr
Das Innenohr besteht aus zwei Hauptteilen, dem vestibulären Labyrinth für das Gleichgewicht und der Cochlea, was der lateinische Ausdruck für Schnecke (Hörschnecke) ist, für die Schallverarbeitung. Diese Bezeichnung kommt daher, dass es sich um einen schneckenartig gewundenen Gang handelt, der beim Menschen ca. zweieinhalb Windungen aufweist. Sie ist, ebenso wie
die übrigen Teile des Innenohres, nahezu vollständig von KnoAbb.9 [5] Cochlea
chen umgeben.
Die Cochlea ist ein mechano- elektrischer Wandler, der die mechanische Energie
des Schalls in elektrische Impulse umwandelt. Um die Funktionsweise zu verstehen,
muss man sich zunächst mit der Anatomie befassen. Der Schneckengang besteht
aus drei Kanälen. Der mittlere häutige Gang wird Scala media (mittlere (Wendel-)
Treppe) oder Ductus cochlearis genannt und endet blind nahe der Schneckenspitze.
Sie wird durch die Reissner Membran und die Basilarmembran, auf der sich das Cortiorgan befindet, von den anderen beiden Gängen getrennt. Die beiden anderen Kanäle, Scala vestibuli (Vorhoftreppe) und Scala tympani (Paukentreppe) sind an der
Spitze durch ein Loch (Helikotrema) miteinander verbunden.
In der Abbildung auf
der rechten Seite
sieht man, wie eine
Druckübertragung
zwischen dem ovalen und dem runden
Fenster stattfindet.
Wie beim Mittelohr
beschrieben, erreichen das Innenohr
am ovalen Fenster
geringe Bewegungsamplituden
mit hohem Druck.
Diese Druckänderungen werden nun
von der Fußplatte des Steigbügels (Stapes)
Abb.10 [2] Schema von Mittelohr und Cochlea (entrollt)
an die Flüssigkeit im Innenohr (Perilymphe), die nahezu inkompressibel ist, weitergegeben (auch in geringem Maße an die
vestibulären Anteile) und dort weitergeleitet. Dies wirkt sich besonders auf die in der
Schnecke befindlichen Membranen aus, die elastisch sind und somit dem einwirkenden Druck nachgeben, so dass die Druckenergie zum Teil wieder in Bewegungsenergie umgewandelt wird. Die daraus resultierenden Bewegungen sind sehr kompliziert,
insbesondere, wenn man noch die Krümmung der Cochlea und die Reflexionen an
den knöchernen Wänden beachtet.
Georg Simon Ohm, dessen Name heute für Bezeichnung des elektrischen Widerstands bekannt ist, entwickelte die Theorie, dass das Ohr die akustischen Reize einer Frequenzanalyse unterzieht. Ihm war von dem französischen Mathematiker und
Politiker Baron Joseph de Fourier bekannt, dass man eine mathematische Funktion
als Summe von sinusförmigen Funktionen mit verschiedenen Frequenzen und Amplituden ausdrücken kann (Fourier- Analyse). Er stellte sich die Fourier- Analyse im Ohr
verwirklicht vor, sodass Schallreize in ihre (sinusförmigen) Komponenten zerlegt und
9
je nach Frequenz unterschiedlichen Nervenzellen als Reiz zugeordnet werden. Tatsächlich ist durch die Neurophysiologie bestätigt, dass jeder Hörnerv eine Bestfrequenz hat.
Hermann Helmholtz führte das Resonanzprinzip als Erklärung für die Frequenzanalyse im Innenohr ein. Nach seiner Annahme gerät die Basilarmembran je nach Frequenz an einer bestimmten Stelle in Resonanz, ähnlich der des Mittönens eines Musikinstruments. Dies wird auch als Helmholtzsches Orts-Prinzip genannt. Helmholtz
ging davon aus, dass die Basilarmembran aus quergespannten Fasern verschiedener Länge besteht. Diese Hypothese konnte in der Form allerdings nicht bestätigt werden, da die Basilarmembran wegen ihrer
gallertartigen Struktur nicht wie z.B. eine
Klaviersaite unter Spannung steht und bei
einem Druck auf die Basilarmembran mit
einer feinen Sonde eine kreisrunde anstatt
einer länglichen Delle in Richtung der mechanischen Spannung entsteht.
Erst durch Georg von Békésy, einen
amerikanische Physiker ungarischer
Herkunft, gelang eine genauere experimentelle und theoretische Beschreibung,
wofür er 1961 den Nobelpreis der Medizin
(„für seine Entdeckungen im physikalischen
Mechanismus der Erregung in der Schnekke des Ohrs“) verliehen bekam. Zunächst
entwickelte er eine Technik, um die
Schwingungen der Basilarmembran direkt
beobachten zu können, wozu er unter einem Mikroskop die Cochlea von Tieren
oder gerade Verstorbenen freilegte, diese
Abb.11 [6] a) Momentanbild der Auslenkung der
fortwährend mit einer Nährstofflösung spülBasilarmembran eines Säugers durch eine Wanderwelle
te und dabei mit Stroboskoplicht Filmaufb) Wanderwellen und deren Einhüllenden verschiedener
nahmen machte. Er beobachtete, dass
Frequenzen c) Oberer Teil der Einhüllenden der
Wanderwellen mittlerer Frequenz bei drei Schallpegeln
Schwingungen die ganze Schnecke hinaufziehen, aber je nach Frequenz an einer bestimmten Distanz vom Eingang ihr Maximum haben und sich innerhalb von ca. 10
Millisekunden nach dem Schallreiz auf der gesamten Länge ausbreiten. So erreichen
hohe Töne schon unmittelbar an der Schneckenbasis ihre maximale Wellenhöhe,
während tiefe Töne erst an der Spitze maximal werden.
10
Als Modell verwendete er eine
Plastikröhre, in der sich ein Gummistreifen befand, der zum Ende
hin breiter und dünner wurde.
Dies entspricht auch den realen
mechanischen Eigenschaften der
Basilarmembran, die an der Basis ca. 0,1mm und an der Spitze
ca. 0,5cm breit ist. Mit Zunahme
der Breite nimmt ihre Elastizität
ab und ihre Masse zu. Die Ortstheorie wurde dadurch gut bestätigt, allerdings geriet die ganze
Röhre trotz lokalen Maximums
mehr oder weniger in Schwingung. Anstatt dieses durch Stroboskoplicht sichtbar zu machen,
Abb.12 [2] Querschnitt durch die Cochlea
legte er seinen Unterarm der
Länge nach als neuronalen Empfänger auf die Membran und
Abb.13 [1]
verdeutlichte so die Besonderheit der neuronalen Verarbeitung,
Haarzellen eines
Frosches
denn obwohl jeweils die ganze Röhre in Schwingung versetzt
wurde, entsprach die Empfindung einer Reizung eines kleinen
Fleckes. Die sich im Innenohr ausbreitenden Wellen mit ihrer
charakteristischen Gestalt werden Wanderwellen genannt und
sind mit Oberflächenwellen in einem Wassergraben vergleichbar.
Wanderwellen sind wegen ihrer Größenverhältnisse graphisch
schlecht darstellbar, da die Basilarmembran ca. 33mm lang ist
und die Amplituden, die an Leichenohren gemessen wurden, nur
ca. eintausendstel Millimeter groß waren. Bei Ohren lebender
Menschen tritt kurz vor Verebben der Welle ein Schwingungsgipfel auf, der ca. um
den Faktor 100 größer ist als die Amplituden der Wanderwellen, die von Leichenohren bekannt waren. Dies lässt darauf schließen, dass eine aktive Bewegung stattfindet. Im Folgenden wird klar, dass die so genannten Haarzellen für diese Verstärkung
verantwortlich sind. Die Form des Maximums ist zudem noch abhängig von der Frequenz der Schwingung. So ist bei
Abb.14 [2] Querschnitt durch das Corti-Organ
Frequenzen unterhalb von 200Hz kein
scharfes Maximum mehr zu
erkennen, da
sich die Welle
direkt durch das
Loch am Ende
der Cochlea fortsetzt und die gesamte Membran
schwingt.
Grundsätzlich
werden Phaseninformationen der Welle von unserem Ohr nicht verwertet, sodass
zwei Töne, die sich nur in der Phase von einander abweichen, nicht unterschieden
werden können. Allerdings ist davon auszugehen, dass zusätzlich zu der
Frequenzanalyse noch eine zeitliche Analyse durchgeführt.
11
wird. Um zu verstehen, wie die Bewegung der Membran mit der EntstehAbb.15[2] Schematischer Ausschnitt der
Schneckentrennwand a) in Ruhe b) bei Auslenkung
ung von Nervenimpulsen zusammenhängt, muss man sich mit dem genaueren Aufbau der Cochlea befassen.
Dazu betrachtet man einen Querschnitt
durch die Cochlea nahe der Basis. Man
erkennt die drei Skalen. Die beiden äußeren Skalen (Scala vestibuli und Scala tympani) sind mit einer Perilymphe
genannten Flüssigkeit gefüllt. Der mittlere, häutige Schneckengang (Scala
media) ist mit einer Endolymphe genannten Flüssigkeit gefüllt und trägt auf
der Basilarmembran das Corti Organ
mit den Hörsinneszellen, den Haarzellen. Man unterscheidet zwischen äußeren und inneren Haarzellen, die sich
nicht nur in ihrer Anordnung (der
Mensch besitzt drei Reihen äußerer
Haarzellen und eine Reihe innerer
Haarzellen) und ihrem mikroskopischen Aufbau, sondern auch in
der Versorgung mit Nervenfasern, der Innervation unterscheiden.
Die Nervenfasern der äußeren Haarzellen teilen sich in zahlreiche Äste auf, die zu
Zellen in allen drei Reihen ziehen können, innerhalb derer sie wiederum mehrere Zellen versorgen können. Dabei wird immer nur jede zweite Zelle von derselben Faser
versorgt. Im Gegensatz dazu teilen sich die Fasern, die mit den inneren Haarzellen
verbunden sind, nicht in der Weise auf, sondern eine
Faser kontaktiert nur einige benachbarte Zellen und eine
Abb.16 [2]
Haarzelle wird von vielen Nervenfasern versorgt. Ca. 85% Rasterelektronenmikroskopie
der Stereozilien
der vom Corti-Organ zur zentralen Hörbahn führenden
Nervenfasern kommen von den inneren Haarzellen. Die
äußeren Haarzellen sind durch büschelartige Fortsätze,
30-150 Stereozillien (Sinneshärchen), mit der
Deckmembra
n (Membrana
Tectoria)
verbunden (in
Form einer
Adhäsion
durch vorwiegend aus
Kohlenhydraten bestehenden Schleim).
Eine Auf- und Abwärtsbewegung der
cochleären Trennwand führt zu einer
Abb.17 [2] Reizung und Hemmung der Stereozilien
Scherbewegung zwischen Tektorial- und
Basilarmembran, da diese an unterschiedlichen übereinander liegenden Orten
parallel aufgehängt sind, sodass das Corti-Organ verformt und die Stereozillien quer
zum Schneckengang hin- und hergebogen werden (Deflexion). Die Sinneshärchen
der inneren Haarzellen haben keinen direkten Kontakt zur Tektorialmembran und
12
werden durch den Sog, der in dem schmalen mit Perilymphe gefüllten Gang entsteht,
mitgebogen. Die Spitzen der Stereozilien sind mit einem nur im Elektronenmikroskop
sichtbaren Faden verbunden. Entscheidend ist nun, dass nur bei der
Einwärtsbewegung des Steigbügels eine Reizung erfolgt. Dies ist dadurch zu
erklären, dass die Sinneshärchen auf dem Corti- Organ orientiert sind, also in eine
Richtung immer länger werden, sodass nur bei der Auslenkung in eine bestimmte
Richtung ein Anspannen des Verbindungsfadens erfolgt. Durch dieses Anspannen
werden Ionenkanäle geöffnet. Die
Empfindlichkeit der Haarzellen ist
groß; die Reizschwelle liegt bei einer
Seitwärtsbewegung der Spitzen der
Stereozilien von 0,3nm also einem
Auslenkwinkel von ca. 0,003° und
bereits eine Seitwärtsbewegung um
100nm, was einem Auslenkwinkel von
1° entspricht, führt zu einer maximalen
Reizung.
Die beiden Flüssigkeiten Perilymphe
und Endolymphe unterscheiden sich
besonders in ihren elektrochemischen
Eigenschaften. Die Perilymphe ist ähnlich zusammengesetzt wie andere extrazelluläre Flüssigkeiten und enthält
eine hohe Natriumionenkonzentration.
Abb.18 [2] Endocochleäres Potential
Die Endolymphe, mit der die Scala
media gefüllt ist, ist reich an Kaliumionen (Kaliumionenkonzentration: 140mmol/l). Die
Stereozillien ragen in die Scala media und somit in die Endolymphe hinein, wohingegen die Haarzellen von Perilymphe umgeben sind. Das Zellinnere ist im Vergleich zu
seiner Umgebung stets negativ geladen; dies trifft auch auf die Haarzellen zu. So
liegt im Ruhezustand ein Ruhemembranpotential von 40mV (innere Haarzellen) und
70mV (äußere Haarellen) an.
Zudem ist die Endolymphe gegenüber
der Perilymphe positiv geladen
(+85mV), weil Zellen in der Außenwand
der Scala media, der Stria Vascularis
aktiv Kaliumionen in die Endolymphe
pumpen (Kaliumpumpe). Dieses ständig vorhandene Potential wird auch
endocochleäres Potential genannt.
Über die Stereozillien liegt deshalb eine
außergewöhnlich hohe, transmembrale
Potentialdifferenz von 155mV an. Diese
besondere Eigenschaft des Innenohrs
beschleunigt den Einstrom der Kaliumionen durch die geöffneten apikalen Ionenkanäle bei Reizung der Stereozillien. Dies führt zu einer Depolarisation der Zelle (nur bei den inneren
Haarzellen). Dieses sich verändernde
Potential wird Rezeptorpotential geAbb.19[2] Transduktionsschritte der Haarzellen
nannt und kann mit Mikroelektroden
13
gemessen werden. Es führt in den inneren Haarzellen zur Freisetzung afferenter
Transmitter (vermutlich Glutamat), wodurch ein postsynaptisches Potential in den afferenten Hörnervenzellen entsteht, das zu Nervenaktionspotentialen führt. Bei den
äußeren Haarzellen führt die Depolarisation zur Kontraktion der Zellen (siehe aktive
Verstärkung der Bewegung der Cochleären Trennwand).
Gleichzeitig erhöht sich durch die Depolarisierung die Wahrscheinlichkeit dafür, dass
sich kaliumspezifische Ionenkanäle in der laterobasalen Zellwand (bei den äußeren
Haarzellen sind es z.B. Typ- C- Kanäle) öffnen und Kaliumionen in die Scala tympani
fließen, wodurch es zur Repolarisation der Zelle kommt. Diese Ionenkanäle können
durch patch- clap Elektroden direkt an der Zellmembran lebender Zellen untersucht
werden. Folglich elongieren die äußeren Haarzellen und die inneren beenden die
Transmitterfreisetzung.
Die elektrischen Phänomene im Innenohr führen
zu klinisch messbaren Reizfolgepotentialen: Zum
einen dem Mikrophonpotential, das, wenn es
verstärkt und einem Lautsprecher zugeführt wird,
eine sehr realitätsgetreue Wiedergabe des ursprünglichen Schallreizes erzeugt (daher der
Name) und zum anderen dem Aktionssummenpotential. Zudem kann der Hörnerv auch klinisch
elektrisch gereizt werden (-> Indikator für Cochleaimplantat).
Wegen der elektrischen Kapazitäten und Widerstände des Innenohres ist eine Ansprechzeit von
ca. 5ms zu erwarten. Allerdings hätte das zu Folge, dass bei Frequenzen oberhalb von einigen
tausend Hz kaum eine Analyse stattfinden könnte. Da allerdings Töne mit Frequenzen bis zu
20000 Hz verarbeitet werden können und auch
Abb.20[2] Mikrophonpotential und
Mikrophonpotentiale dieser Frequenzen abgeSummenaktionspotential nach einem kurzen
nommen werden können, muss die Ansprechzeit Schallreiz (Ableitung am Promotorium)
kleiner sein. Wie diese kürzere Ansprechzeit genau zustande kommt, ist aber noch
Gegenstand der Forschung.
Die aktive Reaktion der äußeren Haarzellen führt zu einem anderen Phänomen, den
otoakustischen Emissionen (OAE). Wird das Ohr eines Probanden akustisch gereizt,
so können nach einer kurzen zeitlichen Latenz von wenigen Millisekunden im Gehörgang Schwingungsenergien im Rhythmus der erregenden Frequenzen detektiert werden. Auch die verschiedenen Differenztöne können abgeleitet werden (welche eventuell für die nichtlinearen Analysemethoden des Ohres von Bedeutung sind). Diese
Art der otoakustischen Emissionen nennt man auch evozierte otoakustische Emissionen (EOAE). Diese entstehen nur bei funktionstüchtigen äußeren Haarzellen und
können somit auch als Indikator für ein intaktes Innenohr dienen, da bei einem Hörverlust von mehr als 25-30 dB diese nicht mehr detektierbar sind. Da bei hohem
technischen Aufwand die Registrierung der EOAE relativ einfach ist, wenig Zeit erfordert und somit bei allen Personen durchführbar ist, die sich einen Stöpsel ins Ohr
stecken lassen, wird dieses Verfahren besonders bei Kindern und Säuglingen gerne
angewandt. Hinzu kommt, dass kindliche Hörstörungen weitaus überwiegend, soweit
sie ihre Ursache nicht im Mittelohr haben, cochleär bedingt sind und somit der Nachweis von EOAE eine schwerwiegende Hörbehinderung mit hoher Wahrscheinlichkeit
ausschließt. Da ein funktionstüchtiger Trommelfell-Gehörknöchelchen-Apparat eine
14
Grundvoraussetztung für die Ableitbarkeit von otoakustischen Emissionen ist schließt
die Abstrahlung von OAE eine Schallleitungsschwerhörigkeit aus.
Zusätzlich zu den besprochenen evozierten otoakustischen Emissionen sind aber bei
ca. 50% der Normalhörenden so genannte spontane otoakustische Emissionen detektierbar, deren Ursachen noch nicht vollständig geklärt sind.
Die Funktion des Innenohres kann durch eine Lärmbelastung (längere Einwirkung
höherer Schalldrücke auf das Ohr) oder durch ein Knalltrauma (kurzfristige sehr hohe
Schalldrücke z.B. bei einer Explosion) geschädigt werden. Außerdem können virale
Infekte, wie beispielsweise die Meningitis (Hirnhautentzündung) Innenohrschäden
hervorrufen. Auch Medikamente z.B. Schleifendiuretika (harntreibende Mittel) können
als Nebenwirkung die Stria vascularis blockieren, was zu einem Zusammenbruch des
endolymphatischen Potentials und so die Transduktion des Reizes blockiert und zu
einer Innenohrschwerhörigkeit führt.
Eine Funktionsstörung des Innenohrs kann mit einem normalen Hörgerät nicht ausgeglichen werden kann.
2.4 Das Audiogramm
Die Funktionstüchtigkeit des Ohres wird vom Arzt durch ein sogenanntes Audiogramm beurteilt. Bei der Schwellenaudiometrie wird die Hörschwelle des Ohres
gemessen, also die niedrigste Isophone. Da die gekrümmte Hörschwellenkurve für den klinischen Alltag
unpraktisch ist, hat man die beim Durchschnitt gesunder
Jugendlicher messbare Hörschwelle als 0 dB HV (Hörverlust) willkürlich festgelegt. Die Schwelle, die bei Luftleitung gemessen wird, ist
rot eingezeichnet und die
Schwelle, die bei Knochenleitung gemessen wird, ist
gelb eingezeichnet. Wie
man erkennen kann, liegen
beim gesunden Ohr beide
Kurven übereinander. Bei
verschlossenem Gehörgang
ist die Knochenleitung unverändert und sorgt dafür,
dass wir trotzdem noch hören können. Die Luftleitung
weist einen Hörverlust von
ca. 20dB auf. Bei fehlendem
Trommelfell und Gehörknöchelchen kann man bereits
einen sehr massiven Hörverlust von 40 dB bei der
Luftleitung erkennen; da das
Innenohr nicht betroffen ist,
ist die Knochenleitung wie
erwartet unverändert (airAbb.21[2] Tonschwellenaudiogramm
bone gap). Nach einer
Schädigung des Innenohrs sind sowohl die Luftleitungs15
schwelle als auch die Knochenleitungsschwelle stark heruntergesetzt; es liegen also
typischerweise 40 bis 50 dB Hörverlust vor.
Es kann allerdings auch oberhalb der Hörschwelle Hörprüfung vorgenommen werden. Es wird dann beispielsweise die Schmerz- oder Unbehaglichkeitsgrenze
gemessen.
3. Hörgeräte
Breits in der Antike und im Mittelalter verwendeten Menschen mechanoakustische Hörhilfen, wie
Hörfächer oder Hörrohre. Eine
nennenswerte Verbreitung wurde
Abb.22 [7] Hörrohr von Beethoven
allerdings erst im 17. Jahrhundert
im Zuge der Industrialisierung und somit der seriellen Herstellung möglich. Die
mechanischen Hörhilfen waren danach noch ca. 400 Jahre in Gebrauch, bevor die
ersten elektro-akustischen Hörhilfen auf den Markt kamen, die Kohlemikrophone
verwendeten. Schon ca. 45 Jahre später wurden diese von Geräten mit Röhrenverstärkern verdrängt, die ca. 25 Jahre den Markt beherrschten. Mit der Halbleitertechnik wurde dann ein neuer Innovationsschub eingeleitet. 1952 fanden erstmals Transistoren in Hörgeräten Verwendung. Eine solch rapide Entwicklung setzt sich bis
heute fort; so wurden 1995 die ersten Hörgeräte mit Mikrochip und digitaler Verstärkertechnik eingeführt.
3.1 Prinzipieller Aufbau
Hörgeräte sind im medizinischen Sinne keine Behandlung mit dem Ziel einer Heilung
oder Besserung des vorhandenen Leidens, in diesem Fall der Hörstörung, sondern
stellen lediglich eine prothetische Versorgung dar. Sie sind elektroakustische Verstärker zum Ausgleich verminderten Hörvermögens bei Schwerhörigkeit.
Grundsätzlich sind alle Hörgeräte aus ähnlichen Bauteilen aufgebaut.
Vorstufen
Endstufen
(nach Güttner))
(Gleichrichter) Abb.23[8] Zeichnerisches Schema eine Hörgerätes
Sie bestehen aus einem Mikrofon, das den Schall aufnimmt und in ein elektrisches
Signal umwandelt, einem Verstärker, der das Signal analog oder digital verstärkt, und
einem Lautsprecher, der als Hörkapsel oder auch kurz als Hörer bezeichnet wird,
und den verstärkten Schal wieder abgibt. Anstatt eines Lautsprechers können je
nach Bauart auch ein Vibrator oder Elektroden für die Übertragung des Reizes eingesetzt werden. Eine wesentliche Ergänzung des Hörgerätes für den Gebrauch ist die
Otoplastik, das Ohrpassstück, ohne das die Benutzung als individuelle Hörhilfe nicht
möglich ist. Die Stromversorgung erfolgt über Knopfbatterien, die je nach eingebauter
Technik und benötigten Verstärkungsgrad drei bis vier Wochen halten. Viele Patienten tragen ihre Hörgeräte auch nachts um etwa auf Geräusche reagieren zu können.
Moderne Hörgeräte verstärken Frequenzen von ca. 200-7000Hz, wobei die Verstärkung nach den hohen Frequenzen gewöhnlich etwas ansteigt. Die Frequenzcharakteristik ist bei verschiedenen Eingangspegeln und bei verschiedenen Stellungen des
Lautstärkereglers etwas unterschiedlich. Durch Klangblenden, Wahl der Hörer und
Manipulationen am Ohrpassstück kann die Frequenzkurve verändert und der Hörver16
lustkurve des Patienten angenähert werden. Für sehr geringe Hörreste in den tiefen
Frequenzen wurden spezielle Tieftongeräte mit einem großen Verstärkungsgrad entwickelt. Solche Geräte, die eine besonders starke Verstärkung ermöglichen, werden
auch als „Super-Power“- Geräte bezeichnet. Die Verstärkung im Hörgerät wird durch
eine elektro-akustische Erscheinung begrenzt: die Rückkopplung. Diese macht sich
durch ein Pfeifen des Gerätes bemerkbar und entsteht dadurch, dass ein Teil des
vom Hörer abgegebenen Schalls wieder auf das Mikrofon trifft, erneut verstärkt und
abgestrahlt wird usw. Zur Rückkopplung kommt es stets, wenn das eingeschaltete
Gerät aus dem Ohr genommen wird. Bei hohen Schallpegeln im Gehörgang kommt
es unweigerlich durch eine nicht zu verhindernde Undichtigkeit des Ohrpassstücks
und zum Teil auch direkte Körper- oder Knochenschallleitung zu einem Austreten
des Schalls aus dem Gehörgang und damit zur Einwirkung auf das Mikrofon. (Dies
ist besonders bei den im Folgenden besprochenen Bauarten, den HdO- und IOGeräte, nach wie vor ein Problem)
3.2 Bauarten
Man Unterscheidet zwischen volldigitalen Geräten, digital-programmierbaren AnalogGeräten, digitalen Hörgeräten mit Trimmer und Analoggeräten.
3.2.1 Hinter- dem- Ohr Geräte
HdO= Hinter dem Ohr: Der am häufigsten verwendete Hörgerät Typ ist das Hinterdem- Ohr- Gerät; ca.85% der gebrauchten Hörgeräte in Deutschland (Stand 2005) sind
Hörgeräte dieses Typs.
Das eigentliche Gerät wiegt nur wenige Gramm,
ist bananenartig geformt und wird hinter der Ohrmuschel getragen. Durch seine Form bietet es
viel Platz für aufwendige Technik, sodass es
technisch in der Lage ist, nahezu alle Bedürfnisse in Bezug auf das zu vermittelnde Frequenzspektrum, die Verstärkung und die Ausgangsleistung zu erfüllen. Über einen kleinen Kunststoffschlauch wird der vom Lautsprecher, der im
Abb.24 [8] Aufbau eines HdO-Gerätes
Hörgerät sitzt, abgegebene Schall an das Ohrpassstück weitergeleitet. Dadurch kommt es zu nicht unerheblichen Verzerrungen
des Schalls, was nur durch in- situ- Messungen vor dem Trommelfell bei getragenem
Hörgerät kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert
werden kann. Dieses Ohrpassstück kann aus verschiedenen Materialien bestehen. Bei Kindern wird
beispielsweise ein flexibles Material bevorzugt, da
dieses sich besser anpasst und bei starker mechanischer Belastung, z.B. beim Toben, nicht so leicht
brechen kann. Außerdem muss das Ohrpassstück
in regelmäßigen Abständen kontrolliert und gegebenenfalls erneuert werden, da das kindliche Ohr
noch wächst.
Abb.25 [9] HdO-Gerät
Ein Vorteil dieser Hörgerätebauform liegt darin,
dass durch den relativ großen Abstand zwischen Mikrofon und Schallaustritt, eine
große Verstärkung ohne Rückkopplung möglich wird. Bei geringem Hörverlust kann
der Gehörgang sogar möglichst offen gehalten werden. Dazu wird eine Belüftungs17
bohrung durch die Otoplastik vorgenommen, auch Venting genannt. Je nach Verstärkung und Rückkopplungsneigung wird der Durchmesser der Bohrung angepasst.
Diese Belüftung des Ohres erzeugt ein angenehmes Tragegefühl, da zum einen ein
Druckausgleich stattfindet und zum anderen der osteo-tympale Knochenschall (vom
Körper z.B. durch Kau- oder Schluckbewegungen erzeugter Schall, der an der dem
Trommelfell zugewandten Seite an der Otoplastik reflektiert und somit verstärkt wird)
abfließen kann, was ein unangenehm dumpfes Hörgefühl verhindert.
Ein Nachteil dieser Bauform ist es, dass das Mikrofon außerhalb der Ohrmuschel
liegt und somit die richtungsbestimmende Modulation der Frequenz wegfällt, wodurch
das Richtungshören und so auch die Störschall-Nutzschalldifferenzierung gehemmt
wird.
Ist das Ohr zumindest teilweise mit Haaren überdeckt, so bietet dieses Gerät eine
sehr unauffällige Versorgung und somit eine kosmetisch ansprechende Lösung.
Durch die kompakte Bauweise ist das Gerät trotz der filigranen Bauteile relativ stoßunempfindlich und auch zusätzliche Bauteile wie Klangblenden oder Induktionsspulen können untergebracht werden. Außerdem sind die Regler im Vergleich zum
IO- Geräten relativ groß, sodass sie problemlos von Hand bedient werden können.
3.2.2 Im- Ohr- Geräte
IO= Im Ohr: Diese Bauform wird am zweithäufigsten verwendet
(ca. 15% der 2005 in Deutschland verwendeten Geräte). Bei diesen Kleinstgeräten sitzt das eigentliche Hörgerät auf der Otoplastik oder ist sogar in sie integriert und wird mit diesem in das Ohr
gesteckt. Man unterscheidet die folgenden Typen:
ITE=In The Ear (auch Concha- Geräte genannt), bei dem
Abb.27 [7]
das Hörgerät die gesamte Ohrmuschel (Concha) ausfüllt und aus kosmetischen
Abb.26 [7]
Gründen häufig hautfarben (und
zum Teil sogar mit feinen Äderchen
versehen) ist.
ITC= In The Canal; bei dieser Variante füllt das Gerät den
Gehörgang komplett bis zum Gehörgangseingang (Tragus)
aus. Die Ohrmuschel aber bleibt frei, so dass das Gerät
relativ unauffällig ist.
CIC= Complete In Canal; das Gerät verschwindet komplett
im Gehörgang und ist zum Teil sogar mit einem Nylonfaden
zum Rückholen ausgestattet. Dieses ist die unauffälligste Bauart.
Ein großer Vorteil dieser Geräte ist, dass sie den anatomischen Vorteil der Ohrmuschel ausnutzen. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Schall erst kurz von dem Trommelfell abgegeben wird, sodass es nicht zu so starken Verzerrungen kommt, wie
durch Verbindungsschläuche oder Ohrpassstücke. Aufgrund der Schalleitung und
der damit verbundenen Rückkopplung, die bei einer größeren Verstärkung ein Problem ist, stellt die benötigte Genauigkeit beim Anpassen des Ohrpassstücks sehr hohe
Anforderungen an den Hörgeräteakustiker, und der HNO-Arzt muss genaue Angaben über die Beschaffenheit von Trommelfell und Gehörgang machen können. Die
Otoplastik (hohle Schale in die die Technik eingesetzt werden kann) muss schalldicht
mit dem Gehörgang abschließen. In einem erfolgversprechenden neuen Verfahren
wird wie herkömmlich mit einer formbaren Masse ein Abdruck vom äußeren Gehörgang genommen; dieser wird dann allerdings eingescannt, digital überarbeitet und
dann in einem 3-D-Drucker gefertigt. Der 3-D-Drucker erzeugt dazu virtuell Hörsys18
temschalen, die dann auf einer Baufläche angeordnet und zugleich in 50µm dicke
Schnittebenen zerlegt werden, die dann gespeichert werden. Im folgenden Bauschritt
wird Schicht für Schicht mit dem entsprechenden Schnittbild belichtet. Als Material
werden Fotopolymere, also lichthärtende Kunststoffe auf Acrylbasis verwendet. Neben der guten Passform der mit dieser Methode hergestellten Otoplastiken ist ein
wieterer Vorteil der Methode, dass der Ohrabdruck digital gespeichert werden kann
und somit ohne großen Aufwand identische Otoplastiken hergestellt werden können.
Oft ist trotz der Kleinheit dieser Geräte eine Zusatzbohrung notwendig, z.B. wenn tiefe Frequenzen neben dem Hörgerät in das Hörorgan geleitet werden sollen oder
wenn sie abfließen sollen. Dies wird „kontrolliertes Leck“ bei Hochtonversorgung
genannt.
Ein Nachteil dieser Im-Ohr- Versorgung ist, dass die Regler und Steller dieser Geräte
sehr klein sind, sodass es besonders bei motorisch eingeschränkten Personen eine
Ausstattung mit Fernbedienung notwendig ist.
3.2.3 Taschenhörgeräte
Taschenhörgeräte (auch Kastengeräte genannt) haben ihren Namen daher, dass sie
Hörgeräte sind, die in einer Tasche an der Kleidung getragen
werden. Bei Kindern kann eine Befestigung mit Gummibändern nötig sein, um zu laute Reibegeräusche an Haut und
Kleidung zu verhindern. Durch die Kleidung wird der Schall vor
Erreichen des Mikrofons nicht unerheblich verzerrt. In den
50er und 60er Jahren wurde diese Bauform häufig genutzt,
aber im Zuge der Miniaturisierung wurde sie zunehmend vom
Markt verdrängt. Heutzutage werden Taschenhörgeräte nur
noch selten genutzt, wenn besondere Anforderungen an die
Leistung gestellt werden und Rückkopplung eine Gefahr darAbb.28 [11]
Taschenhörgerät
stellt. So können mit Taschengeräten Verstärkungen bis zu 80dB
und Ausgangspegel von bis zu 140dB erzielt werden.
3.2.4 Hörbrillen
Für Brillenträger besteht die Möglichkeit, die Bauteile eines HdOGerätes in einem entsprechend verdickten Brillenbügel unterzubringen oder das Hörgerät auf das Ende eines Brillenbügels aufzustecken, um dadurch eine kosmetisch noch günstigere Versorgung zu erzielen. (Dazu können auch Hörbrillen mit ungeschliffenen Gläsern verwendet werden.) Außerdem können Mikrophon
und Hörer jeweils in unterschiedlichen Bügeln untergebracht werden können, wodurch
Rückkopplung vermieden
und so eine sehr große
Verstärkung ermöglicht
wird. Allerdings geht
damit die räumliche
Abb.29 [12]
Orientierung durch das Schallleitungsschlauch,
über den der Schall vom
Gehör verloren. Ein
Hörgerät in das Ohr geleitet
Nachteil der Hörbrille
wird
ist, dass der Patient
stets gleichzeitig mit der Brille auch die
Abb.30 [12] Hörbrille mit Hörgerätetechnik im Bügel
Hörhilfe absetzten muss. In vielen Fällen
19
vereinfacht die Hörbrille aber den Einsatz technische Hörhilfen oder macht ihn sogar
erst möglich (siehe Knochenleitungshörgerät)
3.2.5 Knochenleitungshörgeräte
Bei besonderen Erkrankungen des Gehörs, bei intaktem Innenohr, aber Krankheiten
bzw. Missbildungen im Gehörgang (z.B. Ohrmissbildungen
und Tumoren), sodass eine Anpassung einer Otoplastik
nicht möglich ist, wird ein Knochenleitungshörgerät verwendet. Ein Knochenleitungshörgerät wandelt Schallsignale in mechanische Schwingungen um. Diese werden dann
auf den Knochen hinter dem Ohr (Planum mastoideum)
und von diesem auf das Innenohr übertragen. Da für die
Knochenleitung größere Verstärkungen notwendig sind,
werden Knochenleiter häufig mit Kastengeräten verbunden oder im Bügel
Abb.31[12] BAHA- Gerät
einer Hörbrille untergebracht. Die Übertragung durch Knochenleiter ist wegen der unterschiedlich guten Leitung verschiedener Frequenzen gegenüber
Luftleitung verzerrt, was berücksichtigt werden muss, wenn diese Geräte angepasst werden. Da bei einer Schalleitungsschwerhörigkeit der Hörverlust bei allen Frequenzen im
Sprachbereich nahezu konstant ist, lässt sich
dieser relativ leicht durch das entsprechende
Hörgerät ausgleichen. Ein Vorteil des Knochenleitungshörgerätes ist, dass kein Ohrpaßstück notwendig ist und somit die dadurch verursachten Sekundärentzündungen
ausbleiben.
Eine neuere Variante der Knochenleitungsgeräte sind die knochenverankerten Geräte (BAHA - Bone Anchored Hearing Aid), bei denen der Vibrator mittels einer in den
Schädelknochen implantierten Titanschraube befestigt wird.
Abb.32[12] Schematisch Verankerung der
Titanschraube im Knochen
3.2.6 Implantierbare Hörgeräte
Das implantierbare Hörgerät, auch implantierbarer Hörverstärker genannt, wird bei Innenohrschwerhörigkeit
eingesetzt. Schallreize werden über eine Datenverarbeitung in elektrische Signale umgewandelt und über
eine Empfängerspule, die unter
der Haut implantiert ist, weitergeleitet. Ein elektromagnetischer oder
ein piezoelektrischer
Abb.34[13] Schema: Implantierbares Hörgerät
Abb.33[13]Implantierbares
Hörgerät und Vibrator (Floating
Mass Transducer)
20
Vibrator der am Amboss befestigt wird versetzt die Gehörknöchelchenkette in
Schwingung, ähnlich wie es sonst der Schall über das Trommelfell auch tut. Akustische Schwingungen werden so verstärkt und ein Empfindlichkeitsverlust des Innenohres ausgeglichen. Im Gegensatz zu den meisten Hörgeräten bleibt der Gehörgang
offen, sodass das Restgehör nicht gedämpft wird, da es durch die operative Einsetzung des Implantates in der Regel nicht beeinträchtigt wird.
4. Cochleaimplantate
Bei Taubheit ist eine Versorgung mit Hörgeräten nicht sinnvoll, da keine Hörreste
zum Verstärken vorhanden sind und somit ein Hörgerät kein Sprachgehör vermitteln
kann.
Bei einem solchen
Totalausfall des Innenohrs (oder bei
an Taubheit grenzendem Empfindlichkeitsverlust)
können Elektroden
operativ in das Ohr
implantiert werden.
Über diese wird
dann der Hörnerv
elektromagnetisch
(induktiv) gereizt.
Dazu ist es notAbb.35 [14] Schema: Cochleaimplantat
wendig, dass der
Hörnerv intakt ist. Dies ist aber bei der überwiegenden Mehrheit der Ertaubten der
Fall. Dieses Innenohrimplantat (= Cochleaimlantat) ersetzt somit seine Funktion als
mechanoelektrischer Wandler und ist die erste routinemäßig eingesetzte Sinnesprothese. Vor mehr als 30 Jahren wurden die ersten Versuche zum künstlichen Innenohr
in Frankreich und Deutschland durchgeführt und heute leben ca. 40000 Menschen
weltweit mit einem solchen
Implantat.
Abb.37 [5]
Das Cochleaimplantat besteht
aus einem implantierbaren Teil
(innerer
Teil)
und
einem
äußerlich
am
Kopf (oder am Körper) zu traAbb.38 [15]
genden Teil (externer Teil); Das Mikrofon am äußeren Teil nimmt den
Schall auf, der dann in einem Prozessor verarbeitet wird. Das Signal wird dann auf
den inneren Teil übertragen, was meist mit Radiowellenfrequenz durch die Haut
(transkutan) erfolgt (vereinzelt aber auch galvanisch mittels eines perkutan angebrachten Steckers). Die Information wird dann als Modulation eines
21
elektromagnetischen Feldes auf den Hörnerv übertragen. Die Elektroden können
außerhalb des Innenohres (extracochleär) angebracht werden, z.B. in der Nische am
runden Fenster oder auf dem Promotorium. Sie können aber auch durch das runde
Fenster in die Cochlea eingeführt werden (intracochleär).
Allerdings scheint sich eine intracochleäre Implantation
durchzusetzen, da der Hörnerv so gezielter gereizt werden kann, was zu einem realistischeren Höreindruck
führt. Das erste Cochleaimplantat besaß nur eine
einzige Elektrode (1-Kanal-Gerät). Mit diesem Gerät war
es bereits möglich, Sprache zu übermitteln, allerdings
gingen die Feinheiten der einzelnen
Sprachsignale verloren. Die Sprachverarbeitung ist bei verschiedenen Modellen der
Hersteller zum Teil sehr unterschiedlich und
führt so auch zu sehr unterschiedlichen
Ergebnissen. Sehr wichtig ist beispielsweise
Abb.41 [5]
Abb.40 [5] Eletroden des Nucleus 24 contour
der zeitliche Ablauf der Signalfolgen, so dass Geräte mit besonders schneller Verarbeitung zu einem besonders guten Sprachverständnis führen. Um auch die feineren
Charakteristika der Sprache vermitteln zu können, haben die heutigen Geräte bis zu
22 Elektroden, die jeweils bis zu 2400 Pulse pro Sekunde abgeben, und zusätzlich
eine Ballelektrode, die unter der Haut liegt und eine Elektrode am Implantatgehäuse,
die als Masseelektroden (Minuspol) verwendet wird. Zusätzlich sind die Elektroden
schon so geformt, dass sie sich besonders nah an den Hörnerv legen, um so die
Signalübertragung zu verbessern. Der Sprachprozessor führt bei diesen Mehrkanalgeräten (Multikanal-Geräte) eine Analyse der Frequenzzusammensetzung durch.
In keinem Fall kann ein Cochleaimplantat ein auch nur annähernd normales Gehör
erzielen. In manchen Fällen ist das erzielte Ergebnis allerdings überraschend gut, leider in anderen auch sehr schlecht, sodass vor der Implantation eine
Prognose für die Erfolgsaussichten kaum getroffen werden kann. In
jedem Fall ist aber nach der Operation ein langes und intensives
Hörtraining erforderlich, dass in der Regel vier Wochen nach der
Operation begonnen wird. Dies setzt Motivation, Lernwillen, sowie
Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit für einen so langen Lernprozess
voraus. Die Wahrscheinlichkeit auf einen Erfolg ist dabei bei nach dem
Spracherwerb Ertaubten am größten, die nur eine möglichst kurze Zeit
gehörlos waren. Bei angeborener Gehörlosigkeit sind die Ergebnisse im
Allgemeinen schlechter, da diese Menschen kein ausgereiftes Sprachgehörzentrum besitzen. Allerdings kann ein Cochleaimplantat
Abb.42 [5]
eine Reifung der Hörbahnen und der Hörzentren ermöglichen,
Hinter-dem-Ohr
wenn es bereits sehr früh in der sensiblen Phase eingesetzt wird.
Bauweise eines
Cochleaimplantats
Deswegen wird häufig eine Operation in den ersten Lebensjahren
eines gehörlosen Kindes angestrebt. Dazu ist es wichtig, eine
Ertaubung möglichst früh und sicher diagnostizieren zu können. Das Cochleaimplan22
tat ist bei der Versorgung von Kindern nicht völlig unumstritten, da die teure und aufwendige Operation die Kinder einem sehr großen Druck aussetzt, außerdem ist ein
Spracherwerb mit dem Implantat nicht garantiert. Daher sollte so früh wie möglich die
Gebärdensprache angeboten werden, um die Sprachzentren im Gehirn zu reizen
und dem Kind kommunikative Möglichkeiten zu eröffnen.
5. Herausforderungen/Zukunftsausblick
g esu nd e s O h r
Trotz des technischen Fortschritts sind im Hinblick auf die Versorgung mit Hörgeräten und Cochleaimplantaten noch einige Herausforderungen zu bewältigen.
•
Funktionsstörungen des Außen- und Mittelohres machen sich in einer Schallleitungsschwerhörigkeit bemerkbar, die durch Eingriffe eines HNO-Arztes oder durch
ein relativ einfach aufgebautes lineares Hörgerät deutlich gemildert werden kann.
Eine Schädigung des Innenohres führt zu einer so genannten Schallempfindungsschwerhörigkeit (Innenohrschwerhörigkeit), die wesentlich häufiger vorkommt (ca.
15% de Bevölkerung), da die in unserer Zivilisation dauerhaft herrschenden großen
Schallpegel die Haarzellen in der Cochlea nachhaltig schädigen. Diese Innenohrschwerhörigkeit ist deutlich schwieriger zu korrigieren als die Schallleitungsschwerhörigkeit. So ist in diesem Zusammenhang eine als Cocktailpartyeffekt bekannte Erscheinung zu nennen. Normalhörende können bei einem Gespräch in starker Geräuschkulisse (z.B. auf einer Cocktailparty), die Störgeräusche unterdrücken und sich
auf einen Sprecher konzentrieren. Schwerhörigen fällt dies aber in der Regel schwer,
was eines der schwerwiegendsten Probleme für Schwerhörige darstellt, sodass viele
Schwerhörige solche Situationen meiden, was zur sozialen Isolation führen kann.
Zwar können die heutigen Hörgeräte Störschall wesentlich besser als noch vor zehn
Jahren unterdrücken, aber selbst die modernsten und hochwertigsten Geräte können
nur Störgeräusche einer stationären Störquelle, die sich in einer ganz anderen Richtung als der Sprecher befindet, unterdrücken. In Zukunft soll eine „echt“ biaurale Ausstattung eine solche Störschallunterdrückung deutlich verbessern. „Echt“ biaural
heißt, dass die Geräte der beiden Ohren mit einem gekoppelten Prozessor arbeiten
und somit Laufzeitinformationen ein Richtungshören und somit eine Unterdrückung
von Schall, der aus einer anderen Richtung als der Sprecher kommt, erfolgen kann.
•
Ein weiteres Problem der Innenohrschwerhörigkeit ist das posi1 00
pos itives
tive Recruitment. Viele InnenohrR ec ruitm ent
80
schwerhörige haben eine stark eingeschränkte Dynamikbreite des
60
S c hallleitungs Ohres, da die Hörschwelle durch
oder
die Schwerhörigkeit heraufgesetzt
40
retroc oc hleäre
ist, aber die UnbehaglichkeitsgrenS törung
norm al
2
0
ze fast oder gar nicht verschoben
ist. So kann man z.B. beobachten,
0
dass trotz stark verschobener Hör0 2 0 4 0 6 0 8 0 1 001 20 d B
schwelle Töne und Geräusche, die
krankes O hr
Abb.43 [8]
um einen gewissen Betrag über
der Hörschwelle liegen, ebenso laut empfunden werden, wie beim normal hörenden
Ohr. In der Audiologie wird der Begriff Recruitment im allgemeinen auf den Lautheitsausgleich bezogen, in der gesamten Physiologie hat er aber darüber hinaus die Bedeutung des Ausgleichs oder der Ergänzung eines funktionellen Defekts. Am besten
lässt sich dies bei einem einseitig Schwerhörigen demonstrieren, indem man abwechselnd auf das rechte und linke Ohr Töne gibt, die bei einem Ohr allmählich lau23
ter werden, und den Patienten auffordert anzugeben, wann er beide Töne gleich laut
hört. Dieser Test wird Fowlertest genannt und ergibt beim Normalhörenden eine Winkelhalbierende. Beim Patienten mit positivem Recruitment wird diese irgendwann von
der aufgenommen Kurve geschnitten. Diese Lautheitsverstärkung erfordert bei Hörgeräten eine Eingrenzung des Ausgangspegels, sodass die Unbehaglichkeitsgrenze
nicht in Alltagssituationen erreicht wird. Zudem kann durch einen zu hohen Ausgangspegel und somit zu hohen Schallpegel eine weitere Schädigung der Haarzellen
erfolgen, was zu einer zusätzlichen Verstärkung der Hörschwäche führt.
•
Ein weiteres Problem im Zusammenhang mit Hörgeräten und Cochleaimplantaten ist für den Betroffenen meist die Kommunikation mit anderen Audiogeräten.
Zwar besitzen viele Geräte heute bereits eine so genannte Telefonspule und lassen
sich direkt mit Fernseher etc. verbinden, allerdings erfolgt die Übertragung noch immer nicht störungsfrei, so dass neue Methoden wie z.B. eine Bluetooth-Übertragung
beim Handy angestrebt werden.
•
Rückkopplungen sind bei Hörgeräten ist immer noch ein großes Problem, so
dass immer aufwendigere Rechenprogramme genutzt werden, um dies zu verhindern. Dazu sind bessere Prozessoren mit höherer Rechenleistung notwendig. Diese
werden vielleicht in Zukunft mit besseren Sprachverarbeitungsstrategien in der Lage
sein, auch komplizierte Störsignale herauszufiltern, um
Abb.44 [16] Aufnahme bei
dem Hörgeschädigten einen möglichst kommunikativen
einer Operation, bei der ein
Umgang mit seinen Mitmenschen zu ermöglichen.
Cochleaimplantat eingesetzt
wird
•
Ein besonderes Problem bei Cochleaimplantaten
sind die operativen Risiken, wie Hirnhautentzündung (Meningitis). Jede Wartung (z.B. bei Dislokalisation der Elektroden oder Elektrodenkurzschluss/offener Kontakt) des Gerätes ist nur mit einem operativen Eingriff in den Schädel möglich, so dass es besonders wichtig ist, immer wartungsärmere Geräte zu entwickeln.
•
Eine weitere Entwicklung beim Bau von Cochleaimplantaten wird eine noch weiter zunehmende Miniaturisierung sein. In den letzten
Jahren kamen die ersten Geräte auf den Markt, bei denen der Sprachprozessor in
einem hinter dem Ohr zu tragenden Gerät (HdO- Gerät) untergebracht war. Dies ist
eine enorme Verbesserung im Vergleich zu den eher unhandlichen Taschengeräten.
Allerdings müssen diese Geräte abgenommen werden, wenn der Träger beispielsweise mit Wasser in Berührung kommt (beim Schwimmen, Duschen etc.). In diesen
Situationen ist die Person dann völlig taub. Deswegen wird daran gearbeitet, das
Cochleaimplantat als vollständig implantierbares Gerät zu bauen, das dann nur noch
induktiv mit Strom versorgt werden muss und ein Mikrofon außen am Kopf hat.
24
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Quellenverzeichnis:
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Relativistik Wärme; de Gruyter 1998
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[7] www.hoeren-heute.de
[8] Das Hörorgan und seine Funktion, P. Plath, Edition Marhold 1992
[9] www.hoergeraete-wenzel.de
[10] www.wikipedia.de (Hörgeräte, Cochleaimplantate)
[11] www.hansato.at
[12] www.kaulard.com
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[14] www.hcig.de
[15] www.deafblind.com
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[18] www.brockhaus-enzyklopaedie.de (Ohr, Hörgeräre, Békésy)
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Physik Journal 1(2002) Nr.4; Wiley-Verlag; Weinheim
[22] Hörgeräte aus dem Drucker; Bettina Reckter; VDI-Nachrichten
(16.Juni.2006) Nr.24
25
Herunterladen