Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der

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als
Die Polverschiebungen
Teil von A. Wegener's Hypothese
im Lichte des geologischen Zeitbegriffs
Von
Fritz
k.
Kerner
M. Akad. Wiss.
(Vorgelegt in der Sitzung
Zu den schwächsten
am
9.
Februar 1922)
mancher Klimahypothesen zählt
ihre Stellung zum geologischen Zeitbegriff. Dies gilt auch für die
Polverschiebungslehre, wie sie jüngst als wichtiger Baustein im
Gefüge der A. Wegener'schen Hypothese in Anlehnung an KreichSeiten
gauer Koppen entwickelt hat. Die Erdansicht Fig. 6 in der seiner
Arbeit: Polwanderungen, Verschiebungen der Kontinente und Klimageschichte (Peterm. Mitt. 1921) beigehefteten Tafel zeigt zwar keine
streckentreue Projektion, weist aber in der Gegend des Nordpazifik
doch auch
—
nur eine geringe Verzerrung auf. Dies läßt es
insoweit man nur ein angenähertes Resultat erstrebt
statthaft
welche
der
Pol
seit
dem
Ende
Carbons
erscheinen, die Wege,
des
zurückgelegt haben soll, abzumessen.
—
durch Punkte, denen die Formationsnamen beigesetzt sind, eingeteilt. Dies soll gewiß nicht bedeuten,
daß der Pol während der ganzen Periode am betreffenden Punkte
verblieb und sich dann jedesmal ruckweise verschob. Dagegen
geht aus dem Diagramm und aus dem Text nicht hervor, ob die
besagten Punkte Erdorte bezeichnen,
an denen sich der Pol
während der betreffenden Periode am längsten aufhielt oder die
Stellen angeben, welche er bei stetigem Wandern im Zeitpunkte
der Formationsmitte durchschritt. Dem Geologen ist der Begriff der
Die durchlaufene Strecke
ist
''ormationsgrenze viel geläufiger als der Begriff
Zeitmitte der
Formation«. Nach den Darlegungen Diener's wäre es z. B. nicht
[begründet, die Zone des Harpoceras Murchisoiiae (die 17. der
[33.
genaue Zeitmitte des Jura zu nehmen
neuen Kleingliederungen nicht die Mittel zu
Oppel'schen Zonen)
als
[und bieten auch
[einem exakten Zeitlängenvergleich.
die
Sitzungsberichte
d.
mathem.-naturw. KL, Abt.
I,
131.
Bd.
1
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2
F.
Kern er.
Insoweit nur Näherungswerte gesucht werden, wird man aber
auf dem besagten Migrationsbilde die Formationsgrenzen in die
Halbierungspunkte der Abstände zwischen den Formationsmitten
verlegen. Die Erscheinung des rückläufigen Längenwachstums der
geologischen
Zeiträume ist nur für die großen Epochen, aber nicht
o
für alle Perioden erwiesen (die Dyas dauerte sogar kürzer als die
Trias), so daß es nicht begründet schiene, jene Grenzen etwas
über die besagten Halbierungspunkte hinaus zu verlegen.
Man kommt
dort
beginnen
wenn man auf jenem Diagramme die Trias
wo Perm steht und die Grenze zwischen
dann,
läßt,
und Quartär,
weil sich die als Mittellage des Nordpoles
vermerkte
im Quartär
Stelle auf eine im Lauf der zweiten Hälfte
dieser Formation stattgehabte Pollage bezieht, etwas gegen das
Pliozän hinrückt, zu folgenden Relativzahlen (Millimeter):
Pliozän
Mesozoikum:
Känozoikum:
+ 24+20+7 = 57
7 + 13 + 12 + 6 + 13+7 =
Quartär:
18
6
+ 15 =
58
33
Als Maßzahlen der Periodenlängen nehme ich zunächst die
Häckel's Schöpfungsgeschichte (1870) vermerkten. Ihre scheinbare Genauigkeit leitet sich davon her, daß sie auf Sedimentmächtigkeiten beruhen. vSie gehören so zu jenen Werten, die ihrer
Bedeutung nach zwar auch nur rohe Schätzungen, ihrer Gewinnungsart nach aber die Ergebnisse genauer Messungen sind. Man wird
sie solchen vorziehen, die sich wie die (nach Dana 1875) von
in
"
Lapparent
Zahlen: Primaire 12, Secondaire 3, Tertiaire 1
von vornherein als bloße
Rohschätzungen zu erkennen geben, gleichwie man eine mittlere
Niederschlagshöhe für ein ganzes Land, die sich auf Grund genauer
Rechnungen ergab,
obschon sie auch nur ein roher Näherungswert sein kann
einer Zahl vorzöge, zu der ihr Autor etwa nur
durch klimatologische Erwägung kam.
—
Man
de
(Traite
Geologie 1906)
—
hat dann:
Sekundär
—
mitgeteilten
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Polverschiebunaen und üeoloffischer
^o
s'
Zcitbcüriff.
3
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4
]•".
Keiner,
beherrschende Erscheinung reigt sich aber eine rasche Beschleunigung der Polbewegung mit Annäherung an die Gegenwart. Einer
solchen müßte eine analog verlaufene Häufigkeitszunahme der
Massenumlagerungen in der Erdkruste entsprechen.
Die geologische Erfahrung weist auf große Schwankungen
der lithosphärischen Bewegungsvorgänge hin, auf emen Mittelund Katastrophenfolge.
ZListand zwischen stetiger Entwicklung
eines
und
Abflauen
Wandertriebes der
Aufleben
Wiederholtes
Erdpole wäre sonach zu verstehen. Dagegen ist in der Lithosphäre
Annäherung an die Gegenwart fortgesetzt rasch
mit
keine
wachsende Unruhe erkannt worden. Man vermöchte als Ursache
Polwanderungen keine
terrestrische, aber auch keine kosmische Energiequelle zu entdecken, deren Stärke mit Annäherung an die Gegenwart in geo-
immer
schneller
und
schneller
metrischer Progression wuchs.
Es
erfolgter
Eine
solche
Quelle
gibt
es
nicht.
nahe, daß da die Migrationsfreunde das Opfer einer
palaeooptischen Täuschung sind.
liegt
Diagnose einer Polverschiebung erfließt aus der Feststellung von Änderungen in der Verbreitungsart vorzeitlicher Lebewesen und Böden. Solche Änderungen lassen sich aber bei Annäherung an die Gegenwart in immer rascher zunehmender Menge
erkennen, weil mit diesem Näherrücken die Zahl der geologischen
Urkunden überhaupt in raschem Schritt wächst. Wenn dies nicht so
klar hervortritt, so ist daran das rückläufige Längenwachstum' der
was nicht der Fall
die Zahl
Perioden schuld. Selbst wenn
der bekannten kambrischen Faunen erheblich größer wäre als die
der neogenen, könnte die kambrische Urkunde doch noch die sehr
viel lückenhaftere sein, weil sie sich über eine Zeitspanne verteilt,
die nach Neumayr vielleicht der ganzen nachkambrischen Zeit
an Dauer nahekommt, ein Umstand, der von Jenen unbeachtet
bleibt, die glauben, daß mit der Diagnose einer Eiszeit als kambrisch betreffs ihrer Altersdeutung mehr erreicht sei als die Kenntnis, daß sie in die erste Hälfte der nacharchäischen Zeit fiel.
Die
—
—
Nach eigener Angabe der Migrationsfreunde können Krustenstörungen als Begleiter großer Polverschübe dann ausbleiben, wenn
sich diese sehr langsam und allmählich vollziehen. Dann müßte
man die großen Faltungsphänomene als die Begleiter von sehr
rasch erfolgten zykloidischen Bewegungen der Pole ansehen, die
im erwähnten Köppen'schen Diagramm, das nur die resultierenden
mittleren Polwege zeigt, nicht angedeutet sind, andrerseits aber
annehmen, daß die in jüngster Zeit erreichte große Schnelligkeit
der Polwanderung noch imterhalb jener Gesch\\indigkeitsgrenze
liege, deren Überschreitung erst große Kriistenstörungen bedingt.
Es
hat
zwar Ampferei- kürzlich
in Unruhe
\varen, daß
gezeigt, daß die Alpen auch
Tälern
große Sohlenverbiegungen stattfanden und Nowak hat jüngst gar
von posttertiären Faltungen in Albanien berichtet. Indem aber
in
der Eiszeit
in
deren
östlichen
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PüIverschiehuniJL'n und i;-eoloa;ischer Zcitbearirf
ö'
Ampferer
ähnliche Phänomene, wie er sie für die Eiszeit klar
auch für das Tertiär und die Kreidezeit vermutet, bedeuten seine Darlegungen kaum eine Abschwächung des (bisher
angenommenen) tektonischen Gegensatzes zwischen Quartär und
sondern eine Höhereinschätzung
Tertiär,
der
lithosphärischen
Beweglichkeit in beiden Perioden. Die Nachwürmzeit war sicher
keine Zeit größerer lithosphärischer Unruhe. Wenn sonach schon
zwanzig- bis vierzigtausend Jahre ein Zeitraum von jener Dauer
wären, welche genügt, damit sich eine 20gradige Polversehiebung
ohne Störimgen in der Erdkruste vollzieht, müßten die .großen
Gebirgsaufrichtungen die Begleiter von Polverschüben gewesen sein,
die sich in noeh viel kürzerer Zeit vollzogen, müßte man in der
pliozänen, altmiozänen imd vorgosauischen P'altung iii den vier
hercynischen, den kaledonisehen und voralgonkischen Faltenbildungen
die Werke weniger Jahrtausoide vor sich haben! Dies ist eine
glatte Unmöglichkeit.
aufzeigt,
Polverschiebungshypothese kommt
auch die Pendulationshypothese Simroth's bei Betrachtung im
Lichte des geologischen Zeitbegriffs zu F'all. Indem sie für das
Palaeozoikum und Tertiär eine polare, für das Mesozoikum und
die Jetztzeit
eine
äquatoriale Schwingungsphase annimmt, setzt
sie die physikalische Unmöglichkeit voraus, daß sich bei einer
Pendelbewegung die Schwingungszeit von einer Schwingung bis
zur nächsten um ein V^ielfaches verkürzt!
In ähnlicher
Weise wie
die
Auch andere Klimahypothesen vertiagen eine Durchleuchtung
dem Lichte des geologischen Zeitbegriffes nicht. Es sei dies
hier zum Schlüsse nur kurz an einem Beispiele gezeigt. Die Kohlensäurehypothese in ihrer geologischen Ausbildung durch Frech
mit
könnte die diluviale Kälteperiode nur dann als Folge eines völligen
Abflauens des Vulkanismus im Ou.artär erklären, wenn sich nachweisen ließe, daß im A-Iesozoikum die vulkanischen Kräfte nie
durch eine Zeitspanne von der Dauer des Quartärs hindurch geruht
hätten. Um ein dauernd mildes Klima zur Jurazeit als Folgezustand
eines Kohlensäurereichtumes der Lufthülle glaubhaft hinzustellen,
genügt es sonach nicht, darauf zu verweisen, daß es jurassische
Erupti\'gesteine gibt; man müßte sie auf sämtliche Oppel'sche Zonen
aufteilen können, selbst wenn man hinter Neumayr's Längenschätzung etwas zurückbliebe imd eine solche Zone nicht der
Zeitspanne vom Oberpliozän bis heute und nu.r der Eiszeit in
engster Begrenzung vergliche. Für jede Oppel'sche Zone ein eruptives Äquivalent aufzuzeigen, wäre aber bei der ohnedies nicht
großen Zahl jurassischer Eruptiva ein Ding der Unmöglichkeit.
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