646 WA S I S T E I G E N T L I C H … ? Forschung & Lehre 8|15 Was ist eigentlich Geopedologie? Entstehung und Funktion der dünnen Haut der Erde deutschsprachigen Universitäten je nach Fakultätsstruktur und Studiengängen institutionell unterschiedlich beheimatet sind. Im angloamerikanischen Raum finden sich ähnliche Ansätze, die Begriff und Wesen der Geoterentwicklung dieses Systems aus der bereits Eingang in die Lehrbücher gepedologie Kenntnis seiner historischen, bisherigen funden haben (v.a. Soil Geomorphology In der Literatur findet sich der Begriff Entwicklung möglich. – an Integration of Pedology and GeoGeopedologie prominent in dem von Die Geopedologie in unserem momorphology von Gerrard 1992 und Franz Blümel und Franz Solar bearbeidernen Verständnis folgt dem Prinzip Soils and Geomorphology von Birketeten Nachlass des österreichischen Boder bodengenetischen Betrachtung. Daland 1999). Das neuere und sehr umfasdenkundlers Walter L. Kubiena bei werden Aspekte integriert, die tradisende Lehrbuch von Schaetzl und An(Grundzüge der Geopedologie und der tionell in der Geomorphologie und anderson von 2005 mit dem Titel Soils – Formenwandel der Böden, 1986). Kuderen Geowissenschaften beheimatet Genesis and Geomorphology zeigt, dass biena selbst (1897 – 1970) wurde vor alsind, um den engen kausalen und funkgerade in den USA dieses Thema in der lem durch seine richtungsweisenden tionalen Zusammenhang zwischen der jüngeren Zeit an Bedeutung gewonnen mikromorphologischen Arbeiten an BoEntstehung, Verbreitung und den Eihat. Auch die umfangreiche Fordendünnschliffen bekannt und hat schungsförderung von maßgeblich die Grundzüge der BodenCritical Zone Observato»Die fachübergreifende Analyse systematik in Deutschland bestimmt. ries (CZO) durch die NaDabei folgte seine Bodengliederung tional Science Foundatides obersten Teils der Erdkruste dem Gesamtmerkmalsprinzip. Nach on (NSF) belegt, dass die ist von großer sozioökonomischer seinem Verständnis orientiert sich ein fachübergreifende Analyund ökologischer Relevanz.« allgemeingültiges Klassifikationssystem se des obersten, äußerst an der Entwicklung des Bodens (Pedogeringmächtigen Teils der genese) und berücksichtigt alle seine Eigenschaften der Oberflächenformen und Erdkruste von großer sozioökonomigenschaften. Die weitreichende Bedeuden darin vorkommenden Böden angescher und ökologischer Relevanz ist: tung dieses Ansatzes für die Analyse messen untersuchen zu können. Hier finden die entscheidenden Prozesund Bewertung von Relief-, Boden- und se statt, die unsere natürlichen, vom Untergrundeigenschaften ist vielfach in Was erforscht die GeoMenschen geprägten und vielfältig geVergessenheit geraten. Allerdings kann pedologie? nutzten Ökosysteme kontrollieren. gerade für die drängenden geo- und umAuch wenn es derzeit nominell lediglich Unabhängig von den terminologiweltwissenschaftlichen Fragen des 21. in Brandenburg zwei Professuren für schen Fragen, ist in allen Fällen die inJahrhunderts eine genetische BetrachGeopedologie gibt, sind diese hinsichttegrative und interdisziplinäre Betrachtung wichtige Antworten geben, oder lich ihrer Forschungstätigkeiten natürtung des Forschungsgegenstands Reliefallgemeingültig formuliert: Der Zustand lich nicht einzigartig. Sehr vergleichbaGestein-Boden kennzeichnend. Die eines aktuellen Systems ist nur erklärre Forschungen werden oft von GeoForschung wird, zumindest in Deutschbar, wenn seine Entstehung bekannt ist. morphologen, Bodenkundlern oder land, meist von Physischen Geographen Mithin sind auch Aussagen für die WeiGeoökologen durchgeführt, die an getragen, die bodenkundlich spezialisiert sind. Vorreiter dieser integrativen AUTOR Betrachtung war Arno Semmel (1929 – 2010), der diesen Ansatz in seinem gleichnamigen Lehrbuch von 2001 an Thomas Raab ist Professor für Geopedologie und Landschaftsentwicklung an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg und Adjunct Prozahlreichen Beispielen gezeigt hat. Alfessor an der University of Alberta, Edmonton, Kanada lerdings haben in den nachfolgenden Generationen nur wenige Forscher dies | T H O M A S R A A B | Die Geopedologie kann den Erd- und Umweltwissenschaften zugerechnet werden. Sie hat ihre Wurzeln in der Geomorphologie und der Bodenkunde. Hinzu kommen Aspekte der Geologie, der Mineralogie und Petrologie. Geforscht wird interdisziplinär. Aufschlüsse sind oft die Grundlage für die geomorphologischen und pedologischen Untersuchungen und reichen im Idealfall bis in den geologischen Untergrund. Hier bilden die im Profil rechts aufgeschlossenen weißen Schmelzwassersande aus der letzten Eiszeit das Ausgangssubstrat an der Basis. Böden mit einer auffälligen Schwarz/Weiß/Braun-Abfolge belegen Phasen intensiver Pedogenese und zeigen damit geomorphodynamische Stabilität an. Diese Bodenbildung wird bedeckt von einem äolischen und nur wenige Jahrhunderte alten Sediment leicht beiger Färbung, das mit einem relativ geringmächtigen Boden die rezente Oberflächenform bildet. Die Analyse des Aufschlusses ermöglicht die Rekonstruktion der Natur- und Kulturlandschaftsentwicklung und leistet allgemeingültige Beiträge zum Verständnis des Entwicklungs- und Regenerationspotenzials von Ökosystemen. tiefergehend weiterverfolgt, besonders wenn neben der genetischen Betrachtung auch die funktionale Beschreibung der Eigenschaften erforderlich war. In diesem Sinne sind derzeit größere, international sichtbare Projekte in beiten an geologischen und pedologischen Aufschlüssen (siehe Abb.). Die typische Vorgehensweise ist dabei die Analyse – der Oberflächenformen, entweder durch zur Verfügung stehende Daten (v.a. Digitale Geländemodelle) oder durch ei»Die Relief- und Bodenentwicklung gene Messungen mittels terrestrischem Laserin typischen Landschaftsausscanning und Mikroschnitten wird erfasst.« drohnen basierter Photogrammetrie, Deutschland auf die Aktivitäten der – des oberflächennahen geologischen Professur für Geomorphologie und BoUntergrunds, mittels Aufschlüssen denkunde an der TUM (www. und Bohrungen mit Probennahme für czo.wzw.tum.de) und auf die Professur Laboranalysen und/oder durch indifür Geopedologie und Landschaftsentrekte Verfahren (v.a. Electrical Resiswicklung an der BTU (www.iclea.de) tivity Tomography, Ground Penetrabeschränkt. ting Radar), – der Böden in Form von pedogeneMethoden tisch-substratgenetischer KlassifikatiDas Methodenspektrum der Geopedoon mit Probennahme für Laboranalylogie ist relativ breit gefächert, und die sen. Anwendung spezifischer analytischer Die bodenkundlichen und geologischen Verfahren von der konkreten FragestelProben werden physikalisch, chemisch lung abhängig. Grundlage und wichtiund mineralogisch gekennzeichnet und ger Bestandteil sind i.d.R. Geländearderen Alter mittels physikalischer Ver- fahren oder durch archäologische Datierung bestimmt. Das Beispiel des von der Helmholtz-Gemeinschaft geförderten Virtuellen Instituts ICLEA (Integrated Climate and Landscape Evolution Analyses) zeigt, wie geopedologische Forschung konkret in einem größeren Verbundprojekt stattfindet. ICLEA leistet einen Beitrag zum besseren Verständnis der Klimadynamik und Landschaftsentwicklung von Natur- und Kulturlandschaften im nördlichen Mitteleuropäischen Tiefland seit der letzten Eiszeit. Das langfristige Ziel des Virtuellen Instituts ist die Bereitstellung einer substantiellen Datengrundlage für ein nachhaltiges Umweltmanagement auf der Basis eines fundierten Prozessverständnisses. Im Rahmen von ICLEA wird die Relief- und Bodenentwicklung in typischen Landschaftsausschnitten erfasst und die Eigenschaften und Funktion der Erdoberfläche als zentrale Schnittstelle für Stoff- und Energieflüsse in Ökosystemen untersucht.