Einfürung in die Neuropsychologie Dr. István Tiringer Institut für Verhaltenswissenschaften • Höhere Hirnleistungen – unabhängige Forschung in der experimentellen Psychologie, Biologie und Medizin • Unterschiedliche Forschungsperspektiven – Wie wir unsere Sprache benutzen? – Wie wir miteinander kommunizieren? – Wie Vergangenes im Gedächtnis gespeichert und abgerufen werden kann? – Wie verschiedenste Wahrnehmungen, Gefühle, Absichten oder Gedanken unser Verhalten beeinflussen? – Wo genau im Gehirn all dies entsteht und verarbeitet wird? • Methodischer Vielfalt – von der Registrierung der Antworten einzelner Nervenzellen bis zur Erfassung komplexer Reaktionen von gesunden Personen und hirngeschädigten Patienten. • Einführung modernen bildgebenden Verfahren – erlauben Lage und Ausdehnung von Hirnläsionen mit hocher Präzision zu beschreiben • Entwicklung der funtionellen Bildgebung – Beobachtung des Gehirns „bei der Arbeit” • Multidisziplinärer Ansatz – Integration von bewährten Methoden – Untersuchung des Verhaltens, – bildgebende Verfahren, – vergleichende, invasive Ansätze Beziehubg zwischen Neuropsychologie und physiologischer Psychologie Physiologische Psychologie (Biopsycholgie, „Behavioral neuroscience”) • Beziehung zwischen Gehirn und Verhalten • Integration von physikalischen-biologischen Erkentnissen über Aufbau und Struktur des Gehirnes mit den Verhaltenswissenschaften • (biol. Vorgänge, neuronale Strukturen; direkte Reizung und Registrierung der Hirnaktivität – Tierversuche) Neuropsychologie bedient sich derselben Methoden wie physiologische Psychologie, konzentriert sich aber auf den Menschen (Patienten mit Störungen und Ausfällen der Hirntätigkeit) • Entwicklung von Tests und Verhaltensproben, die als (indirektes) Maß der Funktionstüchtigkeit eines best. Hirnprozesses dienen. • Grundlage für die Planung von der Rehabilitation bei versch. Hirnerkrankungen Anfänge der Neuropsychologie • Lashley – Neuropsychology – Experimente an Ratten und Affen, 1960 • Konzepte über die GehirnLokalisation von Persönlichkeitseigenschaften und psychologischen Funktionen – Gall, Spurzheim – Bedeutende Neuroanatomische Entdeckungen – Bekannt wurde Gall durch die Lehre der Phrenologie (Vorwölbungen, Vertiefungen des Schädels – Bezüge zu Persönlichkeitseigenschaften Franz-Josef Gall (1758-1828) Anfänge der Neuropsychologie • Gehirnbefund eines Patienten der rechtsseitig gelähmt war und das Sprachvermögen fast völlig verloren hat. • Infarkt im gesamten Versorgungsgebiet der linken A. cerebri media – globale Apasie (der Name Aphasie stammt von Trousseau, 1864) • Broca beschrieb auch den „grand lobe limbique”, womit er das limbische System vorwegnahm. Pierre Paul Broca (1824-1880) Anfänge der Neuropsychologie • Beschreibung der sensorischen Aphasie (Wernicke Aphasie). • Konzept der Leitungsstörungen: eine psychologische Störung trete nicht nur dann auf, wenn ein bestimmtes Hirnrindareal geschädigt sei, sondern wenn die zuund abführende Bahnen eine Läsion aufweisen Carl Wernicke (1848-1905) Der klassische Fall des Bahnarbeiters Phineas Gage Büste und Schädel von Phineas Gage • 1848 – durch eine Explosion katapultierte ein eiserner Stock durch Gage’s Schädel und führte zu massiven Verletzungen des Frontallapens • Obwohl seine Intelligenz und Gedächtnis intakt waren, war doch seine Persönlichkeit verändert (reizbar, respektlos, unaufrichtig; „moralischer Kompass” – Verhaltenssteuerung) Entwicklung der Neuropsychologie • Alexie, motorische Apraxien, Parapraxien • Split-brain (Durchtrännung des Balkens zur Behandlung medikament. therapierefrakterer Epilepsien (Sperry, 1982; Gazzaniga, 1995) • Leitungstheorie zur Erklärung neuropsychologischer Störungen, Diskonnektionssyndrome (Geschwind, 1965) – Folge einer Unterbrechung im Signalaustausch zwischen zwei Assoziationsfeldern Neuropsycholgie in Deutschland Förderung durch amerikanischen Forscher • Teuber – Folgen von Hirnverletzungen auf die somatische Sensibilität, zentrale visuelle Funktionen, räumliche Orientierung, problemlösendes Denken • Benton – räumlich-konstruktive Leistungen, Rechts-links-Störung usw. – Entwicklung von validen Tests; Beziehung zur Aachener Gruppe (Aachener Aphasietest – Huber et al. 1983) Moderne Neuropsycholgie • z.B. Antonio Damasio – seit den 90er Jahren Erforschung von Phänomenen des Bewusstseins (PET-, fMRT-Studien). – das Bewusstsein ist eng an Emotionen und Gefühle knüpft – philosophisch-antropologische Theorie des Bewusstseins (lokalisierbare Funktionen) Beziehung von Psychologie und Psychiatrie • In der Diskussion während der Entwicklung der naturwissenschaftlichen Psycholgie waren wichtige Themen: – Der Beitrag von Erbe und Umwelt – Die Leib-Seele-Problematik – Die Interaktionen von körperlichen und psychischen Prozessen – Die Rolle des Bewustseins – Die Determiniertheit und Freiheit des Denkens und Handelns – Die Definition von Normalität und Krankheit Beziehung von Psychologie und Psychiatrie • (Fortsetzung) Lange Zeit gab es eine enge Verbindung zwischen Psychologie und Psychiatrie in dieser Diskussion • Materialistische – humanistische Lager unter den Psychiatern • Pendelschwünge vorherrschender Doktrinen (Psychoanalyse) • Naturwissenschaftlich orientierte Psychologen wandten sich von der Psychiatrie und klinischen Psychologie ab • Versorgung von Hirnverletzten während den Weltkriegen • Entwicklung der Neurologie und der neurologischen Rehabilitation – klinische Neuropsychologie Neuropsychologische Perspektiven auf neurologische Erkrankungen und psychische Störungen Neuropsychologische Neurologische Perspektive Erkrankungen Psychische Störungen Art der Funktionsstörung Intensität Mittelgradig bis stark Schwach bis mittelgradig Profil Selektive Ausfälle Generalisierte Ausfälle Verlauf Schnell und/oder starke Variationen, somatische Auslöser und Mediatoren besonders wichtig Langsame und/oder schwache Variationen, psychische Auslöser und Mediatoren besonders wichtig Patognomie Wichtiges Symptom Basisstörung Neuropsychologische Perspektiven auf neurologische Erkrankungen und psychische Störungen Neuropsychologische Neurologische Perspektive Erkrankungen Psychische Störungen Ätiologie Makroskopische Hirnläsionen Oft Selten Verteilung der Hirnläsionen Umschrieben Diffus Primäre Assoziation mit Kaum neurochemischen Dysfunktionen Stark Heredität Mittelgradig bis hoch Gering Neuropsychologische Perspektiven auf neurologische Erkrankungen und psychische Störungen Neuropsychologische Neurologische Perspektive Erkrankungen Psychische Störungen Behandlung und Prognose Direktes Behandlungsziel bisher Oft Selten Prognostische Relevanz Hoch Hoch Therapie- und Rehabilitationsrespondenz Gering bis sehr gut Gering bis sehr gut Kompetenz der Behandler bisher Mittel bis hoch Gering bis mittel Empfohlene Lehrbücher • Neuropsychologie Reihe: Springer-Lehrbuch Karnath, H.-O.; Thier, P. (Hrsg.) 2., aktualisierte u. erw. Aufl., 2006, XV, 763 S., ISBN: 3-540-28448-6 • Neuropsychologie psychischer Störungen Lautenbacher, Stefan; Gauggel, Siegfried (Hrsg.) 2004, X, 530 S., ISBN: 3540-42930-1 Empfohlene Lehrbücher Biologische Psychologie Reihe: Springer-Lehrbuch Birbaumer, Niels, Schmidt, Robert F. 6., vollst. überarb. u. ergänzte Aufl., 2006, XVI, 863 S., 520 illus., 520 in Farbe, Geb. ISBN-10: 3-540-25460-9