Dtsch Med Wochenschr 2010; 135: 807–811 Amiodaron wurde in den 60er Jahren zur Behandlung der Angina pectoris in die klinische Praxis eingeführt. Heutzutage zählt Amiodaron zu den Klasse-IIIAntiarrhythmika und wird überwiegend zur Therapie supraventrikulärer und ventrikulärer Arrhythmien eingesetzt [1]. Amiodaron verlängert die Dauer des Aktionspotentials, wirkt negativ dromotop und hat einen membranstabilisierenden Effekt auf die Myozyten. Die antiarrhythmische Wirkung beruht überwiegend auf der Hemmung der KaliumKanäle (Klasse-III-Effekt), aber auch der rasche Natriumeinstrom (Klasse I) und die KalziumStröme (Klasse IV) werden durch Amiodaron blockiert. Zusätzlich besteht eine betablockierende Wirkung, wahrscheinlich durch Herunter-Regulation der Beta-Rezeptoren. Die besondere Pharmakokinetik von Amiodaron resultiert aus der starken Lipophilie und dem großen Verteilungsvolumen. Es wird im Wesentlichen über Leber und Galle ausgeschieden; nur 10% der Substanz werden renal eliminiert. Die Halbwertszeit von Amiodaron beträgt 20–100 Tage. Veränderungen des Schilddrüsen-Labors unter Amiodarontherapie Der Beginn der Amiodaronbehandlung geht mit einem vorübergehenden Abfall der fT4Spiegel und einer meist transienten TSHErhöhung einher, bedingt durch die inhibitorische Wirkung von Jod auf die Schilddrüse. Bald danach entziehen sich die meisten Patienten der jodabhängigen Hemmung der Schilddrüse (Wolff- ChaikoffEffekt) und die hemmende Wirkung auf die Dejodaseaktivität und den Schilddrüsenhormonrezeptor überwiegt (Konversionshemmung T4 → T3) [7]. Amiodaron wirkt zudem als Antagonist von T3 an seinen nukleären Rezeptoren [5]. Diese Ereignisse führen zu einem erhöhten fT4, erniedrigtem fT3, erhöhtem rT3 (reverses T3) und einem vorübergehenden TSH-Anstieg (bis zu 20 mU/l). Im weiteren Verlauf normalisieren sich die TSH-Spiegel oder bleiben anschließend leicht supprimiert, so dass die häufigste Laborkonstellation unter einer Langzeittherapie bei euthyreoten Patienten wie folgt ist: fT4Anstieg um 20–30%, fT3-Abfall in den unteren Normbereich, basales TSH im unteren Normbereich bis supprimiert. Varianten amiodaroninduzierter Schilddrüsenfunktionsstörungen Amiodaron-induizierte manifeste Hypothyreose Ursache: Wolff-Chaikoff-Effekt aufgrund der hohen Jodbelastung → hohe Jodzufuhr blockiert die Jodaufnahme in der Schilddrüse. Laborkonstellation: TSH-Anstieg, fT4-Werte, niedrige fT3-Werte niedrige Therapie: Im Gegensatz zu den normalen Veränderungen des SD-Labors besteht Behandlungsindikation mit Thyroxin, einschleichender Beginn mit 25µg, Ziel: TSH im oberen Normbereich. Amiodaron-induzierte Thyreotoxikose (AIT) Typ I Ursache: Anheizen einer angelegten Schilddrüsenautonomie oder eines M. Basedow durch die hohe Jodebelastung. Häufig früher Beginn nach Amiodaronaufsättigung. Laborkonstellation einer typischen Hyperthyreose mit erhöhtem fT3 Therapie: Absetzen von Amiodaron, Behandlung mit Thyreostatika gemeinsam mit Perchlorat; bei Therapieversagern chirurgische Therapie. Prophylaxe: Bestimmung von T3, T4, TSH und TPO-Antikörper, SD-Sonographie vor Aufnahme der Therapie. AIT Typ II Ursache: Destruierende Thyreoiditis mit Freisetzung von Hormonen aufgrund eines direkten toxischen Effektes von Amiodaron auf die Epithelzellen der SD-Follikel. Laborkonstellation einer typischen Hyperthyreose mit erhöhtem fT3 Therapie: Thyreostatika sind wirkungslos. Kortikosteroiden (1mg/kgKG Prednisolon) Absetzen von Amiodaron, Behandlung mit