3. Der Erste Kreuzzug 1096-1099. Machtpolitik und Volksfömmigkeit 3.5. Der Weg durch Kleinasien 3. Der Erste Kreuzzug 1096-1099. Machtpolitik und Volksfömmigkeit 3.5. Der Weg durch Kleinasien Als wir zur Stadt Heraklea kamen, erblickten wir ein gewisses Zeichen am Himmel, das sich in brillantem Weiß in Form eines Schwertes mit der Spitze nach Osten zeigte. Was es für die Zukunft voraussagte, wußten wir nicht, doch überließen wir die Gegenwart und die Zukunft Gott. Wir gelangten dann an eine blühende Stadt mit Namen Marasch. Dort verbrachten wir drei ungestörte Tage. Als wir jedoch eine Tagesreise von dort wegmarschiert waren und nun nicht mehr weit von Antiochien in Syrien entfernt waren, zog ich, Fulcher, mich vom Hauptheer zurück und wandte mich mit dem edlen Grafen Balduin dem Land im Osten zu. Balduin war wahrhaft ein höchst fähiger Ritter. Kürzlich hatte er mit jenen, die er mitgebracht hatte, das Heer verlassen und hatte mit großer Kühnheit die Stadt in Kilikien, die man Tarsus nennt, eingenommen. Er nahm sie Tankred weg, der mit Billigung der Türken seine eigenen Leute hineingelegt hatte. Nachdem er eine Besatzung darin zurückgelassen hatte, war Balduin zum Hauptheer zurückgekehrt. Und dadurch, daß er auf den Herrn vertraute und auf seine eigenen Kräfte setzte, scharte Balduin einige Ritter um sich und brach auf Richtung Euphrat. Dort nahm er viele Städte ein, sowohl durch Gewalt als auch mit List. Darunter befand sich die begehrteste namens Turbessel. Die Armenier, die sich dort aufhielten, übergaben sie ihm friedlich, und viele andere Städte wurden ihm auch untertan. Als die Nachricht davon weite Kreise zog, schickte der Fürst von Edessa eine Gesandtschaft an Balduin. (…) Balduin wurde vom Herzog gebeten, dorthin zu kommen, damit sie gegenseitig Freunde werden könnten wie Vater und Sohn, solange sie beide lebten. Und wenn der Herzog von Edessa zufällig sterben sollte, sollte Balduin unverzüglich die Stadt sowie den gesamten Besitz des Herzogs als dauerhaftes Erbe in Empfang nehmen, so als ob er der eigene Sohn des letzteren wäre.“ Fulcher von Chartres I, 14 3. Der Erste Kreuzzug 1096-1099. Machtpolitik und Volksfömmigkeit 3.6. Von Antioachia nach Jerusalem 3.6.1. Antiochia - Konflikte und Visionen Der Graf Stephan seiner sehr lieben und sehr liebenswerten Gattin, seinen Kindern und allen Vasallen seines Geschlechtes Heil und Segen (Frühjahr 1098). Ihr könnt völlig gewiß sein, Vielliebe, daß der Bote, den ich sende, um Euch zu beruhigen, mich vor Antiochia wohlbehalten und durch Gottes Gnade in bestem Wohlergehen verlassen hat. Gegenwärtig sind es nun dreiundzwanzig Wochen, daß wir mit dem ganzen von Christus erwählten und von Ihm mit großer Tapferkeit begabten Heer ununterbrochen auf das Haus unseres Herrn Jesus vorgerückt sind. Ihr könnt es für sicher nehmen, meine Vielgeliebte, daß ich an Gold und anderen Reichtümern gegenwärtig zweimal soviel besitze, als was Eure Liebe mir mitgab, da ich Euch verließ, denn alle unsere Fürsten haben mich mit allgemeiner Zustimmung des Heeres und gegen meine eigenen Wünsche zum Oberhaupt, Kopf und Führer ihrer Unternehmung gemacht. (...) Siebenmal haben wir mit dem zähesten Mut gegen die Einwohner von Antiochia und die unzähligen Truppen, die ihnen zu Hilfe kamen, unter der Führung Christi gekämpft und in allen diesen sieben Schlachten mit Gottes Hilfe gesiegt und eine beträchtliche Anzahl Feinde getötet. Um die Wahrheit zu gestehen, sind in diesen selben Schlachten und bei den sehr häufigen Angriffen auf die Stadt viele unserer Brüder umgekommen und ihre Seelen zu den Freuden des Paradieses entführt worden... Während des ganzen Winters haben wir vor dieser Stadt für Christus Unsern Herrn unter außerordentlicher Kälte und gewaltigen Regengüssen gelitten. Was gewisse Leute von der Sonnenhitze erzählen, die in Syrien zu ertragen unmöglich wäre, ist nicht wahr, denn der Winter ist hier völlig ähnlich unserem Winter im Abendland... 3. Der Erste Kreuzzug 1096-1099. Machtpolitik und Volksfömmigkeit 3.6. Von Antioachia nach Jerusalem 3.6.1. Antiochia - Konflikte und Visionen Um diese Zeit (Okt. 1097) waren den Türken alle Wege verschlossen und versperrt, außer jenem über den Fluß, wo sich eine Burg und auch ein Kloster befanden. Wenn es uns hätte gelingen können, diese Burg stärker zu befestigen, hätte es kein Feind gewagt, aus dem Stadttor herauszukommen. Also saßen die Unseren zu Rate und faßten einen einstimmigen Beschluß, der lautete: "Wir wollen einen aus unserer Mitte wählen, der imstande ist, die Burg fest zu verteidigen, und unsere Feinde von den Bergen und dem Flachland fernhalten und sie daran hindern, in der Stadt ein und aus zu gehen. Da war Tankred der erste, der sich unter den anderen nach vorne drängte. Der Rat bot ihm sofort vierhundert Mark Silber. (…) Er war derart ungestüm und hatte solches Glück, daß es ihm gelang, den Türken alle Pfade verriegelt und versperrt zu halten, bis Antiochien eingenommen war. Ich kann euch nicht alles berichten, was wir taten, bis daß die Stadt fiel, denn es gibt in diesem Land weder Geistliche noch Laien, die die ganze Geschichte aufschreiben könnten oder sie so schildern, wie sie wirklich passiert ist. Gleichwohl will ich euch ein wenig davon erzählen. Gesta Francorum I, 19 3. Der Erste Kreuzzug 1096-1099. Machtpolitik und Volksfömmigkeit 3.6. Von Antioachia nach Jerusalem 3.6.1. Antiochia - Konflikte und Visionen Da war einTürke namens Phirus, der mit Bohemund eine innige Freundschaft angeknüpft hatte... Er sagte: "Ich bin Aufseher dreier Türme, für die ich Bohemund uneingeschränkt meine Zusage mache..." Als sich Bohemund schließlich sicher war, daß er in die Stadt hineingelangen könne, kam er zufrieden mit sich in den Rat der Fürsten: "Trefflichste Ritter, Ihr seht, daß wir uns alle, sowohl Große als Kleine, in entsetzlicher Armut und im Elend befinden, und wir wissen nicht, wann wir Besseres erfahren. Wenn Ihr es also für einen guten Plan haltet, so sich einer von uns unter der Bedingung, daß er die Stadt einnehmen kann, über die anderen stellt, wollen wir uns alle damit einverstanden erklären, sie ihm zu übergeben." Die anderen Fürsten weigerten sich einhellig: "Diese Stadt soll nicht einem allein zugesprochen werden, sondern wir werden sie zu gleichen Verhältnissen aufteilen" (…) Nicht lange danach erhielten wir Nachricht über ein feindliches Heer, das sich aus Türken und vielen anderen Völkern zusammensetzte. Unsere Fürsten traten sofort alle zusammen und berieten sich, wobei sie meinten: "Wenn Bohemund diese Stadt einnehmen kann, egal ob nun er selbst oder mit Hilfe anderer, wollen wir sie ihm danach bereitwillig übergeben unter der Bedingung, daß wir sie, wie es sich gehört, dem Kaiser zurückgeben für den Fall, daß er uns zu Hilfe eilt“. Gesta Franc. I, 20 3. Der Erste Kreuzzug 1096-1099. Machtpolitik und Volksfömmigkeit 3.6. Von Antioachia nach Jerusalem 3.6.1. Antiochia - Konflikte und Visionen Organisatorische Elemente * Gemeinsames Oberkommando * Fürstenrat * Gemeinsame Kriegskasse * Finanzielle und territoriale Anreize für besondere Leistungen Konflikte * Armenier vs. Byzantiner * Armenier vs. Seldschuken * Kreuzfahrer vs. Byzantiner * Innerhalb des Kreuzfahrerheeres, v.a. Normannen vs. Südfranzosen 3. Der Erste Kreuzzug 1096-1099. Machtpolitik und Volksfömmigkeit 3.6. Machtpolitik und Volksfrömmigkeit - der Weg bis Jerusalem 3.6.1. Antiochia - Konflikte und Visionen 19. Juni 1097 Übergabe von Nizäa an Byzanz 1. Juli 1097 Schlacht von Doryläum Ende Juli 1097 Schlacht bei Heraklea Aug./Sept. 1097 Balduin und Tankred in Kilikien Ende Sept. 1097 Hauptheer in Caesarea Mitte Oktober 1097 Balduin trifft Heer in Marasch ab 21. Oktober 1097 Belagerung von Antiochia 10. März 1098 Balduin übernimmt Edessa 2. Juni 1098 Stephan v. Blois verlässt das Heer 3. Juni 1098 Eroberung von Antiochia 10. Juni 1098 Kerboga v. Mossul belagert A. 14. Juni 1098 Vision des Peter Bartholomäus 28. Juni 1098 Schlacht gegen Kerboga 1. August 1098 Tod Adémars von Le Puy September 1098 gemeins. Brief an P. Urban II. Januar 1099 Raimund von Toulouse zieht nach Tripolis ab Mai 1099 gemeinsamer Zug nach Jerusalem 3. Der Erste Kreuzzug 1096-1099. Machtpolitik und Volksfömmigkeit 3.6. Von Antiochia nach Jerusalem 3.6.2. Die Heilige Stadt 3. Der Erste Kreuzzug 1096-1099. Machtpolitik und Volksfömmigkeit 3.6. Von Antioachia nach Jerusalem 3.6.2. Die Heilige Stadt Auszug aus den Jahrbüchern von Genua des Caffaro zu 1098/99 MGH SS 18, S. 11 3. Der Erste Kreuzzug 1096-1099. Machtpolitik und Volksfömmigkeit 3.6. Von Antiochia nach Jerusalem 3.6.2. Die Heilige Stadt 3. Der Erste Kreuzzug 1096-1099. Machtpolitik und Volksfömmigkeit 3.6. Von Antiochia nach Jerusalem 3.6.2. Die Heilige Stadt Mai 1099 Bündnisangebot der Fatimiden 6. Juni 1099 Tankred erobert Bethlehem 7. Juni 1099 Kreuzfahrer auf dem Montjoie 17. Juni 1099 Schiffe aus Genua in Jaffa 6./7. Juli 1099 Vision des Peter Desiderius 8. Juli 1099 Prozession um die Stadt zum Ölberg 15. Juli 1099 Eroberung des Lazarus-Tors Anfang August 1099 Wahl Gottfrieds zum „advocatus sancti sepulchri“ und Arnulfs von Choques zum Patriarchen v. J. 12. August 1099 Schlacht bei Askalon gegen den fatimid. Wesir al-Afdal 3. Der Erste Kreuzzug 1096-1099. Machtpolitik und Volksfömmigkeit 3.6. Von Antiochia nach Jerusalem 3.6.2. Die Heilige Stadt 3. Der Erste Kreuzzug 1096-1099. Machtpolitik und Volksfömmigkeit 3.6. Von Antiochia nach Jerusalem Zusammenfassung 1) Rolle des Alexios Komnenos: - fordert Kreuzfahrer zu Lehnseiden auf - unterstützt den Kreuzzug logistisch - unterlässt Hilfeleistung vor Antiochia - in der Folge entstehen von Byzanz unabhängige Kreuzfahrerterritorien 2) Konkurrenzen innerhalb der Kreuzzugsführung - Tankred und Balduin von Boulogne verlassen das Heer bei Heraklea - Balduin übernimmt die Herrschaft über die armenische Hauptstadt Edessa - Konflikte um Herrschaft in Antiochia werden nur mit Mühe geschlichtet - Kreuzfahrerterritorien als polit. Domäne einer Familie 3) Faktoren der militärischen Erfolge - schwere Panzerung der Reiter bei Feldschlachten überlegen - religiöse Inszenierungen zur Steigerung der Motivation - Absprachen und Verträge mit muslimischen Machthabern - logistische Unterstützung durch Byzanz, dann durch Genua