Kolorektale Karzinome - Klinik für Hämatologie und Onkologie

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Kolorektale Karzinome
Häufigkeit, Histologie
Entstehung
In der Ätiologie spielen sowohl Umwelteinflüsse, insbesondere die Ernährungsgewohnheiten, als
auch genetische Faktoren eine zentrale Rolle. Ein kolorektales Karzinom (CRC) ist das Ergebnis
eines vieljährigen Prozesses, der über morphologisch definierte Zwischenstadien, die sog.
Dysplasien, zum invasiven Karzinom führt. Die Neoplasie entsteht über eine Dysplasie-KarzinomSequenz, d.h. einem Karzinom geht üblicherweise eine Dysplasie voraus, zumeist in Form eines
polypösen Adenoms oder auch eines sog. flachen Adenoms. Die zugrunde liegenden
molekulargenetischen Mechanismen sind vielfältig.
Häufigkeit
In den Industrieländern ist ein stetiger, altersabhängiger Anstieg der Inzidenz zu verzeichnen. Vor dem
40. Lebensjahr ist das CRC selten. Danach findet sich ein exponentieller Anstieg bis zum 85.
Lebensjahr mit einer Inzidenz von 300 Erkrankungen/100.000 Einwohner/Jahr für die Altersgruppe 70
- 74 Jahre. Bezogen auf Deutschland treten pro Jahr etwa 57 000 Neuerkrankungen kolorektaler
Karzinome auf. Die tumorbedingte Mortalität wird mit etwa 40% angenommen (Felix-Burda-Stiftung,
www.darmkrebs.de)
Histologie
Adenokarzinome: In 85 - 90 % handelt es sich um
Adenokarzinome, die sich durch ein invasives Wachstum
durch die Lamina muscularis mucosae in die Submucosa
oder tiefere Darmwandschichten definieren.
Tumore mit morphologischen Charakteristika eines
Adenokarzinoms, die nur das Epithel betreffen oder eine
Invasion in die Lamina propria, aber keine Invasion in die
Lamina muscularis mucosae aufweisen, haben praktisch
kein Metastasierungsrisiko. Sie werden deshalb besser mit
dem Begriff „high-grade intraepitheliale Neoplasie“ oder
„intramucosale Neoplasie“ anstelle eines Adenocarcinoma
in situ oder eines intramucosalen Adenokarzinoms Kolonkarzinom im endoskopischen Bild im
bezeichnet.
Colon ascendens
Varianten des kolorektalen Adenokarzinoms
Muzinöses Adenokarzinom: Das Karzinom besteht zu mehr als 50% aus Muzin. In diesem Falle
geben die Tumorzellen Schleim in die Drüsenlumina ab, d.h. es tritt eine extrazelluläre
Verschleimung auf. Viele Karzinome mit hochgradiger Instabilität in der MikrosatellitenInstabilitäts-Analyse (MSI-H, siehe folgende Seiten) entsprechen histopathologisch dieser Variante.
Siegelringzellkarzinome: 1 % sind Siegelring-Ca. Für diese Tumoren ist eine intrazelluläre
Verschleimung charakteristisch. Einige Karzinome mit MSI-H entsprechen dieser Variante.
Medulläre Karzinome: seltene Variante , die nahezu ausschliesslich mit MSI-H assoziiert ist und im
Vergleich mit anderen schlecht differenzierten CRC eine bessere Prognose aufweisen.
Ausgesprochen selten sind Plattenepithel-Karzinome, adenosquamöse Karzinome, kleinzellige und
undifferenzierte Karzinome sowie Karzinoide und maligne Lymphome.
Grading
Grading 1 und 2 gelten als low grade mit einer lymphogenen Metastasierungsrate von bis zu 25 %,
Grading 3 + 4 gelten als hochmaligne. Die lymphogene Metastasierungsrate beträgt für diese
Subgruppe 80 %.
Siegelringzellkarzinome gelten per definitionem als schlecht differenziert (G3). Medulläre
Karzinome mit MSI-H erscheinen undifferenziert (G 4). Da aber MSI-H Karzinome mit einer eher
besseren Überlebenswahrscheinlichkeit assoziiert sind, sind sicherlich weitere Untersuchungen zur
Korrelation zwischen Grading und molekularen Subtypen erforderlich.
150
Kolorektale Karzinome
Adenom – Karzinom - Sequenz
Molekularbiologische Untersuchungen untermauern die seit langem aus der Histologie bekannte
Adenom - Karzinom - Sequenz
Morphologische und zytogenetische Veränderungen verlaufen in einer regelhaften Abfolge. Die Dysplasie stellt
eine Übergangsphase zwischen normaler Schleimhaut und invasivem Karzinom dar. Es ist ein stufenloser
Übergang von physiologischen Verhältnissen über eine geringgradige zu einer hochgradigen Dysplasie zu
beobachten. Histologisch ist die Dysplasie definiert als zweifelsfrei neoplastische Epithelproliferation, die
jedoch keinerlei infiltratives Wachstum in die Mucosa aufweist. Mehr als 95% der Dysplasien treten im
Kolorektum in Form von Adenomen auf.
Die Mehrzahl ist polypös, ein kleinerer
Teil erscheint als flache Adenome. Bei
belassenen kolorektalen Polypen ist mit
einer Karzinomentstehung im Bereich der
primär diagnostizierten Polypen zu
rechnen.
nach 5 Jahren
nach 10 Jahren
nach 20 Jahren
Resektionspräparate. Links: Adenom
Rechts: Adenom mit bereits eingetretener karzinomatöser Transformation.
in 2,5%
in 8 %
in 24 %
Karzinome in gestielten und flachen Adenomen
Invasionszonen des Karzinoms in einem gestielten und in einem flachen Adenom. Karzinome in flachen
Adenomen invadieren vergleichsweise frühzeitig die Submukosa. Demgegenüber ist bei einem gestielten
Adenom eine längere Strecke des Tumorwachstums nötig, um die Submukosa zu erreichen. Jeder Tumor, der
die Muscularis mucosae penetriert, kann potentiell Metastasen setzen.
Klassifikation epithelialer Polypen des Dickdarms
Pathogenetischer Mechanismus
Histologischer Typ
Neoplastisch
Hamartom (Malformation)
Entzündlich
Unbekannt
Adenome (tubulär, tubulo-villös, villös)
Peutz-Jeghers Polyp, Juveniler Polyp
Entzündlicher (inflammatorischer) Polyp
Hyperplastischer Polyp
151
Kolorektale Karzinome
Pathogenese
Wie bei den meisten soliden Tumoren geht man beim CRC davon aus, dass die maligne Transformation auf
einem Mehrstufenprozess beruht, bei dem es zu genetischen Veränderungen mit Einbeziehung einer
Aktivierung von Proto-Onkogenen und einem Verlust von Tumorsuppressorgenen kommt. Alterationen dieser
Gene korrelieren eng mit der Progression des Adenoms zum Karzinom.
Die intensive Suche nach genetischen Alterationen hat zu einer Identifikation von zwei molekular definierten
Gruppen des CRC geführt.
- LOH-positiv: die erste Gruppe die LOH (Loss of heterozygosity) positiv-Gruppe ist charakterisiert durch
Hyperploidie und Allel-Verluste, wobei vorzugsweise die Chromosomen 18q und 17p involviert sind. TumorSuppressorgen-Mutationen (p53 und APC) sind häufig. Die Tumore betreffen vor allem das distale Colon. Ca.
85% der CRC gehören zu dieser Gruppe.
- MSI-positiv: Die zweite Gruppe, die Microsatelliteninstabilität-positive Gruppe genannt wird, ist
charakterisiert durch genetische Instabilität an den Mikrosatellitenloci. Sporadische (nicht hereditäre)
Karzinome mit hoher Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) machen ca. 15% aller CRC aus. Sie sind diploid und
zeigen keine Allelverluste auf Chromosom 17 oder 18. Tumor-Suppressorgen-Mutationen sind selten. Das CRC
manifestiert sich häufig im proximalen Colon.
Entstehung eines Karzinoms aus der normalen Schleimhaut über die Entwicklungsstufen der Dysplasie.
Rolle der chromosomalen Aberrationen. Zeitlicher Ablauf der Veränderungen.
Normales Epithel
5q21 Mutation
APC
Proliferation
Alterierte DNAMethylierung
low grade
Dysplasie < 1 cm
5-10 Jahre
ras - Mutation
low grade
Dysplasie > 1 cm
DCC / 18q21
Verlust
high grade
Dysplasie
p53 Mutation
Verlust 17p13
3-5 Jahre
Karzinom
nm 23
Verlust 17q21
Metastase
Die geradezu gesetzmäßige Entwicklungslinie von einem Adenom zu einem Karzinom unterstreicht den hohen
Stellenwert der endoskopischen Abtragung von Adenomen hinsichtlich der Prävention von kolorektalen
Karzinomen (CRC).
Adenome mit einem Durchmesser von < 1 cm zeigen in 0,5% der Fälle ein karzinomatöses Wachstum. Ihre
Abtragung bedeutet neben dem Karzinomausschluß auch in den meisten Fällen zugleich die definitive Therapie.
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Kolonkarzinom
ESMO Mindestanforderungen, Diagnostik, Therapie
Inzidenz
Die Inzidenz des kolorektalen Karzinoms in der Bevölkerung der Europäischen Union beläuft sich auf 58/100.000
Einwohner/Jahr, die Sterblichkeit beträgt 30/100.000 Einwohner/Jahr.
Diagnose
Die Diagnose eines kolorektalen Karzinoms erfordert die histopathologische Sicherung. Risikofaktoren und die
Lokalisation der Karzinome müssen dokumentiert werden.
Staging
• Die Stadieneinteilung liefert essentielle prognostische Informationen, die notwendig sind für die Wahl der adäquaten
Therapie.
• Zur präoperativen Vorbereitung sind erforderlich: Klinische Untersuchung des Patienten, aktuelle Laborwerte, Leberund Nierenfunktionstests und eine CEA-Bestimmung, Röntgen-Thorax, CT-Abdomen und eine vollständige Koloskopie
und eine Wiederholung der endoskopischen Untersuchung, wenn initial die proximalen Anteile des Kolons aufgrund
einer Tumorstenose nicht einsehbar waren.
• Die pathologische Stadieneinteilung wird durchgeführt entsprechend der TNM-Klassifikation der UICC 2002 mit
optionaler Angabe der modifizierten Dukes-Kriterien.
• Risikofaktoren des kolorektalen Karzinoms sind: Kolorektale Karzinome in der Familienanamnese, familiäre
adenomatöse Polyposis (FAP) und attenuierte FAP-Syndrome sowie kolorektale Karzinome in der Eigenanamnese,
Colitis ulcerosa und M. Crohn.
Behandlungsplan für das kolorektale Karzinom
• Eine adjuvante Chemotherapie wird empfohlen für die Stadien T1-4, N1-2, M0 (Stadium III, bzw. C1-3 nach den
modifizierten Dukes-Kriterien) [I, A]. Eine adjuvante Chemotherapie kann bei Patienten mit N0 in Erwägung gezogen
werden [II, A].
• Die Chemotherapie für die adjuvante Therapie beinhaltet 5-FU-Regime mit oder ohne Oxaliplatin. Capecitabin ist
mindestens genauso effektiv wie die Bolus-Gabe 5-FU/Leucovorin (LV) [II, A].
Nachsorge
• Die Nachsorge-Untersuchungen dienen der Erkennung derjenigen Patienten, die eine chirurgische oder eine palliative
Behandlung benötigen sowie zur Vermeidung und rechtzeitigen Diagnostik von sekundären kolorektalen Karzinomen.
Neben Anamnese und dem körperlichen Befund, sind weitere Untersuchungen für die Patienten erforderlich, bei denen
die Feststellung eines Rezidivs therapeutische Konsequenzen nach sich zieht:
• Rektosigmoidoskopie alle 6 Monate für 2 Jahre bei Patienten mit distalem sigmoidalen Koloncarcinom.
• Ultraschall der Leber alle 6 Monate für 3 Jahre und nach 4 sowie 5 Jahren.
• Koloskopie nach 1 Jahr und danach alle 3 Jahre zur Erkennung von Adenomen und Karzinomen.
• Röntgen-Thorax hat eine geringe Sensivität, kann jedoch alle 5 Jahre durchgeführt werden.
• CEA-Bestimmung alle 3-6 Monate für 3 Jahre und alle 6-12 Monate im 4. und 5. Jahr nach chirurgischer Intervention,
falls dieser Wert initial erhöht war.
• Klinische, laborchemische und radiologische Untersuchungen zeigten bei asymptomatischen Pat. keinen Benefit [A].
TNM-Stadium
Infiltrationsgrad
Tis N0 M0
T1 N0 M0
T2 N0 M0
T3 N0 M0
T4 N0 M0
0
I
I
IIa
IIb
T1-2 N1 M0/
T2 N2 M0
T3 N1 M0/
T3 N2 M0
T4 N1 M0
Tx Nx M1
Mod. Dukes Kriterien
5-Jahresüberlebensrate
A
B1
B2
B3
III
Carcinoma in situ
Mukosa o. Submukosa
Muskularis propria
Subserosa/perikolisches Gewebe
Perforation in das viszerale
Peritoneum oder andere Organe
T2, N1: 1-3/N2: ≥ 4 LK
III
T3, N1: 1-3/N2: ≥ 4 LK
C2
25-60%
III
IV
T4, N1: 1-3/N2: ≥ 4 LK
Fernmetastasen
C3
D
5-30%
Aus: Ann Oncol 2005; 16 (Suppl.1): i16-17
153
meist normal
>90%
85%
70- 80%
C1
Kolorektale Karzinome
Erbliche CRC/Molekulargenetik
Mehr als ein Viertel aller Patienten mit kolorektalen Karzinome (CRC) haben nahe Verwandte mit der
gleichen Tumorerkrankung.
Auf einer autosomal-dominant erblichen Disposition beruhen etwa 5–10% aller CRC. Zu diesen
genetisch bedingten CRC gehören die im folgenden aufgeführten Krankheitsbilder, die durch ein
frühes Manifestationsalter und gehäuft multiples Auftreten gekennzeichnet sind:
•
Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)
•
HNPCC (hereditary non-polyposis colorectal cancer)
•
Hamartoma– Polyposis–Syndrome (HPS)
Ungefähr 15-20 % der Patienten mit CRC
haben
eine
Familienanamnese
mit
Dickdarmkrebs, ohne dass oben genannte
Syndrome vorliegen. Ätiologisch spielen in
diesen Fällen wahrscheinlich sowohl
genetische
als auch Ernährungs- und
Umweltfaktoren eine Rolle.
Ätiologie des Kolorektalen Karzinoms
Erbliche Disposition
Zwei -Treffer Hypothese von Knudson
Nach Knudson (Proc Natl Acad Sci USA 68:920-923,1971)
entstehen Tumore durch einen Funktions-verlust von
Tumorsuppressorgenen.
Dieser
Funktionsverlust
entsteht durch eine Mutation der entsprechenden
Gensequenz. Alle autosomal kodierenden Gene liegen
jedoch in zwei Kopien (Allelen) vor. Deshalb ist trotz
Ausfall des einen Allels in der Regel die Funktion der
Zelle intakt. Erst der Funktionsverlust des zweiten
Allels in der selben Zelle („2.Treffer“) führt zum
Ausfall der gesamten Genfunktion. Dies führt zu
unkontrollierter
Zellproliferation
und
maligner
Entartung.
In
der
allgemeinen
Bevölkerung
ist
die
Wahrscheinlichkeit relativ gering, dass eine Mutation in
beiden Allelen in der selben Zelle auftritt.
Patienten mit erblicher Tumordisposition haben aber
bereits von Geburt an in allen Zellen ein durch eine
sogenannte Keimbahnmutation verändertes Allel. Das
Risiko, dass es durch eine Mutation des intakten Allels
zu einem Funktionsverlust des Gens kommt, ist deshalb
in dieser Gruppe wesentlich erhöht.
154
Der Eisberg der Gene, die mutiert zum CRC disponieren.
Bezeichnungen der bekannten mutierten Gene (nach
Hj.Müller et al.: ChirGastroenterol 2000;16:207).
Kolorektale Karzinome
FAP – Hamartomatöse Polyposis
Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP)
Bei der klassischen FAP treten hunderte bis tausende
adenomatöser Polypen der Kolonschleimhaut auf. Der
Erbgang der Erkrankung ist autosomal dominant mit nahezu
100% Penetranz. Erste Symptome treten in der Regel am
Ende der 2. Lebensdekade auf, bei fehlender Behandlung
kommt es ca. im Alter von 35 Jahren zu einer malignen
Entartung der Adenome. Deshalb ist die Behandlung der
Wahl eine prophylaktische Proktokolektomie.
Ca. 70% der Patienten mit FAP weisen eine diagnostisch
verwertbare kongenitale Hypertrophie des retinalen
Pigmentepithels (CHRPE) auf. Polypen können auch im
Duodenum
auftreten.
Weitere
extrakolonische
Manifestationen sind:
Gardner-Syndrom: Kolonpolyposis, Osteome des Kiefers
und der langen Röhrenknochen, Epidermoidzysten.
Typische adenomatöse Polyposis coli. Aus: G.Rosenbusch ,JWA
Reeders, Klinische Radiologie Endoskopie. Thieme-Verlag
Turcot-Syndrom: Zusätzlich Hirntumore wie Medullo- oder Glioblastom.
Ferner exsistiert eine mildere Verlaufsform, die sich durch eine geringere Polypenzahl und ein späteres
Auftreten auszeichnet, jedoch auch ein sehr hohes CRC-Risiko hat: die sogenannte attenuierte FAP (AAPC).
Genetische Grundlagen der FAP
Keimbahnmutationen im Tumor-Suppressorgen APC (adenomatous polyposis coli) auf dem Chromosom 5q 21
führen zu einem inaktiven Genprodukt.
Bisher wurden über 800 verschiedene Mutationen im APC-Gen identifiziert. Fast jede Familie hat ihre eigene
Mutation. Derzeit lassen sich bei 65% der Familien mit FAP Keimbahnmutationen identifizieren. Die Zahl der
Adenome und das Manifestationsalter sind von der Lage der Mutation im APC-Gen abhängig. Es besteht jedoch
innerhalb der Familie eine große Variabilität, so dass auch zusätzliche Einflüsse, wie weitere modifizierende
Gene und Umweltfaktoren wahrscheinlich eine Rolle spielen.
Die Diagnose einer klassischen FAP erfolgt aufgrund des klinischen und histopathologischen Befundes. Die
Identifizierung der Keimbahnmutation ist vor allem für Grenzfälle, zum Beispiel bei attenuierter FAP, und für
die prädiktive Testung von Risikopersonen von Bedeutung.
(Siehe auch „Früherkennung bei erhöhtem Risiko“).
Hamartomatöse Polyposis
Familiäre juvenile Polyposis (FJP)
Juvenile Polypen sind im Rektosigmoid lokalisiert und weisen charakteristische pathomorphologische
Merkmale auf. Das Risiko, bis zum 60. Lebensjahr an einem CRC zu erkranken liegt bei 20-60%.
Peutz-Jeghers-Syndrom (PJS)
Hamartomatöse Polypen finden sich im Gastrointestinaltrakt, meist im Dünndarm, aber auch im Kolon und
Magen. Hamartomatöse Polypen haben ein geringeres Entartungsrisiko als Adenome. Anlageträger haben aber
ein erhöhtes Risiko für kolorektale Karzinome und auch für andere intestinale und extraintestinale Tumore
(Magen, Mamma etc.). Eine Hamartom-Karzinomsequenz ist in Diskussion. Vererbung autosomal-dominant,
Penetranz 90%. Die bisher nachgewiesenen Keimbahnmutationen sind über das gesamte Gen verteilt und bei
fast jeder Familie anders. Die klinische Diagnose ist gesichert bei Auftreten von typischen Pigmentflecken um
die Lippen und gleichzeitigem Vorliegen von Hamartomen.
Cowden-Syndrom
Beim autosomal vererbten Cowden-Syndrom ist insbesondere das Risiko für Mamma- und
Schilddrüsenkarzinome erhöht, während das Risiko für gastrointestinale Tumoren nicht erhöht zu sein scheint.
Es liegen Keimbahnmutationen des PTEN-Gens vor.
155
Kolorektale Karzinome
HNPCC
Hereditäres nichtpolypöses CRC (HNPCC, Lynch-Syndrom)
Das HNPCC ist die häufigste erbliche Form des kolorektalen Karzinoms (CRC). Die Inzidenz wird
zwischen 1-13% geschätzt. Das durchschnittliche Manifestationsalter des CRC liegt bei 45 Jahren. Die
Tumore treten vorwiegend im proximalen Dickdarm auf. Sie sind weniger differenziert und
produzieren häufig exzessive Massen von Schleim (muzinöse CRC). Die klinische Diagnose HNPCC
kann gestellt werden, wenn in der Familie der Betroffenen die sogenannten Amsterdam-Kriterien
erfüllt sind (siehe folgende Seite). Für die Sicherung der Diagnose ist die molekulargenetische
Diagnostik von großer Bedeutung.
Tumorlokalisation
Penetranz %
Kolorektum
80-90
Endometrium
43-60
Magen
13-19
Ovar
9-12
Harnwege
3-10
Dünndarm
1-4
Gehirn
3-4
Hepatobiliäres System
HNPCC-Mutationsträgern haben ein
lebenslang erhöhtes Karzinomrisiko
auch für andere Tumore. Die Tabelle
zeigt das Tumorspektrum und die
Penetranz bei HNPCC-Mutation.
2
Mikrosatelliten-Instabilität
Tumoren von Patienten, bei denen die Amsterdam Kriterien vorliegen, zeigen in ca. 80% der Fälle eine
sogenannte Mikrosatelliteninstabilität (MSI). Dieses Phänomen ist jedoch auch bei 15% der
sporadischen CRC nachweisbar. Die Mikrosatelliten-DNA ist eine kurze Nukleotidsequenz, die an
einem bestimmten Locus auf einem individuellen Chromosom normalerweise in umschriebener Zahl
vorkommt. Die MSI wird durch eine Mutation in einem DNA-Mismatch-Reparatur-Gen verursacht.
Diese Reparaturgene erkennen normalerweise während der DNA-Replikationen falsch in den neuen
Strang eingebaute Nukleotide, deren Basen sich nicht mit denen des alten Strangs paaren können
(„mismatch“), und ersetzen diese. Bei Ausfall dieses Reparatursystems kommt es im Verlauf weiterer
Zellteilungen zur Anhäufung von Mutationen in den Tochterzellen. Sind Tumorsupressor-Gene davon
betroffen, kann die maligne Entartung der Tochterzelle die Folge sein.
Bisher sind 6 verschiedene DNA-Mismatch-Reparatur-Gene bekannt, die in der Pathogenese des
HNPCC eine Rolle spielen. Mutationen im hMSH2-Gen und hMLH1-Gen wurden jeweils bei einem
Drittel der Patienten mit Verdacht auf HNPCC festgestellt, nur bei wenigen wurden Mutationen in
einem der 3 anderen Gene hPMS1, hPMS2, hMSH6 oder hMLH3 gefunden.
Praktisches Vorgehen
- Amsterdam-Kriterien (I oder II) erfüllt: direkte Mutationssuche, zunächst hMLH1 und hMSH2.
Sporadisches CRC vor dem 45. Lebensjahr bzw. Familie mit auffälliger Anamnese, aber
- Amsterdam Kriterien nicht erfüllt:
Zunächst Untersuchung des Tumorgewebes auf Mikrosatelliteninstabilität.
Wenn MSI nachgewiesen → Mutationssuche wie oben (für Gendiagnostik 10 ml EDTA-Blut)
- Früherkennung siehe folgende Seiten
156
Kolorektale Karzinome
HNPCC-Amsterdam-/ Bethesda-Kriterien
Für eine einheitliche Erfassung von Patienten mit hereditärem nicht polypösem Kolonkarzinom
(HNPCC) aufgrund klinischer Daten wurden 1991 die Amsterdam-Kriterien festgelegt. Die
Amsterdam II-Kriterien berücksichtigen auch weitere häufig auftretende Tumoren aus dem HNPCC
typischen Spektrum. Die 1996 definierten Bethesda-Kriterien erfassen weitere Patientengruppen, bei
denen aufgrund eines frühen Manifestationsalters ein Verdacht auf ein HNPCC besteht.
Klinische Kriterien und Richtlinien zur Erfassung von Patienten, bei denen
vorliegen könnte.
ein HNPCC
Amsterdam-Kriterien I (klassische Amsterdam-Kriterien)
In der Familie müssen mindestens 3 Personen an einem kolorektalen Karzinom erkrankt sein, wobei
alle folgenden Kriterien erfüllt sein müssen:
1. Einer der drei Patienten ist ein Verwandter ersten Grades von den beiden anderen Erkrankten.
2. Mindestens zwei aufeinanderfolgende Generationen sind betroffen.
3. Mindestens ein kolorektales Karzinom wurde vor dem 50.Lebensjahr diagnostiziert.
4. Eine familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) ist bei den Patienten mit kolorektalem Karzinom
(CRC) ausgeschlossen.
5. Die Tumoren sind histopathologisch verifiziert.
Amsterdam-Kriterien II
(erweiterte Kriterien 1998)
In der Familie müssen mindestens 3 Personen an einem HNPCC-assoziierten Tumor (Karzinom im
Kolorektum, Endometrium, Dünndarm, ableitende Harnwege oder Nierenbecken) erkrankt sein, wobei
alle folgenden Kriterien erfüllt sein müssen:
1. Einer der drei Patienten ist ein Verwandter ersten Grades von den beiden anderen Erkrankten.
2. Mindestens zwei aufeinanderfolgende Generationen sind betroffen.
3. Mindestens ein kolorektales Karzinom wurde vor dem 50. Lebensjahr diagnostiziert.
4. FAP ist bei den CRC-Patienten ausgeschlossen.
5. Die Tumoren sind histopathologisch verifiziert.
Bethesda-Kriterien
(Richtlinien zur Identifizierung von Patienten, deren Tumoren auf das Vorliegen einer genomischen
Instabilität untersucht werden sollten)
1. Patienten, die die Amsterdam-Kriterien (I) erfüllen
2. Patienten mit synchronen oder metachronen Tumoren aus dem HNPCC-Spektrum
3. Patienten mit CRC und erstgradig Verwandten mit Karzinom aus dem HNPCC-Spektrum vor dem
45. Lebensjahr oder mit kolorektalem Adenom vor dem 40. Lebensjahr
4. Patienten mit CRC oder Endometriumkarzinom vor dem 45. Lebensjahr
5. Patienten mit kolorektalem Adenom vor dem 40. Lebensjahr
6. Patienten mit wenig differenziertem, rechtsseitigem CRC vor dem 45. Lebensjahr
7. Patienten mit CRC vom Siegelringzelltyp vor dem 45. Lebensjahr
157
Kolorektale Karzinome
S3-Leitlinie 2004, I
Das Informationszentrum für Standards in der Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft erstellt und aktualisiert
seit 1996 Leitlinien zu Diagnostik, Therapie, Nachsorge, Rehabilitation und Palliation onkologischer Eerkrankungen.
Bisher sind über 50 Leitlinien erarbeitet worden. Die Mehrzahl sind S1-Leitlinien. Hinsichtlich ihrer Qualität und
praktischen Brauchbarkeit werden Leitlinien in drei Stufen klassifiziert.
Stufe 1:
Stufe 2:
Stufe 3:
Expertengruppe
repräsentativ zusammengesetzt, erarbeitet im informellen Konsens eine Leitlinie, die vom
Vorstand der entsprechenden wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaft verabschiedet
wird.
Formale Konsensusfindung
Diskussion der Literatur für die Feststellungen und Empfehlungen, Verabschiedung in einem
interdisziplinären, formalen Konsensusverfahren.
Leitlinie mit allen Elementen systematischer Entwicklung
Formale Konsensusfindung, systematische Recherche und Bewertung der Literatur sowie
Klassifizierung von Studien und Empfehlungen nach den Kriterien der Evidenz-basierten
Medizin, klinische Algorithmen, Outcome-Analyse, Entscheidungsanalyse.
Leitlinien als systematisch entwickelte Entscheidungshilfen für Ärzte und Patienten sind ein wichtiges Instrument des
Qualitätsmanagements in der Medizin und werden auch von der Gesundheitspolitik gefordert (§§137e-g SGBV). Die
kontinuierliche Verbesserung der methodischen Qualität von Leitlinien ist daher ein wichtiges medizinisches und
gesellschaftliches Ziel.
Am 30.06.2004 fand die abschliessende Leitlinienkonferenz „Kolorektales Karzinom“ 2004 statt.
Die Ausarbeitung erfolgte unter der Federführung der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten mit Unterstützung der Deutschen Krebshilfe - in Zusammenarbeit mit der:
Deutschen Krebsgesellschaft
Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie
Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin
Deutschen Gesellschaft für Koloproktologie
Deutschen Gesellschaft für Pathologie
Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie
Deutschen Gesellschaft für Viszeralchirurgie
Deutschen Röntgengesellschaft
Deutschen vereinten Gesellschaft für klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin e.V.
Teilnehmer der Leitlinienkonferenz
Prof. Adler, Ulm ; Dr. Altenhofen, Köln; Prof. Bechstein, Frankfurt; Prof. Becker, Göttingen; Prof. Brambs, Ulm; Prof. Budach, Tübingen; Prof.
Büttner, Bonn; Prof. Classen, München; Dr. Dürsch, Erlangen; Prof. Dunst, Halle; Dr. Eickhoff, Ludwigshafen; Prof. Encke, Frankfurt; Prof.
Englert, Freising; Prof. Epplen, Bochum; Prof. Feuerbach, Regensburg; Dr. Fibbe, Hamburg; Prof. Fischbach, Aschaffenburg; Prof. Fleig, Halle;
Prof. Flenker, Dortmund; Prof. Fölsch, Kiel; Prof. Frühmorgen, Ludwigsburg; Prof. Gabbert, Düsseldorf; Dr. Galandi, Freiburg; PD Graeven,
Bochum; PD Hahn, Bochum; M. Haß, Freising; Prof. Hegewisch-Becker, Hamburg; PD Heike, Dortmund; Prof. Hinkelbein, Berlin; Dr. Hoecht,
Berlin; Prof. Hofheinz, Mannheim; Prof. Hohenberger, Erlangen; Prof. Holstege, Landshut; Dr. Hüppe, Herne; Prof. Jauch, München; Prof.
Junginger Mainz; Prof. Kirchner, Erlangen; PD Kleber, Aalen; Prof. Köhne, Dresden; Dr. Kopp, Marburg; PD Kubicka, Hannover; Dr,
Kühbacher, Kiel; PD Kullmann, Regensburg; Dr. Kunstmann, Bochum; Dr. Langer, Marburg; Prof. Layer, Hamburg; Prof. Lehnert, Heidelberg;
Prof. Liebe, Rostock; Prof. Lochs, Berlin; Dr. Maar, München; Dr. Mauer, Berlin; PD Möslein, Düsseldorf; Prof. Mössner, Leipzig; PD
Ockenga, Berlin; Dr. Overkamp, Recklinghausen; Prof. Pausch, Kassel; Prof. Petrasch, Duisburg; Dr. Pommer, Oldenburg; Prof. Porschen,
Bremen; Dr. Pox, Bochum; Prof. Propping, Bonn; Prof. Raab, Oldenburg; Dr. Reichert, Berlin; Dr. Reingruber, Erlangen; Dr. Reiser, Bochum;
Prof. Riemann, Ludwigshafen; Prof. Rothmund, Marburg; Prof. Rüschoff, Kassel; Prof. Sauer, Erlangen; Prof. Sauerbruch, Bonn; Prof.
Scheppach, Würzburg; Prof. Schmiegel, Bochum; Prof. Schmitt, München; Prof. Schmoll, Halle; Prof. Schölmerich, Regensburg; Dr.
Schulmann, Bochum; Prof. Seeber, Essen; Prof. Selbmann, Tübingen; Prof. Sieg, Östringen; Prof. Stange, Stuttgart; U. Steder-Neukamm,
Leverkusen; Dr. Steiner, Ihringen; Dr. Strauch, München; PD Strumberg, Essen; PD Vanhoefer, Essen; PD Vieth, Magdeburg; Prof. Vogel,
Frankfurt; Prof. Wagener, Hamburg; PD Weitz, Heidelberg; Prof. Wilke, Essen; Vorbereitung; Prof. Wittekind, Leipzig; Prof. Zeitz, Berlin ;
Prof. Zamboglou, Offenbach
Die Entscheidungen zur Diagnostik und Therapie wurden auf der Basis einer evidenzbasierten Medizin
und den entsprechenden Graden der Empfehlung zu deren Anwendung getroffen.
Klassifikation der Konsensusstärke
starker Konsens
Konsens
mehrheitliche Zustimmung
kein Konsens
Zustimmung von > 95 % der Teilnehmer
Zustimmung von > 75 – 90 % der Teilnehmer
Zustimmung von > 50 – 75 % der Teilnehmer
Zustimmung von < 50 % der Teilnehmer
158
Kolorektale Karzinome
S3-Leitlinie 2004, II
Center of Evidence based Medicine Oxford (Quelle: http://cebm.net/levels_evidence.asp)
Empfehlungs-grad
Evidenzgrad
A
1-a
1-b
1-c
B
2-a
2-b
C
3-a
3-b
C
4
Systematisches Review gut geplanter Kohortenstudien
eine gut geplante Kohortenstudie, einschließlich RCT mit mäßigem Follow-up
(<80%)
Systematisches Review von gut geplanten Fall-Kontroll-Studien
eine gut geplante Fall-Kontroll-Studie
Fallserien, einschließlich schlechter Kohorten- und Fall-Kontroll-Studien
C
5
Meinungen ohne explizite kritische Bewertung, physiologische Modelle,
Vergleiche oder Grundsätze
Typen von Therapiestudien
Systematisches Review randomisierter kontrollierter Studien (RCT)
eine geeignet geplante RCT
alles oder nichts-Prinzip
Themenkomplexe der S3-Leitlinie Kolorektale Karzinome
Die 127 Seiten umfassende Leitlinie gibt den derzeitigen evidenzbasierten Wissensstand aller klinisch relevanten
Aspekte der kolorektalen Karzinome wieder. Nachfolgend sind die Themenkomplexe aufgelistet. Details siehe
www.dgvs.de
Prävention asymptomatische Bevölkerung
Lebensgewohnheiten
- Ernährungsempfehlungen
- Mikronährstoffe und Medikamente
Screening asymptomatische Bevölkerung
- Stuhluntersuchung auf okkultes Blut (FOBT)
- Immunologische Stuhltestverfahren
- Molekulare Screeningverfahren:
- Endoskopische Verfahren
Sporadisches kolorektales Karzinom
- Verwandte von Patienten mit kolorektalem Karzinom
Patienten mit kolorektalen Adenomen
Empfehlung zur Primärprävention
Vorsorgeuntersuchungen
Hereditäre kolorektale Karzinome
Patienten mit Familiärer Adenomatöser Polyposis (FAP)
Attenuierte familiäre adenomatöse Polyposis
HNPCC (Hereditäres kolorektales Karzinom ohne Polyposis)
Patienten mit hamartomatösen Polyposis-Syndromen
Vorsorge
Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
Colitis ulcerosa, Morbus Crohn
Primärprävention
Polypenmanagement
Präoperative Diagnostik
Chirurgische Therapie mit kurativem Ziel
Adjuvante Therapie des Kolonkarzinoms
Adjuvante und neoadjuvante Therapie beim Rektumkarzinom
Therapeutisches Vorgehen bei Metastasierung und in der palliativen Situation:
Chemotherapieschemata der First-line Therapie
Chemotherapieschemata der Second-line Therapie
Vorgehen bei resektablen Metastasen
Vorgehen bei isolierten inoperablen Lebermetastasen
Vorgehen beim Lokalrezidiv:
Nachsorge
159
Kolorektale Karzinome
Prävention, Lebensgewohnheiten, S3-Leitlinie 2004
Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens an einem CRC zu erkranken, beträgt ca. 6%. Das Risiko steigt ab
einem Alter von 50 Jahren signifikant an. Genetische und epidemiologische Studien zeigen, dass ein CRC durch
eine komplexe Interaktion zwischen genetischen Risikofaktoren und Umweltfaktoren entsteht. Etwa 90% der
CRC entwickeln sich aus adenomatösen Vorstufen.Vermutlich wird die Progression der primär genetisch
determinierten Adenom-Karzinom-Sequenz durch Umweltfaktoren, insbesondere Ernährungsfaktoren bestimmt.
Der World Cancer Research Fund schätzt, dass bis zu 50% der CRC durch diätetische Massnahmen vermeidbar
sind (Potter J. 1997, World Cancer Research Fund, London, and American Institute for Cancer Research,
Washington). In den bisher vorliegenden Studien ist es bisher aber noch nicht gelungen, diese Zusammenhänge
im Detail zu charakterisieren und präventive Strategien zu entwickeln. Präventive Massnahmen müssen darauf
zielen, die Entwicklung von Adenomen (Primärprävention) und von Karzinomen (Sekundärprävention) zu
verhindern.
Körperliche Aktivität
Es gibt mehrere Beobachtungsstudien, die einen protektiven Effekt von vermehrter körperlicher Aktivität im
Hinblick auf ein CRC gefunden haben (Friedenreich CM et al., Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2001;10:287-301). Die
mittlere relative Risikoreduktion durch vermehrte körperliche Aktivität beträgt zwischen 40-50%. Unklar ist
jedoch, ob es sich bei verminderter körperlicher Aktivität um einen unabhängigen Risikofaktor handelt und in
welchem Maße andere Faktoren wie Übergewicht und genetische Prädisposition beteiligt sind.
Risikofaktor Übergewicht, Insulinresistenz
Eine positive Energiebilanz korreliert in mehreren Studien mit dem CRC-Risiko. Ursächlich ist möglicherweise
die fettreiche Ernährung und der Hyperinsulinismus, der für den Adipösen typisch ist. Auch der
Bewegungsmangel geht mit einer erhöhten CRC-Inzidenz einher. Folgender Mechanismus könnte dem
zugrunde liegen: Aufgrund exzessiver Hyperalimentation kommt es zu einer Insulinresistenz mit erhöhten
Insulinspiegeln, Triglyceriden und Fettsäuren. Dies regt die Darmepithelien zur Proliferation an und setzt sie
Sauerstoffradikalen aus, was die Entstehung des CRC fördert.
Risikofaktor Alkohol
Epidemiologische Daten weisen darauf hin, dass das Risiko insbesondere an einem Rektumkarzinom zu
erkranken, durch Alkoholgenuss erhöht ist. Ein assoziierter Folsäure-und Methioninmangel ist von grosser
Bedeutung, da diese Faktoren bei der Regulation der DNA-Methylierung, die die Genexpression und damit die
Tumorentstehung beeinflusst, beteiligt sind und der Alkohol den Methylengruppen-Metabolismus antagonisiert.
Durch eine erhöhte Folsäureaufnahme kann das alkoholbedingte erhöhte CRC-Risiko fast neutralisiert werden.
(Giovannucci E. et al., J Natl Cancer Inst 1995; 87:265-73).
S3-Leitlinie 2004, Prävention
Lebensgewohnheiten
Empfehlung
Zur Risikoreduktion eines kolorektalen Karzinoms sollten regelmäßig körperliche Aktivitäten durchgeführt
sowie eine Gewichtsreduktion bei übergewichtigen Personen (BMI > 25 kg/m2) angestrebt werden.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke 2b, starker Konsens. Patienten sollten zur Nikotinkarenz angehalten
werden. Empfehlungsgrad A, Evidenzstärke 2b; starker Konsens.
Anmerkungen
Personen mit höherem körperlichen Aktivitätsgrad haben in Querschnittsuntersuchungen weniger Kolonpolypen
(Adenome) und ein geringeres Karzinomrisiko. Zwei Kohortenstudien konnten zeigen, dass bereits 30 bis 60
Minuten tägliche moderate körperliche Aktivität mit einem verringerten Karzinomrisiko einhergeht.
Kolonpolypen (Adenome) finden sich häufiger bei Patienten mit höherem BMI. Bei übergewichtigen Personen
war das Risiko für ein Kolonkarzinom bis zu zweifach erhöht, wobei unklar ist, ob die Risikoerhöhung durch
das Übergewicht, die erhöhte Kalorienaufnahme oder durch die fehlende körperliche Aktivität bedingt ist.
Rauchen ist mit einem erhöhten Risiko für Kolonadenome und –karzinome assoziiert. Trotz einer Evidenzstärke
2b wurde von den Teilnehmern der Plenumsitzung der Empfehlungsrad auf A hochgestuft, um der nachweislich
durch das Rauchen bedingten erhöhten extrakolischen Morbidität und Mortalität Rechnung zu tragen.
160
Kolorektale Karzinome
Ernährungsfaktoren, S3-Leitlinie 2004
Ernährungsfaktoren mit möglichem Einfluss auf das Enstehen von kolorektalen Karzinomen
Risikofaktoren
Alkohol
Rotes Fleisch
Adipositas
Eisen
Gesättigte Fettsäuren
Protektive Faktoren
Körperliche Aktivität
Gemüse
Folsäure
Kalzium
Vitamin C und E
Fettsäuren
Olivenöl
Flavoide
Ballaststoffe
Selen
Azetylsalizylsäure
Risikofaktor Fleisch und Fett
"Rotes Fleisch" wird bei täglichem Genuss, aufgrund mehrerer
grosser Kohortenstudien, als Risikofaktor für ein CRC angesehen.
Es ist unklar, ob dies auf eine häufig gleichzeitig auch erhöhte
Aufnahme tierischer Fette zurückzuführen ist. Auch ist ungewiss,
welche Fette (gesättigte oder ungesättigte Fettsäuren) sich
ungünstig oder vielleicht auch protektiv auswirken. Andere
Stoffe, wie die im Olivenöl enthaltenen antioxidativ wirksamen
Phenole oder Flavoide könnten ebenfalls protektiv wirken.
Andererseits kann das Krebsrisiko durch beim Braten von Fleisch
entstehende Amine erhöht werden.
Fettgedruckte Faktoren werden vom World Cancer Research Fund als
"wahrscheinliche" Faktoren eingestuft (Bode C. et al. Aktuel Ernaehr Med
2001; 26:121-129)
Risikofaktor Vitaminmangel, Ballaststoffmangel
Dem reichlichen Genuss von Gemüse wird ein protektiver Effekt zugeschrieben. Es ist unklar, auf welchen
Komponenten dieser Effekt beruht. Infrage kommen dafür Ballaststoffe und die antioxidativen Vitamine A,C,E und
beta-Karotin, die toxische Sauerstoffradikale neutralisieren. Diesen Sauerstoffradikalen wird eine Akzeleration des
Tumorwachstums im Rahmen der Adenom-Karzinom-Sequenz zugeschrieben. Jedoch konnte durch eine hoch
dosierte Vitamin-Supplementierung die Entwicklung von Polypen nach vorangegangener Polypektomie nicht
unterdrückt werden (Greenberg ER et al., NEJM 1994; 331:141-7). Auch verschiedene Kohortenstudien wie die Nurses
Health Study oder die American Cancer Society Study (Jacobs EJ et al., Cancer Epidemiol Biomarkers Prev 2001;10:17-23)
zeigen, dass durch eine Supplementierung mit Vitamin C oder E über 10 Jahre oder durch einen vermehrten Gemüseund Obstkonsum keine eindeutige CRC-Reduktion zu erreichen ist. Dennoch haben epidemiologische Studien bei
keinem anderen Ernährungsaspekt ähnlich übereinstimmende Ergebnisse ergeben, wie bei der Beziehung zwischen
Gemüse- und Obstkonsum und der Risikoreduktion, eine Krebserkrankung zu entwickeln.
S3-Leitlinie 2004, Ernährungsempfehlungen
Zur Risikoreduktion eines kolorektalen Karzinoms sollte die Ballaststoffaufnahme erhöht werden. Rotes bzw.
verarbeitetes Fleisch sollte nicht täglich verzehrt werden. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2a, starker Konsens.
Obst und Gemüse sollten vermehrt gegessen werden (5 Portionen am Tag). Eine Limitierung des Alkoholkonsums
wird angeraten. Empfehlungsrad: B, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.
Anmerkungen
Obwohl es kontroverse Studien gibt, ist die Evidenz ausreichend, um eine ballaststoffreiche Ernährung (30g/Tag) zu
empfehlen. Die alleinige Zufuhr von bestimmten Ballaststoffen scheint nicht ausreichend zu sein. Insbesondere hat
die EPIC-Studie, die Ballaststoffaufnahmen zwischen 12 und 35 g/Tag untersucht hat, eine inverse Beziehung
zwischen Ballaststoffzufuhr und Karzinomrisiko nachgewiesen. Die negativen Daten der Nurses Health Study
könnten darauf zurück zu führen sein, dass die untersuchte Spannweite lediglich 9,8 bis 24,9 g/Tag betrug.
Eine höhere Zufuhr von Obst und Gemüse ist mit einer reduzierten Häufigkeit von Kolonadenomen/Karzinomen
assoziiert. Die Evidenz ist für die Aufnahme von Gemüse eindeutiger als für die Aufnahme von Obst. Unklar ist
jedoch, welche Bestandteile (Ballaststoffe, Flavonoide, Anthocyanine) einen protektiven Effekt haben. Durch
mehrere Studien konnte ein moderat erhöhtes Karzinomrisiko bei täglicher Aufnahme von rotem bzw. verarbeitetem
Fleisch gezeigt werden. Hoher Alkoholkonsum ist mit einem erhöhten Risiko für ein Kolonkarzinom assoziiert,
insbesondere bei reduzierter Folsäureeinnahme. Zusätzlich scheint ein negativ synergistischer Effekt zwischen
Rauchen und Alkohol zu bestehen. Das Risiko korreliert mit der Menge des aufgenommenen Alkohols und nicht mit
der Art des alkoholischen Getränks.
Keine Empfehlungen können zum Fischkonsum (starker Konsens) der Reduktion des Fettverzehrs (Konsens) oder der
Förderung der Aufnahme Vitamin-C-haltiger Nahrung (starker Konsens) gegeben werden.
Anmerkungen
Mehrere Studien zeigen zwar eine Assoziation zwischen Fischkonsum und reduziertem Auftreten von Kolonpolypen.
Die Evidenz reicht jedoch nicht aus, um eine Empfehlung geben zu können. Unter der Voraussetzung, dass VitaminC-haltige Nahrung im Wesentlichen Obst und Gemüse ist, könnte dies empfohlen werden. Es liegen aber keine
entsprechenden Studien vor. Eine erhöhte Menge von Fett in der Nahrung ist ein möglicher Risikofaktor für ein
kolorektales Karzinom. Der Effekt von Kofaktoren (Fleischzufuhr, Übergewicht) kann nicht hinreichend abgetrennt
werden.
161
Kolorektale Karzinome
Prävention, Mikronährstoffe/Medikamente, S3 Leitlinie 2004
Chemoprävention mit NSAID
Mehrere Studien zeigen, dass Menschen, die regelmässig Aspirin und andere nicht-steroidale antiinflammatorische
Medikamente einnehmen, ein 40-50% niedrigeres Risiko haben, ein CRC oder adenomatöse Polypen zu entwickeln.
Die Wirkung ist jedoch weder durch Interventionsstudien abgesichert, noch besteht Klarheit über die Dosierung und
Applikationsdauer.
Der Wert dieser Medikamente wird bei Personen mit erhöhtem Risiko eingehend untersucht.
Bei Patienten mit familiärer adenomatöser Polypose (FAP) führte eine Behandlung mit Celecoxib, einem COX-2Inhibitor, in einer Dosierung von 2 x 400mg/die über 6 Monate zu einer signifikanten Reduktion der Anzahl der
kolorektalen Polypen (Steinbach G. et al., NEJM 2000, 342:1946-52). Das Medikament wurde deshalb von der FDA für
diese Indikation zugelassen.
Sulindac, ein nicht-selektiver Cyclooxygenase-Inhibitor hatte schon früher in unkontrollierten und in einer kleinen
Placebo-kontrollierten Studie (Labayle D. et al., Gastroenterology 1991; 101:635-9) bei Patienten mit FAP eine fast
komplette Regression rektaler Adenome bewirkt.
S3-Leitlinie, Prävention
Ernährungsempfehlung
Zur Karzinomreduktion sollte die Ernährung folsäure- (Empfehlungsgrad B) und kalziumreich (Empfehlungsrad C)
sein. Evidenzstärke 2b, starker Konsens.
Anmerkungen
Folsäurereiche Ernährung war assoziiert mit einem erniedrigten Karzinomrisiko. Ob dieser Effekt auf die Folsäure
oder andere in einer folsäurereichen Ernährung erhaltenen Stoffe zurück zu führen ist, lässt sich nicht differenzieren.
Kalziumreiche Ernährung war ebenfalls mit einem erniedrigten Karzinomrisiko assoziiert. Auch hier lässt sich nicht
eindeutig unterscheiden, ob dieser Effekt auf Kalzium oder andere in einer kalziumreichen Ernährung enthaltenen
Stoffe zurück zu führen ist.
Mikronährstoffe und Medikamente
Empfehlung
Es gibt derzeit keine gesicherten Daten zur wirksamen Prävention des kolorektalen Karzinoms durch Mikronährstoffe
und Medikamente. Diese Angaben gelten für Kalzium (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke 4). Magnesium
(Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke 5), ß-Carotin (Empfehlunsgrad B, Evidenzstärke 3b), Vitamin A
(Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke 3b), Vitamin C, Vitamin D, Vitamin E (Empfehlungsgrad C, Evidenzstärke 4),
Folsäure (Empfehlungsgrad B, Evidenzstärke 2b) und Selen (Empfehlunsgrad C, Evidenzstärke 4). Die Einnahme
dieser Substanzen im Rahmen der Primärprävention sollte daher derzeit nicht erfolgen. Zum Einsatz von Sulindac,
COX-2-Inhibitoren, 5-ASA, Cholesterinsyntheseinhibitoren oder Ursodeoxycholsäure existieren keine Daten für die
asymptomatische Bevölkerung, so dass diese Substanzen ebenfalls nicht für diese Indikation gegeben werden sollten.
Starker Konsens.
Anmerkungen
Es gibt Hinweise, dass die Einnahme von Folsäure in einem Multivitaminpräparat einen protektiven Effekt auf die
Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms hat. Allerdings ist dieser Effekt für die Folsäure allein bisher nicht
eindeutig nachgewiesen worden.
Mehrere epidemiologische Untersuchungen an Personen mit erhöhter Einnahme von Vitamin A konnten eine
Reduktion des Risikos für en kolorektales Karzinom nicht sichern.
Für ß-Carotin fand sich in mehreren Studien kein genereller Effekt, jedoch in zwei Studien eine Reduktion der
kolorektalen Karzinome bei Patienten mit erhöhter Alkoholzufuhr. Es ist nicht eindeutig belegt, dass die Einnahme
hoher Dosen von Vitamin C das Risiko für ein kolorektales Karzinom senkt. Für die Vitamin D und E ist die
Datenlage unzureichend, so dass eine Aussage über mögliche protektive Effekte auf die Entwicklung eines
kolorektalen Karzinoms nicht möglich ist.
Durch Anreicherung der Nahrung mit Selen wurde eine Reduktion des KRK in einer prospektiven Studie festgestellt.
Da in dieser Studie die Häufigkeit des kolorektalen Karzinoms nicht das Hauptzielkriterium war, reichen diese Daten
nicht aus, um eine Empfehlung für Selen zur Reduktion des Risikos des kolorektalen Karzinoms zu geben.
Empfehlung
Eine Gabe von Acetylsalicylsäure für die Primärprophylaxe kolorektaler Neoplasien sollte nicht erfolgen.
Empfehlungsgrad : A, Evidenzstärke 2a, starker Konsens
In einigen Kohorten- und Fall-Kontrollstudien wurde eine erniedrigte Inzidenz des KRK bei Einnahme von Aspirin
gesehen. Diese Befunde wurden jedoch in anderen Studien nicht bestätigt. Aufgrund der derzeitigen ungesicherten
Datenlage und der fehlenden Bewertung der Nutzen-Risiko-Relation sollte ASS als Primärprävention nicht eingesetzt
werden.
162
Kolorektale Karzinome
Prävention, Lebensgewohnheiten, NCI-Empfehlungen
Evidenzbeurteilung der vorliegenden Studien zur Prävention des CRC durch das NCI (National Cancer
Institute) der USA
Fett, hochkalorische Ernährung
Epidemiologische experimentelle und klinische Untersuchungen legen nahe, dass fett-, protein- und
kalorienreiche Ernährung, Alkoholkonsum, Fleischverzehr (sowohl rotes als auch weisses Fleisch) und eine
Kalzium- und Folinsäurearme Ernährung mit einer erhöhten Inzidenz des CRC assoziiert sind.
Evidenzlevel 3 und 4.
Ballaststoffe, Früchte und Gemüse
Ballaststoffsupplementierung und Diäten, die fettarm, aber reich an Früchten und Gemüsen sind, reduzieren
nicht die Rate der Rekurrenz von Adenomen über einen 3-4 jährigen Zeitraum.
Evidenzlevel 1 und 3.
Nichtsteroidale antiinflammatorische Medikamente
Medikamente wie Piroxicam, Sulindac und Aspirin können Adenome verhindern oder zu einer Regression
adenomatöser Polypen bei der familiären adenomatösen Polyposis führen.
Evidenzlevel 1 und 3.
Rauchen von Zigaretten
Rauchen von Zigaretten ist assoziiert mit einer erhöhten Tendenz, Adenome auszubilden und ein CRC zu
entwickeln.
Evidenzlevel 3.
Postmenopausaler Hormonersatz
Postmenopausaler Ersatz weiblicher Hormone ist mit einer Verminderung des Risikos für ein Kolon- aber nicht
für ein Rektumkarzinom assoziiert.
Evidenzlevel 3.
Koloskopie
Die Koloskopie mit Entfernung von adenomatösen Polypen kann das Risiko eines CRC reduzieren.
Evidenzlevel 3.
Empfehlung der American Cancer Society zur Ernährung und körperlichen Aktivität
Ratschläge für eine gesunde Lebensweise
♦Essen Sie eine Vielfalt gesunder Nahrungsmittel mit einem Schwergewicht auf pflanzlichen Erzeugnissen.
- Essen Sie 5 mal am Tag Gemüse oder Obst
- Bevorzugen Sie Vollkorngetreide.
- Begrenzen Sie den Verzehr von rotem Fleisch insbesondere solches mit hohem Fettgehalt.
♦Legen Sie sich einen körperlich aktiven Lebensstil zu.
- Wenigstens mässige Aktivität für 30 Minuten an 5 oder mehr Tagen der Woche.
♦Halten Sie ein normales Gewicht während der gesamten Lebenszeit.
- Gleichen Sie Kalorienaufnahme mit körperlicher Aktivität aus.
- Reduzieren Sie Ihr Gewicht, falls Sie übergewichtig sind.
♦Wenn Sie Alkohol trinken, reduzieren Sie den Konsum auf geringe Mengen.
"5 am Tag"
In Anlehnung an die seit 1991 laufende amerikanische Kampagne "5 a day for better Health" wurde im Mai
2000 eine deutsche Aktion "5 am Tag" gegründet. Es wird empfohlen, 3 Portionen Gemüse (ca. 375 g) und 2
Portionen Obst (ca.250 g) pro Tag zu verzehren.
Als einfache Richtlinie bei unterschiedlichen Portionsgrössen gilt die Regel
"5 mal eine Handvoll",
so dass sich auch für Kinder und Jugendliche durch die Grösse der Hände eine adäquate Portionsgrösse ergibt.
Insbesondere beim Gemüsekonsum nimmt Deutschland bisher in der europäischen Vergleichsstatistik einen
hinteren Platz ein (ca. 240g/die).
www.cancer.gov-colorectal Cancer(PDQ):Prevention
163
Kolorektale Karzinome
Früherkennung, Screeninguntersuchungen
Früherkennung
Kolorektale Karzinome werden häufig in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert. Die effektive
Heilungsrate eines nichtselektionierten Patientengutes beträgt aus diesem Grund nur durchschnittlich 40 - 50%.
Etwa 15% weisen bereits zum Zeitpunkt der Diagnosestellung Fernmetastasen auf. Das CRC ist einer
Früherkennung gut zugänglich. Durch Screeninguntersuchungen kann die Erkrankung nicht nur in einem
frühen, heilbaren Stadium erkannt, sondern auch bei Entdeckung und Entfernung von Polypen verhindert
werden. So kann eine deutliche Reduktion von Inzidenz und Mortalität erzielt werden.
Screening-Untersuchungen
Für die Darmkrebsvorsorge stehen folgende Untersuchungsverfahren zur Verfügung:
- FOBT
- Immunologische Testverfahren
- Sigmoidoskopie
- Sigmoidoskopie + FOBT
- Koloskopie
- CT-Kolonographie
- MRT-Kolonographie
- Molekulare Screeningverfahren
Fäkale okkulte Bluttestung (FOBT)
Die Untersuchung des Stuhls auf okkultes Blut stellt ein geeignetes Screening für ein CRC dar.
Die Minnesota Studie zeigte eine Reduktion der Mortalität an CRC durch die jährliche FOBT von 8.8 auf
5,9/1000, was einer relativen Reduktion von 33% entspricht (Mandel JS et al., NEJM 1993; 328:1365-71). Eine Testung
alle 2 Jahre führte zu einer relativen Mortalitätsreduktion von 21% (Mandel JS et al., Journal of National Cancer Institute
91(5):434-37,1999). Nach 18 Jahren Follow-up zeigte sich die Inzidenz des CRC bei jährlicher Untersuchung um
20%, bei einer Testung alle 2 Jahre um 17% vermindert (Mandel JS et al.. NEJM 2000;343:1603-7). Die jährliche
Untersuchung war also der Testung alle 2 Jahre hinsichtlich der Reduktion der Mortalität überlegen.
Eine Metaanalyse von 4 randomisierten und 2 nicht randomisierten Studien mit insgesamt 442.000 Pat.
Patienten in einem Alter über 40 Jahren ergab bei regelmäßiger
Signifikanter Überlebensvorteil der
Patienten
mit
regelmässigem
jährlichen Screening mit fäkalem
Okkultbluttest
(aus Mandel JS et al. NEJM 1993;
328:1365)
Eine regelmässige Testung, meist alle 2 Jahre, ergab eine Senkung der Mortalität um 23% (Towler B. et al.:
BMJ 1998, 317: 559-65). In allen Studien hatten ca. 1-5% der unselektionierten getesteten Personen ein
positives Testresultat. Von den Personen mit positivem Test hatten 2-10% Krebs, 20-30% hatten Adenome.
Eine Rehydrierung des Testbriefchens steigerte die Sensitivität zwar signifikant, jedoch zu Lasten der Spezifität.
Wenn 10.000 Personen ähnlichen Alters und Risikos in den Studien ein Test alle zwei Jahre angeboten wurde
und zwei Drittel wenigstens einen FOBT durchführten, konnten 8,5 Todesfälle an CRC in 10 Jahren verhindert
werden.
Genetische Stuhltests
Da der Tumor Zellen ins Darmlumen abgibt, können Genmutationen durch neue analytische Techniken im
Faeces nachgewiesen werden. Die APC-Mutation in fäkaler DNA konnte in einer neuen Pilotstudie mit einer
100%igen Spezifität, jedoch nur mit einer Sensitivität von 57% nachgewiesen werden. Dieselbe Gruppe
entwickelte einen weiteren Test für einen Marker der Mikrosatelliteninstabilität (Traverso G et al., Lancet 2002:359,
403-404 und NEJM 2002,346,311-320). Eine weitere Studie untersuchte die fäkalen Spiegel der TumorPyruvatkinasetyp M2 (M2 – PK). Sie waren bei 207 Pat. mit CRC signifikant höher als bei 107 Pat. mit
Adenom und 100 gesunden Patienten (Hardt et al, World Congress on GI-Cancer, Barcelona 2004).
Als Screeninguntersuchungen in Konkurrenz zum FOBT eignen sich diese Tests bisher noch nicht.
164
Kolorektale Karzinome
Früherkennung, Sigmoido-, Koloskopie
Sigmoidoskopie
Die flexible Sigmoidoskopie wurde 1969 eingeführt. Sie erlaubt die komplette Untersuchung des distalen
Kolons und verlangt beim Auffinden von Polypen nach einer kompletten Koloskopie.
Alle Screening-Studien haben eine proportionale Vermehrung der frühen Stadien und eine Verbesserung des
Überlebens für die gescreenten im Vergleich zu den nicht gescreenten Personen gezeigt. Die meisten dieser
Studien haben jedoch keine entsprechende Vergleichsgruppe und ihre Interpretation ist aufgrund des ScreeningBias unklar.
Zwei Fall-Kontrollstudien (Selby JV et al. NEJM 326(10):653-7,1992 und Newcomb PA et al. Journal of National Cancer
Institute 84 (20):1572-75,1992) fanden ein signifikant vermindertes Risiko (70-90%) für ein CRC im distalen Kolon
bei Personen, die mindestens eine Sigmoidoskopie durchführen liessen im Vergleich zu nicht gescreenten
Personen.
Digitale rektale Untersuchung
Eine Fall-Kontroll-Studie ergab, dass die rektale digitale Untersuchung nicht mit einer statistisch signifikanten
Reduktion der Mortalität an einem distalen Rektumkarzinom assoziiert ist (Herrington LJ et al., American Journal of
Epidemiology 142(9):961-4,1995). Trotzdem erscheint eine rektale Untersuchung im Rahmen z.B. einer
Sigmoidoskopie und Koloskopie sinnvoll.
Barium-Kolon-Kontrasteinlauf
Als Teil der amerikanischen "National Polyp Study" wurden
Patienten nach Polypektomie im Überwachungsprogramm
koloskopiert und geröngt (Winawer SJ et al., NEJM 342(24):176672,2000). Die Sensitivität war abhängig von der Polypengrösse
und war statistisch signifikant höher für die Koloskopie.
Koloskopie
2 Studien zeigen, dass die Koloskopie eine relevante Zahl an
präkanzerösen Polypen detektiert, die der Sigmoidoskopie
entgangen wären.
In der Studie von 13 Veterans Affairs Medical Centers (Lieberman
DA et al., NEJM 343(3):162-8,2000) mit 3121 Personen fanden sich bei
128 Patienten im rechten Kolon fortgeschrittene Polypen. 52%
dieser Pat. hatten keine Polypen im linken Kolon, so dass das
Karzinom bei einer ausschliesslichen Sigmoidoskopie nicht
Stenosierendes Kolonkarzinom. KE
entdeckt worden wäre.
Die andere Studie (Imperiale TF et al., NEJM 343(3):169-174,2000) schloss knapp 2000 Personen ein. Das Ergebnis war
ähnlich: die Hälfte der 50 Fälle von fortgeschrittenen Polypen im rechten Kolon wäre bei einer Sigmoidoskopie
nicht entdeckt worden, da das linke Kolon frei von Polypen war.
Aber letztendlich ist die Frage nicht geklärt, ob sich die grössere Sensitivität im Vergleich zu FOBT und
Sigmoidoskopie auch in eine höhere Mortalitätsreduktion umsetzen lässt und ob der Benefit die Risiken
(Blutung, Perforation) überwiegt.
Screening des Kolorektalen Karzinoms: Effektivität der Früherkennung
Empfehlung der US Preventive Services Task Force
(Alfred O. Berg, University of Washington, www.uwecme.org/courses/evidence/colorectal.html).
Test
Level of Evidence
Grad der Empfehlung
FOBT
Level I
B
Sigmoidoskopie
Level II
B
Digitale rektale Untersuchung
Level III
C
Koloskopie
Level III
C
Barium-Kolon-Kontrasteinlauf
Level III
C
165
Kolorektale Karzinome
Früherkennung Standardrisiko
Vorgehen zur Früherkennung bei der asymptomatischen Bevölkerung
Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten und der
Arbeitsgemeinschft für Gastroenterologische Onkologie
(Schmiegel W. et al. Z Gastroenterol 2004;42: 38:1129-77):
ab dem 50. Lebensjahr
bei Ablehnung:
ab dem 50. Lebensjahr
bei Ablehnung:
ab dem 50. Lebensjahr
● Koloskopie alle 10 Jahre (spätestens ab dem 55. Lebensjahr, ober
Altersgrenze abhängig von Begleiterkrankungen), FOBT entfällt
● Sigmoidoskopie alle 5 Jahre und
● jährlich Untersuchung des Stuhls auf okkultes Blut
● jährlich Untersuchung des Stuhls auf okkultes Blut (siehe unten)
Es wird die jährliche Durchführung einer FOBT aus 3 Testbriefchen, für drei aufeinander folgende
Stuhlgänge, mit je zwei Proben pro Stuhl auf zwei Testfelder empfohlen. Bei einmalig positivem
Testergebnis ist eine komplette endoskopische Darstellung des Dickdarms (Koloskopie bis zur
Bauhinschen Klappe) nach digitaler rektaler Austastung erforderlich. Die Rehydrierung wird nicht
empfohlen.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat die sogenannte "Vorsorge-Koloskopie" vom 56.
Lebensjahr an als Früherkennungsleistung ab dem 1.7.2002 in das Programm aufgenommen. Sie sollte
nach 10 Jahren einmal wiederholt werden. Zwischen 50 und 54 Jahren sollte jährlich ein FOBT
durchgeführt werden. Wird die Koloskopie abgelehnt, steht der FOBT auch ab 55 Jahren zur
Verfügung. Die Durchführung ist aber nur noch alle 2 Jahre vorgesehen.
Von der amerikanischen Krebsgesellschaft werden folgende Screening-Untersuchungen alternativ
empfohlen:
American Cancer Society Guidelines für Screening und Überwachung zur
Früherkennung von kolorektalen Adenomen und Krebs
Frauen und Männer 50 Jahre und älter mit durchschnittlichem Risiko Test
Fäkaler Okkultbluttest (FOBT )
und
Sigmoidoskopie
Sigmoidoskopie
FOBT
Koloskopie
DoppelkontrastBarium-Einlauf
Intervall, Beginn mit 50 J. Kommentar
Sigmoidoskopie und FOBT zusammen werden
FOBT jährlich
bevorzugt anstatt FOBT oder Sigmoidoskopie
und
alleine.
flexible
Sigmoidoskopie
Allen Untersuchungen mit positivem Ergebnis
alle 5 Jahre
muss eine Koloskopie folgen.
Allen Untersuchungen mit positivem Ergebnis
alle 5 Jahre
muss eine Koloskopie folgen.
Allen Untersuchungen mit positivem Ergebnis
Jährlich
muss eine Koloskopie folgen.
Die Koloskopie hat den Vorteil der direkten
alle 10 Jahre
Sicht, der Möglichkeit einer PE und der
Entfernung einer signifikanten Läsion.
Alternativ, wenn eine Koloskopie nicht
gewünscht oder nicht durchführbar ist oder das
Alle 5 Jahre
Coecum
nicht
erreicht
wurde.
Allen
Untersuchungen mit möglichen Läsionen muss
eine Koloskopie folgen.
166
Kolorektale Karzinome
Screeninguntersuchungen I, FOBT, S3-Leitlinie 2004
Screening asymptomatische Bevölkerung (keine Risikogruppen)
- Maßnahmen zur Früherkennung von Darmkrebs sollten bei Personen mit durchschnittlichem Risiko
(leere Familienanamnese für KRK bzw. Polypen/Adenome) ab dem Alter von 50 Jahren
durchgeführt werden.
- Eine ärztliche Beratung über die Screeningmethoden ist unerlässlich.
- Standardverfahren ist die Koloskopie. Sie ist der Sigmoidoskopie überlegen.
- Um die Sicherheit der Untersuchten zu gewährleisten, müssen die Qualitätsrichtlinien beachtet
werden.
- Bei Personen, die am Koloskopie-Screening entsprechend dieser Richtlinie teilnehmen, erübrigt
sich das FOBT-Screeningverfahren.
- Bei Personen, die eine Früherkennungskoloskopie ablehnen, sollte eine Sigmoidoskopie alle 5 Jahre
sowie jährlich ein FOBT (Guaiak-Verfahren) durchgeführt werden.
- Bei Personen, die jegliches endoskopische Screeningverfahren ablehnen, sollten jährlich ein FOBT
durchgeführt werden.
- Ein positiver FOBT sollte nicht kontrolliert werden, sondern erfordert in jedem Fall eine
Koloskopie.
- Andere Verfahren als Koloskopie, Sigmoidoskopie und FOBT können derzeit nicht empfohlen
werden.
- Eine hohe Akzeptanz des Screening-Programms ist Voraussetzung für eine Senkung von Inzidenz
und Mortalität des Darmkrebses und Steigerung der Kosteneffektivität.
Screening-Alter
Empfehlung
Mit der Darmkrebsvorsorge sollte ab dem Alter von 50 Jahren begonnen werden. Eine obere
Altersbegrenzung kann bei steigender Lebenserwartung nicht gegeben werden. Hier erscheint eine
individuelle Entscheidung unter Berücksichtigung der Begleiterkrankungen angezeigt.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 4 starker Konsens
Anmerkungen
Die KRK-Inzidenz steigt ab einem Alter von 50 Jahren deutlich an. In einer prospektiven
Koloskopiestudie zeigte sich eine deutlich niedrigere Nachweisrate fortgeschrittener Adenome bei 40bis 49-Jährigen (3,5%), so dass ein Screeningbeginn vor 50 Jahren für die Allgemeinbevölkerung
wenig sinnvoll erscheint. Von großer Bedeutung ist die Identifikation von Personen mit erhöhtem
KRK-Risiko, für die gesonderte Empfehlungen gelten.
Zur Altersbegrenzung der Darmkrebsvorsorge existieren keine prospektiven Studien. Die Inzidenz
fortgeschrittener Neoplasien nimmt mit dem Alter zu. Endoskopische Untersuchungen scheinen auch
bei älteren Patienten sicher durchführbar zu sein. In einer Studie war die relative 5-JahresÜberlebensrate nach kurativer Operation eines kolorektalen Karzinoms für Patienten über 74 Jahre
vergleichbar mit der von Patienten zwischen 50 und 74 Jahren. Die Festlegung der Altersbegrenzung
sollte daher individuell in Abhängigkeit des „biologischen Alters“ sowie vorhandener
Begleiterkrankungen erfolgen. Zum Nutzen-Risiko-Verhältnis des Darmkrebsscreenings in
verschiedenen Altersgruppen existiert keine ausreichende Datenlage.
FOBT (Guaiak-Test)
Empfehlung
Bei Personen mit durchschnittlichem Darmkrebsrisiko, die keine Koloskopie wünschen, sollte ein
FOBT – bestehend aus 3 Testbriefchen (mit je 2 Auftragefeldern) für drei konsekutive Stühle jährlich durchgeführt werden. Hierdurch wird die Sterblichkeit an Darmkrebs signifikant gesenkt. Ein
positives Testergebnis macht die endoskopische Untersuchung des gesamten Dickdarms erforderlich.
Der jährliche FOBT ist der zweijährlichen Untersuchung überlegen. Bei Personen, die am KoloskopieScreening teilnehmen, erübrigen sich FOBT und andere Maßnahmen. Empfehlungsgrad: A,
Evidenzstärke: 1a, starker Konsens.
167
Kolorektale Karzinome
Screeninguntersuchungen II, Stuhltestverfahren, S3 Leitlinie
FOBT (Guaiak-Test): siehe vorherige Seite
Anmerkungen
Grundlage für die Stuhltestung auf okkultes Blut ist die Tatsache, dass kolorektale Karzinome häufiger bluten als die
normale Darmmukosa. Herkömmliche FOBT verwenden mit Guaiakharz imprägniertes Filterpapier, das sich in
Anwesenheit von im Stuhl enthaltenem Hämoglobin nach Zugabe von Wasserstoffperoxyd blau färbt. Da viele
Karzinome intermittierend bluten, führt die wiederholte Testung zu einer zuverlässigeren Erkennung von KRK. Das
in den Studien eingesetzte Verfahren beinhaltet, aus drei aufeinander folgenden Stuhlgängen je zwei Proben pro Stuhl
auf zwei Testfelder aufzutragen und auf okkultes Blut zu testen.
Zur Effektivität des FOBT als Screeningmethode für ein kolorektales Karzinom liegen die Ergebnisse von 3 großen
randomisierten Studien vor. In ihnen konnte eine Senkung der KRK-bedingten Mortalität von 15 bis 33% gezeigt
werden. Eine Metaanalyse der Studien ergab eine durchschnittliche Senkung der KRK-Mortalität um 23%. Diese
Mortalitätssenkung bestätigte sich auch nach längerem Follow-up der Studien. Die jährliche war der zweijährigen
Testung in Bezug auf die Reduktion der Mortalität in einer Studie eindeutig überlegen.
Die Sensitivität des Tests hängt entscheidend von der Art der Testdurchführung und der Patienteninstruktion ab. Eine
Rehydrierung der Testbriefchen vor Entwicklung steigert die Sensitivität des Screenings, verringert jedoch die
Spezifität deutlich (in einer Studie von 97,6 auf 90,2%, in einer weiteren von 97 auf 85,4%) und wird daher nicht
empfohlen. Es gibt Hinweise dafür, dass die Instruktion des Patienten vor der Testdurchführung in Bezug auf
Ernährung und interferierende Medikamente die Zahl der falsch positiven Testergebnisse und somit auch die Zahl der
erforderlichen Koloskopien reduzieren kann. Es erscheint daher sinnvoll, den Patienten über Faktoren, die das
Testergebnis beeinflussen könnten, aufzuklären. Der Einfluss von Pflanzenperoxidasen kann alternativ durch eine
Testentwicklung 3d nach Durchführung vermieden werden. Die Notwendigkeit einer Ernährungsempfehlung für den
Hämoccult® wird allerdings durch eine Metaanalyse infrage gestellt.
Bereits bei positivem Testergebnis auf okkultes fäkales Blut von einem der sechs Testfelder ist keine Kontrolle,
sondern eine komplette endoskopische Darstellung des Dickdarms nach digitaler rektaler Untersuchung erforderlich.
Dies beinhaltet auch den sicheren Ausschluss eines Anal- oder distalen Rektumkarzinoms mittels Proktoskopie. Eine
Kolonkontrastuntersuchung sollte nur bei technisch unvollständiger Koloskopie erfolgen.
Der Effekt der FOBT beruht auf einer Diagnose kolorektaler Karzinome in einem früheren prognosegünstigeren
Stadium. Vorteile des FOBT sind die leichte Durchführbarkeit sowie die geringen Kosten. Nachteilig ist eine mäßige
Sensitivität für Karzinome und eine geringe Sensitivität für Adenome. In einer der randomisierten Studien konnte
zwar eine Senkung der Inzidenz kolorektaler Karzinome gezeigt werden, es muss jedoch beachtet werden, dass im
Rahmen dieser Studie über 30% der Teilnehmer koloskopiert wurden.
Immunologische Stuhltestverfahren - Empfehlung
Immunologische Verfahren stellen derzeit keine Alternative zu den Guaiak-Verfahren in der Screening-Anwendung
dar. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 3a, Konsens.
Anmerkungen
Immunologische Tests auf Hämoglobin oder Hämoglobin/Haptoglobin im Stuhl besitzen eine höhere Sensitivität als
der Hämoccult®-Test. Die Datenlage zur Spezifität ist uneinheitlich. Zu bedenken ist jedoch, dass für den Einsatz der
immunologischen FOBT weniger Daten als für das Guaiak-Verfahren vorliegen und die Tests kostenintensiver und
zum Teil komplizierter in der Durchführung sind. Während der Testdurchführung ist keine Änderung der Ernährung
erforderlich.
Immunologische Stuhltests auf Albumin oder Calprotectin sind für das Screening nicht geeignet. Ebenso reicht die
Datenlage zur M2-PK-Bestimmung im Stuhl nicht aus, um einen Einsatz außerhalb von Studien zu rechtfertigen.
Molekulare Screeningverfahren - Empfehlung
Stuhluntersuchungen auf DNA-Veränderungen als KRK-Screeningmaßnahme können derzeit aufgrund der
unzureichenden Datenlage außerhalb von Studien nicht empfohlen werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4,
starker Konsens.
Anmerkungen
Die Entstehung kolorektaler Karzinome über die Zwischenstufe der Adenome geht in vielen Fällen mit
charakteristischen genetischen Veränderungen einher. Eine Isolierung und Untersuchung von DNA aus
Kolonepithelzellen im Stuhl ist mittlerweile möglich. In einer Studie wurde der Stuhl von 46 Patienten mit bekannten
Karzinomen oder Adenomen auf APC-Mutationen untersucht. Die Sensitivität für Karzinom betrug 61%, für
Adenome 50%. In weiteren Studien mit ebenfalls kleinen Fallzahlen an Patienten mit bekannten Neoplasien wurden
mehrere Marker im Stuhl untersucht. In diesen Untersuchungen wurde eine Sensitivität für Karzinome von 63 bis
91%, für fortgeschrittene Adenome von 57 bis 82% gefunden. Aufgrund fehlender Daten aus der asymptomatischen
Bevölkerung sowie des hohen Aufwands und der Kosten sollten diese Verfahren derzeit nur im Rahmen von Studien
evaluiert werden.
168
Kolorektale Karzinome
Screening, Endoskopische/Radiol. Verfahren, S3-Leitlinie 2004
Endoskopische Verfahren
Von allen Maßnahmen zur Früherkennung kolorektaler Neoplasien besitzt die Koloskopie die höchste Sensitivität
und Spezifität (Goldstandard). Endoskopische Maßnahmen sind als einzige diagnostisch und therapeutisch und haben
den Vorteil, dass durch sie auch nicht blutende Karzinome und Adenome mit hoher Sensitivität nachgewiesen werden
können. Durch die Abtragung von Adenomen kann zudem die Entstehung von Karzinomen effektiv verhindert
werden (Unterbrechung der Adenom-Karzinom-Sequenz).
Sigmoidoskopie - Empfehlung
Die Effektivität der Sigmoidoskopie als Screening-Methode für das KRK ist gesichert. Es ist jedoch zu bedenken,
dass nicht alle Darmabschnitte eingesehen werden können und somit eine komplette Koloskopie der Sigmoidoskopie
überlegen ist. Sie ist Personen, die die Koloskopie ablehnen, anzubieten und alle 5 Jahre zu wiederholen.
Zur möglichen Detektion proximaler Karzinome sollte zusätzlich zur Sigmoidoskopie eine jährliche FOBTDurchführung erfolgen. Die Effektivität der Kombination ist jedoch nicht abschließend geklärt. Empfehlungsgrad: A,
Evidenzstärke: 3b, starker Konsens.
Anmerkungen
In Fall-Kontroll-Studien konnte für die Sigmoidoskopie eine Senkung der Mortalität von Karzinomen des
Rektosigmoids um etwa 60 bis 80% gezeigt werden. Prospektive randomisierte Studien laufen derzeit in den USA,
Großbritannien und Italien. In einer prospektiven Studie in Norwegen bestehend aus Sigmoidoskopie gefolgt von
einer Koloskopie bei Patienten mit Polypennachweis in der Sigmoidoskopie konnte eine Senkung der KRK-Inzidenz
gezeigt werden.
Verglichen mit der okkulten fäkalen Bluttestung besitz die Sigmoidoskopie eine höhere Sensitivität für kolorektale
Neoplasien. In drei randomisierten Studien, in denen die Kombination aus einmaligem FOBT und Sigmoidoskopie
mit einem alleinigen FOBT verglichen wurde, wurden signifikant mehr Neoplasien durch die Kombination gefunden.
Koloskopie - Empfehlung
Die komplette Koloskopie besitzt die höchste Sensitivität und Spezifität für das Auffinden eines KRK und von
Adenomen und sollte daher als Standardverfahren empfohlen werden. Bei unauffälligem Befund sollte die
Koloskopie nach 10 Jahren wiederholt werden. Zur Durchführung wird auf die Krebsfrüherkennungsrichtlinie
verwiesen, die digitale rektale Untersuchung ist hierbei obligat. Bei Personen, die am Koloskopie-Screening
entsprechend dieser Richtlinie teilnehmen, erübrigt sich das FOBT-Screeningsverfahren. Empfehlungsgrad: A,
Evidenzstärke; 3b, starker Konsens.
Anmerkungen
In zwei Fall-Kontroll-Studien wurde gezeigt, dass die Inzidenz von Darmkrebs durch Polypektomie im Rahmen einer
Koloskopie um 66 – 90% gesenkt wird. Zwar gibt es keine randomisierte Studie, die richtlinienkonform
durchgeführte Untersuchung wird jedoch aufgrund der hohen Sensitivität und Spezifität und der Möglichkeit der
Polypektomie von fast allen Konsensusteilnehmern als die bevorzugte Vorsorgemethode für kolorektale Karzinome
angesehen. Sie besitzt eine nachgewiesene hohe Sensitivität für Karzinome und Adenome des gesamten Kolons und
erlaubt insbesondere eine Detektion proximaler Neoplasien. 46% bis 52% der Patienten mit proximalen Neoplasien
wiesen in Studien keine zusätzlichen distalen Adenome auf. Bei diesen Patienten wäre eine Diagnose der Neoplasien
mittels Sigmoidoskopie unmöglich.
Die Ergebnisse der Fall-Kontroll-Studie der Sigmoidoskopie sollten auf die Koloskopie übertragbar sein. Auch der
protektive Effekt der FOBT-Studien beruht letztendlich auf der Abklärung positiver Tests mittels Koloskopie.
Zusätzlich konnte in einer Fall-Kontroll-Studie ein protektiver Effekt der Koloskopie gezeigt werden. Die
Komplikationsrate der Untersuchung in Deutschland war in einer Studie auf freiwilliger Basis sehr gering.
Tandemuntersuchungen haben gezeigt, dass größere Adenome nur selten übersehen werden.
Es wird davon ausgegangen, dass eine unauffällige Koloskopie nach 10 Jahren wiederholt werden sollte. So fanden
sich 5,5 Jahre nach einer unauffälligen Koloskopie keine Karzinome und weniger als 1% fortgeschrittene Neoplasien.
In einer Fallkontrollstudie hielt der protektive Effekt einer Koloskopie mindestens 10 Jahre an.
Radiologische Verfahren - Empfehlungen
Weder die CT-Kolonographie noch die MRT-Kolonographie können derzeit außerhalb von Studien für das Screening
in der asymptomatischen Bevölkerung empfohlen werden. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.
Anmerkungen
Für den Einsatz der MRT-Kolonographie existieren keine Studien (Flächen-/Feldversuche) in der asymptomatischen
Bevölkerung. Nur wenige Studien befassen sich mit der Untersuchung asymptomatischer Personen mittels CTKolonographie. Die vorliegenden Daten zeigen für beide Untersuchungen eine niedrigere Sensitivität für kleine (<10
mm) Polypen. Flache Polypen können nicht erfasst werden. Beide Methoden sind nicht standardisiert und die
Angaben zur Sensitivität widersprüchlich, so dass ihr Einsatz als Screening-Methode außerhalb von Studien derzeit
nicht empfohlen werden kann. Ein Einsatz bei inkompletter Koloskopie ist denkbar, hierzu gibt es keine Studien.
169
Kolorektale Karzinome
Risikogruppen, S3 Leitlinien
Risikogruppen
Personen, die aufgrund einer besonderen Prädisposition ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines
kolorektalen Karzinoms im Vergleich mit der Normalbevölkerung aufweisen, gehören in der Regel zu
einer von drei definierten Risikogruppen:
a) Personen mit einem familiär gesteigerten (genetische Grundlage z. Zt. noch nicht bekannt)
Risiko für ein kolorektales Karzinom
b) nachgewiesene oder mögliche Anlageträger für ein hereditäres kolorektales Karzinom
c) Patienten mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung
Sporadisches kolorektales Karzinom
Verwandte von Patienten mit kolorektalem Karzinom
Verwandte ersten Grades von Patienten mit einem kolorektalen Karzinom haben ein erhöhtes Risiko,
ebenfalls an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken. Evidenzstärke 2a.
Verwandte zweiten Grades haben ein nur gering erhöhtes Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu
erkranken. Evidenzstärke 2b.
Anmerkungen
Für Verwandte ersten Grades (Eltern, Geschwister, Kinder) ist das mittlere Risiko zwei- bis dreifach
erhöht. Eine weitere, 3- bis 4-fache Risikosteigerung besteht, wenn bei dem Indexpatienten das
kolorektale Karzinom vor dem 45. Lebensjahr aufgetreten und/oder mehr als ein Verwandter ersten
Grades von einem KRK betroffen ist. In der Altersgruppe <50 Jahren befinden sich allerdings auch
bislang unentdeckte hereditäre Kolonkarzinome. Das Risiko ist für das Kolon- im Vergleich zum
Rektumkarzinom höher (relatives Risiko 2,4 vs 1,9). Für erstgradige Verwandte von betroffenen
Patienten kann das KRK-Risiko weiter aufgeteilt werden: Bei einem betroffenen Elternteil ist das
Risiko im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerung 2,3fach, bei einem betroffenen Geschwisterteil
2,6fach erhöht. Ist der Indexpatient nach dem 60. Lebensjahr erkrankt, ist das KRK-Risiko für die
erstgradig Verwandten nur noch gering erhöht.
Verwandte zweiten Grades (Großeltern, Geschwister der Eltern, Enkel) von Patienten mit kolorektalen
Karzinomen haben ein leicht erhöhtes Karzinomrisiko (RR 1,3); dieses ist aber derzeit nur
unzureichend untersucht und bisher nicht in der Praxis verifiziert. Für Verwandte dritten Grades von
Patienten mit kolorektalen Karzinomen ist kein erhöhtes Karzinomrisiko anzunehmen.
Verwandte von Patienten mit kolorektalem Adenom
Verwandte ersten Grades von Patienten, bei denen ein kolorektales Adenom vor dem 50. Lebensjahr
nachgewiesen wurde, haben ein erhöhtes Risiko, an einem kolorektalen Karzinom zu erkranken.
Evidenzstärke: 2b.
Anmerkungen
Das Risiko dieser Verwandten, ein kolorektales Karzinom zu entwickeln, ist im Mittel etwa 2fach
gegenüber der Allgemeinbevölkerung gesteigert. Es besteht ein 80% höheres Risiko bei Eltern und
Geschwistern von Adenom-Patienten im Vergleich mit deren Lebenspartnern. Auch hier ist die
Risikohöhe vom Alter des Indexpatienten abhängig. Ist dieser jünger als 60 Jahre, ist das mittlere
Risiko nur leicht erhöht, ist er jünger als 50 Jahre, ist das Risiko ca. 4,3fach erhöht. Ist der Indexpatient
älter als 60 Jahre, ist das kolorektale Karzinomrisiko nicht mehr statistisch signifikant erhöht.
Aufgrund der Datenlage gibt es keine Evidenz, dass Verwandte von Patienten, bei denen ein
hyperplastischer Polyp nachgewiesen wurde, ein erhöhtes Risiko haben, an einem kolorektalen
Karzinom zu erkranken. Eine Ausnahme ist die sehr seltene hyperplastische Polyposis.
170
Kolorektale Karzinome
Risikogruppen, Prävention, Untersuchungen, S3 Leitlinie
Patienten mit kolorektalen Adenomen
Jedes histologisch nachgewiesene Adenom stellt ein erhöhtes Risiko für ein kolorektales Karzinom dar (Evidenz
2b).
Dies gilt insbesondere für
- multiple (>3) Adenome
- große (>1 cm) Adenome
Anmerkungen
Generell führt die Abtragung kleiner, singulärer Adenome im Vergleich zur Normalbevölkerung zu einem um
bis zu 90% verminderten Risiko, ein metachrones kolorektales Karzinom zu entwickeln. Dieses reflektiert den
Vorsorgewert der Koloskopie im Rahmen der Adenom-Karzinom-Sequenz. Kontrolluntersuchungen dienen
insbesondere der Entdeckung übersehener oder metachron auftretender Adenome.
Adenome >1 cm sind mit einem etwa 4fach erhöhten Karzinomrisiko assoziiert. Auch bei multiplen Adenomen
ist das Risiko, ein metachrones Karzinom zu entwickeln, deutlich (4- bis 6fach) gesteigert. Hierbei dürfte das
erhöhte Risiko einerseits auf einer stärkeren individuellen Disposition, andererseits auf einer höheren Prävalenz
übersehener Polypen bei der initialen Koloskopie beruhen. Beim koloskopischen Nachweis von >3 Polypen
besteht eine signifikant größere Wahrscheinlichkeit, dass weitere Polypen übersehen wurden.
Ob hyperplastische Polypen als präkanzeröse Läsionen angesehen werden können, ist derzeit nicht abschießend
beurteilbar.
Empfehlung zur Primärprävention
Eine gesonderte Empfehlung zur Primärprävention (diätetische Maßnahmen, Chemoprävention) im Vergleich
zur Normalbevölkerung kann aufgrund der widersprüchlichen Datenlage für die genannten Risikogruppen
derzeit nicht gegeben werden. Evidenzstärke: 1b starker Konsens.
Anmerkungen
Generell können die für die Normalpopulation genannten Empfehlungen auch für die Angehörigen der
Risikogruppen übernommen werden. Für spezielle Maßnahmen fehlen weiterhin gesicherte Daten.
Vorsorgeuntersuchungen
Verwandte ersten Grades von Patienten mit kolorektalem Karzinom
Empfehlung
a) Verwandte ersten Grades von Patienten mit kolorektalem Karzinom sollten in einem Lebensalter, das 10
Jahre vor dem Alterszeitpunkt des Auftretens des Karzinoms beim Indexpatienten liegt, erstmal
komplett koloskopiert werden, spätestens im Alter von 50 Jahren. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke
4, starker Konsens.
b) Die Koloskopie sollte mindestens alle 10 Jahre wiederholt werden. Empfehlunsgrad: b, Evidenzstärke 4,
starker Konsens.
Anmerkungen
a) Das Risiko eines Verwandten ersten Grades eines Patienten mit kolorektalem Karzinom, ebenfalls an
einem kolorektalen Karzinom zu erkranken, ist, insbesondere bei einem Manifestationsalter unter 50
Jahren beim Indexpatienten erhöht.
Bei jungen Indexpatienten in der Verwandtschaft sollte die Diagnose eines HNPCC-Syndroms in
Erwägung gezogen werden und eine Mikrosatellitenanalyse und/oder immunhistochemische
Untersuchung der Mismatch-Reparatur-Proteine durchgeführt werden. Ist dies nicht möglich, sollte die
Vorsorge intensiviert werden.
b) Die Frage des maximalen Untersuchungsintervall ist bis nicht eindeutig geklärt. Es gilt derzeit aber als
wahrscheinlich, dass ein Intervall von 10 Jahren in der Regel ausreichen dürfte, dieses aber nicht
überschritten werden sollte.
Verwandte von Patienten mit kolorektalen Adenomen
Empfehlung
Verwandte ersten Grades von Indexpatienten, bei denen Adenome vor dem 50. Lebensjahr nachgewiesen
wurden, sollten 10 Jahre vor dem Lebensalter zum Zeitpunkt des Nachweises des Adenoms koloskopiert
werden. Die Koloskopie sollte mindestens alle 10 Jahre wiederholt werden. Empfehlunsgrad: C, Evidenzstärke
5, starker Konsens.
171
Kolorektale Karzinome
Früherkennung bei erhöhtem Risiko , FAP, S3-Leitlinie 2004
Vorsorge-familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) Empfehlung
Verwandte eines FAP-Patienten, die aufgrund des Stammbaums als Mutationsträger in Betracht kommen,
werden als Risikopersonen bezeichnet. Bei diesen sollten ab dem 10. Lebensjahr im Anschluss an eine
humangenetische Beratung der Familie eine prädiktive molekulargenetische Diagnostik durchgeführt werden.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.
Wurde die Mutation bei Risikopersonen (Kinder von einem Elternteil mit FAP oder Geschwister von FAPPatienten) ausgeschlossen, ist eine spezifische gesonderte Vorsorge nicht mehr notwendig.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1c, starker Konsens.
Risikopersonen, bei denen die Mutation bestätigt oder nicht ausgeschlossen werden konnte, sollten spätestens ab
dem 10. Lebensjahr jährlich rekto-sigmoidoskopiert werden. Bei Nachweis von Adenomen muss eine komplette
Koloskopie erfolgen und bis zur Proktokolektomie jährlich wiederholt werden.
Empfehlungsgrad:A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.
Anmerkungen
Die humangenetische Beratung erfolgt bei Minderjährigen gemeinsam mit den Erziehungsberechtigten. Die
Einleitung der humangenetischen Diagnostik vor dem 10. Lebensjahr ist selten notwendig, da kolorektale
Karzinome bei FAP-Anlageträgern vor dem 15. Lebensjahr sehr selten sind. Die molekulargenetische
Untersuchung kann mittels direkter (Mutationsnachweis im APC-Gen) oder indirekter (Nachweis der Vererbung
ursächlichen Mutation durch Kopplungsanalyse) Genotypisierung erfolgen. Eine prädiktive Testung kann nur
bei zuvor identifizierter pathogener Keimbahnmutation bei einem betroffenen Familienmitglied erfolgen und
muss in eine humangenetische Beratung eingebettet sein. Ein Mutationsnachweis gelingt bei 70% der Patienten.
Bei Vorhandensein von mindestens zwei Betroffenen in der Familie kann die Vererbung des für die FAP
verantwortlichen Gen-Defekts indirekt über die Vererbung benachbarter polymorpher Marker nachgewiesen
werden (Kopplungsanalyse). Mit beiden Methoden zusammen genommen gelingt die molekulargenetische
Diagnostik bei über 90% der Betroffenen. Als weitere Methode zur Identifizierung von Genträgern kann in
vielen Familien eine Augenhintergrundspiegelung durchgeführt werden. Die Augenhintergrundspiegelung zur
Identifizierung einer kongenitalen Hypertrophie des retinalen Pigmentepithels hat durch die prädiktive DNATestung jedoch an Bedeutung verloren.
Bei der klassischen FAP werden immer auch Polypen im Rektum und Sigma beobachtet. Sind Rektumpolypen
nachgewiesen worden, so können weiter proximal weitere Adenome oder sogar Karzinome vorhanden sein. In
diesem Falle schließt sich kurzfristig eine komplette Koloskopie an, die, je nach Befund, in mindestens
jährlichen Abständen wiederholt werden sollte. In Familien, in denen eine genetische Testung nicht
durchgeführt wurde oder nicht aussagekräftig war, ist allen Risikopersonen die endoskopische Vorsorge ab dem
10. Lebensjahr zu empfehlen. Im Einzelfall ist bei bestimmten Mutationen, früher Karzinommanifestation in der
Familie oder assoziierten Symptomen, der Beginn der Vorsorge bereits zu einem früheren Zeitpunkt in
Erwägung zu ziehen.
Empfehlung
Patienten mit klassischer FAP sollten prophylaktisch - wann immer möglich kontinenzerhaltend proktokolektomiert werden, wenn vertretbar erst nach Abschluss der Pubertät. Empfehlungsgrad: A,
Evidenzstärke: 1c, starker Konsens.
Nach einer Operation ist eine Pouchoskopie jährlich, bei Patienten mit erhaltenem Rektumstumpf eine
Rektoskopie alle 4 Monate erforderlich. Empfehlungsgrad: 1, Evidenzstärke: 2a, starker Konsens.
Empfehlung
Eine ÖGD mit besonderer Inspektion der Papillenregion sollte spätestens ab dem 30. Lebensjahr alle 3 Jahre
durchgeführt werden. Das Intervall sollte in Abhängigkeit vom Schweregrad vorhandener Adenome auf bis zu 1
Jahr verkürzt werden. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke 4, starker Konsens.
Weitere extrakolische Manifestationen müssen bei der Vorsorge beachtet werden. Es sollte daher eine jährliche
Sonographie des Abdomens und der Schilddrüse ab dem 10. Lebensjahr erfolgen.
Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke 4, starker Konsens.
Empfehlung
Eine allgemeingültige Empfehlung zur Behandlung von Adenomen im oberen Gastrointestinaltrakt kann derzeit
nicht gegeben werden. Dies gilt auch für die Gabe von Cox-2-Hemmern.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.
172
Kolorektale Karzinome
Früherkennung bei erhöhtem Risiko, HNPCC, S3-Leitlinie 2004
Hereditäres Nicht-Polyposis-Coli-Kolonkarzinom (HNPCC)
Empfehlung
Risikopersonen ist ab dem 18. Lebensjahr eine genetische Beratung zu empfehlen. Sobald die
krankheitsverursachende Mutation in der betreffenden Familie bekannt ist, sollte diese bei den Risikopersonen
untersucht werden.
Empfehlungsgrad : A, Evidenzstärke: 1-c, starker Konsens
Wenn die krankheitsverursachende Mutation bei einer Risikoperson ausgeschlossen wurde, gelten die allgemeinen
Krebsvorsorgemaßnahmen.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1-c, starker Konsens
Empfehlung
Risikopersonen für ein HNPCC sollten ab dem 25. Lebensjahr jährlich komplett koloskopiert werden
(Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2-a, Konsens), in jedem Fall 5 Jahre vor dem niedrigsten Erkrankungsalter in
der Familie. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 5, Konsens
Anmerkung
Eine prospektive Studie konnte eine signifikante Reduktion der Mortalität und auch Inzidenz von KRK um mehr als
jeweils 60% bei dreijährlichen Untersuchungsintervallen nachweisen. Aufgrund einer beschleunigten
Tumorprogression mit Intervallkarzinomen bei etwa 4% aller Patienten bei zwei- bis dreijährlichen
Untersuchungsabständen wird ein jährliches Intervall empfohlen. Die Stadienverteilung und damit auch Prognose
HNPCC-assoziierter kolorektaler Karzinome, die im Rahmen eines Vorsorgeprogramms entdeckt werden, ist
signifikant günstiger als die symptomatischer Patienten. Daten zu einer medikamentösen Chemoprävention des KRKRisikos bei HNPCC liegen bisher nicht vor. Eine medikamentöse Chemoprävention außerhalb von Studien kann
daher derzeit nicht empfohlen werden.
Empfehlung
Bei weiblichen Risikopersonen und Mutationsträgerinnen sollte ab dem 25. Lebensjahr zusätzlich zur jährlichen
gynäkologischen Untersuchung ein transvaginaler Ultraschall im Hinblick auf Endometrium- und Ovarialkarzinome
durchgeführt werden.
Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 4, starker Konsens
Wenn in der Familie ein Magenkarzinom aufgetreten ist, sollte ab dem 25. Lebensjahr jährlich eine ÖGD
vorgenommen werden. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 4, starker Konsens
Bei allen Risikopersonen und Mutationsträgern sollte ab dem 25. Lebensjahr zusätzlich eine jährliche
Oberbauchsonographie durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 5, starker Konsens
Anmerkungen
Da durch regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen Karzinome bei fast allen Patienten im Stadium UICC I/II oder
sogar als prämaligne Adenome entdeckt werden und die Penetranz unvollständig ist, kann eine prophylaktische
Kolektomie bzw. Proktokolektomie derzeit nicht empfohlen werden.
Hamartomatöse Polyposis
Empfehlung
Generelle Überwachungsempfehlungen können wegen der spärlichen Datenlage nicht gegeben werden. Die
Überwachung der Patienten und Risikopersonen sollte in Zusammenarbeit mit einem ausgewiesenen Zentrum
durchgeführt werden. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 5, starker Konsens.
Anmerkungen
Die meisten Studien sind retrospektiv und umfassen kleine Fallzahlen. Nach diesen Studien ist das relative Risiko
eines Patienten mit Peutz-Jeghers-Syndrom zur Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms deutlich gegenüber der
Allgemeinbevölkerung erhöht. Darüber hinaus ist das Risiko für eine Reihe von weiteren Tumoren signifikant erhöht.
Aufgrund der Seltenheit des Krankheitsbildes sollten diese Patienten in enger Abstimmung mit erfahrenen Zentren
behandelt werden. Neben der intestinalen und extraintestinalen Karzinomfrüherkennung stehen jedoch auch
insbesondere die Vermeidung und rechtzeitige Erkennung benigner intestinaler Komplikationen wie Blutung,
Anämie, Obstruktion und Invagination von Polypen bereits in jungen Jahren im Vordergrund. Aus diesem Grunde
sollte eine bildgebende Diagnostik des gesamten Gastrointestinaltraktes bereits ab dem etwa 10. Lebensjahr erfolgen.
Auch bei Patienten mit einer juvenilen Polyposis sollte wegen des erhöhten Risikos für KRK und Magenkarzinome
und zur Vermeidung und Früherkennung benigner Komplikationen bereits frühzeitig eine bildgebende Diagnostik des
gesamten Gastrointestinaltraktes erfolgen.
z.B.: Institut für Humangenetik der Universität Bonn , Wilhelmstr. 31, 53111 Bonn
Ansprechpartnerin: Dr. med. Elisabeth Mangold
E-mail: [email protected]
173
Kolorektale Karzinome
Früherkennung /erhöhtes Risiko, Colitis ulc., S3-Leitlinie 2004
Der Beginn der Vorsorgeuntersuchungen bei Patienten mit chronischer Colitis ulcerosa richtet sich nach den
Empfehlungen der WHO (Levin et al. 1991) nach der Ausdehnung der entzündlichen Veränderungen. Bei
ausgedehnter, über die Flexura lienalis hinausgehender oder totaler Kolitis soll ab dem 8.-10. Erkrankungsjahr, bei
ausschließlich linksseitiger bis maximal zur Flexura lienalis reichender Entzündung ab dem 12.-15. Jahr begonnen
werden. Nach neueren Untersuchungen ist eine zusätzlich vorhandene primär sklerosierende Cholangitis ein weiterer
unabhängiger Risikofaktor für das Auftreten von Dysplasien und Karzinomen. Während der Koloskopie sind multiple
Biopsien zu entnehmen, und zwar:
von allen makroskopisch auffälligen Läsionen (Plaques, knotig verdickte oder zottige Areale, ungewöhnliche
Polypen, Stenosen) und von makroskopisch unauffälliger (flacher) Schleimhaut alle 10 - 12 cm.
Die Biopsien müssen getrennt und mit detaillierter Angabe der Herkunft zur histologischen Untersuchung eingesandt
werden.
Nach dem Ergebnis der Histologie und nach dem makroskopischen Befund richtet sich das weitere Vorgehen
entsprechend dem nachstehenden Schema (Empfehlung der WHO nach Hohenberger, Regensburg):
Überwachungsstrategie bei Colitis ulcerosa nach dem Dysplasiegrad der Mukosa
LGD = low grade Dysplasie
HGD = high grade Dyspalsie
S3-Leitlinie
Bei Patienten mit Pancolitis ulcerosa, die >8 Jahre besteht, oder linksseitiger Colitis, die >15 Jahre besteht, soll eine
komplette Koloskopie mit Stufenbiopsien (mindestens 4 Biopsien alle 10 cm) jährlich erfolgen.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2-b, Konsens
Primärprävention - Empfehlung
Aminosalicylate können zur Prophylaxe des kolorektalen Karzinoms bei Colitis ulcerosa eingesetzt werden.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b, Konsens.
Anmerkungen
Prospektive Studien zum Einsatz von Aminosalicylaten zur Karzinomprophylaxe liegen nicht vor. In mehreren
Fallkontrollstudien ging eine 5-ASA-Therapie mit einer gesenkten Karzinomentstehung einher. In einer
Kohortenstudie war das Risiko ein KRK zu entwickeln für Patienten mit langjähriger Aminosalicylat-Therapie
signifikant verringert. Eine Dauergabe von Aminosalicylaten scheint demnach das KRK-Risiko zu senken. Eine
Fortführung der Aminosalicylat-Therapie zur Karzinomprophylaxe sollte mit dem Patienten individuell anhand
vorliegender Risikofaktoren besprochen werden. Sie ersetzt nicht die Notwendigkeit einer regelmäßigen
endoskopischen Überwachung.
Bei Colitis ulcerosa – Patienten mit zusätzlich vorliegender PSC scheint eine Ursodeoxycholsäure-Therapie (UDCA)
einen protektiven Effekt auf die kolorektale Neoplasieentstehung zu besitzen. Folsäure besitzt möglicherweise einen
protektiven Effekt bei Patienten mit CU, weitere Studien sind jedoch erforderlich.
Empfehlung
Bei eindeutiger und durch eine unabhängige zweite Pathologenbefundung bestätigter hochgradiger intraepithelialer
Neoplasie in flacher, nicht entzündeter Schleimhaut, ist dem Patienten die elektive, kontinenzerhaltende
Proktokolektomie zu empfehlen. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.
Morbus Crohn
Beim Morbus Crohn ist ebenfalls von einem erhöhten kolorektalen Karzinom-Risiko auszugehen, dieses ist jedoch im
Vergleich zur Colitis ulcerosa noch unzureichend charakterisiert, möglicherweise aber geringer.
174
Kolorektale Karzinome
Früherkennung bei erhöhtem Risiko, ASCO-Guidelines
American Cancer Society Guidelines für Screening und Überwachung zur Früherkennung Kolorektaler
Adenome und CRC bei Personen mit erhöhtem und hohem Risiko
Risikokategorie
Alter bei Beginn
Empfehlung
Pat. mit einem einzelnen
kleinen (< 1 cm) Adenom
3-6 Jahre nach der
initialen
Polypektomie
Koloskopie
Pat. mit einem grossen
(> 1 cm) Adenom
Innerhalb von
3 Jahren nach der
initialen
Polypektomie
Koloskopie
Pat. nach kurativer
Resektion eines CRC
Innerhalb eines
Jahres nach
Tumorentfernung
Koloskopie
CRC oder adenomatöse
Polypen bei erstgradig
Verwandten vor dem 60.
Lebensjahr oder bei 2 oder
mehr erstgradig Verwandten jeglichen Alters
40 Jahre oder
10 Jahre vor der
Ersterkrankung des
Verwandten
Koloskopie
Alle 5-10 Jahre.
CRC bei entfernteren als
erstgradig Verwandten erhöht das
Risiko nicht substantiell
Pubertät
Frühe
endoskopische
Überwachung,
genetische
Beratung und
Testung
Bei positivem genetischem Test
ist die Kolektomie indiziert.
Überweisung zu einem Zentrum
mit Erfahrung im FAPManagement.
Koloskopie,
genetische
Beratung und
Testung
Bei positivem genetischen Test
oder bei fehlender genetischer
Testung alle 1-2 Jahre bis zum
40. Lebensjahr, dann jährlich.
Überweisung zu einem Zentrum
mit Erfahrung im HNPCCManagement.
Koloskopie
mit Biopsien
unter der
Fragestellung
Dysplasie
Alle 1-2 Jahre. Überweisung der
Patienten an ein Zentrum mit
Erfahrung in Überwachung und
Management chronisch
entzündlicher
Darmerkrankungen.
Familienanamnese einer
familiären adenomatösen
Polypose (FAP)
Familienanamnese eines
hereditären nicht21 Jahre
polypösen CRC (HNPCC)
Chronisch entzündliche
Darmerkrankung, Colitis
ulcerosa und M. Crohn
Signifikante Erhöhung des Krebsrisikos 8 Jahre nach
Beginn der Pankolitis
oder 12-15 Jahre
nach Beginn der
linksseitigen Kolitis
Kommentar
Bei Normalbefund in Kontrolluntersuchung → Screening nach
guidelines für normales Risiko
Bei Normalbefund in Kontrolluntersuchung → Kontrolle in 3
Jahren; bei Normalbefund dann
Screening wie bei normalem
Risiko
Bei Normalbefund in Kontrolluntersuchung Wiederholung in 3
Jahren; bei Normalbefund
Kontrolle alle 5 Jahre
Colitis ulcerosa
Die Mehrzahl der Studien zeigt ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms. In einer MetaAnalyse betrug das kumulative Karzinomrisiko bei Pancolitis 2 % nach 10 Jahren, 9 % nach 20 Jahren und 18 % nach
30 Jahren. Lediglich in einer dänischen Studie mit hoher Kolektomierate fand sich keine erhöhte Inzidenz
kolorektaler Karzinome. Eine Meta-Analyse konnte die Bedeutung der primär sklerosierenden Cholangitis als
Risikofaktor für die Entwicklung eines kolorektalen Karzinoms bei Colitis ulcerosa Patienten bestätigen.
175
Kolorektale Karzinome
Polypenmanagement S3-Leitlinie 2004
Polypektomiedurchführung - Empfehlung
Bei der Polypektomie müssen die Polypen einzeln unter Angabe der Lokalisation geborgen werden. Die histologische
Befundung der Polypen erfolgt entsprechend den WHO-Kriterien und mit einer Aussage zur Vollständigkeit der
Abtragung.
Bei Karzinomnachweis muss der histologische Befund folgende Merkmale enthalten:
- das Ausmaß der Tiefeninfiltration (pT-Kategorie)
- den histologischen Differenzierungsgrad (Grading)
- das Vorhandensein oder Fehlen von Lymphgefäßinvasion (L-Klassifikation)
- die Beurteilung der Resektionsränder (R-Klassifikation im Hinblick auf die lokale Entfernung im Gesunden.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.
Im Hinblick auf weitere therapeutische Konsequenzen bei komplett entfernten pT1-Karzinomen sollte eine
zusammenfassende Klassifikation in „Low-risk“ (G1, G2 und keine Lymphgefäßeinbrüche) oder „High-risk“ (G3,
G4 und/oder Lymphgefäßeinbrüche) erfolgen. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke:2b, starker Konsens.
Polypenmanagement (Nachsorge) - Empfehlung
Nach Abtragung singulärer oder multipler ausschließlich nicht neoplastischer Polypen besteht keine Notwendigkeit
einer endoskopischen Nachsorge. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 3b, starker Konsens.
Nach kompletter Abtragung neoplastischer Polypen (Adenome) ist eine Kontrollendoskopie erforderlich. Aufgrund
der bisherigen Daten randomisierter Studien sollte eine erste endoskopische Kontrolle nach Schlingenektomie eines
oder mehrerer Adenome nach 3 Jahren erfolgen. Voraussetzung ist ein adenomfreier Darm. Nach unauffälliger
Kontrollendoskopie sind weitere Kontrollen in 5-jährigen Abständen angezeigt. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke:
1b, starker Konsens.
Bei unvollständig entfernten neoplastischen Läsionen sollte die endoskopische, wenn möglich, die chirurgische
Restpolypektomie zeitnah erfolgen. Dabei ist die Abtragung im Gesunden (im Sinne einer RO-Situation) obligat.
Adenome, die makroskopisch-endoskopisch und/oder aufgrund des histologischen Befunds in toto entfernt worden
sind, bedürfen keiner kurzfristigen Nachsorge. Dies gilt auch für Adenome mit hochgradiger intraepithelialer
Neoplasie (HIN; früher hochgradige Dysplasie). Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2b, starker Konsens.
Bei makroskopisch kompletter, aber histologisch aufgrund der Diathermieschäden bzw. nach PiecemealResektion - unsicherer Abtragung im Gesunden sollte bei Adenomen mit hochgradiger intraepithelialer Neoplasie
eine endoskopisch bioptische Kontrolle der Abtragungsstelle zeitnah erfolgen.
Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 5, starker Konsens.
Medikamentöse Sekundärpräventation bei Adenomen - Empfehlung
Eine medikamentöse Sekundärprophylaxe nach Polypektomie (bei nicht FAP-Patienten) sollte derzeit außerhalb von
Studien nicht erfolgen. Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 1b, starker Konsens.
Anmerkungen
Obwohl zwei prospektive randomisierte Untersuchung des Evidenzlevels 1b einen geringen präventiven Effekt nach
Einnahme von niedrig dosiertem ASS belegen, kann bei dem schwachen Effekt und den bisher nicht einschätzbaren
medikamentös bedingten Risiken derzeit keine Empfehlung zur Einnahme ausgesprochen werden. Insbesondere
liegen auch keine Langzeitdaten bezüglich einer effektiven KRK-Prophylaxe vor.
Vorgehen bei Adenomen mit Karzinom - Empfehlung
Ergibt die histologische Untersuchung eines endoskopisch entfernten Polypen ein Adenom mit pT1-Karzinom, kann
auf eine onkologische Nachresektion verzichtet werden, wenn es sich um eine Low-risk-Situation bei histologisch
karzinomfreier Polypenbasis (RO) handelt. In der High-risk-Situation ist die radikale chirurgische Behandlung
erforderlich, auch wenn die Läsion komplett entfernt wurde. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 2a, starker
Konsens.
Die endoskopische Nachsorge erfolgt in Abhängigkeit von der Risikoklassifikation und der Lokalisation:
- Low risk (pT1, low grade [G2, L0]) Kontrollendoskopie nach 6, 24 und 60 Monaten.
- High risk (pT1, high grade [G3, G4] oder L1): radikale chirurgische Therapie und anschließend
Kontrollendoskopie nach 24 und 60 Monaten.
Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.
Bei inkompletter Abtragung eines Low-risk-T1-Karzinoms in einem Adenom muss eine komplette endoskopische
oder chirurgische Entfernung erfolgen. Wenn eine R0-Situation nicht erreichbar ist, so ist die chirurgische Resektion
obligat. Empfehlungsgrad: B, Evidenzstärke: 5, starker Konsens.
176
Kolorektale Karzinome
Präoperative Diagnostik
Die Therapie kolorektaler Karzinome sollte grundsätzlich auf der Basis einer histologischen
Untersuchung geplant werden.
Präoperative Stagingdiagnostik beim Kolonkarzinom
Nach histologischer Diagnosesicherung und vor Durchführung der Operation:
• Anamnese mit besonderer Berücksichtigung einer familiären Häufung
• Körperliche Untersuchung mit digital-rektaler Untersuchung
• Laborroutine + CEA, Blutgruppe
• Rö.-Thorax in zwei Ebenen, EKG
• Vollständige Koloskopie, sofern nicht bereits erfolgt
• Im Falle einer nicht passierbaren Stenose Koloskopie 3-6 Monate postoperativ
• Abdominelle Sonographie
• CT/MRT Abdomen bei unklarem sonographischen Befund oder unzureichender Beurteilbarkeit
• Optional sind CT-Thorax, endoluminale Sonographie, Zystoskopie bei Verdacht auf.
Harnblaseninfiltration, gynäkologische Untersuchung bei Verdacht auf Infiltration von Uterus
und/oder Adnexen.
Spezielle Diagnostik beim Rektumkarzinom siehe dort
S3-Leitlinie 2004
Vor der Therapie eines Patienten mit einem KRK muss eine Koloskopie mit Biopsie vorliegen.
Da in bis zu 5% der kolorektalen Karzinome synchrone Tumoren zu erwarten sind, die der
intraoperativen Beurteilung entgehen könnten, ist eine Koloskopie des gesamten Kolons vorzunehmen.
Ist aus technischen Gründen eine komplette Koloskopie nicht möglich, sollte ein alternatives
radiologisches Verfahren eingesetzt werden. Die virtuelle Kolonographie stellt hierfür eine viel
versprechende Alternative zum Kolonkontrasteinlauf dar mit hoher Sensitivität in einer Fallserie.
Ist eine komplette Koloskopie aufgrund eines stenosierenden Prozesses nicht möglich, sollte eine
Koloskopie ca. 3 bis 6 Monate nach Resektion erfolgen. Ein präoperativer Kolonkontrasteinlauf ist
von der Wertigkeit her eingeschränkt und bei Stenosen mit der Gefahr einer Ileusinduktion verbunden
und wird daher nicht empfohlen. Zum Stellenwert der virtuellen Kolonographie für diese
Fragestellungen liegen bisher keine Daten vor.
Das PET hat in der Primärdiagnostik des kolorektalen Karzinoms keinen Stellenwert. Eine
Mikrometastasendiagnostik ist bisher ohne therapeutische Konsequenz und kein unabhängiger
prognostischer Parameter.
Definition von Kolon- und Rektumkarzinom
Die Grenze zwischen Kolon und Rektum wird unterschiedlich definiert. Die intraoperative Beurteilung
anhand des Endes der Taeniae oder der peritonealen Umschlagsfalte ist individuell unterschiedlich und
von Alter, Geschlecht und anderen Faktoren abhängig. Die präoperative Messung der Höhenangabe
des Tumors mit dem flexiblen Endoskop ist unzuverlässig. Zuverlässiger sind die Höhenangaben mit
dem starren Rektoskop. Die Anokutanlinie dient als distaler Messpunkt.
Nach dem internationalen Dokumentationssystem gelten als Rektumkarzinome Tumoren, deren
aboraler Rand bei der Messung mit dem starren Rektoskop 16 cm oder weniger von der Anocutanlinie
entfernt ist.
Demgegenüber gelten in der USA als Kolonkarzinome Tumoren, die mehr als 12 cm und als
Rektumkarzinome Tumoren, die 12 cm und weniger von der Linea anocutanea entfernt sind.
Begründet wird dies mit der deutlich höheren Lokalrezidivrate bei Tumoren unterhalb von 12 cm.
177
Kolorektale Karzinome
TNM-Klassifikation
T – Primärtumor
Tx
Primärtumor kann nicht beurteilt werden.
Tis Carcinoma in situ.
T1
Tumor infiltriert Submukosa.
T2
Tumor infiltriert Muscularis propria.
T3
Tumor infiltriert durch die Muscularis propria in die Subserosa oder in nicht peritonealisiertes
perikolisches oder perirektales Gewebe. Untergruppen:
T4
Tumor perforiert das viszerale Peritoneum oder infiltriert in andere Organe oder Strukturen.
Anmerkung
Tis liegt vor, wenn Tumorzellen innerhalb der Basalmembran der Drüsen (intraepithelial) oder in der
Lamina propria (intramukös) nachweisbar sind, ohne dass eine Ausbreitung durch die Muscularis
mucosae in die Submucosa feststellbar ist.
Direkte Ausbreitung in T4 schließt auch die Infiltration mehrerer Segmente des Kolorektums auf dem
Weg über die Serosa ein, z.B. die Infiltration des Sigma durch ein Zökumkarzinom.
Ein Tumor, der makroskopisch an anderen Organen adhärent ist, wird als T4 klassifiziert. Ist bei der
histologischen Untersuchung in den Adhäsionen kein Tumorgewebe nachweisbar, soll der Tumor als
pT3 klassifiziert werden.
N - Regionäre Lymphknoten
Nx Regionäre Lymphknoten können nicht beurteilt werden.
N0
keine regionären Lymphknotenmetastasen.
N1
Metastasen in 1-3 perikolischen bzw. perirektalen Lymphknoten.
N2
Metastasen in 4 oder mehr perikolischen bzw. perirektalen Lymphknoten.
pN0 Regionäre Lymphadenektomie und histologische Untersuchung üblicherweise von 12 oder
mehr Lymphknoten. Wenn die untersuchten Lymphknoten tumorfrei sind aber die geforderte
Richtzahl nicht erreicht wird, soll der Befund dennoch als pN0 klassifiziert werden.
Anmerkung
Ein Tumorknötchen im perikolischen oder perirektalen Fettgewebe ohne histologischen Anhalt für
Reste eines Lymphknotens wird in der pN-Kategorie als regionäre Lymphknotenmetastase
klassifiziert, wenn die Form und glatte Kontur eines Lymphknotens vorliegt. Wenn das
Tumorknötchen eine irreguläre Kontur aufweist, soll es in der pT-Kategorie beurteilt und auch als V1
(mikroskopische Veneninvasion) oder, falls es makroskopisch erkennbar ist, als V2 eingestuft werden,
weil es dann sehr wahrscheinlich ist, dass es sich um eine Veneninvasion handelt.
M - Fernmetastasen
Mx Das Vorliegen von Fernmetastasen kann nicht beurteilt werden.
Mo Keine Fernmetastasen.
M1 Fernmetastasen.
178
Kolorektale Karzinome
Lokalisaton
Lokalisation
Die häufigsten Lokalisationen befinden sich auf der
linken Seite des Kolonrahmens. Die prozentuale
Verteilung geht aus der nebenstehenden Tabelle
hervor.
Lokalisationen des Primärtumors
Lokalisation der kolorektalen Karzinome
Verteilung
Kolon
Appendix
Zökum
Colon ascendens
Flexura hepatica
Colon transversum
Flexura lienalis
Colon descendens
Colon sigmoideum
Rektosigmoidaler Übergang
Rektum
Regionäre Lymphknoten, Definition
Für die verschiedenen anatomischen Bezirke und
Unterbezirke sind die regionären Lymphknoten
nachstehend aufgelistet:
• Appendix
• Ileokolische Lymphknoten
• Zökum
• Ileokolische und rechte kolische Lymphknoten
• Colon ascendens
• Ileokolische, rechte und mittlere kolische Lymphknoten
• Flexura hepatica
• Rechte und mittlere kolische Lymphknoten
• Colon transversum
• Rechte, mittlere und linke kolische Lymphknoten und Lymphknoten an A. mesenterica inferior
• Flexura lienalis
• Mittlere und linke kolische Lymphknoten und Lymphknoten an A. mesenterica inferior
• Colon descendens
• Linke kolische Lymphknoten und Lymphknoten an A. mesenterica inferior
• Colon sigmoideum
• Linke kolische und Simalymphknoten, Lymphknoten an A. rectalis superior und an A. mesenterica
inferior sowie rektosigmoidale Lymphknoten
• Rektum
• Lymphknoten an Aa. Rectalis superior, media und inferior, mesenterica inferior, iliaca interna,
mesorektale (paraproktale), laterale sakrale und präsakrale Lymphknoten sowie sakrale
Lymphknoten am Promontorium (Gerota)
Metastasen in anderen als den angeführten Lymphknoten werden als Fernmetastasen
klassifiziert.
179
Kolonkarzinom
Stadieneinteilung UICC, Dukes-Klassifikation
UICC Dukes
0
I
A
Tis
A
T1
A
T2
B1
T3
II
III
IV
Dukes mod. n.
5-JahresAstler-Coller Überlebensraten
A
keine Daten
TNM
B
N0
T4
M0
B2
B3
T1,T2
N 1, 2
C1
T3
N 1, 2
C2
T4
N 1 ,2
C3
jedes T
jedes N
C
D
M1
90%
D
60 - 80%
30 - 60%
5%
Beachte
UICC II setzt sich zusammen aus einer Gruppe mit besserer (T3, No, Mo) und mit schlechterer (T4, No,
Mo) Prognose. Ebenso ist das Stad. III prognostisch nicht einheitlich.
Dukes-Klassifkation
Die Dukes-Einteilung in der Modifikation nach Astler und Coller wird in den gängigen Lehrbüchern sehr
unterschiedlich zitiert (Definition der Stadien der Stadien B 3 – C 3) und sollte deshalb keine Verwendung
finden, obwohl sie prognostisch wichtige Untergruppen besser erfaßt als die Stadieneinteilung der UICC.
180
Kolorektale Karzinome
Therapiestrategie beim Kolonkarzinom - Flussdiagramm
Schematische Darstellung der Diagnostik sowie der Therapie unter kurativer und palliativer
Zielstellung (Aus: Der Onkologe 1999, 5):
181
Kolonkarzinom
Operative Therapie
Allgemein
Voraussetzung für eine Kuration ist eine R0-Resektion. Diese verlangt die Entfernung des tumortragenden
Darmabschnittes mit den regionären Lnn. Die Operationsletalität liegt < 3%. Die No-touch-Operationstechnik gilt
heute als chirurgischer Standard. Die Operation erfolgt als Hemikolektomie unter Mitnahme des Mesokolons und der
dazu gehörigen Lymphknoten. Bei einer Lokalisation an einer Flexur wird die Tumorexstirpation als erweiterte
Hemikolektomie durchgeführt.
Tumorlokalisation und entsprechende Standardoperation1)
Lokalisation
Operation
Lymphabflußgebiet
1. Zoekum / C. ascendens
Hemikolektomie rechts
2. Rechte Kolonflexur
Erweiterte Hemikolektomie
proximales Kolon transversum rechts
3. Linke Kolonflexur
4. Kolon descendens
proximales Sigma
5. Mittleres und distales Sigma
Erweiterter Hemikolektomie
links
A. ileocolica, A. colica dextra
wie bei 1. zusätzlich:
A. colica media
A. gastroepiploica dextra
A. colica media
A. colica sinistra
Hemikolektomie links
A. mesenterica inf.
Sigmaresektion
A. colica sinistra
S3-Leitlinie Kolorektale Karzinome 2004 (www.dgvs.de)
Radikalchirurgische Therapie des Kolonkarzinoms
Kolorektale Karzinome wachsen vorwiegend zirkulär und metastasieren weitgehend konstant in die regionären
Lymphknoten. Unter dem Gesichtspunkt des intramuralen mikroskopischen Tumorwachstums ist ein
Sicherheitsabstand von 2 cm ausreichend. Das regionäre Lymphabflussgebiet geht über diesen Bereich hinaus. Die
Lymphknotenmetastasen breiten sich zentral entlang des versorgenden Gefäßes, primär entlang den perikolischen
Gefäßarkaden bis zu 10 cm vom makroskopischen Tumorrand entfernt aus.
Das Ausmaß der Darmresektion wird durch die Resektion der versorgenden Gefäße und das hierdurch definierte
Lymphabflussgebiet vorgegeben. Liegt der Primärtumor zwischen zwei zentralen Gefäßen, werden beide mit entfernt.
An dem Versorgungsgebiet der radikulär durchtrennten Gefäße orientiert sich das Resektionsausmaß (mind. 10 cm
beidseits des Tumors). Im Falle einer rechtsseitigen Kolonresektion reicht in der Regel aus onkologischen
Gesichtspunkten ein Resektionsausmaß des terminalen Ileums von ca. 10 cm aus.
Onkologische Grundsätze
Im Gegensatz zum Rektumkarzinom ist die Notwendigkeit eines radikalen chirurgischen Vorgehens durch prospektiv
randomisierte Studien nicht erwiesen. Zwei randomisierte Studien konnten einen Nutzen der „no-touch-Technik“oder
einer formalen Hemikolektomie ] nicht zeigen. Dennoch empfiehlt sich die Einhaltung onkologischer Grundsätze
aufgrund pathologisch-anatomischer Befunde, prospektiver Beobachtungsstudien und theoretischer Überlegungen.
Intraoperative pathologische Diagnostik.
Allgemein ist die Indikation zur Schnellschnittuntersuchung sehr zurückhaltend zu stellen. Häufigste Indikation ist die
Verifikation von Strukturen mit Verdacht auf Fernmetastasen, z. B. am Peritoneum, in der Leber oder in nicht
regionären (z. B. paraaortalen) Lymphknoten.
Notfalleingriffe
Ein mechanischer Ileus oder eine Perforation verlangen eine Notfalloperation. Früher wurde einer raschen und
möglichst einfachen operativen Taktik der Vorrang gegeben. Dazu bediente man sich der Anlage eines Anus praeter
oder der Durchführung einer mehrzeitigen Operation. Heute kann die onkologische Radikalität, zumindest bei der
Tumorobstruktion, bei vielen Notfällen berücksichtigt werden.
Operationsziele bei Tumorobstruktion
•
•
•
Dekompression des Kolons
R0-Resektion
Wiederherstellung der Kontinuität
1)
Feifel, G., U. Hildebrandt, Onkologe 1999, 5 :24–29
182
Kolonkarzinom
Gefäßversorgung, Lymphdrainage
Standard des operativen Vorgehens ist die onkologisch radikale Tumorresektion unter Mitnahme der
lokoregionären Lymphknoten entsprechend der Gefäßversorgung des Kolons.
183
Kolon- Rektumkarzinom
Operationsverfahren
Das operative Vorgehen bei dem Kolon- und Rektumkarzinom orientiert sich an der Gefässversorgung und den
Lymphabflusswegen. Aus diesem Grunde ist es erforderlich, bei einer Tumorlokalisation im Kolonrahmen entweder
eine links- oder eine rechtsseitige Hemikolektomie durchzuführen. Das Prinzip der Resektion und das Ergebnis nach
der Anastomosierung geht aus den nachfolgenden schematischen Zeichnungen hervor. Abildung 1 zeigt eine
Hemikolektomie links, Abildung 2 eine rechtsseitige Hemikolektomie.
Die Bilder der zweiten Reihe stellen die Resektion und das Operationsergebnis für eine Tumorlokalisation im
Querkolon und im Sigma dar. Die Zeichnungen der Abb. 5 und 6 kennzeichnen die Tumorexstirpation bei einem
Rektumkarzinom. Links sind die Resektionsgrenzen bei einer tiefen anterioren Rektumresektion zu erkennen.
Voraussetzung für die sphinktererhaltende Operation ist ein tumorfreier distaler Rektumstumpf von mindestens 5 cm.
Wenn ein solcher Abstand unter der Zielstellung einer radikalen Operation nicht erreichbar ist, muss eine
Rektumexstirpation vorgenommen werden. Das operative Vorgehen findet sich in Abb. 6. Siehe auch Kapitel
Rektumkarzinom. In solchen Situationen sollte eine präoperative Radio- oder eine Radio-/Chemotherapie erfolgen.
1
2
3
4
5
3)
6
WOLMARK, N., H.ROCKETTE et al. J.Clin.Oncol. 8, 1990, 1466-1475
184
Kolonkarzinom
Laparoskopische Chirurgie
Von der laparoskopischen Chirurgie beim Kolonkarzinom erhofft man sich Vorteile im postoperativen Verlauf
bei gleichwertiger onkologischer Radikalität und Morbidität. Mehrere randomisierte Studien zum Vergleich der
laparoskopischen Chirurgie versus offene Chirurgie liegen vor, wobei aber Daten zu onkologischen
Langzeitergebnissen fehlen.
Technische Durchführbarkeit – Konversionsrate
Konversionsrate
Die Konversionsraten beim Kolonkarzinom liegen in den grossen Studien COST (Clinical Outcomes of surgical
therapy study group, NEJM 2004;350:2050-59) und CLASICC (Guillou PJ, Lancet 2005;365:1718-26) mit jeweils 435 und 246
Patienten bei 21 und 25%; das bedeutet, wegen technischer Schwierigkeiten oder intraoperativer
Komplikationen konnte bei über 20% eine minimal invasiv begonnene Operation mit dieser Technik nicht zu
Ende geführt, sondern musste in konventioneller Technik beendet werden.
Operationsdauer
Auch die neuen Studien von 2004 und 2005 wie COST und CLASICC belegen, dass minimal invasive
Operationstechniken eine um 25 bis 50% längere Operationszeit erfordern.
Postoperative Erholung
Bei 4 von 5 Studien, die postoperative Schmerzen am ersten postoperativen Tag bei den beiden chirurgischen
Verfahren verglichen, ergab sich kein signifikanter Unterschied.
Die postoperative Darmtätigkeit kam bei Patienten in 3 von 6 randomisierten Studien hochsignifikant früher in
Gang im minimal invasiven Arm. Der Zeitvorteil betrug 14 bis 22 Stunden.
Der postoperative Kostaufbau ergab in den Studien, die dieses Kriterium verglichen, einen geringen Vorteil für
die minimal invasive Gruppe.
Chirurgische Komplikationen
Die Wundinfektionsrate war in keiner von 11 randomisierten Studien signifikant unterschiedlich. Es zeigte sich
keine Reduktion der Wundinfektionsrate bei der minimal invasiven Gruppe.
Die Notwendigkeit zur Reoperation war in den Studien für beide Therapieverfahren nicht signifikant
unterschiedlich. Doch waren bei den minimal invasiven Eingriffen Nachoperationen etwas häufiger, was
meistens auf unbemerkte Darmverletzungen durch Instrumente oder thermische Schäden (Koagulationsstrom)
als methodenspezifische Ursachen zurückzuführen ist.
Der postoperative Krankenhausaufenthalt war bei der COST-Studie im konventionellen Arm mit 6 Tagen
signifikant länger versus 5 Tage im laparoskopischen Arm, bei der CLASICC-Studie lag die Zeit bei 9 Tagen in
beiden Armen.
Zwischen den einzelnen Studien wurden regelmässig grössere Unterschiede beobachtet als beim direkten
Vergleich der beiden Techniken, sodass es denkbar erscheint, dass andere Faktoren die Ergebnisse massgeblich
bestimmen und dass der Operationstechnik nicht die entscheidende Bedeutung zukommt.
S3 Leitlinien 2004
Laparoskopische Chirurgie
Die Ergebnisse der laparoskopischen Tumorresektion sind derzeit wegen fehlender onkologischer
Langzeitergebnisse nicht abschließend zu beurteilen, so dass dieses Verfahren nur im Rahmen von qualifizierten
Studien mit langfristiger Verlaufsbeobachtung zur Anwendung kommen sollte. Empfehlunsgrad: A,
Evidenzstärke: 2a, mehrheitliche Zustimmung.
Auch bezüglich der Vorteile der Lebensqualität nach laparoskopischen Resektionen sind keine überzeugenden
Vorteile erkennbar. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1b, mehrheitliche Zustimmung.
Anmerkung
Im Rahmen des Einsatzes in der Therapie von Rektumkarzinomen liegt lediglich eine randomisierte Studie zu
postoperativen Funktionsstörungen im Vergleich zur konventionellen chirurgischen Therapie vor mit einer
höheren Rate urogenitaler Funktionsstörungen im laparoskopischen Arm. Onkologische Langzeitergebnisse
sind auf Beobachtungsstudien begrenzt und erlauben keine abschließende Bewertung.
185
Kolonkarzinom
Prognosefaktoren
Etablierte Prognosefaktoren
Die Prognose des CRC wird durch verschiedene Faktoren bestimmt, von denen der wichtigste derzeit
das pathologische Tumorstadium darstellt, das charakterisiert ist durch die
Eindringtiefe, den Lymphknotenbefall sowie das Vorhandensein von Fernmetastasen.
Weitere ungünstige Prognosefaktoren sind:
Lymphangiosis oder Hämangiosis carcinomatosa des Tumorgewebes
Siegelring- oder wenig differenzierter Tumor
Tumorperforation in die freie Bauchhöhle
Operation unter Notfallbedingungen (z.B. Ileus)
Entfernung von weniger als 12 Lymphknoten
Neue, nicht etablierte Prognosefaktoren, prädiktive Faktoren
Das TNM-System unterscheidet gut zwischen Patienten im Frühstadium der Erkrankung und Patienten
mit weit fortgeschrittenen Tumoren; im mittleren Tumorstadium ist die Prognose weniger gut damit
abzuschätzen.
Eine adjuvante Chemotherapie wird bei Patienten im Stadium II nicht regelhaft empfohlen. Trotzdem
rezidivieren 20-30% der Patienten. Aus diesem Grund werden genetische Marker untersucht, die
Hochrisikopersonen identifizieren und als prädiktive Marker ein Ansprechen auf die Behandlung mit
einer Chemotherapie vorhersagen.
Zu den molekularen Markern, die nach publizierten Studien prognostisch bzw. prädiktiv relevant sein
sollen, zählen:
18q – und 8 pDer Verlust von chromosomalem Material von 18q und 8p soll sowohl prognostisch als auch prädiktiv
von Bedeutung sein. Die Kombination der beiden Marker 18q und 8p ergab eine eindrucksvolle
Differenzierung zwischen einer 5-Jahres-Überlebensrate von 100% und weniger als 60% bei Patienten
im Stadium II (Zhou et al., Lancet 359(9302):219-25,2002).
Mikrosatelliteninstabilität (MSI)
In Studien konnte gezeigt werden, dass Patienten mit hochgradig instabilen Tumoren (MSI-high) eine
niedrigere Metastasenhäufigkeit und eine verbesserte Prognose aufweisen als Patienten mit stabilen
Tumoren (MSS). Eine aktuelle Studie zeigt, dass niedrig instabile Erkrankungen (MSI-low) besonders
ungünstig verliefen, während MSS-Tumorerkrankungen annähernd so günstig waren wie MSI-higherkrankungen (Kohonen-Corisch et al., JCO 23:2318-24,2005). Patienten mit hochgradig instabilen
Tumoren scheinen auch nicht von einer adjuvanten Chemotherapie mit 5-FU zu profitieren (Ribic et al.
ProcASCO 21:128a,2002).
Thymidilatsynthase (TS)
Die TS, ein Zielenzym für 5-FU, konnte in einer grossen Metaanalyse als unabhängiger
Prognoseparameter bei Patienten im Stadium III identifiziert werden. In insgesamt 11 Studien mit über
1300 Patienten korrelierte eine niedrige TS-Expression mit einem signifikant schlechteren Überleben
und mit einem besseren Ansprechen auf eine 5-FU-haltige Therapie (Johnston et al., ASCO 2005, #
3510).
Diese Marker sollen nun prospektiv validiert werden.
Die ECOG-Studie E5202 evaluiert die Marker 18q- und MSI als Prognoseparameter. Es sollen 3000
Patienten im Stadium II mit entweder günstiger Prognose (MSI, 18q normal) nicht adjuvant therapiert
werden oder mit schlechter Prognose (MSS, 18q-) randomisiert werden für eine adjuvante Therapie
mit FOLFOX +/- Bevazicumab.
186
Kolonkarzinom
Adjuvante Chemotherapie, S3-Leitlinie 2004
Indikation zur adjuvanten Behandlung bei Kolonkarzinomen
Voraussetzung für eine adjuvante Therapie ist die RO-Resektion des Primärtumors. Grundlage für die Indikation zur
adjuvanten Therapie nach Tumorresektion ist die pathohistologische Stadienbestimmung, insbesondere die
Bestimmung des Lymphknoten-Status (pN). Zur Festlegung von pNO sollen 12 oder mehr regionäre Lymphknoten
untersucht werden (UICC 2002). Immunzytologische Befunde von isolierten Tumorzellen in Knochenmarkbiopsien
oder Lymphknoten sowie zytologische Tumorzellbefunde in Peritonealspülungen sind keine Indikation zur
adjuvanten Therapie außerhalb von Studien.
Für Patienten mit einem kurativ resezierten Kolonkarzinom im Stadium I ist eine adjuvante Therapie nicht indiziert.
Patienten des UICC-Stadiums II und III sollten möglichst in kontrollierte Studien eingebracht werden, um Aufschluss
über die Indikationsstellung und die optimale adjuvante Therapie zu erhalten. Der Verlauf von Patienten, die
außerhalb klinischer Studien behandelt werden, ist im Rahmen der Qualitätssicherung hinsichtlich des Auftretens von
Rezidiven, der Überlebensrate und von Nebenwirkungen zu dokumentieren. Die Durchführung der adjuvanten
Chemotherapie erfordert einschlägige Erfahrung und insbesondere die Kenntnis der entsprechenden
Dosisreduktionsschemata, die bei auftretender Toxizität eingehalten werden müssen.
Empfehlung
Bei Patienten mit einem RO resezierten Kolonkarzinom im Stadium III ist eine adjuvante Chemotherapie indiziert.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke 1a, starker Konsens.
Eine Altersbeschränkung für die Durchführung einer adjuvanten Chemotherapie existiert nicht, allgemeine
Kontraindikationen sind zu berücksichtigen. Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke 2a, starker Konsens.
Kontraindikationen der adjuvanten Chemotherapie bei Kolonkarzinomen
1. Allgemeinzustand schlechter als 2 (WHO)
2. unkontrollierte Infektion
3. Leberzirrhose Child B und C
4. Schwere koronare Herzkrankheit; Herzinsuffizienz (NYHA III und IV)
5. präterminale und terminale Niereninsuffizienz
6. Eingeschränkte Knochenmarkfunktion
7. Unvermögen, an regelmäßigen Kontrolluntersuchungen teilzunehmen
Empfehlung
Bei Patienten mit einem kurativ resezierten Kolonkarzinom im Stadium II ist eine adjuvante Chemotherapie im
Regelfall nicht indiziert.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1a, starker Konsens.
Im Einzelfall kann auch im Stadium II bei ausgewählten Risikosituationen (T4, Tumorperforation/-einriss oder
Operation unter Notfallbedingungen) eine adjuvante Chemotherapie erwogen werden.
Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.
Zusätzliche Parameter (z.B. CEA-Spiegel, Differenzierungsgrad, 18q Verlust, Mikrometastasennachweis in
Lymphknoten oder im Knochenmark, Mikrosatelliten-Status, DNA-Ploidie und TS/p53-Expression) können
momentan noch nicht zur Indikationsstellung für eine adjuvante Chemotherapie benutzt werden.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.
Empfehlung:
Die adjuvante Chemotherapie wird mit einem 5-FU/Folinsäure-haltigen Protokoll durchgeführt. Folgende
Therapieschemata stehen zur Verfügung:
1. Mayo-Schema
20 mg/m² Folinsäure (rasche intravenöse Infusion) plus 425 mg/m² 5-FU (Bolusinjektion innerhalb von
weniger als 5 min.) in Woche 1, 4 und 8 jeweils von Tag 1- 5.
3 weitere Zyklen alle 5 Wochen, insgesamt 6 Zyklen
2. NSABP-Schema
einmal pro Woche über insgesamt 6 Wochen 500 mg/m² Folinsäure (2 Stunden Infusion), anschließend
500 mg/m² 5-FU (Bolusinjektion innerhalb von weniger als 5 min., 1h nach
Beginn der Folinsäure-Infusion), alle 8 Wochen, insgesamt 4 Zyklen.
Empfehlunsgrad: B, Evidenzstärke 1a, Konsens
3. LV5FU2 + Oxaliplatin
Folinsäure (200 mg/m² als 2 Stunden Infusion, Tag 1 und 2)plus 5-FU (400 mg/m² als Bolus, danach 600
mg/m² als 22 Stunden Infusion; Tag 1 und 2) in Kombination mit Oxaliplatin (85 mg/m² als 2 Stunden
Infusion; Tag 1 ) 1 Zyklus umfasst 2 Wochen, insgesamt 12 Zyklen
Das Rezidivrisiko kann durch diese Kombination weiter gesenkt werden. Empfehlungsgrad: A,
Evidenzstärke: 1b, Konsens.
187
Kolonkarzinom
Adjuvante Chemotherapie, Entwicklung der Therapiestandards
5-FU/Levamisol 12 Monate
1990 wurde erstmals der Nutzen einer postoperativen Chemotherapie auf 5-FU Basis durch die IntergroupStudie INT-0035 belegt (Moertel CG et al. NEJM 1990;322,6:235-8). Die Endergebnisse nach einem medianen Followup von 6,5 Jahren zeigten, dass beim Kolonkarzinom im Stadium III 5-FU/Levamisol über 12 Monate die
Rezidivrate um 40% und die Mortalität um 33% signifikant gegenüber der nicht behandelten Kontrollgruppe
senkt.
5-FU/Levamisol wurde damit zum Standard in der adjuvanten Therapie und wurde als Kontrollarm für viele
weitere Studien verwendet.
5-FU/Folinsäure 6 Monate
Als sich herausstellte, dass mit Folinsäure (FS) moduliertes 5-FU beim fortgeschrittenen KRK wirksamer ist als
5-FU allein, wurde eine Reihe von adjuvanten Therapiestudien mit verschiedenen 5-FU/FS-Kombinationen auf
den Weg gebracht.
Die grösste Studie mit 3759 Patienten im Stadium II und III, die Intergroup Studie 0089 (Haller DG et al. ProcASCO
1998:Abstr.982), prüfte im Standardarm eine 12 monatige Behandlung mit 5-FU/Levamisol gegen eine 6 monatige
Behandlung mit 5–FU in Kombination mit einer niedrigen Folinsäuredosis (Mayo-Clinic-Schema) oder einer
hohen Folinsäuredosis (Wolmark oder NSABP-Schema). In einem vierten Studienarm erhielten die Patienten
zusätzlich zu 5-FU/FS noch Levamisol. Die 5-Jahresüberlebensdaten ergaben, dass eine 6 monatige Behandlung
mit 5-FU in Kombination mit niedrig oder hoch dosierter Folinsäurdosis genauso wirksam ist wie eine 12
monatige Behandlung mit 5-FU/Levamisol. Die Wirkung von 5-FU/FS konnte durch die zusätzliche Gabe von
Levamisol nicht verbessert werden.
Aus diesen Ergebnissen ergab sich der Konsens, Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium III über 6 Monate
mit 5-FU/FS Schemata (Mayo-Clinic-Schema, alternativ NSABP-Schema) zu behandeln.
FOLFOX-4
Aufgrund der gesteigerten Ansprechraten der Kombinationen aus 5-FU/FS und Oxaliplatin oder Irinotecan in
der palliativen Therapie des KRK wurden diese Kombinationen auch in Phase III Studien in der adjuvanten
Therapie eingesetzt. In der MOSAIC-Studie (de Gramont A., NEJM 2004; 350: 2342-2351) wurden 2248 Patienten mit
KRK im Stadium II und III nach R0-Resektion entweder mit dem deGramont-Schema (5-FU/FS) oder dem
FOLFOX-4 (5-FU/FS/Oxaliplatin)-Schema behandelt. Nach 3 Jahren war die Wahrscheinlichkeit des
krankheitsfreien Überlebens (DFS) im FOLFOX-4-Arm um knapp 5% höher (77,8 vs. 72,9%). Für Patienten
im Stadium III war die Differenz mit 71,8 vs. 65,5% noch deutlicher. Für Patienten im Stadium II war die
Differenz von 86,6% vs. 83,9% nicht signifikant. Daten zum Gesamtüberleben stehen noch aus. Es ist aber zu
erwarten, dass der Unterschied im DFS auch zu einer Verbesserung im Gesamtüberleben führt. Diese Daten
wurden durch die NSABP C-07 Studie bestätigt (Wolmark N. et al. ASCO 2005, #LBA 3500). Ähnlich gute Ergebnisse
liessen sich mit einer Irinotecanhaltigen Kombination bisher nicht erreichen.
Aufgrund der Ergebnisse der MOSAIC-Studie gilt FOLOX 4 als neuer Standard zur adjuvanten
Chemotherapie kolorektaler Karzinome im Stadium III.
Xeloda ®
In der X-ACT-Studie (Twelves C. et al.,NEJM 2005;352:2696-704), die bei mehr als 2000 Patienten im Stadium III
Capecitabine oral mit dem Mayo-Protokoll verglichen hat, zeigt sich eine bessere Verträglichkeit der
adjuvanten Therapie mit Capecitabine und ein Trend zu einer besseren Wirksamkeit. Das DFS nach 3 Jahren lag
bei 65,5% für Capecitabine vs. 61,9% für das Mayo-Protokoll.
Aufgrund dieser Daten kann bei Kontraindikationen zu FOLFOX-4 das orale Capecitabine eingesetzt
werden. Das Mayo-Clinic-Schema sollte nur noch in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen.
Die Daten für das Stadium II sind widersprüchlich, eine Behandlung ausserhalb von Studien, die neue
molekulare Prognose- und prädiktive Parameter evaluieren, wird nicht empfohlen.
188
Kolonkarzinom
Adj. Chemotherapie, NSABP-, Mayo-Clinic- Schema
Moertel et. al. hatten 1990 als Erste den statistisch signifikanten Vorteil einer postoperativen adjuvanten Behandlung
des Kolon-Ca mit 5-FU + Levamisol im Vergleich zu einer nichtbehandelten Kontrollgruppe für das Stadium Dukes
C veröffentlicht. Für das Rektumkarzinom war der therapeutische Gewinn bereits zu diesem Zeitpunkt auch für das
Stadium Dukes B2 (T3, N0, M0) nachgewiesen worden.
NSABP-Schema (Roswell Park-Schema)
Auf dem ASCO-Meeting 1993 teilten zwei internationale Therapiegruppen eine signifikante Reduktion des
Rezidivrisikos und der Mortalitätsrate um etwa ein Drittel nun auch für das Stadium Dukes B2 des Kolonkarzinoms
mit. Die Behandlung erfolgte mit 5-FU + Folinsäure.
Roswell Park-Schema, auch bekannt als NSABP-Schema
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
Wolmark, N. et. al Proc. ASCO 1993; 12: Abstr. 578
Applikationsform
Therapietage
Folinsäure
500
2-Std.-Infusion
1, 8, 15, 22, 29, 36
5-FU
500
i.v. Bolus 1 Std. nach Beginn der
Folinsäure-Infusion
1, 8, 15, 22, 29, 36
Woche 7 Therapiepause.
Wiederholung Tag 50.
Therapiedauer in dieser Studie: 6 Zyklen (48 Wochen).
Anmerkung: in adjuvanter Intention kann bei fehlender oder geringer Toxizität auch schon am Tag 43 der nächste
Zyklus beginnen.
Die Dauer von 6 Monaten für eine adjuvante Therapie wird als ausreichend erachtet.
Therapiedaten
Patientengut: 1081 kurativ resezierte Pat. mit Kolon-Ca Stad. Dukes C und B2.
Ergebnisse: 3 Jahre-krankheitsfreies Überleben : 73 % vs. 63 %
3 Jahres-Gesamtüberleben
: 84 % vs. 77 %
Die Ergebnisse waren im randomisierten Vergleich denen der Kombination mit MOF (Methyl-CCNU, Vincristin, 5FU) überlegen (p=0.0004). Bei Verwendung der Kombination von Leucovorin und 5-FU bestand kein Unterschied
zwischen den Stadien Dukes B2 und C beim Kolonkarzinom. Demnach profitierten in dieser Studie auch die Pat. mit
dem Stadium Dukes B2 von dieser Behandlung.
Mayo-Clinic-Schema
Auf dem gleichen ASCO–Meeting 1993 stellten O’Connel et al. das Ergebnis einer kleineren Intergroup-Studie mit
niedrig dosierter Folinsäure vor. Dieses Therapieschema ist deshalb interessant, da hierdurch die Arzneimittelkosten
signifikant gesenkt werden. Auch in dieser Studie wurden Patienten der Stadien B und C nach Dukes behandelt.
O‘Connel et al. (Mayo-Clinic-Schema)
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
Proc. ASCO 12, 1993, Abstr.552
Applikationsform
Therapietage
Folinsäure
20
i.v. Bolus
1–5
5-FU
425
i.v. Bolus (< 5 Min.)
1–5
Wiederholung Tag 29 – 33,
Therapiedauer: 6 Zyklen
Therapiedaten
309 kurativ resezierte Pat. mit Kolon-Ca Stad. Dukes C und B2.
3,5 Jahre-krankheitsfreies Überleben : 77 % vs. 64 % (Kontrollgruppe)
3,5 Jahres-Gesamtüberleben
: 75 % vs. 71 %
Die Ergebnisse waren im randomisierten Vergleich denen der unbehandelten Kontrollgruppe bezüglich des
krankheitsfreien Überlebens signifikant überlegen. Das Gesamtüberleben unterschied sich allerdings nicht signifikant
zwischen beiden Gruppen.
Patientengut:
Ergebnisse:
Nachdem das Mayo-Clinic-Schema lange als Standard der adjuvanten Therapie der kolorektalen Karzinome galt,
schneidet es jetzt im Vergleich zu FOLFOX4 und Capecitabin schlechter ab. Das Roswell Park-Schema kann im
Vergleich mit diesen beiden Regimen noch nicht zuverlässig bewertet werden.
189
Kolonkarzinom
PETACC 2-Studie, Adjuvante Chemotherapie
Die PETACC 2-Studie zur Adjuvansbehandlung lief in Deutschland auch unter dem Namen „AIOStudie“. Sie ist identisch mit der EORTC-Studie 40963 bzw. mit einem Arm des PETACC 2-Trials.
Die Abkürzung PETACC steht für „Pan European Trial in Adjuvant Colon Cancer“.
Hier werden jedoch im europäischen Verbund die landesspezifischen „Eigenheiten“ in der Wahl des
Schemas für die 5-FU-Dauerinfusion berücksichtigt. Die Wahl des Schemas ist der teilnehmenden
Institution freigestellt, es muss jedoch immer das gleiche verwendet werden.
In Deutschland wird das AIO-Schema angewandt, in Frankreich hauptsächlich das „De-GramontSchema“, in Spanien 5-FU als Monosubstanz über 48h.
Als Standardarm kam einheitlich das „Mayo-Clinic-Schema“ zum Einsatz
AIO-Schema
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
Applikationsform
Therapietage
Folinsäure
500
2-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36
5-FU
2600
24-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36
Wiederholung: Tag 50,
Therapiedauer: 3 Zyklen (=21 Wochen)
HD-5-FU Mono-48 Stunden
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
5-FU
3500
Wiederholung: Tag 57,
Applikationsform
Therapietage
48-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36,43,50
Therapiedauer: 3 Zyklen (=24 Wochen)
De-Gramont-Schema (LV5FU2)
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
Applikationsform
Therapietage
Folinsäure
200
2-Std.-Infusion
1, 2
5-FU
400
i.v. Bolus (5 min)
1, 2
5-FU
600
22-Std.-Infusion
1, 2
Wiederholung: Tag 15,
Therapiedauer: 12 Zyklen (=24 Wochen)
Studie ist noch nicht abgeschlossen !
PETACC 1
Die PETACC1-Studie, die in gleicher Situation 5-FU/Folinsäure mit der Substanz Raltitrexed verglich,
wurde in einer umstrittenen Entscheidung nach der Interimsanalyse im Juli 1999 durch die Firma Astra
Zeneca beendet. Der Grund war eine mit 17 vs. 7 erhöhte Anzahl an Substanz-assoziierten
Todesfällen in der Tomudex-Gruppe (allerdings gab es hier relevante Abweichungen von den
Studienvorschriften wie z.B. fehlende Kreatininkontrollen). Es waren bereits 1838 Patienten
eingeschlossen, es lagen nur Sicherheits-, aber noch keine Effektivitätsdaten vor.
190
Kolonkarzinom
PETACC 3-Studie, Adjuvante Chemotherapie
In dieser inzwischen geschlossenen Studie wurde in Deutschland zumeist das AIO-Schema
verwendet. Im adjuvanten Setting wurden verglichen infusional 5-FU/Folinsäure ± Irinotecan.
In der Gruppe A bekamen die Pat. entweder das um Irinotecan erweiterte AIO-Schema mit auf
2000 mg/m² reduzierter 5-FU-Dosis oder das „De-Gramont-Schema“ + Irinotecan.
Standardtherapie (Gruppe B)
AIO-Schema
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
Applikationsform
Therapietage
Folinsäure
500
2-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36
5-FU
2600
24-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36
Applikationsform
Therapietage
Wiederholung: Tag 50
De-Gramont-Schema (LV5FU2)
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
Folinsäure
200
2-Std.-Infusion
1, 2
5-FU
400
i.v. Bolus (5 min)
1, 2
5-FU
600
22-Std.-Infusion
1, 2
Wiederholung: Tag 14
Prüfarm (Gruppe A)
AIO-Schema + Irinotecan
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
Applikationsform
Therapietage
Folinsäure
500
2-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36
5-FU
2000
24-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36
80
½-Std.-Infusion
1,8,15,22,29,36
Irinotecan
Wiederholung Tag 50
De-Gramont-Schema (LV5FU2) + Irinotecan
Substanz
Dosis [mg/m²/d]
Applikationsform
Therapietage
Folinsäure
200
2-Std.-Infusion
1, 2
5-FU
400
i.v. Bolus (5 min)
1, 2
5-FU
600
22-Std.-Infusion
1, 2
Irinotecan
180
60-min.-Infusion
1
Wiederholung Tag 15
Therapiedauer: jeweils 6 Monate.
Die Studie ist inzwischen geschlossen! Ergebnisse siehe ASCO-Daten 2005
191
Kolonkarzinom
MOSAIC-Studie, Teil I, Adjuvante Chemotherapie
Nahezu die Hälfte aller potentiell kurativ operierten Patienten mit kolorektalen Karzinomen erleiden Rezidive und
versterben als Folge einer späteren Metastasierung.
Moertel CG et al zeigten als Erste (N Engl J Med 1990;322:352-58) dass eine adjuvante Therapie mit 5FU das
Rezidivrisiko bei nodal-positiven Tumoren (Stadium III) um 33% reduzieren kann.
Nachfolgend kamen verschiedene Gruppen, überwiegend mit der Kombination 5-FU/Folinsäure, zu ähnlichen
Ergebnissen (Wolmark N, et al. J Clin Oncol 1999;17:3553–59). Nachdem sich Oxaliplatin in der Therapie des
metastasierten Kolonkarzinoms bewährt hat, vornehmlich nach den Daten der FOLFOX-Kombination der
französischen Arbeitsgruppe um de Gramont, wurde die Substanz auch in der adjuvanten Indikation eingesetzt.
Die Ergebnisse der von T. André et al. durchgeführten internationalen, multizentrischen MOSAIC-Studie
(Multicenter International Study of Oxaliplatin/5-Fluorouracil/Leucovorin in the Adjuvant Treatment of Colon
Cancer) ergeben neue Perspektiven in der Adjuvansbehandlung kolorektaler Karzinome. In die Studie wurden
insgesamt 2246 Patienten mit Stadium II und III eingeschlossen und im prospektiv randomisierten Vergleich mit
einer jeweils sechsmonatigen Therapie mit Bolus plus Infusional 5-FU/FA ± Oxaliplatin behandelt.
Studiendesign
LV5FU2 + Oaxliplatin
Folinsäure 200 mg/m2 / 2h-Inf. d1+2
5-FU 400 mg/m2 Bolus +
5-FU 600 mg/m2 22h-Inf. d1+2
Oxaliplatin 85 mg/m2 2h-Inf d1
alle 14 Tage, 12 Zyklen
LV5FU2
Folinsäure 200 mg/m2 / 2h-Inf. d1+2
5-FU 400 mg/m2 Bolus +
5-FU 600 mg/m2 22h-Inf. d1+2
alle 14 Tage, 12 Zyklen
Einsschlusskriterien
R0-resezierte Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium II und III.
Behandlungsbeginn innerhalb von 7 Wochen nach der Tumorexstirpation
Keine vorangegangene Chemo-, Immuno- oder Radiotherapie
WHO PS ≤2
Alter 18-75 Jahre
Zielkriterien, primär: Krankheitsfreies Überleben, sekundär: Toxizität, Gesamtüberleben
Toxizität
Eine wesentliche Bedeutung kommt in einer Tumortherapiestudie der Toxizität zu. Die therapieassoziierte Mortalität
war in beiden Gruppen gleich niedrig (0,5%). Haupttoxizitäten waren Diarrhoe, Neutropenie und Erbrechen, wobei
Grad 3-4 Neutropenie mit 41,1% bei der oxaliplatinhaltigen Therapie gegenüber 4,7% im Kontrollarm deutlich
häufiger auftrat, jedoch lediglich in 1,8% vs. 0,2% zu Fieber /Infektionen führte.
Ein relevantes Problem stellt die Neurotoxizität dar. 92,1% der Pat. im Oxaliplatin-Arm erlitten eine periphere
Neuropathie, jedoch nur 12,4% Grad 3 oder höher. Die Symptomatik war meist reversibel. Nur bei 1,1% zeigte sich
ein Fortbestehen einer Grad 3-Toxizität nach 12 und bei 0,5% nach 18 Monaten.
Häufigkeit und Verlauf der neurosensorischen Symptome in
der Oxaliplatin-haltigen Gruppe
192
Kolonkarzinom
MOSAIC-Studie, Teil II, Adjuvante Chemotherapie
Nach durchschnittlich 37,9 Monaten Nachbeobachtung ergab sich ein krankheitsfreies Überleben von 78,2% im
Oxaliplatinarm gegenüber 72,9% für die LV5FU-Gruppe (p=0,01).Das bedeutet eine 4-6%ige Verbesserung im
krankheitsfreien Überleben. Somit stellt die 5-FU/Folinsäure mit Oxaliplatin auch in der adjuvanten Situation
eine Therapiebereicherung dar. Eine Überlegenheit für das Overall Survival steht aber noch aus.
Das krankheitsfreie Überleben nach 3 Jahren wurde bewusst gewählt, da zum einen die meisten Rezidive in den
ersten 3 Jahren auftreten, zum anderen sollte eine zeitnahe Übertragung der Ergebnisse in die praktische
onkologische Arbeit ermöglicht werden.
Der Therapievorteil der Oxaliplatingruppe zeigte sich sowohl für das Gesamtkollektiv als auch in der Subgruppenanalyse.
André et al, N Engl J Med 350;23
Folow-up
Median [Monate]
3-Jh-DFS
Ereignisse
Rezidive
Metastasen
Zweit-Kolorekt.-Ca.
Lokalrezidiv
Tod ohne Rezidiv
FL + Oxali.
FL
n=1123
n=1123
37,9
37,8
78,2
237 (21,1%)
208 (18,5%)
169 (15,0%)
6 (0,5 %)
38 (3,4%)
29 (2,6%)
72,9
293 (26,1%)
279 (24,8%)
229 (20,4%)
9 (0,8%)
51 (4,5%)
14 (1,2%)
André et al, N Engl J Med 350;23
MOSAIC-Studie. Signifikant besseres krankheitsfreies Überleben der Oxaliplatin-behandelten Pat. gegenüber Folinsäure/5-FU allein.
Besonders im nodalpositiven Stadium III profitieren die Patienten. Aber auch für Pat. im Stad. II ließ sich ein Benefit für den
Oxaliplatin-Arm nachweisen, wie die Graphik verdeutlicht.
Fazit
FOLFOX4 ist signifikant wirksamer als 5-FU/FS in der adjuvanten Behandlung des Kolonkarzinoms
Das krankheitsfreie Überleben ist erhöht: 78% vs 73% (p <0,01).
Das Rezidivrisiko ist im FOLFOX 4-Arm für das Gesamtkollektiv um 23% gesenkt.
Bei Patienten im Stadium II betrug die Risikoreduktion 18%.
Im Stadium III fand sich eine Risikoreduktion um 24%.
Die Toxizität ist akzeptabel. Die Mortalität lag in beiden Armen bei 0,5%.
Weniger als 1% der Patienten erlitten eine febrile Neutropenie.
Im FOLFOX 4-Arm keine Zunahme der Alopezie.
Eine sensorische Neuropathie (Grad 3) trat bei 12% der FOLFOX 4-Patienten auf und war nach einem Jahr
nur noch bei 1% nachweisbar.
Aufgrund dieser Erbgebnisse gilt FOLOX 4 als neuer Standard zur adjuvanten Chemotherapie kolorektaler
Karzinome.
193
Adjuvante Therapie
X-ACT-Studie, Adjuvante Chemotherapie
Die X-ACT-Studie ist eine multizentrische, randomisierte Phase-III-Studie, in der das orale Prodrug Capecitabin
(Xeloda®) bei nodal-positiven, R0-resezierten Kolonkarzinomen im Vergleich zum intravenös gegebenen MayoClinic-Schema untersucht wurde. Capecitabin wird in der Leber nach enteraler Resorption in 5-Deoxy-Fluorozytidin
umgewandelt, das in Tumorzellen stärker als in gesunden Zellen angereichert wird.
Im Zeitraum 11/1998 bis 11/2001 wurden insgesamt 1987 Patienten mit R0-reseziertem Dukes-C-Kolonkarzinom
randomisiert auf einen Standardarm mit einer Therapie nach dem Mayo-Clinic-Protokoll über 24 Wochen, im
Vergleich zum experimentellen Arm mit Capecitabin 2 x 1250 mg/m2 über 14 Tage. Wiederholung alle 3 Wochen
(Cassidy J et al. Proc. ASCO 2004; 22:3509A)
Studiendesign, Patientenverteilung
Ergebnisse
Im Ergebnis zeigte sich eine mindestens gleichgute Wirksamkeit mit tendenziellen Vorteilen für Capecitabin
(signifikant für das rezidivfreie Überleben). Die Toxizität war mit Ausnahme des Hand-Fuß-Syndroms für
Capecitabin günstiger. Notwendige Dosisreduktionen waren in beiden Armen vergleichbar (42 vs. 44%), ebenso
die Therapieabbrüche (16 vs. 12%)
Kolonkarzinome, Stad. III. Adjuvante Therapie Mayo-Clinic-Schema vs Capecitabin
CassidyJ et al. Proc. ASCO 2004; 22: 3509°
Krankheitsfreies Überleben
Wahrscheinlichkeit einer Grad 3/4-Toxizität
[B]
[A]
[A]
[B]
[B]
[A]
[A]
[B]
Ergebnisse der Multivarianzanalyse
Berücksichtigt wurden folgende Faktoren: Alter, Geschlecht, Lymphknoten, Zeit von der Operation bis zur
Randomisation, baseline CEA und das Land, in dem der Pat. behandelt wurde.
Fazit:
- Überlegenes krankheitsfreies Überleben (RFS)
- Signifikante 14% Risikoreduktion (p=0.0407)
- 4% absolute Verbesserung des RFS nach 3 JahrenTrend zu einem höheren Gesamtüberleben
Wirksamkeitsdaten sind in der Multivarianzanalyse
bestätigt, wie aus der Tab. links hervorgeht.
Capecitabin ist in der adjuvanten Therapie des nodalpositiven Kolonkarzinoms wirksamer und weniger toxisch als
das Mayo-Clinic-Schema und kann wie das FOLFOX 4-Schema als eine künftige Behandlungsoption in dieser
Indikation angesehen werden.
194
Kolorektale Karzinome
Adjuvante Therapie, Studienergebnisse ASCO 2004 und 2005
ASCO 2004
CALGB-Studie C 89993 (Saltz LB et al. Proc. ASCO 2004; 22:3500)
Folinsäure/5-FU ± Irinotecan zur adjuvanten Therapie beim Kolonkarzinom Stadium III,
Arm A: FS/FU 500/500 mg/m2 wöchentlich x 6/ 8Wochen, 4 Zyklen (PRM-Schema), n=629
Arm B: Irinotecan 125 mg/m2, FS/FU 20/500 mg/m2 wöchentlich x 4/ 6Wochen, 5 Zyklen (IFL-SChema), n=635
Ergebnisse: Mediane Nachbeobachtungszeit 3,8 Jahre. Gesamtüberlebenskurven deckungsgleich, ebenso das
krankheitsfreie Überleben.
Fazit: Kein Vorteil für IFL.
NSABP C-06-Studie (Wolmark N et al. Proc. ASCO 2004; 22:3508A)
UFT/FS vs FS/FU in der adjuvanten Therapie des Kolonkarzinom-Stadium II + III,
Arm A (n=308): FS/FU 500/500 mg/m2 i.v. wöchentlich x 6/ 8Wochen, 4 Zyklen (PRM-Regime)
Arm B (n=805): FS/UFT 30/100 mg/m2 p.o. 3 x täglich x 28 Tage, alle 5 Wochen, 5 Zyklen
Resultate
Arm A (n=771)
Arm B (n=782)
p-Wert
Krankheitsfreies ÜL
68,3%
66,9%
0.79
Gesamtüberleben
78,7%
78,7%
0.88
Toxizität in beiden Armen identisch.
Fazit: Beide Arme sind gleich effektiv und
äquitoxisch.
ASCO 2005
PETACC 3 Studie (van Cutsem E. et al.,ASCO 2005, Abstract LBA8)
3278 Patienten im Stadium II (945) und III (2333) wurden randomisiert auf das deGramont-Regime +/- Irinotecan
oder das AIO-Regime +/- Irinotecan (siehe Seite PETACC 3). Nach 3 Jahren wurde durch die Zugabe des Irinotecans
das krankheitsfreie Überleben (DFS) für Patienten im Stadium III von 59,9% auf 62,9% verbessert, was statistisch
nicht signifikant war. Bei der gepoolten Analyse von allen Patienten (Stadium II und III) zeigte sich eine signifikante
Verbesserung durch die Zugabe von Irinotecam. Die 60-Tage Mortalität lag bei der Irinotecan-Kombination bei 0,4%
versus 0,2% im 5-FU/Folinsäure-Arm.
Fazit: Irinotecanhaltige Schemata haben keinen Stellenwert in der adjuvanten Therapie.
MOSAIC-Studie (de Gramont A. et al., ASCO 2005, Abstract 3501)
Die neueste Analyse der MOSAIC-Studie (siehe auch entsprechende Seiten) ergab nach 4 Jahren ein krankheitsfreies
Überleben (DFS) von 61% im LV5FU2-Arm versus 69,7% im FOLFOX4-Arm für Patienten im Stadium III. Im
Stadium II beträgt das DFS 81,3 versus 85,1 zugunsten des FOLFOX4-Arms. Das Gesamtüberleben ist im
FOLFOX4-Arm tendenziell besser (+2,1%) jedoch noch nicht signifikant.
Fazit: Diese Ergebnisse unterstreichen die Position des FOLFOX4-Regimes als Therapiestandard im Stadium III.
NSABP C-07-Studie (Wolmark N. et al., ASCO 2005, Abstract LBA3500)
2407 Patienten im Stadium II und III erhielten entweder das wöchentliche Wolmark- bzw. NSABP-Bolus-Schema
(FULV) über 24 Wochen oder dasselbe Regime unter Zugabe von 85 mg/m2 Oxaliplatin (FLOX) in Woche 1,3 und 5
eines jeden 8 Wochen-Zyklus. Das DFS nach 3 Jahren beträgt 76,5% im FLOX-Arm vs. 71,6% im FULV-Arm und
ist statistisch signifikant. Unter dem FLOX-Regime trat Diarrhoe wesentlich häufiger als relevante Nebenwirkung
auf. Es ereigneten sich unter Therapie immerhin 14 (1,1% )Todesfälle in der FULV- und 15 (1,2%) in der FLOXGruppe.
Fazit: Diese Ergebnisse sind vergleichbar mit den Ergebnissen der MOSAIC-Studie. Beim FLOX-Regime kommen
aber nur 75% der Oxaliplatin-Dosis aus der MOSAIC-Studie zum Einsatz, was beim Kongress zur Diskussion über
die tatsächlich benötigte Oxaliplatin-Dosis führte.
XELOX versus Bolus 5-FU/LV (Schmoll H.J. et al., ASCO 2005, Abstract 3523)
1886 Patienten im Stadium III erhielten XELOX (Capecitabine 1000 mg/m2 bid d1-14 + Oxaliplatin 130 mg/m2 d1,
q3w x 8) oder ein i.v. Bolus 5-FU/LV-Schema (Mayo-Clinic oder Roswell Park). Die vorgestellten Toxizitätsdaten
zeigen das bekannte Nebenwirkungsprofil von Oxaliplatin, das den Angaben der Autoren zufolge dem von
FOLFOX4 bekannten entspricht.
Anmerkung: Auf dem Kongress wurde die Anzahl der abgebrochenen Therapien kritisch diskutiert. Insgesamt
brachen 22% der Patienten, davon 13% innerhalb der ersten 12 Wochen, die adjuvante Therapie mit XELOX ab. Bei
der Bolus-Therapie waren es 9% insgesamt. Es wurde in der Diskussion ausdrücklich darauf hingewiesen, bei der
Kombinationstherapie mit Capecitabin besonders auf die teilweise beachtlichen Toxizitäten zu achten.
195
Kolorektale Karzinome
Adjuvante Chemotherapie, Stadium II
Adjuvante Chemotherapie im Stadium II (nodal negativ)?
Ob und wie eine adjuvante Chemotherapie im Stadium II (Dukes B) beim Kolonkarzinom durchgeführt werden soll,
ist nach wie vor unklar.
Studienübersicht
NSABP C-01, C-02, C-03 und C-04
Eine gepoolte Analyse dieser Studien kam zu dem Schluss, dass Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium II einen
ähnlichen Benefit von einer adjuvanten Chemotherapie haben, wie Patienten im Stadium III. Allerdings war die
Patientenzahl im Stadium II in diesen Studien sehr niedrig.
IMPACT-B2-Studie
In dieser Studie wurden die Ergebnisse von 5 Studien, die 1006 Patienten mit Kolonkarzinom im Stadium II
enthielten, gepoolt und ergaben keinen Vorteil für eine adjuvante Chemotherapie. Diese Studie zeigte keinen
Unterschied im 5-Jahres-Überleben (80% in der Kontrollgruppe und 82% in der 5-FU/Folinatgruppe) und im
Ereignisfreien Überleben (73% in der Kontrollgruppe versus 76% in der 5-FU/Folinatgruppe).
NACCP-Studie (Taal BG et al., Br J Cancer 85:1437-43, 2001)
In dieser niederländischen Studie wird über einen Benefit durch eine adjuvante Chemotherapie im Stadium II
berichtet.
468 Pat. im Stadium II wurden randomisiert zwischen 5-FU/Levamisol für 12 Monate und Beobachtung. Diese
Studie zeigte eine Reduktion der Sterberate im Stadium II um 19% unter der adjuvanten Therapie.
MOSAIC-Studie (T.Andre Proc. ASCO 2003; 21)
In dieser Studie hatten die FOLFOX4-behandelten nodalnegativen Pat. ebenfalls einen signifikanten Vorteil für das
3-Jahre-Krankheitsfreies Überleben.
PETACC4-Studie
In dieser prospektiv randomisierten Studie der EORTC wird derzeit der Wert einer postoperative Chemotherapie im
Vergleich zu einer nicht behandelten Gruppe im Stadium II geprüft. (siehe Seite PETACC4).
S3-Leitlinie Kolorektale Karzinome 2004 (www.dgvs.de)
Bei Patienten mit einem kurativ resezierten Kolonkarzinom im Stadium II ist eine adjuvante Chemotherapie im
Regelfall nicht indiziert.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 1-a, starker Konsens
Im Einzelfall kann auch im Stadium II bei ausgewählten Risikosituationen (T4, Tumorperforation/-einriss oder
Operation unter Notfallbedingungen) eine adjuvante Chemotherapie erwogen werden.
Empfehlungsgrad: C, Evidenzstärke: 4, starker Konsens
In Studien gingen gewisse Risikosituationen wie eine Tumorperforation oder Operation unter Notfallbedingungen mit
einer schlechteren Prognose einher. Es erscheint daher denkbar, dass solche Pat. auch im Stadium II von einer
adjuvanten Chemotherapie profitieren könnten. In einer Studie, in denen Patienten mit Perforation eine kleine
Untergruppe darstellten, konnte allerdings kein Benefit gezeigt werden.
Zusätzliche Parameter (z. B. CEA-Spiegel, Differenzierungsgrad, 18q Verlust, Mikrometastasennachweis in
Lymphknoten oder im Knochenmark, Mikrosatelliten-Status, DNA-Ploidie und TS/p53 Expression) können
momentan noch nicht zur Indikationsstellung für eine adjuvante Chemotherapie benutzt werden.
Empfehlungsgrad: A, Evidenzstärke: 4, starker Konsens.
Für eine Reihe von Parametern konnte in Untersuchungen eine prognostische Bedeutung für das kolorektale
Karzinom gezeigt werden. Es liegen jedoch keine prospektiven Studien zum Nutzen einer adjuvanten Chemotherapie
bei Vorhandensein einzelner oder mehrerer dieser Faktoren vor.
Molekularbiologische Gesichtspunkte
Derzeit wird nach Strategien gesucht, das therapeutische Vorgehen nach dem Vorliegen bestimmter molekularer
Marker zu stratifizieren. Dabei könnten Marker wie die Mikrosatelliteninstabilität (MSI), Thymilatsynthase,
Mutationen im p53 oder DCC-Gen eine Rolle spielen.
Auf dem ASCO 2002 wurde eine Studie vorgestellt, die darauf hinweist, dass Patienten mit Kolonkarzinom im
Stadium II und III, die eine hohe MSI aufweisen, wahrscheinlich nicht von einer adjuvanten Chemotherapie mit 5-FU
profitieren und möglicherweise unter einer adjuvanten Chemotherapie sogar eine schlechtere Prognose besitzen.
Patienten mit MSI-stabilen Tumoren profitieren jedoch signifikant von einer adjuvanten Therapie (Ribic et al.,
ProcASCO 21:128a,2002).
196
Kolonkarzinom
PETACC 4, adjuvante Therapie, Stad. II, EORTC 40012
Adjuvante Chemotherapie des Kolonkarzinoms im Stad. II. Randomisierte multizentrische
Phase III-Studie des R0-resezierten Kolonkarzinoms. Infusional 5-FU CPT 11 + Folinsäure vs
Beobachtung.
Studienkoordinator
Prof. Dr. JF Seitz, Marseilles, Tel. 0033-4-9138-6038.
Einschlusskriterien
Stadium II (pT3, N0; pT4, N0). Kolonkarzinom, R0-Resektion.
Distale Resektionsgrenze oberhalb der peritonealen Umschlagfalte.
Mindestens 12 Lymphknoten im Resektat und histopathologisch untersucht.
Ausschluss von Fernmetastasen.
Alter über 18 Jahre, unter 75 Jahre.
Allgemeinbefinden: 0/1 WHO.
Studiendesign
R
Alleinige Operation
Operation + adjuvante Chemotherapie
Randomisation: Innerhalb 56 Tagen nach der kurativen Resektion.
Chemotherapie: 4 Zyklen (6 Monate)
Irinotecan
80 mg/m2
500 ml NaCl 0,9%/30 min. Tag 1,8,15,22,29,36
Folinsäure
500 mg/m2
500 ml NaCl 0,9%/2h
Tag 1,8,15,22,29,36
5-FU
2.000 mg/m2
24h-Inf.
Tag 1,8,15,22,29,36
Wiederholung: Tag 50.(Tag 1 des nächsten Sechs-Wochen-Zyklus)
Stratifizierung nach prädiktiven und responsiven Faktoren
Institution
pT3 vs. pT4,
initiale Komplikation: Ileus, Perforation vs keine,
Grading G1, G2, G3, Geschlecht,
Mikrosatelliteninstabilität positiv vs negativ vs unbekannt.
Studienziel
Verbesserung des DFS in der Therapiegruppe
Sekundär: Bewertung von prognostischen Faktoren zur Frage der Korrelation von Überleben und
Rezidiv nach adjuvanter Chemotherapie: Zahl der untersuchten Lnn, Grading, T-Stadium, CEASpiegel, DCC-Alteration, bcl-2, Matrix Metalloproteinasen, Mikrosatelliteninstabilität.
197
Kolonkarzinom
PETACC 8
Studientitel
Adjuvante Behandlung des komplett resezierten Kolonkarzinoms Stadium III mit FOLFOX-4 plus Cetuximab versus
FOLFOX-4. Randomisierte kontrollierte multinationale multizentrische Phase-III-Studie.
Studienziel
Primäres Studienziel ist das krankheitsfreie Überleben (DFS). Sekundäre Ziele sind krankheitsfreies Überleben nach
3 Jahren, Gesamtüberleben, 5-Jahres-Gesamtüberleben, Verträglichkeit und Sicherheit der Therapie, Evaluation von
prädiktiven biologischen Markern für Rezidiv und/ oder Therapieerfolg. Start der Studie: 11/05.
Studienunterlagen
AIO-Studienzentrale, Herr René Siewczynski
Martin-Luther-Universität Halle, Klinik für Innere Medizin IV, Ernst-Grube-Straße 40, 06120 Halle
Tel.: 0345-557-5752,
Fax: 0345-557-3283,
E-mail: [email protected], Internet: www.aio-portal.de
Studiendesign
FOLFOX-4 + Cetuximab (Arm A)
R
Therapiedauer:
12 Zyklen = 24 Wochen
FOLFOX-4 (Arm B)
Einschlusskriterien
- Alter ≥ 18 und < 75 Jahre
- Histologisch gesichertes Adenokarzinom des Kolons Stadium III, unabhängig vom EGFR-Status
- Kurative R0-Resektion nicht weniger als 28 und nicht länger als 56 Tage vor Randomisation
- Keine Metastasen bei Studienaufnahme
- Keine vorangegangene Chemotherapie
- Keine vorangegangene Bestrahlung von Abdomen oder Becken
- WHO-Performance Status 0-2
- Schriftliche Einverständniserklärung des Patienten
- Wirksame Kontrazeption, falls die Möglichkeit einer Schwangerschaft/Zeugung besteht
Ausschlusskriterien
- Fernmetastasen
- Chronisch entzündliche Darmerkrankung
- Rektumkarzinom innerhalb 15 cm ab Anokutanlinie (endoskopisch) oder oberhalb der peritonealen Umschlagsfalte
(chirurgisch) oder präoperative Strahlentherapie
- Schwangere oder stillende Frauen
- Neuropathie
- Bekannte Hypersensitivität gegenüber einer der Komponenten der Studientherapie
Therapiedurchführung
Die Behandlung erfolgt postoperativ über 12 Zyklen (6 Monate).
FOLFOX-4 + Cetuximab (Arm A)
Substanz
Cetuximab-Erstgabe
Cetuximab
Oxaliplatin
Folinsäure
5-FU
5-FU
Dosis [mg/m2/d]
400
250
85
200
400
600
Applikationsform
2-Std.-Infusion
1-Std.-Infusion
2-Std.-Infusion
2-Std.-Infusion
Bolus
22-Std.-Infusion
Therapietage
1
(1), 8
1
1, 2
1, 2
1, 2
Dosis [mg/m2/d]
85
200
400
600
Applikationsform
2-Std.-Infusion
2-Std.-Infusion
Bolus
22-Std.-Infusion
Therapietage
1
1, 2
1, 2
1, 2
Wiederholung Tag 15
FOLFOX-4 (Arm B)
Substanz
Oxaliplatin
Folinsäure
5-FU
5-FU
Wiederholung Tag 15
198
Rektumkarzinom
ESMO-Mindestanforderungen; Diagnostik, Therapie I
Inzidenz
Die Inzidenz des rektalen Karzinoms in der Bevölkerung der Europäischen Union beläuft sich auf ca.
35% der koloretalen Karzinome, also ca. 15-20/100.000 Einwohner/Jahr erkranken. Die Sterblichkeit
beträgt 10/100.000 Einwohner/Jahr.
Diagnose
Die Diagnosestellung basiert auf der rektal-digitalen Untersuchung einschließlich starrer Rektoskopie
mit histopathologischer Sicherung. Als Rektumkarzinome gelten Tumore, deren aboraler Rand bei der
Messung mit dem starren Rektoskop 15cm oder weniger von der Anokutanlinie entfernt ist.
Staging
• Anamnese und körperliche Untersuchung des Patienten, aktuelle Laborwerte (insb. Leber- und
Nierenwerte), CEA-Bestimmung, Röntgen-Thorax und CT, MRT oder Ultraschall der Leber müssen
durchgeführt werden.
• Endosonographie oder MRT-Rektum sind gefordert, um Pat. für eine präoperative Therapie zu
selektionieren. Notwendig ist die prä- oder postoperative hohe Koloskopie.
• Während des chirurgischen Eingriffs sollen Biopsien aus dem proximalen, distalen und dem
umgebenden Gewebe entnommen werden. Zwölf regionäre Lymphknoten sollen untersucht werden.
• Die TNM-Klassifikation 2002 (sieh Tab. 1) liegt stets zugrunde.
Tab. 1
TNM
Stadium
Infiltrationsgrad
Tis N0 M0
T1 N0 M0
T2 N0 M0
T3 N0 M0
T4 N0 M0
0
I
I
IIA
IIB
T1-2 N1 M0
T3-3 N1 M0
T1-4 N2 M0
T1-4 N1-2 M1
IIIA
IIIB
IIIC
IV
Carcinoma in situ
Submukosa
Muskularis propria
Subserosa/perirektales Gewebe
Perforation in das perirektale Gewebe
oder andere Organe
1-3 regionale Lymphknoten betroffen
1-3 regionale Lymphknoten betroffen
4 oder mehr regionale Lymphknoten betroffen
Fernmetastasen
Behandlung
1. Resezierbare Tumore
Präoperative Bestrahlung/Chemotherapie:
• Präoperative Bestrahlung (z.B. 25Gy, frakt. à 5Gy gefolgt von chirurgischem Eingriff) reduziert die
lokale Rezidivrate [I, A].
• Im Hinblick auf geringere Toxizität ist die präoperative Radio-Chemotherapie (50Gy, 2Gy/Tag + 5-FU
c.i. während der ersten und der fünften Woche) im Gegensatz zur postoperativen Radio-Chemotherapie
zu bevorzugen [II, A]. Der chirurgische Eingriff sollte 6-8 Wochen nach der Radio-Chemotherapie
durchgeführt werden.
Chirurgischer Eingriff:
Die totale mesorektale Exzision (TME) wird strengstens empfohlen als die Methode mit geringer lokaler
Rezidivrate (<10%) und guter Lebensqualität [II, A].
Postoperative Radio-Chemotherapie:
Postoperative Bestrahlung (z.B. 50Gy, 1,8-2Gy/Sitzung) mit begleitender 5-FU-basierter Chemotherapie
wird bei Patienten mit positivem Tumornachweis im resezierten Tumorgeweberand, Perforation in die
Tumorregion oder bei Patienten mit erhöhtem Risiko eines lokalen Rezidivs durchgeführt, wenn eine
präoperative Therapie nicht erfolgte [I, A].
199
Rektumkarzinom
ESMO-Mindestanforderungen; Diagnostik, Therapie II
2. Primär nicht-resezierbare Tumore und Lokalrezidive
• Patienten mit fixiertem Tumor oder mit lokalem Rezidiv (bei denen eine Bestrahlung primär nicht
durchgeführt wurde) sollten präoperativ eine Bestrahlung mit oder ohne begleitende Chemotherapie
erhalten [II, A].
• Der Versuch einer radikalen chirurgischen Intervention sollte 4-8 Wochen nach der Bestrahlung
erfolgen [II, A].
3. Lokal fortgeschrittene und disseminierte Erkrankung
• Bei bestimmten Patienten kann die Behandlung die chirurgische Entfernung von resezierbaren
Leber- oder Lungenmetastasen einschließen [III, A]. Andere chirurgische Eingriffe, Stenteinlage
[III, A] oder Bestrahlung sollten als palliative Maßnahmen aufgefasst werden [II, A].
• Palliative first line-Chemotherapie sollte früh beginnen und 5-FU/Leucovorin in Kombination, z.B.
mit Oxaliplatin oder Irinotecan beinhalten.
• Second line-Chemotherapie sollte bei ausgewählten Patienten mit gutem Allgemeinzustand
eingesetzt werden.
Nachsorge
• Die Nachsorgeuntersuchungen dienen der Identifikation derjenigen Patienten, die eine chirurgische
salvage-Therapie oder eine palliative Behandlung benötigen sowie zur Erkennung von sekundären
kolorektalen Karzinomen. Es gibt keinen Beweis dafür, dass reguläre Nachsorgeuntersuchungen
nach erfolgreich durchgeführter Behandlung zu einem besseren outcome von Patienten mit rektalem
Karzinom führen.
• Eine vorläufige Empfehlung ist:
• Anamnese-Erhebung und Rektosigmoidoskopie alle 6 Monate für insgesamt 2 Jahre [V, D].
• Anamnese-Erhebung und Koloskopie mit Entfernung von Kolonpolypen alle 5 Jahre [I, B].
• Klinische, laborchemische und radiologische Untersuchungen zeigten bisher keinen relevanten
benefit und sollten nur bei Patienten mit suspekten Symptomen eingesetzt werden [A].
Notiz
Die Angaben bezüglich Level of Evidenz [I-V] und Grade of Recommendation [A-D] stimmen mit
den Empfehlungen der American Society of Clinical Oncology überein. Andere Angaben beziehen
sich auf klinisch geprüfte Expertenmeinungen und die ESMO.
Aus: Ann Oncol 16 (Suppl. 1) 2005; 16: i20-21
200
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