Glossar Ethischer Begriffe – im Aufbau Version Deutsch

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Glossar Ethischer Begriffe – im Aufbau
Erstellt durch die Akademische Fachgesellschaft Ethik in der Pflege :
S. Derouiche, V. Ferrari Schiefer, B. Hofer, H. Hofmann, V. Haberey-Knüssi, K. Koblet,
S. Monteverde, U. Neuhaus, I. Schäfer, B. Schaffert-Witvliet, E. Schorro, P. Schweller,
H. Zaugg
Letzte Aktualisierung : Februar 2013
Version Deutsch
© Akademische Fachgesellschaft Ethik in der Pflege
Seite 1
Inhaltsverzeichnis
Autonomie und Selbstbestimmung ........................................................................................ 3
Ethik ...................................................................................................................................... 4
Gerechtigkeit (Prinzip der Gerechtigkeit) .............................................................................. 5
Gutes tun (Prinzip Gutes tun) ................................................................................................ 5
Informierte Zustimmung / Pflicht zur Information.................................................................... 6
Moral ..................................................................................................................................... 7
Nicht Schaden (Prinzip des Nicht Schadens) ........................................................................ 7
Urteilsfähigkeit ....................................................................................................................... 7
Literatur ................................................................................................................................. 9
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Autonomie und Selbstbestimmung
Der Begriff Autonomie leitet sich vom griechischen auto-nomos ab, was so viel wie Recht auf
Unabhängigkeit und Selbstgesetzlichkeit bedeutet (Duden, 2006).
In unserer Kultur ist der Begriff der Autonomie stark durch den Philosophen der Aufklärung
Immanuel Kant (1724-1804) geprägt. Kant geht davon aus, dass Menschen als vernünftige
Wesen fähig sind, sich Ziele zu setzen und ihnen entsprechend zu handeln. Die menschliche
Freiheit muss deshalb respektiert werden. Menschen dürfen nicht bloss als Mittel verstanden
und instrumentalisiert werden, sondern sind immer Zweck an sich selbst. In diesem Sinn
bezeichnet Autonomie die menschliche Freiheit, sich durch die Vernunft selber Handlungsgrundsätze zu geben. Diese Grundsätze sollen dem formalen Prinzip des kategorischen Imperativs entsprechen: sie müssen so verallgemeinert werden können, dass ihnen alle anderen vernünftigen Wesen zustimmen würden. Solche Handlungsgrundsätze haben die Verbindlichkeit von moralischen Gesetzen. Sie gelten ausnahmslos und sollen das moralische
Handeln leiten und rechtfertigen. Autonomie wird damit zum grundlegenden Prinzip der Moral (Kant, 1956).
Im heutigen Kontext wird das von Kant ausschliesslich in der Vernunft begründete Autonomieverständnis kritisiert. So wird argumentiert, dass auch Menschen, die in ihren Fähigkeiten
zur vernünftigen Überlegung beeinträchtigt sind, das Recht auf Respektierung ihrer Selbstbestimmung haben. Da eine autonome Entscheidung jedoch vernünftige Überlegungen voraussetzt, muss bei Menschen mit entsprechenden Beeinträchtigungen überlegt werden, in
welcher Art und Weise ihre Sichtweisen und Bedürfnisse einbezogen und dadurch ihre
Selbstbestimmung gefördert werden kann (Rehbock, 2005).
In der Pflege bedeutet die Respektierung der Autonomie, Menschen als Individuen wahrzunehmen. Das heisst, ihre Entscheidungen als Resultat ihrer persönlichen Überzeugungen
und Wertvorstellungen zu achten, selbst wenn ihre Fähigkeiten vorübergehend oder dauerhaft aus Alters- oder Krankheitsgründen beeinträchtigt sind (Schweizerischer Berufsverband
der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK, 2003).
vgl. auch: Informierte Zustimmung und Urteilsfähigkeit
Definition SBK
„Im Allgemeinen versteht man unter Autonomie die Fähigkeit des Menschen, seine persönlichen Ziele frei zu bestimmen und im Wissen um die Konsequenzen zu handeln. Sie umfasst:
die persönliche Freiheit, die Selbstbestimmung, das Recht, dem eigenen Handeln spezifischen Inhalt zu geben, das Recht der eigenen Meinung und den eigenen Werten Ausdruck
zu verleihen“ (SBK, 2003, S. 10).
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Definition SAMW
„Unter Autonomie wird die Fähigkeit einer Person verstanden ihren Willen auszudrücken und
in Übereinstimmung mit ihren Werten und Überzeugungen zu leben.“(Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften, 2013, S.8)
Ethik
Die beiden Begriffe Ethik und Moral werden in der Alltagssprache oft synonym gebraucht.
Die Ethik ist die Wissenschaft über die Moral. In der Ethik wird über die Moral gedacht und
diskutiert. Sie bestimmt die Kriterien, wie die Moral beurteilt werden kann. Sie bestimmt jedoch nicht was richtig oder falsch ist (Pieper, 1994).
Ethik beschäftigt sich mit der Beschreibung, Begründung, Kritik und Bewertung von Normen
und Werten. Sie sucht Antworten auf Fragen nach dem guten und sittlichen Handeln (Arndt,
1996; Philosophisches Wörterbuch, 1991).
Defintion SBK
Ethik versteht sich als Wissenschaft von der Moral bzw. vom moralischen Handeln. Ethik
untersucht die Bedingungen, unter denen menschliches Handeln als moralisch gut begriffen
werden kann und grenzt moralisches Handeln gegen andere mögliche Handlungen des
Menschen ab.
Die angewandte Ethik zeigt auf, wie ethische Theorien auf praktische Fragestellungen angewendet werden können. Im Rahmen der angewandten Ethik stellt Pflegeethik eine eigenständige Disziplin dar. Sie ist die systematische Reflexion über die moralische Dimension
pflegerischen Denkens (SBK, 2003).
Ethische Prinzipien
Prinzip bedeutet Anfang, Ursprung, Grundlage. Prinzipien helfen Entscheidungen zu treffen,
zu begründen und zu reflektieren. Sie stehen im Spannungsfeld zwischen Theorie und Praxis (Arndt, 1996; Lay, 2004).
In der Pflege wird häufig auf die biomedizinischen Prinzipien nach Beauchamp & Childress
Bezug genommen. Diese Prinzipien bilden einen analytischen Rahmen. Sie basieren auf
allgemeinen moralischen Normen und dienen als Ausgangspunkt für die biomedizinische
Ethik. Die biomedizinischen Prinzipien sind als übergeordnete Orientierungen zu verstehen
und ermöglichen die Ableitung von spezifischen Regeln. Beauchamp und Childress formulieren die Prinzipien Autonomie, Nicht Schaden, Gutes Tun und Gerechtigkeit (Beauchamp &
Childress, 2009).
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Die vom SBK formulierten Leitlinien für das ethische Handeln in der Pflege basieren auf den
biomedizinischen Prinzipien nach Beauchamp und Childress.
Gerechtigkeit (Prinzip der Gerechtigkeit)
In Bearbeitung
Gutes tun (Prinzip Gutes tun)
Die Ethik orientiert sich am Guten. Doch in der näheren Umschreibung was gut ist, lassen
sich verschiedene Ansätze ausfindig machen. Für Aristoteles zum Beispiel besteht das Gute
im Fördern des Wohls der Gemeinschaft (Aristoteles, 1998). Für John Rawls (1996) hingegen besteht das Gute darin, dass das Individuum ideale Umstände für die eigene Enwicklung
vorfindet. Dementsprechend kann das Tun des Guten unterschiedlichste Verhaltensweisen
zeigen, vom Bereitstellen der Ressourcen bis hin zur vollständigen Übernahme von Handlungen. In Bezug auf das Gute als Motiv einer Handlung können Werte eines Begünstigten
einbezogen, respektiert, vermutet (Beispiel mutmasslicher Wille nach schwerem Unfall),
überstülpt oder missachtet werden. In den letzten beiden Fällen sprechen wir von Paternalismus.
Gut bedeutet im ethischen Sinne erstrebenswert. Es sind nicht die subjektiv geschätzten
Güter, sondern diejenigen Werte, die zu einem guten Zustand beitragen. Dieser ist nach
Siep davon abhängig, dass einerseits einzelne Dinge gemäss ihrer Art existieren können.
Andererseits sollen sie die Ordnung des Ganzen nicht stören, sondern durch ihr Sein und
Handeln zu ihr beitragen (Siep, 2004). Philippa Foot (2001) weist auf die praktische Rationalität hin. Es ist der Mensch selbst, der entscheiden und sich fragen kann, warum er ein guter
Mensch sein will. Ziele eines guten Menschen nach Foot sind u.a. Wohlbefinden, Treue oder
andern nicht Schaden zuzufügen.
Definiton SBK
Das Prinzip Gutes zu tun beinhaltet die Verpflichtung dem anderen das zu gewähren, was
ihm gut tut , was ihm nützt. Ferner drückt es die Verpflichtung aus, die Interessen des anderen, sein Leben, seine Sicherheit, seine Gesundheit zu schützen und zu verteidigen. „In der
Pflege, bedeutet die Pflicht Gutes zu tun, den Zugang zu einer bestmöglichen Pflege für alle
zu ermöglichen” (SBK, 2003, S. 13). U.a. bedeutet dies das Recht des Menschen auf Schutz,
Pflege und Aufgehobensein (SBK, 2003).
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Informierte Zustimmung / Pflicht zur Information
Das Konzept der informierten Zustimmung (informed consent) ist Ausdruck der grundsätzlichen Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts von Menschen, die Betreuung und Therapie benötigen. Die informierte Zustimmung basiert auf vier Kernelementen, welche der Zustimmung voran gehen: die Aufklärung, das Verstehen der Informationen, die Freiwilligkeit,
sowie die Berücksichtigung der Kompetenz der zustimmenden Person. Die Aufklärung umfasst die der Person und ihrer Situation (sprachlich) angepasste Information, sie erfolgt abgestuft und eingebettet in den therapeutischen Prozess. Dabei sollte sich die informierende
Person bewusst sein, welche eigenen Wertvorstellungen sie ihrem Gegenüber bei der Weitergabe von Informationen vermittelt. Damit das Verstehen der Information unterstützt werden kann, muss die Aufnahmefähigkeit der betroffenen Personen berücksichtigt werden.
Patientinnen und Patienten müssen Raum und Zeit erhalten, um nachzudenken und sich mit
nahe stehenden Menschen zu besprechen. Auch ist es wichtig, Missverständnisse oder Verzerrungen bei der Informationsverarbeitung wahrzunehmen und darauf einzugehen. Die
Freiwilligkeit der Zustimmung wird gefördert, wenn die betroffene Person dabei unterstützt
wird, die bestehenden Handlungsmöglichkeiten mit den jeweiligen Auswirkungen auf die individuelle Lebenssituation zu übertragen. Die Kompetenz bezieht sich auf das Einschätzen
der Urteilsfähigkeit (Beauchamp & Childress, 2001; Giese, 2002).
Aktueller Hinweis
Ab 1.1.2013 ist das Erwachsenenschutzrecht in der Schweiz in Kraft getreten. Zentrale Anliegen sind der Schutz eines jeden Menschens und die Förderung des Selbstbestimmungsrechts. Bei urteilsfähigen Personen muss bei jeglichen freieheitsbeschränkenden Massanahmen immer deren Zustimmung eingeholt werden. Bei urteilsunfähigen Personen ist der
mutmassliche Wille der betroffenen Person zu eruieren und zu respektieren.
vgl. auch: Autonomie und Urteilsfähigkeit
Definition SAMW
„Der Entscheid über die Durchführung, den Abbruch oder das Unterlassen einer vorgeschlagenen medizinischen Massnahme liegt beim urteilsfähigen Patienten, nachdem er umfassend und verständlich informiert worden ist (informed consent)“ (Schweizerische Akademie
der Medizinischen Wissenschaften, 2013, S.8).
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Seite 6
Moral
Die Moral oder Sitte ist das Handeln aufgrund von Werten, Normen und ethischen Prinzipien.
Die Moral ist beobachtbar. Sie zeigt sich in Regelsystemen, Katalogen und anderen Aufzählungen, die von Menschen für Menschen verbindlich aufgeschrieben und umgesetzt werden.
Die Regeln der Moral sind von Kultur zu Kultur verschieden und gelten nur so lange, wie sie
von der Mehrheit der Handlungsgemeinschaft anerkannt und befolgt werden. Keine Moral ist
absolut und allgemeingültig (Pieper, 2007; Arndt, 1996; van der Arend & Gastmans, 1996).
Nicht Schaden (Prinzip des Nicht Schadens)
In Bearbeitung
Urteilsfähigkeit
Da autonome Entscheidungen vernünftige Überlegungen voraussetzen, stellt sich die Frage,
über welche Fähigkeiten eine Person verfügen muss, um als entscheidungsfähig zu gelten.
In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass die Urteilsfähigkeit immer in Bezug auf eine
konkrete Entscheidungssituation eingeschätzt werden muss. Urteilsfähigkeit beinhaltet die
Kompetenz, Informationen zu verstehen und aufgrund dieser Informationen sowie der eigenen Wertvorstellungen eine Entscheidung zu treffen. In der Regel müssen dabei Nutzen und
Risiken von Interventionen erfasst und abgewogen werden können. Bei der Einschätzung
der Urteilsfähigkeit soll die Tragweite der anstehenden Entscheidung und deren Bedeutung
für das eigene Leben berücksichtigt werden. Dabei ist zu beachten, dass die Zuschreibung
von Urteilsfähigkeit immer von den eigenen Wertvorstellungen beeinflusst wird (Beauchamp
& Childress, 2001; Giese, 2002). Daher ist es wichtig, individuelle Entscheidungen vor dem
Hintergrund der Biografie und der Lebenssituation der betroffenen Personen zu achten
(Rehbock, 2005).
vgl. auch: Autonomie und informierte Zustimmung.
Definition SAMW
„Die Urteilsfähigkeit wird im Hinblick auf eine bestimmte Handlung abgeschätzt und zwar im
Zusammenhang mit dem Komplexitätsgrad dieser Handlung. Sie muss im Moment des Entscheides vorhanden sein. Auch Minderjährige oder Entmündigte können bezüglich Einwilligung oder Verweigerung einer Behandlung urteilsfähig sein“ (Schweizerische Akademie der
Medizinischen Wissenschaften, 2013).
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Seite 7
Schweizerisches Zivilgesetzbuch, Art. 16:
„Urteilsfähig im Sinne dieses Gesetzes ist jede Person, der nicht wegen ihres Kindesalters,
infolge geistiger Behinderung, psychischer Störung, Rausch oder ähnlicher Zustände die
Fähigkeit mangelt, vernunftgemäss zu handeln.“
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Seite 8
Literatur
Anrdt, M. (1996) Ethik denken – Massstäbe zum Handeln in der Pflege. Stuttgart: Thieme.
Aristoteles (1998). Nikomachische Ethik (3. Auflage). München: Deutscher Taschenbuchverlag.
Beauchamp, T. L., & Childress, J. F. (2001). Principles of Biomedical Ethics (5th ed.). Oxford:
Oxford University Press.
Beauchamp, T. L., & Childress, J. F. (2009). Principles of Biomedical Ethics (6th ed.). Oxford:
Oxford University Press.
Duden (2006). Das Herkunftswörterbuch. Mannheim: Bibliographisches Institut & Brockhaus.
Foot, P. (1997). Die Wirklichkeit des Guten. Moralphilosophische Aufsätze. Frankfurt am
Main: Fischer Taschenbuchverlag.
Foot, P. (2001) Natural Godness. Oxford: University Press.
Giese, C. (2002). Die Patientenautonomie zwischen Paternalismus und Wirtschaftlichkeit.
Das Modell des "Informed Consent" in der Diskussion (Studien der Moraltheologie.
Band 22). Münster: LIT.
Kant, I. (1956). Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (Werkausgabe VII). Wiesbaden: Insel.
Lay, R. (2004) Ethik in der Pflege: ein Lehrbuch für die Aus-, Fort- und Weiterbildung. Hannover: Schlütersche.
Pieper, A. (2007). Einführung in die Ethik (6. Auflage). Tübigen und Basel: Francke.
Rawls, J. (1996). Eine Theorie der Gerechtigkeit (9. Auflage). Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Rehbock, T. (2005). Personsein in Grenzsituationen: zur Kritik der Ethik medizinischen Handelns. Paderborn: Mentis.
Schischkoff, G. (Hrsg.) (1991). Philosophisches Wörterbuch. Stuttgart: Körner.
Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften. (2013). Palliative Care. Medizinisch-ethische Richtlinien und Empfehlungen. (6. Auflage). Basel: Schweizerische
Akademie der Medizinischen Wissenschaften.
Schweizerischer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner. (2003). Ethik
in der Pflegepraxis. Bern: Schweizerischer Berufsverband der Pflegefachfrauen und
Pflegefachmänner.
Schweizerisches Zivilgesetzbuch vom 10. Dezember 1907 (ZGB, SR 210).
Siep, L. (2004). Konkrete Ethik. Grundlagen der Natur- und Kulturethik. Frankfurt am Main:
Surhkamp.
Van der Arend, A., Gastmans, Ch. (1996). Ethik für Pflegende. Bern: Huber.
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