Übungen zur Vorlesung Interstellare Materie Hans-Peter Gail Übungen am 9.5.2007 Aufgabe 4 Für die Radiusverteilung der Staubteilchen im interstellaren Medium wird oft angenommen, daß sie durch ein Potenzgesetz von der Form f (a) da ∝ a−3.5 da (1) beschrieben wird. a ist der Teilchenradius. Diese Verteilung gilt zwischen einem minimalen Radius a0 = 0.005 µm und einem maximalen Radius von a1 = 0.25 µm. Teilchen mit Radien kleiner als a0 oder größer als a1 werden vernachlässigt. Diese Verteilung wurde von Mathis, Rumpl und Nordsieck [2] vorgeschlagen und wird oft als MRN-Verteilung bezeichnet. 1. Geben sie die Form der Verteilungsfunktion an, die folgendermaßen normiert ist Z a1 f (a) da = 1 . (2) a0 2. Berechnen Sie die mittlere Masse eines Staubkorns für Silikate (Massendichte des Staubmaterials = 3.7 g cm−3 ) und Kohlenstoff (Massendichte des Staubmaterials = 2.2 g cm−3 ). Die mittlere Masse eines Staubkorns, multipliziert mit der mittleren Teilchenzahl der Staubteilchen, ist gleich der Massendichte der betreffenden Staubsorte, die durch den Kondensationsgrad der Elemente gegeben ist (siehe Aufgabe 2). Bestimmen Sie daraus die Anzahl der Staubteilchen pro Wasserstoffkern für Silikat- und Kohlenstoffteilchen. 3. Berechnen Sie den mittleren Staubteilchenradius, der der mittleren Masse eines Staubkorns entspricht. 4. Berechnen Sie den mittleren Teilchenquerschnitt und den mittleren Teilchenradius, der dem Teilchenquerschnitt entspricht. 5. Welche Bedingung gibt es für den Exponenten in der Verteilungsfunktion, damit die Masse in dem Ensemble von Teilchen in den großen Teilchen konzentriert ist. 6. Welche Bedingung gibt es für den Exponenten in der Verteilungsfunktion, damit der Querschnitt in dem Ensemble von Teilchen durch die kleinen Teilchen bestimmt wird. Aufgabe 5 Ein zeitweilig diskutiertes Modell für die Radiusverteilung der interstellaren Staubkörner war folgendes: Es wird angenommen, daß die Radien der Staubkörner im interstellaren Medium mit der Zeit linear anwachsen (durch Aufsammeln von noch nicht kondensiertem Material). Zu rein zufällig verteilten Zeitpunkten werden die Teilchen (fast) vollständig zerstört (z.B. durch Supernovastoßwellen) und beginnen danach wieder zu wachsen. Welche Radiusverteilung ergibt sich für die Staubteilchen. Aufgabe 6 Die Materie im interstellaren Medium besteht aus dunklen, massereichen Molekülwolken (MC = ‘molecular clouds’) und dem Zwischenwolkenmedium. Das Zwischenwolkenmedium besteht im wesentlichen aus drei verschiedenen Phasen: Tabelle 1: Charakteristische Werte für die Komponenten des ISM (Daten aus Tielens [3] und Cox [1]) Dichte (cm−3 ) Temperatur (K) Volumenanteil fV Massenanteil fM HIM WNM CNM MC 0.003 5 × 105 0.50 0.003 0.3 8 000 0.50 50 30 100 0.01 30 200 20 0.0005 20 • Das heiße (≈ 106 K) interstellare Medium (HIM = ‘hot interstellar medium’), das durch zahlreiche Supernovaexplosionen in massereichen Sternhaufen in Form heißer, expandierender Blasen erzeugt wird. • Das kalte (< 100 K) interstellare Medium (CNM = ‘cold neutral medium’), das in Form diffuser, durchsichtiger Wolken vorliegt. • Das warme (≈ 6000 K) interstellare Medium (WIM = ‘warm ionized medium’), das den Bereich zwischen dem heißen und kalten Medium ausfüllt. Diese drei Phasen befinden sich in der Milchstraße (annähernd) miteinander im Druckgleichgewicht. Die wesentlichen Parameter sind in der Tabelle 1 angegeben. Zwischen diesen Komponenten findet ein ständiger Materieaustausch statt: 1. Sterne entstehen fast ausschließlich in den dichten Molekülwolken. Diese haben eine Lebensdauer von ca. 20 Millionen Jahren und wandeln in dieser Zeit etwa 5% der Masse in Sterne um. Die restliche Materie wird hauptsächlich in das CNM umgewandelt. 2. Die dunklen Molekülwolken entstehen aus der CNM und der WIM durch Kondensationsprozesse. 3. Das CNM ensteht durch Kondensationsprozesse aus der WIM und aus dem Restmaterial der MC. Es verliert Material durch Verdampfungsprozesse an das WIM. 4. Das WIM gewinnt Material aus dem CNM und verliert durch Kondensationsprozesse an die MC. 5. Das HIM entsteht durch SN-Explosionen und wandelt sich durch Kondensationsprozesse in das WIM um. 1. Die Flächendichte der interstellaren Materie beträgt in der Milchstraße in der Sonnenumgebung zur Zeit etwa Σism = 10 M pc−2 . Die Sternbildungsrate beträgt etwa B = 4 M pc−2 Ga−1 . Daraus ergibt sich die Zeitskala τsf , nach der die vorhandene interstellare Materie in Sterne umgesetzt ist. Wieviele Zyklen muß die ISM zwischen Wolken und dem Zwischenwolkenmedium innerhalb der Zeit τsf durchlaufen und wie groß ist die Zeitskala τcyc für einen Zyklus? 2. Interstellarer Staub wird im WIM (und nur in diesem) durch Supernovastoßwellen zerstört. Die mittlere Lebensdauer eines Staubteilchens gegenüber diesem Prozeß beträgt 500 Ma. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß ein Staubteilchen während seines Aufenthalts im Zwischenwolkenmedium zerstört wird? 3. Es ist anzunehmen, daß die Staubteilchen während ihres Aufenthalts in einer MC alles kondensierbare Material aufsammeln. Bei der Auflösung der MC wird ein Staub-Gas Gemisch an das Zwischenwolkenmedium zurückgegeben, in dem die schwerflüchtigen (refractory) Elemente praktisch komplett abgereichert sind. Was ergibt sich aus den relativen Massenanteilen von WIM und CNM für den Prozentsatz der schwerflüchtigen Elemente, die in diesen beiden Phasen im Mittel im Staub gebunden sind? Vergleichen Sie das mit der Beobachtung für Silikatstaub (Abb. 1). Abbildung 1: Abreicherung (depletion) einiger Elemente längs eines Sichtstrahls, der (mindestens) eine Wolke des CNM durchquert und eines Sichtstrahls durch das WIM Literaturverzeichnis [1] Cox, D. P. 2005, The Three-Phase Interstellar Medium Revisited. Annual Review of Astronomy & Astrophysics, 43, 337–385 [2] Mathis, J. S., Rumpl, W., & Nordsieck, K. H. (1977) The size distribution of interstellar grains. Astrophysical J., 217, 425–433 [3] Tielens, A. G. G. M. 2005, The Physics and Chemistry of the Interstellar Medium (Cambridge: Cambridge University Press) 4