SASB-Anwendungen in der Psychotherapieforschung

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SASB-Anwendungen in der
Psychotherapieforschung
Maomé Bitsch und Anja Bollenbach
Überblick
1. Structural Analysis of Social Behavior:
Application to a Study of Interpersonal Process
in Differential Psychotherapeutic Outcome
(Henry, Schacht & Strupp; 1986)
2. Patient and Therapist Introjekt, Interpersonal
Process, and Differential Psychotherapy
Outcome (Henry, Schacht & Strupp; 1990)
3. Berner Therapievergleichsstudie (Grawe,
Caspar & Ambühl; 1990)
Structural Analysis of Social
Behavior: Application to a Study of
Interpersonal Process in
Differential Psychotherapeutic
Outcome
W. P. Henry, T. E. Schacht & H. H. Strupp
(1986)
Hypothesen
1. Die Mitteilungen von erfolgreichen und weniger
erfolgreichen Ergebnisfällen unterscheiden
sich hinsichtlich ihrer Clusterzuordnung
2. Feindseliges und kontrollierendes
Therapeutenverhalten (Cluster 1-6) steht mit
einem weniger erfolgreichen Ergebnis in
Zusammenhang
3. Patientenverhalten, das in Cluster 1-6 oder 2-6
fällt, steht mit einem weniger erfolgreichen
Ergebnis in Zusammenhang
4. Weniger erfolgreiche Ergebnisfälle sind durch
negative Komplementarität charakterisiert
Methode
• Teilnehmer:
– 4 Psychotherapeuten:
• Erfolgreicher Ergebnisfall
• Weniger erfolgreicher Ergebnisfall
– 8 Patienten:
• Symptome: Angst, Depression und sozialer Rückzug
• 2 mal wöchentlich Einzeltherapie; max. 25 Sitzungen
→ N=8
• Prozedur:
– SASB-Kodierung: erste 150 Denkeinheiten der dritten
Therapiesitzungen
Ergebnisse (1)
• Zwei 2 x 2 x 8 (Ergebnis x Fokus x Cluster)
ANOVAs jeweils für Patient und Therapeut
• Within-subject-design
• Therapeuten-Fokus häufiger auf anderen und
Patienten-Fokus häufiger auf sich selbst
• Erfolgreiche und weniger erfolgreiche
Ergebnisfälle: Unterschiedliche interpersonelle
Interaktionsmuster
→ Bestätigung von Hypothese 1
Ergebnisse (2)
-ClustervergleicheSignifikante Unterschiede zwischen erfolgreichen
und weniger erfolgreichen Ergebnisfällen :
– Therapeuten in erfolgreichen Ergebnisfällen:
bestätigender und verstehender (1-2), helfender und
beschützender (1-4) und weniger entwürdigend und
beschuldigend (1-6)
– Patienten in erfolgreichen Ergebnisfällen: sich stärker
öffnend und mitteilend (2-2), vertrauender und sich
stärker stützend (2-4) und sich weniger abschottend
und verweigernd (2-8)
→ Bestätigung von Hypothese 2
Ergebnisse (3)
-Komplementarität• Bei jedem Sprecherwechsel: Quadrantenkombination
der Kodierung der letzten Denkeinheit des Sprechers
und der ersten Denkeinheit des Antwortenden
→ Gewichtete Häufigkeiten
• Grad der Komplementarität: Komplementaritätsgewicht
→ Gewichtete Häufigkeiten x Komplementaritätsgewicht =
gewichtete Komplementaritätshäufigkeit
• Positive und negative Valenz
→ Aufsummieren zu den positiven und negativen
Komplementaritätsindices bzw. dem totalen
Komplementaritätsindex
Ergebnisse (3)
-KomplementaritätGewichtete Häufigkeiten x
Komplementaritätsgewicht =
Gewichtete
Komplementaritätshäufigkeit
SPRECHER 1
SPRECHER 2
I
II
I
**
+
II
III
IV
III
IV
*
-
-
*
+
*
-
**
-
*
-
-
-
*
-
**
-
*
-
-
*
-
**
+
*
+
S (positive gewichtete
Komplementaritätshäufigkeiten) =
Positiver Komplementaritätsindex
S (negative gewichtete
Komplementaritätshäufigkeiten) =
Negativer Komplementaritätsindex
S (gewichtete
Komplementaritätshäufigkeiten) =
Totaler Komplementaritätsindex
Ergebnisse (3)
-Komplementarität• Positive Komplementarität: affiliativer und autonomiefördernder
reziproker Austausch (I/I, I/IV, IV/I, IV/IV)
• Negative Komplementarität: feindseliger und kontrollierender
reziproker Austausch
• Sprecher 1: Therapeut
– Erfolgreiche Ergebnisfälle:
• Niedrigere negative Komplementarität
• Höhere positive Komplementarität
• Höhere totale Komplementarität
• Sprecher 1: Patient
– Erfolgreiche Ergebnisfälle:
• Niedrigere negative Komplementarität
• Höhere positive Komplementarität
• Gleiche totale Komplementarität
→ Bestätigung von Hypothese 4
Ergebnisse (4)
-komplexe Kommunikation• Keine signifikanten Unterschiede zwischen
erfolgreichen und weniger erfolgreichen
Ergebnisfällen
• ABER:
– Komplexe Kommunikation häufiger bei
weniger erfolgreichen Ergebnisfällen
Zusammenfassung und Fazit
• Erfolgreiche und weniger erfolgreiche
Ergebnisfälle unterschieden sich in den
interpersonellen Prozessen
• Erfolgreiche und weniger erfolgreiche
Ergebnisfälle unterschieden sich in den Anteilen
positiver und negativer Komplementarität
• Erfolgreiche und weniger erfolgreiche
Ergebnisfälle unterschieden sich im Auftreten
komplexer Kommunikation (aber: nicht
signifikant)
• Generalisierbarkeit eingeschränkt
Patient and Therapist Introjekt,
Interpersonal Process, and
Differential Psychotherapy
Outcome
W. P. Henry, T. E. Schacht & H. H. Strupp
(1990)
Einführung (1)
- Theorie der interpersonellen Introjektion – Menschen lernen, sich selbst so zu
behandeln, wie sie von anderen behandelt
wurden (Sullivan, 1953)
– Introjekt: Persönlichkeitsstruktur
→relativ stabiles Repertoire an Möglichkeiten
das Selbst zu behandeln
– Psychisch gestörte Personen: Feindselige
Introjekte (selbst-kritisch, selbst-zerstörerisch
oder selbst-nachlässig)
Einführung (2)
- Theorie der interpersonellen Introjektion – Wiederkehrende maladaptive
Beziehungsmuster: Dynamiken der
interpesonellen Komplementarität →IntrojektZustände erhalten sich selbst aufrecht
– Interpersonelle Therapeuten-Verhalten erhält
oder verbessert problematische IntrojektZustände
– Therapeuten: Behandlung der Patienten
entsprechend ihres eigenen Introjekten
Hypothesen
1. Bei Patienten mit disaffiliativen
Introjekten besteht ein Zusammenhang
zwischen disaffiliativem TherapeutenVerhalten und einer negativen IntrojektBeeinflussung
2. Therapeuten mit disaffiliativen Introjekten
behandeln ihre Patienten auf eine
kritischere und nachlässigere Art und
Weise
Methode (1)
• Teilnehmer:
– 14 therapeutische Dyaden
• wöchentliche Einzeltherapie; max. 25 Sitzungen
• 14 Psychiater und klinische Psychologen
• 14 Patienten mit interpersonellen Problemen und
einer AchseI- oder Achse II-Diagnose
– 7 erfolgreiche Ergebnisfälle
– 7 weniger erfolgreiche Ergebnisfälle
Methode (2)
• Prozedur:
– Operationalisierung des Introjekts: dritte Ebene des
SASB-Modells
– Differenzierung der Ergebnisfälle
• INTREX Introject Questionaire (Benjamin, 1983)
→ Introjekt-Veränderung durch Therapie?
– Maß des Therapeuten-Introjekts
• INTREX Introject Questionaire
– Maß des Behandlungsprozesses: SASB-Kodierung der
ersten 200 Einheiten der dritten Therapiesitzungen
– 2 x 2 x 8 (Ergebnis x Fokus x Cluster) ANOVA
Ergebnisse (1)
- Interpersoneller Prozess und Ergebnisfälle • Therapeuten-Fokus häufiger auf anderen und PatientenFokus häufiger auf sich selbst
• Stärker disaffiliatives Verhalten bei weniger erfolgreichen
Ergebnisfällen
– Patienten: beaufsichtigender und kontrollierender
gegenüber dem Therapeuten (1-5),
durchsetzungsstärker und separierender (2-1),
schmollender und beschwichtigender (2-6) und
ausweichender und sich stärker verschließend (2-8);
öffneten und offenbarten sich weniger (2-2)
– Therapeuten: herabsetzender und beschuldigender
(1-6) und ignorierender und vernachlässigender (1-8)
→ Bestätigung von Hypothesen 1
Ergebnisse (2)
- Interpersoneller Prozess und Ergebnisfälle • Starke Korrelation zwischen Anzahl der
feindseligen und kontrollierenden
Therapeuten-Aussagen und Anzahl der
selbst-beschuldigenden und kritischen
Patienten-Aussagen (Quadrant III)
• Größere Anzahl komplexer
Kommunikationen bei weniger
erfolgreichen Ergebnisfällen
Ergebnisse (3)
- Therapeuten-Introjekt und
unterschiedlicher interpersoneller Prozess • Feindseliges Therapeuten-Introjekt:
Patienten werden mit höherer
Wahrscheinlichkeit auf disaffiliative Art und
Weise behandelt
→ Bestätigung von Hypothesen 2
Zusammenfassung und Fazit
• Erfolgreiche und weniger erfolgreiche
Ergebnisfälle unterschieden sich im Auftreten
komplexer Kommunikation
• Stärker disaffiliatives Verhalten bei weniger
erfolgreichen Ergebnisfällen
• Zusammenhang zwischen disaffiliativem
interpersonellem Therapeuten-Verhalten und
disaffiliativem selbst-gerichtetem PatientenVerhalten
• Zusammenhang zwischen disaffiliativem
Therapeuten-Introjekt und disaffiliativem
interpersonellem Prozess
Die Berner
Therapievergleichsstudie
K. Grawe, F. Caspar und H. Ambühl
(1990)
Allgemeiner Überblick
• Vergleich von vier Therapieformen
–
–
–
–
Breitspektrumverhaltenstherapie (BVT)
Interaktionelle Verhaltenstherapie einzeln (IVT)
Interaktionelle Verhaltenstherapie in Gruppen (IVG)
Gesprächspsychotherapie (GT)
• Wirkungsvergleich
→unterscheiden sich die Therapieformen in ihrer
tatsächlichen Durchführung in der erwarteten
Weise voneinander?
→Prozessvergleich
Die Berner
Therapievergleichsstudie:
Prozessvergleich
K. Grawe, F. Caspar und H. Ambühl
Methode
• Teilnehmer:
– 47 ambulante Patienten
• Neurotische Störungen (interpersonelle Probleme
im Vordergrund)
• 1 mal wöchentlich Einzeltherapie (max. halbes bis
ein Jahr)
• 15 in der GT und je 16 in IVT und BVT
• Prozedur:
– 6 prozessanalytische Verfahren
→ SASB
• Inhalts- und Prozesskodierung
– Je 8 Therapien jeder Therapiebedingung; zwei 20Minutenausschnitte aus jeder Therapie
Ergebnisse (1)
- Prozess- und Inhaltskodierungen • IVT und GT: regerer Sprecherwechsel und
kürzere Äußerungen
Ergebnisse (2)
- Prozesskodierungen • Therapeuten-Fokus häufiger auf anderen und
Patienten-Fokus häufiger auf sich selbst
• Beziehungsverhalten der Therapeuten
– In allen Therapiebedingungen:
1.bestätigendes/verständnisvolles Verhalten (1-2)
2.anleitendes/unterstützendes Verhalten (1-4)
3.lenkendes/kontrollierendes Verhalten (1-5)
– BVT mehr 1-4 und 1-5 und weniger 1-2
– GT weniger 1-4 und 1-5 und mehr 1-2
Ergebnisse (3)
- Prozesskodierungen • Beziehungsverhalten der Patienten
– In allen Therapiebedingungen:
1.selbstöffnendes Verhalten (2-2)
2.vertrauendes/sich unterordnendes Verhalten (2-4)
3.sich abgrenzendes/autonomes Verhalten (2-1)
– BVT mehr 2-4 und 2-1 und weniger 2-2
– GT und IVT mehr 2-2
Fazit
• Sehr signifikante Unterschiede in den
interpersonellen Prozessen zwischen den
Therapiebedingungen in erwarteter
Richtung
Literaturverzeichnis
•
•
•
Henry, W.P., Schacht, T.E., & Strupp, H.H. (1986).
Structural Analysis of Social Behavior: Application to a
Study of Interpersonal Process in Differential
Psychotherapeutic Outcome. Journal of Consulting
and Clinical Psychology, 54, 27-31.
Henry, W.P., Schacht, T.E., & Strupp, H.H. (1986).
Patient and Therapist Introjekt, Interpersonal Process,
and Differential Psychotherapy Outcome. Journal of
Consulting and Clinical Psychology, 58, 768-774.
Grawe, K., Caspar, F., & Ambühl, H. (1990). Berner
Therapievergleichsstudie. Zeitschrift für klinische
Psychologie. 19, 292-376.
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