Die Kopenhagener Deutung und die Debatte um Realismus und Antirealismus Seminarvortrag am 19.05.2008 Christian Matek Kopenhagener Interpretation Niels Bohr (1885-1962) Werner Heisenberg (1901-1976) Wolfgang Pauli (1900-1958) Kopenhagener Interpretation Historischer Hintergrund 1900: Quantisierung der Hohlraumstrahlung (Max Planck) 1905: Quantentheorie des Photoeffekts (Albert Einstein) 1913: Quantisierung der Energien im H-Atom (Niels Bohr) 1924: Wellenerscheinungen bei Materie (Louis de Broglie) 1925: Wellenmechanik (Erwin Schrödinger) Matrizenmechanik (Werner Heisenberg) 1927: Unschärferelation (Werner Heisenberg) Wahrscheinlichkeitsinterpretation (Max Born) 1927: Zusammenarbeit von Bohr, Heisenberg, Pauli in Kopenhagen: Interpretation des Formalismus der QM Wozu braucht man eine Interpretation der Quantenmechanik ? Zentrale Begriffe der Kopenhagener Deutung • • • • • • Unverzichtbarkeit klassischer Begriffe Komplementarität Unbestimmtheit Irreduzibler Zufall Vollständigkeit Realität als Information Unverzichbarkeit klassischer Begriffe „Wie weit auch die Phänomene den Rahmen klassisch physikalischer Erklärung überschreiten mögen, die Darstellung aller Erfahrung [muss] in klassischen Begriffen erfolgen.“ Niels Bohr Jedes Objekt ist potentiell Objekt in einem Quantenphänomen. Wird es als Messapparat eingesetzt, muss es jedoch klassisch beschrieben werden. Komplementarität Komplementäre Größen können nicht gleichzeitig beliebig genau bestimmt werden. Beispiel: Elektronenbeugung am Einfachspalt Komplementarität von Orts- und Impulseigenschaften von Quantenobjekten Heisenbergsche Unschärferelation Dx · Dp ≥ ħ/2 Komplementarität in quantenmechanischen Systemen z-Spin x-Spin Anordnung in z-Richtung orthogonal zu x Anordnung in x-Richtung orthogonal zu z Weg Interferenz Messung der Teilchenbahn Messung der Wellenüberlagerung Ort Impuls Schmaler Spalt Breiter Spalt ≠ „Quantenmechanisches perpetuum mobile“ Komplementarität und Unschärfe in der Kopenhagener Deutung • Prinzipielle Schranke für experimentelle Bestimmung komplementärer Größen • Prinzipiell nicht messbare Messgrößen ? • Komplementäre Eigenschaften existieren nicht gleichzeitig (nicht einmal theoretisch) • Unschärfe als Unbestimmtheit • „Verborgene Parameter“ existieren nicht • Elementare Rolle des Zufalls Der Zufallsbegriff der Kopenhagener Schule „Subjektiver“ Zufall Zufälliges Erscheinen aufgrund der „Unkenntnis“ des Beobachters Zurückführbar auf wohldefinierte Eigenschaften („reduzibel“) „Objektiver“ Zufall „Irreduzibler Zufall“ Eigenschaften existieren vor der Messung nicht als Teil der physikalischen Realität Kritik der fundamentalen Stellung des Zufalls „Der Gedanke, dass ein einem Strahl ausgesetztes Elektron aus freiem Entschluss den Augenblick und die Richtung wählt, in der es fortspringen will, ist mir unerträglich. Wenn schon, dann möchte ich lieber Schuster oder gar Angestellter in einer Spielbank sein als Physiker.“ Albert Einstein Vollständigkeit Ein Quantenmechanischer Zustand wird vollständig durch eine Wellenfunktion y H beschrieben. y ist jedoch eine „Rechengröße“ und selbst kein physikalisch reales Objekt. Bedeutung der Wellenfunktion „Der Gedanke, dass das Geschehen selbst nicht zwangsläufig bestimmt sei, sondern dass die Möglichkeit […] zu dem Geschehen selbst eine Art von Wirklichkeit besitze […] spielt in der Philosophie des Aristoteles eine entscheidende Rolle. In der Quantentheorie gewinnt er neue Gestalt […] als Wahrscheinlichkeit […] [die man] mathematisch formulierten Naturgesetzen unterwirft. Man kann die Wahrscheinlichkeitswellen […] als quantitative Fassung des Begriffs der δυναμις oder der […] Potentia in der Philosophie des Aristoteles interpretieren.“ Werner Heisenberg Aristoteles (374 - 322 v.Chr. ) Information und Realität „Die y-Funktion ist als Wissen definiert. […] Sie ist […] identisch mit dem Ereignis, dass der Beobachter ein Faktum erkennt.“ (C. F. von Weizsäcker) „Naturgesetze dürfen keinen Unterschied machen zwischen Information und Wirklichkeit. Information und Wirklichkeit sind dasselbe.“ (Anton Zeilinger) Zentrale Begriffe der Kopenhagener Deutung • • • • • • Unverzichtbarkeit klassischer Begriffe Komplementarität Unbestimmtheit Irreduzibler Zufall Vollständigkeit Realität als Information „Des is wia bei jeda Wissenschaft, am Schluss stellt sich dann heraus, dass alles ganz anders war.“ Karl Valentin (1882-1948)