HITHOC - Surgical Tribune

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CLINICAL
Surgical Tribune | Leseprobe
Indikationen und Technik der
hyperthermen intrathorakalen
Chemotherapieperfusion (HITHOC)
in der Thoraxchirurgie
Prof. Dr. med. Hans-Stefan Hofmann
Einleitung
Im Rahmen von multimodalen Therapiekonzepten von malignen Tumoren der
Pleura spielt die hypertherme intrathorakale Chemotherapieperfusion (HITHOC)
zur Verbesserung der lokalen Tumorkontrolle eine zunehmende Rolle. Durch die
intraoperative Anwendung ist eine lokale
homogene Verteilung des Zytostatikums
DGCH-Kongress:
Sitzung „HIPEC/ HITOC“
2. Mai, 8.30 – 10 Uhr, Saal 14a
mit deutlich höherer Konzentration gegenüber der systemischen Chemotherapie
möglich. Dabei bietet die Hyperthermie zusätzliche Vorteile durch eine erhöhte Ansprechrate des Zytostatikums als auch durch
synergistische antineoplastische Effekte.
Voraussetzung für den gefahrlosen Einsatz
dieses Verfahrens ist die Beachtung von perioperativen Sicherheitsbestimmungen. In
mehreren Studien konnten für die HITHOC
eine gute Verträglichkeit, eine geringe Morbidität und Mortalität sowie ein verlängertes rezidivfreies Überleben als auch Gesamtüberleben nachgewiesen werden. Die
HITHOC stellt somit eine neue zusätzliche
Therapieoption in der multimodalen Behandlung von Patienten mit primären und
sekundären Tumoren der Pleura dar.
Die Erfahrungen der intraoperativen
hyperthermen Chemotherapie bei Peritonealkarzinose (HIPEC), bei der aktiv das Zytostatikum im Peritonealraum zirkuliert, waren
Abb. 1: Dekortikation (Resektion der viszeralen Pleura) bei einer Patientin mit
Mesotheliom.
Ausgangspunkt für die Anwendung dieses
Verfahrens auch im Pleuraraum als hypertherme intrathorakale Chemotherapieperfusion (HITHOC). Die lokalen Perfusionschemotherapien (HIPEC, HITHOC) bieten
den großen Vorteil eines direkten Kontakts
des Chemotherapeutikums mit dem Tumor.
Dabei hat die regionale Applikation im Vergleich zur systemischen Chemotherapie
noch den großen Vorteil, dass wesentlich höhere Konzentrationen des Zytostatikums angewendet werden können. Die Hyperthermie (> 42 °C) hat einen deutlichen Nutzen
gegenüber der normothermen Gabe. So kann
die Chemotherapieresistenz einiger Tumore
mithilfe der Hyperthermie durchbrochen
werden. Neben den direkten zytostatischen
und zytotoxischen Folgen der HITHOC in Tumorgeweben sind auch synergistische antineoplastische Effekte der Hyperthermie (Induktion der Apoptose – direkter wärmebe-
Abb. 2: EPP-Präparat (Lunge, parietale Pleura, Zwerchfell, Perikard) bei Patient
mit Thymom Stadium Iva.
dingter Effekt, immunologische Effekte –
Chemotaxis, Aktivierung von Cytokinen,
Modulation der Zelladhäsionsmoleküle)
nachweisbar.1
Voraussetzung für die HITHOC sind lokalisierte, möglichst flächenhafte Tumorerkrankungen, da die Chemotherapeutika nur wenige Millimeter (ca. 3 mm bzw. 15 Zelllagen) in
die jeweilige Oberfläche eindringen können.
Dies schränkt den Einsatz der HITHOC auf
wenige Tumorentitäten ein. Die derzeitigen
Erfahrungen sprechen für eine Anwendung
beim malignen Pleuramesotheliom und
pleuralen Absiedlungen von Thymomen
bzw. Thymuskarzinomen.2–4 Sekundäre Pleurakarzinosen anderer maligner Tumoren
(z. B. Lungenkarzinom, Mammakarzinom,
Nierenzellkarzinom) gelten als relative
Kontraindikationen, da hier von einer Generalisierung der Tumorerkrankung auszugehen ist.5
Technische Grundlagen der
HITHOC
Abb. 3: Intraoperative HITHOC.
Die HITHOC wird nach erfolgter Zytoreduktion des Pleuratumors durchgeführt. Das
Ziel der chirurgischen Zytoreduktion ist die
komplette makroskopische Tumorresektion.6 Zur Auswahl stehen prinzipiell zwei
Verfahren: die radikale Pleurektomie mit
Dekortikation (P/D) und die extrapleurale
Pneumonektomie (EPP).7 Bei der radikalen
P/D erfolgt die Resektion der gesamten
Pleura parietalis und viszeralis mit Erhalt der
Lunge (Abb. 1).8 Bei der sogenannten erweiterten Pleurektomie (extended P/D) werden zusätzlich das Zwerchfell und das Perikard entfernt (Abb. 2).9 Bei der EPP werden hingegen
die ipsilaterale parietale Pleura, Lunge, Perikard und Zwerchfell en bloc reseziert.10 Die
Rekonstruktion der resezierten Strukturen
(Zwerchfell, Perikard) erfolgt durch Patches
(PTFE, boviner Patch). Beide operative Verfahren haben ihre Vor- und Nachteile und
sollten entsprechend dem Allgemeinzu-
stand des Patienten, dem Tumorstadium, einer geplanten adjuvanten Therapie und der
chirurgischen Expertise nur an erfahrenen
thoraxchirurgischen Zentren durchgeführt
werden.11
Die HITHOC erfolgt im Allgemeinen direkt
nach der Zytoreduktion, entweder am offenen oder schon verschlossenen Thorax, wobei wir die geschlossene Variante favorisieren (Abb. 3). Bei instabilen Verhältnissen ist
auch ein zweitzeitiges Vorgehen, mit einem
Intervall von bis zu fünf Tagen, möglich. Über
eine Thorakoskopie müssen dann schon vorhandene Verklebungen und Verwachsungen
gelöst und die Drainagen auf Durchgängigkeit geprüft werden. Allgemein werden für
die Perfusion die während der Operation gelegten zwei Drainagen verwendet. Die apikale Drainage dient als Einfluss-, die basal
über dem Zwerchfell platzierte Drainage als
Ausflusskanüle. Die Einlage zusätzlicher
Drainagen zur Sicherung des Abflusses ist
empfehlenswert (Abb. 4). Zur Messung der
Einfluss- und Ausflusstemperaturen werden
Messsonden an die Spitze der Drainage gelegt. Der Anschluss der Kanülen erfolgt an
eine Rollerpumpe mit Reservoir und Wärmeaustauscher (ThermoChem HAT, ViaCirq,
Pittsburgh, PA, Abb. 5). Vor Beginn der Perfusion wird der Patient aktiv oder passiv gekühlt, um während der Perfusion Körperkerntemperaturen von > 39,5 °C zu vermeiden. Die Füllung des Systems erfolgt mit ca.
4.000 ml Ringerlactat, wobei vor Perfusionsbeginn das Perfusat auf 38 °C vorgeheizt werden sollte, um Rhythmusstörungen zu vermeiden. Zu Beginn der HITHOC fließt die Ringerlactatlösung noch ohne Chemotherapeutikum durch den Pleuraraum, wobei die
Flussmenge 1.000–2.000 ml pro Minute betragen sollte. Nach Entlüftung des Pleuraraums erfolgt die Aufheizung des Perfusats
und damit der Pleurahöhle auf 42 °C. Intrapleurale Temperaturen größer 43 °C sind mit
einem erhöhten Risiko an Lungenödemen
verbunden.12 Der operierte Lungenflügel ist
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während der Perfusion partiell belüftet. Wenn an der Ausflusskanüle 42 °C erreicht sind, wird das
Chemotherapeutikum als Bolus
in den Perfusionskreislauf gegeben. Danach beträgt die Perfusionsdauer mit Chemotherapie
1,0 bis 1,5 Stunden. Während der
Perfusion werden Herzfrequenz,
Herzrhythmus, Blutdruck, Temperatur des Patienten und der Perfusionsflüssigkeit sowie die Sauerstoffsättigung erfasst. Nach Dekonnektion der Drainagen vom
Kreislaufsystem werden diese
wieder standardgemäß an ein
Unterdrucksystem angeschlossen und die restliche Perfusionslösung vollständig entfernt. Die
postoperative Überwachung des
Patienten in den ersten 24 Stunden sollte auf einer Intensivstation oder Intermediate Care-Station (IMC) durchgeführt werden.
Eine antibiotische Abschirmung
des Patienten ist für die ersten sieben Tage nach der Operation zu
empfehlen. In dieser Zeit sollten
regelmäßige Röntgen-ThoraxKontrollen und Laborbestimmungen (Blutbild, Elektrolyte,
Kreatinin) erfolgen.
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Nephrotoxizität, Verminderung
der thrombembolischen Komplikationen) ist es gelungen, die Morbiditäts- und Mortalitätsraten auf
die von Patienten mit Zytoreduktion ohne HITHOC zu senken.25, 28
Sugarbaker et al. konnten in einer aktuellen retrospektiven Studie nachweisen, dass Patienten
mit einem MPM nach Zytoreduktion und HITHOC ein signifikant
verlängertes rezidivfreies Überleben (27,1 versus 12,8 Monate) als
auch Gesamtüberleben (35,3 versus 22,8 Monate) im Vergleich
zu einer Kontrollgruppe ohne
HITHOC hatten (Abb. 6).29
Abb. 4: Zu- und abführende Thoraxdrainagen mit Temperatursonde.
Indikationen
zur HITHOC
Wie schon oben dargestellt, ist
die HITHOC nur bei lokaler Tumormanifestation ohne Nachweis eines extrathorakalen Tumorwachstums (Primärtumor/
lokoregionales Rezidiv, Fernmetastasierung) indiziert. Dies
schränkt die Anwendung im Wesentlichen auf die primären malignen Pleuratumore (Pleuramesotheliome) sowie bei den sekundären pleuralen Tumoren auf die
Absiedlungen der Thymome und
Thymuskarzinome ein.
Abb. 5: ThermoChem HT (ViaCirq, Pittsburgh, PA).
Malignes Pleuramesotheliom
Das zu 90% durch Asbest ausgelöste maligne Pleuramesotheliom (MPM) wächst
meist basal beginnend der Pleura parietalis
folgend und befällt das Zwerchfell, den Herzbeutel und die Lunge.13 Da eine Fernmetastasierung selten ist14, stellt das MPM eine ideale
Indikation für eine HITHOC dar.
Das MPM besitzt eine mittlere Überlebenszeit im unbehandelten Fall von kleiner sieben Monaten und einer Fünfjahresüberlebensrate kleiner 5 %.15 Kombinationschemotherapien sind auch bei MPM-Einzelchemotherapien überlegen, wobei auch diese mit
einer niedrigen Ansprechrate (≤ 20 %) und einem medianen Überleben von 6–12 % verbunden sind.16 Fortschritte in der systemischen Polychemotherapie mit Pemetrexed
bzw. Raltitrexed in Kombination mit Cisplatin konnten die Lebenszeit von MPM-Patienten um einige Monate verlängern.17, 18
Die chirurgische Resektion von MPM erfolgt über die oben beschriebenen Verfahren
der Pleurektomie mit Dekortikation (P/D)
und die extrapleurale Pneumonektomie
(EPP). Aufgrund des flächenhaften, diffusen
Wachstums des MPM sind R0-Resektionen
auch bei einem radikalen Vorgehen (EPP)
häufig nicht erreichbar. Die Rate an Lokalrezidiven scheint nach der radikalen Pleurektomie deutlich höher zu sein (65 % versus 33 %),
während Fernmetastasen signifikant häufiger nach der EPP auftreten (66 % versus
35 %).7 Mit der HITHOC bietet sich hier jedoch
die Möglichkeit, lokale Rezidive zu verhindern bzw. das Zeitintervall bis zum Auftreten
eines Rezidives deutlich zu verlängern.
Erste Machbarkeitsstudien zur intrapleuralen Chemotherapie wurden vor 20 Jahren
veröffentlicht.19–21 Cisplatin ist das am häufigsten verwendete Zytostatikum. Die Wirksamkeit von Cisplatin lässt sich auch durch
eine Erwärmung auf 41–42 °C steigern.22,23
Die Dosierung von Cisplatin beträgt
50–250 mg/m2 Körperoberfläche.24 Höhere
Cisplatinkonzentrationen (175–225 mg/m2)
scheinen das Überleben gegenüber niedrigeren Konzentrationen (50–150 mg/m2) zu
verbessern, jedoch mit einer deutlich gesteigerten Komplikationsrate.25 Die Lunge resorbiert während der Perfusion Cisplatin, welches dadurch zu systemischen Nebenwirkungen (z. B. Niereninsuffizienz) führen
kann. Unsere Arbeitsgruppe konnte nachweisen, dass die intrapleural gemessene
Cisplatinkonzentration deutlich (ca. 55mal)
über den Cisplatinkonzentrationen im Serum liegt.26 In unserem Zentrum haben wir
die Cisplatindosierung auf 150 mg/m2 Körperoberfläche begrenzt, um systemische
Nebenwirkungen (vor allem Nierenversagen) zu vermeiden. Kombinationschemotherapien aus Cisplatin (40–80 mg/m2) und
Doxorubicin (18–20 mg/m2) sind bei der
HITOC auch in der Anwendung.27
Durch Verbesserung des perioperativen
HITHOC-Managements (Verminderung der
Thymome und Thymuskarzinome
Thymome sind meist langsam
wachsende Tumoren, die von der
Thymusdrüse ausgehen und zur
Gruppe der Mediastinaltumoren
gehören. Die Malignität ist klinisch an einem infiltrativen
Wachstum oder an einer Metastasierung zu erkennen. In frühen
Stadien stellt die operative Entfernung des Tumors die geeignete
Therapie dar. Trotz kompletter Resektion ist die Gefahr von lokoregionalen Rezidiven in allen Stadien mit 10–40 % hoch.30–32 Die
epithelialen Thymome, die Thymuskarzinome und die fortgeschrittenen Tumorstadien stellen
Risikofaktoren für Rezidive dar.33
Die pleuralen Metastasen von
Thymomen (Stadium IVa) zeigen
ein ähnliches Wachstumsverhalten wie die MPM. Die Resektionsverfahren entsprechen somit im
Stadium IVa denen der MPM.
Fünfjahresüberlebensraten von
33 % bis 64 % konnten nach kompletter oder inkompletter Resektion nachgewiesen werden.34–36
Die Gefahr eines erneuten lokoregionalen Rezidivs ist jedoch hoch.
Kurative Therapieansätze bei
pleuraler Aussaat von Thymomen
sind nicht bekannt.37 In einigen
Chemotherapiestudien wird ein temporärer
Erfolg nach systemischer Applikation beschrieben, wobei aggressivere multimodale
Therapien wirksamer sind.38, 39
Das chirurgische Vorgehen bei den Thymomen mit pleuraler Metastasierung: Zytoreduktion und HITHOC ist dabei mit dem
oben bei den MPM Beschriebenen identisch.
Da Cisplatin und Adriamycin die effektivsten
Chemotherapeutika in der systemischen Behandlung der Thymome darstellen, wurden
die Erfahrungen mit Cisplatin von der
HITHOC beim MPM auf die Thymome angewendet. Cisplatin wurde teilweise auch mit
Adriamycin in der pleuralen Perfusion kombiniert.40 Die verwendete Dosierung für
Cisplatin variierte, wobei das Mittel bei
150 mg/m2 und die Maximaldosierungen bei
200 mg/m2 lag.3 Die Morbidität scheint jedoch auch in dieser Patientengruppe erheblich mit der Dosierung zu steigen.41 Bei der
Kombination mit Adriamycin (15–25 mg/m2)
haben de Bree et al. eine Reduktion der Cisplatindosierung auf 50–80 mg/m2 vollzogen,
was zu einer Mortalitätsrate von 0 % geführt
hat.40
Die lokale Kontrolle des Tumors durch die
HITHOC konnte mit einer Rezidivrate von
nur 13 % nach 18 Monaten gut unter Beweis
gestellt werden.40 In der Arbeitsgruppe von
Yellin et al. war das Langzeitüberleben der
Thymompatienten nach Resektion und
HITHOC mit einer Fünfjahresüberlebensrate
Abb. 6: Pleuramesotheliom vor (A) und eine
Woche nach (B) Zytoreduktion (Pleurektomie/
Dekortikation) und HITHOC mit Cisplatin.
von 70 % sehr gut und lag damit über den bisher bekannten Überlebensraten für das Stadium Iva.33, 34, 41 Auch hier hatten alle überlebenden Patienten ipsilateral kein lokoregionales Rezidiv.3
Zusammenfassung
Die guten Erfolge der Zytostatikaperfusion bei primären und sekundären Tumoren
der Bauchhöhle mit Verbesserung der Lebensqualität und Verlängerung der Überlebenszeiten42 haben zur Anwendung dieses
Verfahrens auch bei Pleuratumoren geführt. Die Zytoreduktion mit HITHOC bietet
somit für selektionierte Patienten mit einem
Pleuramesotheliom oder sekundären Tumor
der Pleura eine neue Therapieoption. Entscheidend für den Erfolg einer HITHOC ist
eine gründliche Tumorresektion im Pleuraraum.
In mehreren Studien konnten für die
HITHOC eine gute Verträglichkeit, eine geringe Morbidität und Mortalität sowie ein
verlängertes rezidivfreies Überleben als auch
Gesamtüberleben nachgewiesen werden. In
jedem Fall sollten zusätzliche neoadjuvante
bzw. adjuvante systemische Chemotherapien im Sinne eines multimodalen Therapiekonzepts mit der HITHOC kombiniert werden.
Eine Literaturliste ist auf Anfrage erhältlich.
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PROF. DR. MED.
HANS-STEFAN HOFMANN
Abteilung für
Thoraxchirurgie des
Universitätsklinikums
Regensburg
Franz-Josef-Strauß-Allee 11
93053 Regensburg
Tel.: 0941 944-9801
Fax: 0941 944-9802
hans-stefan.hofmann@
klinik.uni-regensburg.de
Klinik für Thoraxchirurgie
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