Das maligne Pleuramesotheliom

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M E D I Z I N
Das maligne Pleuramesotheliom
Sebastian Sohrab1, Marc Hinterthaner2, Georgios Stamatis2,
Klaus Rödelsperger3, Hans-Joachim Woitowitz3, Nikolaus Konietzko1
Zusammenfassung
Die Inzidenz und Mortalität des malignen Pleuramesothelioms (MPM) wird in den kommenden Jahren deutlich steigen und aufgrund der
langen Latenzzeit nach Asbestexposition erst
im Jahre 2017 ihren Gipfel in Deutschland erreichen. Derzeit gilt die Diagnose des MPM als
schwierig und die Therapie als wenig erfolgreich. Dieser Artikel gibt einen Überblick über
den aktuellen Stand der diagnostischen Verfahren und therapeutischen Möglichkeiten. Im
Rahmen der Diagnostik kommt den bildgebenden Verfahren und der Thorakoskopie besondere Bedeutung zu. Therapeutisch werden derzeit multimodale Therapieansätze neben innovativen Verfahren, basierend auf Gentechnik
und Immuntherapie, angewandt. Nur eine zunehmende Sensibilisierung für diesen Tumor,
die daraus resultierende frühe Diagnose sowie
die konsequente Umsetzung klinischer und experimenteller Forschungsergebnisse wird die
Prognose des MPM in Zukunft entscheidend
verbessern.
D
as maligne Pleuramesotheliom
(MPM) ist ein bösartiger Pleuratumor, der sich bei Asbestexponierten 1 000-mal häufiger als in der Allgemeinbevölkerung findet (39), sodass
man von einem „Signaltumor bei
Asbestexposition“ spricht. Man unterscheidet zwei Asbestfaserformen, zum
einen die speerförmigen Amphibole, zu
denen das Krokydolith (Blauasbest)
gehört zum anderen die dünneren gebogenen Serpentine, zu denen das weit ver-
Schlüsselwörter: Pleuramesotheliom, Asbestexposition, Diagnostik, multimodale Therapie
Summary
Treatment of Mesothelioma
Due to a long latency period after asbestos exposure there will be a considerable increase in
the incidence and mortality of malignant mesotheliomas in the next years culminating in
2017 in Germany. At present, diagnosis is
considered difficult and therapy seems to be
more or less unsuccessful. This article gives an
overview about current diagnostic and therapeutic options. Concerning diagnosis, imaging
procedures and thoracoscopy are of special importance. Besides multimodal therapy gene
therapy and immunotherapy are new treatment options. To improve the prognosis of malignant mesotheliomas firstly we have to become aware of the disease itself which then may
lead to an early diagnosis and secondly we have to apply new research results consequently
to the clinical routine.
Key words: mesothelioma, asbestosis, diagnosis, multimodal therapy
Abbildung 1: Großer Rezidivtumor bei Zustand
nach extrapleuraler Pleurektomie wegen Pleuramesotheliom rechts mit Durchwachsen der
Thorakotomienarbe durch den Tumor.
breitete Chrysotil (Weißasbest) gehört.
Wenngleich bei nahezu allen kommerziellen Asbestexponierten eine Mischung
von Fasertypen vorkommt, ist der Unterschied bedeutsam, da die Serpentine teilweise abbaubar sind und somit biologisch weniger gefährlich. Zu den benignen durch Asbest verursachten Veränderungen gehören Pleuraplaques, bindegewebige Verdickungen der parietalen
Pleura, die nach Jahrzehnten verkalken
können, daneben die Asbestpleuritis,
1 Abteilung Pneumologie (Direktor: Prof. Dr. med. Nikolaus Konietzko) der Ruhrlandklinik-Universitätsklinik, Essen
2 Abteilung Thoraxchirurgie und Thoraxendoskopie (Direktor: Priv.-Doz. Dr. med. Georgios Stamatis) der Ruhrlandklinik, Essen
3 Institut und Poliklinik für Arbeits- und Sozialmedizin (Direktor: Prof. Dr. med. Hans-Joachim Woitowitz), JustusLiebig-Universität, Gießen
Deutsches Ärzteblatt½ Jg. 97 ½ Heft 48½ 1. Dezember 2000
welche als benigner asbestbedingter
Pleuraerguss verstanden wird und zu einer diffusen Pleurafibrose führen kann
sowie die Lungenasbestose, eine generalisierte, basal betonte Fibrosierung der
Lunge. Die histologische Diagnose des
MPM ist trotz differenzierter histochemischer Verfahren nicht einfach und die
Abgrenzung gegenüber dem metastasierenden Adenokarzinom gelingt in bis zu
15 Prozent der Fälle nicht. Nach heutigem Verständnis stellt die Diagnose
Pleuramesotheliom eine Synopsis aus
Klinik – hier insbesondere bildgebender
und endoskopischer Verfahren – und pathologisch-anatomischen Befunden dar
(7, 19). Schleichender Beginn und späte
Diagnose im Stadium der Inoperabilität
und die relative Resistenz gegenüber
Strahlen und Zytostatika machen das
MPM zu einem besonders schwer behandelbaren Tumor mit ungünstiger Prognose. Unserer relativen Hilflosigkeit in der
Behandlung dieser Tumoren steht eine
rasante Zunahme der Fallzahl in den
nächsten Jahrzehnten gegenüber. Ziel
der vorliegenden Arbeit ist es, den derzeitigen Stand der Epidemiologie, Diagnostik und Therapie darzulegen und
Ansatzpunkte für eine Verbesserung des
uns derzeit zur Verfügung stehenden Armentariums aufzuzeigen.
Epidemiologie
Bei gut 70 Prozent aller Mesotheliomerkrankten – und zwar bei Männern häufiger als bei Frauen (12, 38) – findet sich
anamnestisch ein beruflicher Asbestkontakt. Man wird jedoch bei Einbeziehung
auch von Gefährdungen in der Umwelt
und durch Haushaltskontakte nicht fehl
gehen in der Annahme, dass nahezu 100
Prozent aller Mesotheliome durch Asbest und andere biobeständige Fasern
kritischer Abmessungen verursacht sind
(24, 38). So zeigen Faseranalysen im
menschlichen Lungengewebe, dass praktisch bei allen Verstorbenen, auch solchen ohne anamnestische Hinweise auf
A 3257
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eine Asbestgefährdung, Asbestfasern theliom können auch Mesothelzellen
und in geringerer Menge auch andere des Peritoneums und des Perikards bei
Mineralfasern nachzuweisen sind (24, 26, Asbestexponierten maligne transfor27). Überraschend können dabei hohe mieren und zum Perikard- oder PeritoAsbestfaserkonzentrationen immer wie- nealmesotheliom führen. Derzeit werder bei MPM-Patienten ohne klare den in der Bundesrepublik Deutschland
anamnestische Hinweise auf eine Ge- jährlich circa 600 Fälle mit MPM von
fährdung durch Asbest festgestellt wer- den Berufsgenossenschaften anerkannt,
den (25). Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen dieser
Faserbelastung und dem Mesotheliomrisiko wird bisher allerdings nur für die besonders
biobeständigen Amphibolfasern beobachtet (27). Hierbei
werden allerdings die anderen
Faserspezies nicht exkulpiert,
da das jahrzehntelange Verweilen der Fasern bis zum Ausbruch der Erkrankung nicht als
Voraussetzung für die Verursa- Abbildung 2: Malignes, knotig die parietale Pleura in ihrer
chung des Mesothelioms ange- Gesamtheit bedeckendes malignes Pleuramesotheliom
sehen werden kann.
(Operationssitus).
Außer für das Mesotheliom
Grafik 1
ist auch für den Lungen- und
Kehlkopfkrebs Asbest als UrAnzahl
sache erwiesen (3, 32). Für die
1 200
beiden letzteren Tumorlokali1 000
sationen sind aber neben einer
Asbestexposition auch mehre800
re andere Faktoren – insbe1988
sondere das Zigarettenrau600
Entschädigte
chen – als Ursache in Betracht
Erkrankungen
zu ziehen. Daher kann nur das
400
Schätzung gemäß
nach heutiger Kenntnis naheBerufskrank200
zu monokausal verursachte
heitendokumentation
Mesotheliom als Signaltumor
0
einer Asbestexposition gelten.
1960
1980
2000
2020
2040
Auch unter den nichtmalignen
Asbestinhalationsfolgen ste- Beobachtete und erwartete Mesotheliomfälle nach Coenen
hen heute neben der erst nach et al. (10) in Westdeutschland. Zum Zeitpunkt der Prognose
einer starken Exposition be- waren lediglich die bis 1988 aufgetretenen und als Berufskrankheit entschädigten Erkrankungen nach Nr. 4105 BKV
obachteten Asbestose insbe- „Durch Asbest verursachtes Mesotheliom des Rippenfelles,
sondere die bei niedriger Do- des Bauchfelles oder des Perikards“ bekannt.
sis in Erscheinung tretenden
Pleuraveränderungen im Vordergrund (32).
insgesamt muss mit etwa 1 000 Fällen
Für das MPM liegt die Latenzzeit zwi- jährlich gerechnet werden. Aufgrund
schen dem Beginn der Exposition ge- der langen Latenzzeit und des Anstiegs
genüber Asbest und der Tumormanife- des Asbestverbrauchs in Deutschland
station im Mittel bei 35 Jahren, mit einer bis Mitte der siebziger Jahre ist in den
Schwankungsbreite von 10 bis 60 Jahren. nächsten Jahren mit einer steigenden InDie Dauer der Asbestgefährdung be- zidenz und Mortalität des Pleuramesoträgt im Mittel 15 Jahre, im Extremfall thelioms zu rechnen. Für Westeuropa
auch nur wenige Wochen. Das Manife- muss nach Berechnung von Peto et al.
stationsalter des malignen Pleurameso- (22) mit einer Verdoppelung der Mesothelioms liegt in Deutschland bei 65 ± 10 theliomtoten für die nächsten 20 Jahre
Jahren. Ähnlich wie beim Pleurameso- von derzeit 5 000 auf gut 9 000 gerechnet
A 3258
werden. Der Gipfel wird in den Ländern
Westeuropas erst nach 2020 erwartet. In
den USA hingegen kulminiert die Inzidenz um die Jahrtausendwende, da dort
bereits während des zweiten Weltkrieges
ein hoher Asbestverbrauch bestand und
verhältnismäßig früh Arbeitsschutzmaßnahmen praktisch durchgeführt worden
sind. Die Zahl der männlichen Mesotheliomtoten wird von Peto für Westeuropa
in den nächsten 30 Jahren auf circa
250 000 prognostiziert (22). Für
Deutschland rechnet Coenen vom
Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften in St. Augustin mit
dem Gipfel der Mesotheliomtodesfälle
um das Jahr 2017 (10). Die tatsächlich
beobachteten Zahlen der letzten zehn
Jahre folgen der errechneten Kurve relativ gut, sodass die Hochrechnungen als
realistisch anzusehen sind (Grafik 1).
Diagnostik
Die Diagnose des MPM bleibt eine
Herausforderung für den Kliniker und
den Pathologen. Nur in enger Zusammenarbeit zwischen Beiden ist die
manchmal schwierige Diagnose als Synopsis klinischer, röntgenologischer,
endoskopischer und histologischer Befunde zu stellen.
Anamnese
Der Berufsanamnese bei klinischem
Verdacht auf ein MPM kommt besondere Bedeutung zu. Bei der langen Latenz zwischen Exposition und Tumormanifestation – im Mittel 35 Jahre –
muss der Arzt manchmal detektivische
Fähigkeiten entwickeln. Die Fülle asbesthaltiger Produkte der Industrie ist
kaum zu überblicken, Kennzeichnungspflicht besteht erst seit Ende der 70erJahre. Mit Abstand der wichtigste Bereich der Arbeitsgefährdung ist im Umgang mit Asbestzement und „schwach
gebundenen Asbestfasern“, wie sie zur
Isolierung von Lüftungsrohren und
Stahlkonstruktionen bis zur Mitte der
70er-Jahre noch verbindlich vorgeschrieben waren, zu suchen. Vernachlässigt wurde in der Vergangenheit auch
das Problem der Asbestbelastung bei
Arbeiten in der Umgebung von asbest-
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emittierenden Arbeitsplätzen und die
indirekte Asbestbelastung durch asbeststaubverunreinigte
Kleidungsstücke, welche von den Ehefrauen von
Asbestarbeitern gereinigt wurden. Dagegen wurden die Gefahren einer nicht
berufsbedingten Gefährdung der Allgemeinbevölkerung durch Asbest in
der Vergangenheit überGrafik 2
schätzt (14).
Bildgebende Verfahren
Sonographie
Ein Pleuraerguss ist bei 80 Prozent der
Patienten bei der Erstvorstellung vorhanden. Die Sonographie erlaubt – neben der Darstellung von Pleuraergüs-
Klinik
Die klinische Symptomatik ist
uncharakteristisch und trägt
nur wenig zur Diagnosestellung bei. In frühen Stadien der
Erkrankung sind typische Tumorsymptome wie Müdigkeit,
Abgeschlagenheit und Gewichtsverlust mit 15 Prozent
selten (4). Zu den am häufigsten angegebenen Symptomen gehören die Dyspnoe mit
kaum merklichem Beginn in
drei Viertel der Fälle und zunehmender schlecht lokalisierbarer Thoraxschmerz. Er
verschwindet im Gegensatz
zur benignen Asbestpleuritis
nicht bei Auftreten von Pleuraerguss. In gut einem Drittel
der Fälle wird trockener Reizhusten angegeben.
Labor
2
4
3
1
4
Schematische Darstellung einer Pleuraverdickung sowie
Schrumpfung des Hemithorax in der Röntgenthoraxaufnahme. (1) Pleuraerguss, (2) „knollige“, von der Brustwand ausgehende Tumormassen, (3) perikardiale tumoröse Infiltration und (4) kontralaterale Pleuraplaques
Grafik 3
4
3
der Fälle ist der Erguss rechtsseitig lokalisiert. Ebenso können mittels der
konventionellen Aufnahme eine diffuse oder noduläre Pleuraverdickung sowie eine Schrumpfung des Hemithorax
aufgedeckt werden (Grafik 2).
Computertomographie
Die Computertomographie hat in der
Diagnose und Stadieneinteilung des
MPM einen zentralen Stellenwert
(Grafik 3). Insbesondere eine Infiltration der Brustwand, die Beteiligung der
Lunge sowie ein Befall des Perikards,
der mediastinalen Lymphknoten und
der kontralateralen Lunge lassen sich
mit dieser Methode beurteilen. Darüber hinaus können Pleuraplaques oft
besser als mit der konventionellen
Röntgenaufnahme nachgewiesen werden.
Magnetresonanztomographie und
Positronenemissionstomographie
Die Magnetresonanztomographie und
die Positronenemissionstomographie
können bei besonderen Fragestellungen wie zum Beispiel der Beurteilung
der Infiltration brustwandnaher Strukturen und eines Tumorrezidivs als ergänzende Maßnahmen in Betracht
kommen (2, 13).
2
Invasive Verfahren
2
1
4
In der klinischen Laborroutine gibt es keine auf das MPM
hinweisende Parameter. Häufig finden sich nur wenig
ausgeprägte Entzündungszei- Schematische Darstellung typischer Veränderungen beim
malignen Pleuramesotheliom in der Computertomographie.
chen mit erhöhten Leuko- (1) Freier Pleuraerguss, (2) tumorige Infiltration der Pleura,
zyten- und Thrombozyten- (3) knotige Tumorinfiltration des Perikards und (4) kontralazahlen sowie Anstieg der Lak- terale Pleuraplaques
tatdehydrogenase und alkalischen Phosphatase. Auch die derzeit sen – die Beurteilung des Tumorausgängigen Tumormarker aus dem Serum maßes und die Invasion benachbarter
erlauben keine Diagnose: karzinoem- Strukturen (Zwerchfell, Abdomen).
bryonales Antigen (CEA) wird nahezu
regelhaft in niedriger Konzentration Röntgenbild des Thorax
gefunden, während TPS (Tissue Polypeptide Specific Antigen) und CYFRA In der Mehrzahl findet sich im Rönt21-1 (Cytokeratin-Fragment 21-1) in er- genbild des Thorax als Ausgangsbefund
höhter Konzentration gefunden wer- ein einseitiger Pleuraerguss meist ohne
Mediastinalverlagerung. In zwei Drittel
den können.
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Pleurapunktion
Ein durch Punktion gewonnener Pleuraerguss ist in jeweils der Hälfte der Fälle serös oder hämorrhagisch. Die Analyse gewonnener Exsudate ergibt bei zunehmender Tumorlast erniedrigte pHund Glucosewerte sowie erhöhte Hyaluronsäurewerte. Dagegen ist das CEA
in der Regel im Erguss nicht oder nur
gering erhöht nachweisbar (16).
Pleurabiopsie
Die blinde Pleurabiopsie hat eine Sensitivität von unter 50 Prozent, da das
MPM häufig in den distalen Teilen der
parietalen/diaphragmalen Pleura auftritt, die für eine blinde Biopsie schlecht
erreichbar sind (17).
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´
Tabelle 1
C
C
´
Stadieneinteilung des malignen
Pleuramesothelioms in Anlehnung an
die UICC/AJCC 1997
(Asbestkörperchen!), trägt aber zur
Diagnostik des malignen Pleuramesothelioms nicht bei.
Stadium IA
T1a
N0
M0
Mediastinoskopie/Laparoskopie
Stadium IB
T1b
N0
M0
Stadium II
T2
N0
M0
Stadium III
T1,2
T1,2
T3
N1
N2
N0-2
M0
M0
M0
Stadium IV
T4
T1–4
T1–4
N0
N3
N0-3
M0
M0
M1
Im Rahmen der Stadieneinteilung, vor
allem vor geplanten operativen Eingriffen, ist die Mediastinoskopie empfehlenswert, in bis zu 50 Prozent lassen sich dabei, trotz unauffälligem CTThorax tumorbefallene Lymphknoten
ipsilateral (N2) finden. Während die
Spezifität der Mediastinoskopie 100
Prozent beträgt, liegt die Sensitivität
zwischen 80 bis 95 Prozent, da nicht alle Lymphknotenstationen erreichbar
sind (18).
Präoperativ sollte ebenfalls eine
Laparaskopie zum Ausschluss eines
fortgeschrittenen Tumors durchgeführt werden.
Thorakoskopie
Bei der Thorakoskopie handelt es sich
um eine endoskopische Technik, die
sich in der Hand erfahrener Pneumologen und Thoraxchirurgen zunehmender Beliebtheit erfreut und deren
diagnostische Ausbeute zwischen 90
und 95 Prozent liegt. Sie kann in lokaler Anästhesie mit leichter Sedierung
oder besser zur Vermeidung einer Tumorkontamination in Vollnarkose mit
einem doppelläufigen Tubus zur getrennten Lungenventilation durchgeführt werden (6).
Während der Thorakoskopie ist eine komplette Betrachtung des betroffenen Hemithorax und somit die direkte Beurteilung des Tumorausmaßes möglich (4). Die Biopsieentnahme
makroskopisch suspekter Areale erfolgt unter direkter Sicht. Zur Beurteilung der Tumorinfiltration in umgebende anatomische Strukturen und
der damit exakten prätherapeutischen
Stadieneinteilung ist auch im Hinblick
auf eine radikale Operation die gezielte Entnahme von Biopsien nötig.
Für die Thorakoskopie als diagnostische Maßnahme spricht neben der
guten Verträglichkeit und günstigen
Kosten-Nutzen-Relation die hohe
Sensitivität von 90 Prozent (17).
Bronchoskopie
Die Bronchoskopie wird zum Ausschluss eines Bronchialkarzinoms mit
Pleuritis carcinomatosa (Adenokarzinom?) durchgeführt, gelegentlich
auch zum Nachweis der Asbestbelastung durch bronchoalveoläre Lavage
A 3260
Zytologie/Histologie
Die zytologische Untersuchung gewonnener Exsudate erbringt in 50 Prozent positive Ergebnisse. Da die Differenzierung gegenüber reaktiv veränderten Mesotheliomzellen schwierig ist,
kommen auch falsch-negative Befunde
vor. Die Sensitivität beim epithelialen
Typ liegt deutlich höher als beim biphasischen Typ. Die Typisierung der
Tumorzelle, insbesondere die Unterscheidung zwischen Adenokarzinom
und Pleuramesotheliom, kann ähnliche Schwierigkeiten wie die histologische Beurteilung bereiten. Mit der
Entwicklung immunhistochemischer
Methoden wurde die Diagnose in den
letzten Jahren jedoch einfacher. Beim
Verdacht auf ein MPM gilt heute der
positive Nachweis von Cytokeratin
und Vimentin bei fehlendem Nachweis von CEA als richtungsweisend.
Darüber hinaus kann der beim MPM
fehlende Nachweis des monoklonalen
Antikörpers Leu-M1 (CD15) zur Differenzialdiagnose gegenüber dem
Adenokarzinom herangezogen werden (20). In circa zehn Prozent der
Fälle ist eine eindeutige Aussage
MPM oder Adenokarzinom nicht
möglich.
Derzeit werden ein epithelialer Typ
in circa 50 Prozent, ein sarkomatöser
oder mesenchymaler Typ in circa 15
Prozent und ein Mischtyp in circa 35
Prozent der Fälle unterschieden.
Makroskopisch umscheidet der Tumor die Lunge als breite, schwartige
fischfleischartige Verdickung und geht
mit einem hämorrhagischen fibrosierenden Exsudat einher. Histologisch
findet sich ein mesenchymales Grundgerüst aus spindeligen Zellen und kollagenen Fasern in welches plumpe
epithelähnliche Zellen eingeschlossen
sind. Im weiteren Verlauf können
auch Metastasen in den Lymphknoten, der Leber, dem Skelettsystem
und den Nieren auftreten.
Funktionsuntersuchungen
Die Funktionsuntersuchungen haben
vor allem im Hinblick auf das weitere
therapeutische Vorgehen beim MPM
Bedeutung. Neben der Spirometrie
und der arteriellen Blutgasanalyse als
Basisuntersuchungen sind EKG und
Echokardiographie obligat. Bei einer
geplanten Operation ist zur Berechnung der postoperativen Funktionsreserve die Durchführung einer Lungenperfusionsszintigraphie mit Seitenquantifizierung notwendig. Darüber
hinaus können in bestimmten Fällen weitere Belastungsuntersuchungen wie beispielsweise Rechtsherzkatheter und Ergospirometrie notwendig werden.
Differenzialdiagnose
Im Rahmen der Differenzialdiagnose
müssen zunächst benigne Pleuraergüsse, hierbei insbesondere der benigne Asbesterguss sowie alle anderen
malignen Pleuraergüsse abgegrenzt
werden. Bei infiltrativem Wachstum
müssen eine Pleurakarzinose, Metastasen eines Adenokarzinoms oder ein
peripheres Bronchialkarzinom ausgeschlossen werden.
Stadieneinteilung
Seit den 70er-Jahren wurden verschiedene Stadieneinteilungen des malignen Pleuramesothelioms entwickelt.
Gegenwärtig wird das vom American
Deutsches Ärzteblatt½ Jg. 97 ½ Heft 48½ 1. Dezember 2000
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Joint Committee on Cancer (AJCC)
vorgeschlagene TNM-System verwendet. Dieses ist zuletzt durch die International Mesothelioma Interest
Group (IMIG) unter Berücksichtigung der Prognose bei Tumorausbreitung (T-Status) des nichtkleinzelligen
Bronchialkarzinoms angelehnt und
bedarf unter Berücksichtigung der
Tumorausbreitung per continuitatem
und Befall ungewöhnlicher Lymphknotenstationen weiterer Validierung
(Textkasten und Tabelle 1).
Therapie
Das maligne Pleuramesotheliom hat
trotz des sicher malignen Verhaltens
mit lokaler Invasion, Destruktion, Bildung von Lymphknoten- (50 Prozent)
(30) und Fernmetastasen (33 Prozent
bis 49 Prozent) (28) einen vergleichsweise langsamen Spontanverlauf. Es
werden mediane Überlebenszeiten
von 4 bis 18 Monaten ohne Therapie
angegeben (15, 28).
Bis vor wenigen Jahren gab es kein
therapeutisches Konzept das zu einer
deutlichen Verbesserung dieser Überlebensraten führte. In historischen
und aktuellen Kollektiven werden bei
unselektionierten Patienten mediane
Überlebensraten von 4 bis 38 Monaten nach resezierenden Verfahren mit
und ohne adjuvante Behandlung angegeben (9, 11, 21, 29, 30, 36). Vergesellschaftet mit diesen eher bescheidenen Ergebnissen in der Resektion
war eine hohe Morbidität und Mortalität: Bei dem Versuch der kompletten Tumorexstirpation durch extrapleurale Pleuropneumonektomie verstarben zwischen 5,5 Prozent und 31
Prozent in den 70er- und 80er-Jahren
(9, 29, 35).
Seit Beginn der 90er-Jahre bekommt jedoch die Therapie des malignen Pleuramesothelioms neue Impulse durch multimodale Therapiekonzepte, sorgfältigere Selektion der
Patienten und durch neue Behandlungsmethoden wie die Gen- oder fotodynamische Therapie.
Im Folgenden wird eine kurze Zusammenfassung der Modalitäten und
der derzeit sinnvollen Konzepte und
Aussichten gegeben.
Strahlentherapie
Die transkutane Radiatio konnte keinen lebensverlängernden Effekt zeigen, wenn auch eine Tumorreduktion
beschrieben wird.
Da die Lunge im Bestrahlungfeld
liegt und radiosensible Organe wie das
Knochenmark, der Ösophagus und
das Herz direkt benachbart sind und
zudem für adäquate Effekte einer Dosis von über 50 Gy erforderlich ist,
werden häufig Strahlenpneumonitis,
Lungenfibrose, Ösophagitis und Perikarderguss beobachtet. Die Überlebenszeiten werden mit einem Median
zwischen 6 und 13 Monaten angegeben (31, 34).
Bei multimodalen Konzepten hat
die Strahlentherapie einen festen Stellenwert. Ihr wird die entscheidende
Rolle in der lokalen Kontrolle nach
resezierenden Verfahren zugeschrieben. Nach unveröffentlichten Daten
soll eine Reduktion von Lokalrezidiven nach extrapleuraler Pleuropneumonektomie von zehn Prozent
auf 3,3 Prozent durch die adjuvante
Radiatio von 54 Gy erzielt werden
können (31).
Als Standard muss die prophylaktische, lokale Radiatio nach diagnostischen und therapeutischen Eingriffen
wie Punktionen oder Thorakoskopien
angesehen werden (6).
Chemotherapie
Alle Untersuchungen bezüglich der
Monochemotherapie sind enttäuschend. Partielle Remissionen, über
sechs bis acht Monate anhaltend, können bei 15 Prozent durch 5-Fluorouracil, bei 20 bis 25 Prozent durch Doxorubicin, Methotrexat oder Ifosfamid erwartet werden. Vinca-Alkaloide und Paclitaxel haben keine Wirkung, platinhaltige Therapeutika nur
eine geringe. Neuere Medikamente
wie Gemcitabin können noch nicht abschließend beurteilt werden. Auch Polychemotherapien führen kaum zu
besseren Ansprechraten. Am positivsten wird die Kombination mit Cisplatin und Gemcitabin mit einer Ansprechrate über 50 Prozent und einer
Verbesserung der Symptome in 90
Prozent bewertet (34).
Deutsches Ärzteblatt½ Jg. 97 ½ Heft 48½ 1. Dezember 2000
Textkasten
TNM-Klassifizierung des malignen
Pleuramesothelioms (MPM)
T-Primärtumor
T1a Tumor begrenzt auf die ipsilaterale parietale
und/oder mediastinale und/oder diaphragmatische Pleura. Keine Beteiligung der viszeralen
Pleura.
T1b Tumor begrenzt auf die ipsilaterale parietale
und/oder mediastinale diaphragmatische
Pleura. Befall der viszeralen Pleura durch einzelne Tumorherde.
T2 Tumorbefall aller ipsilateraler Oberflächen
(parietale, mediastinale, diaphragmatische
und viszerale Pleura) mit zusätzlicher Beteiligung einer der folgenden Strukturen:
❃ Zwerchfell
❃ ipsilaterale Lunge (ausgehend von viszeraler
Pleura)
T3 Tumor lokal fortgeschritten, aber noch potenziell resektabel. Tumorbefall aller ipsilateralen
Oberflächen (parietale, mediastinale, diaphragmatische und viszerale Pleura) mit zusätzlicher Beteiligung einer der folgenden
Strukturen:
❃ thorakale Faszie
❃ mediastinales Fettgewebe
❃ nichttransmuraler Perikardbefall
❃ ipsilateraler Brustwandbefall in Form einzelner komplett resezierbarer Herde
T4 Tumor lokal fortgeschritten und technisch inoperabel. Tumorbefall aller ipsilateraler Oberflächen (parietale, mediastinale, diaphragmatische und viszerale Pleura) mit zusätzlicher
Beteiligung einer der folgenden Strukturen:
❃ diffuse Ausbreitung oder multifokale Tumormassen in der Brustwand
❃ direkte Ausbreitung des Tumors durch das
Zwerchfell in das Peritoneum
❃ direkte Ausbreitung des Tumors in die kontralaterale Pleura
❃ direkte Ausbreitung des Tumors in ein oder
mehrere mediastinale Organe
❃ direkte Ausbreitung des Tumors in die Wirbelsäule
N-Lymphknoten
N0 keine regionären Lymphknoten
N1 Lymphknotenmetastase(n) in ipsilateralen,
peribronchialen und/oder ipsilateralen Hiluslymphknoten (einschließlich Befall durch direkte Ausbreitung des Primärtumors)
N2 Metastasen in ipsilateralen, mediastinalen
und/oder subkarinalen Lymphknoten
N3 Metastasen in kontralateralen mediastinalen,
kontralateralen Hilus-, ipsi- oder kontralateralen Skalenus- oder supraklavikulären Lymphknoten
M-Fernmetastasen
M0 keine Fernmetastasen
M1 Fernmetastasen
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Operation
Von chirurgischer Seite kommen die
Pleurektomie als palliative Resektion
und die extrapleurale Pleuropneumonektomie als Resektion mit kurativer Intention zum Einsatz. Die Indikationsstellung zur Pleurektomie erfolgt bei therapierefraktärem Erguss und bei beabsichtigter Tumorreduktion als Vorbereitung
zur Durchführung anderer Therapieoptionen. Liegt ein niedriges Tumorstadium vor (begrenzter Pleurabefall), stellt
sich die Indikation zur extrapleuralen
Pleuropneumonektomie mit Resektion
des Zwerchfells und des Perikards und
plastischem Ersatz dieser Strukturen.
Durch Standardisierung dieses Eingriffs
und ein verbessertes perioperatives Management konnte die Mortalität in spezialisierten Zentren auf sechs Prozent
und die Morbidität auf 25 Prozent gesenkt werden (31, 36).
Multimodaler Ansatz
Bei der Kombination der Pleuropneumonektomie mit postoperativer Radiatio und Chemotherapie konnte
erstmals bei einem auf die Prognosefaktoren hin selektionierten Patien-
Referiert
Innovative Verfahren
Therapiekonzept nach derzeitigem
Erkenntnisstand
Im Frühstadium der Erkrankung ist
in kurativer Intention die extrapleurale Pleuropneumonektomie mit adjuvanter Radiatio anzustreben. Sollte
sich intraoperativ der Tumor als nicht
resektabel erweisen, kann die parietale Pleurektomie zur Vermeidung rezidivierender Pleuraergüsse palliativ
vorgenommen werden. Bei rezidivierenden Ergüssen sollte eine thorakoskopische Talkumpleurodese und die
Radiatio der Zugangsbereiche erfolgen. Bei allen anderen Konstellationen ist ein individuelles palliatives
Vorgehen und bei innovativen Verfahren die Anbindung an Studien zu empfehlen.
❚ Zitierweise dieses Beitrags:
Gentherapie, fotodynamische
Therapie und Immuntherapie
Dt Ärztebl 2000; 97: A 3257–3262 [Heft 48]
Die Gentherapie, die fotodynamische
Therapie sowie die Immuntherapie
gehören zu den neueren Therapieverfahren, welche Gegenstand klinischer
Forschung sind. Für alle drei Verfahren
liegen positive Ergebnisse bei selektionierten Patienten vor; eine abschließende Beurteilung ist derzeit noch nicht
möglich (1, 5, 23, 33, 34).
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck beim Verfasser
und über das Internet (www.aerzteblatt.de) erhältlich ist.
Anschrift für die Verfasser:
Prof. Dr. med. Nikolaus Konietzko
Abteilung Pneumologie – Universitätsklinik
Ruhlandklinik
Tüschener Weg 40
45239 Essen
bestehen. Hierbei wurde sogar deutlich, dass die gehäufte Extrasystolie
ein gleich hohes Langzeitrisiko aufwies wie belastungsinduzierte Ischacc
ämiezeichen.
Erhöhtes KHK-Risiko bei
ventrikulären Extrasystolen im EKG
bei asymptomatischen Männern
Das Belastungs-EKG findet breite
Anwendung im Rahmen der Abklärung einer koronaren Herzerkrankung. Die Signifikanz hierbei auftretender ventrikulärer Extrasystolen bei
ansonsten asymptomatischen Personen ist jedoch umstritten. Eine französische Arbeitsgruppe untersuchte
bei betroffenen Patienten den Langzeitverlauf im Hinblick auf eine eventuell erhöhte kardiovaskuläre Mortalität.
6 101 asymptomatische Männer, bei
denen in den Jahren 1967 bis 1972 Ergometrien durchgeführt wurden und
A 3262
tenkollektiv ein deutlicher Überlebensvorteil gesichert werden. Etwa 17
Prozent der Patienten ohne Lymphknotenmetastasen mit einem epithelialen Zelltyp wurden ohne mikroskopisch nachweisbaren Tumorrest reseziert. Bei dieser Gruppe wurde ein medianes Überleben von 51 Monaten und
eine Fünf-Jahres-Überlebensrate von
46 Prozent beschrieben. Auch wenn
nur ein „Selektionsvorteil“ vorlag,
profitierten die Patienten nachweislich
mit verlängerten medianen Überlebensraten zwischen 21 und 26 Monaten und Fünf-Jahrs-Überlebensraten
von 17 bis 25 Prozent (36).
bei denen ventrikuläre Extrasystolen
aufgetreten waren, wurden in diese
Studie eingeschlossen. Dabei galt eine
Extrasystolierate von mehr als zehn
Prozent aller ventrikulärer Depolarisationen sowie paarweise oder in Salven auftretende Extrasystolen als gehäufte Extrasystolie.
Diese Kriterien wurden von 138 der
Untersuchten erfüllt. Nach 23 Jahren
hatte diese Gruppe ein um den Faktor
2,67 erhöhtes Risiko für einen Tod mit
kardiovaskulärer Ursache. Dies blieb
auch nach Multivarianzanalyse bekannter Risikofaktoren für die KHK
Jouven X et al.: Long-term outcome in asymptomatic
men with exercise-induced premature ventricular depolarizations. N Eng J Med 2000; 343: 826–833.
Dr. Jouven, Service de Cardiologie, Hopital Europeen
Georges Pompidou, 20 rue Le Blanc, 75015 Paris,
Frankreich.
Deutsches Ärzteblatt½ Jg. 97 ½ Heft 48½ 1. Dezember 2000
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