Thermodynamik - Institut für Technische Verbrennung

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Thermodynamik II
für den Studiengang
Computational Engineering Science
H. Pitsch, B. Binninger
Institut für Technische Verbrennung
Templergraben 64
Inhalt von Thermodynamik II
6.
Beziehungen zwischen Zustandsgrößen
7.
Chemische Stoffumwandlungen
8.
Stoffumwandlungen als Gleichgewichtsprozesse
9.
Eindimensionale Gasdynamik
10.
Thermodynamik der Wärmestrahlung
6.
Beziehungen zwischen Zustandsgrößen
6.1 Thermische Zustandsgleichungen
Allgemeine Formulierung der thermischen Zustandsgleichung:
Funktionale Verknüpfung von p, T und v:
Wir wollen hier nochmals Überlegungen aus Thermodynamik I aufgreifen und
am Beispiel der van-der-Waalsschen Zustandsgleichung demonstrieren, wie der
1. und 2. Hauptsatz weitergehende Aussagen über das Zweiphasengebiet
erlauben.
6.1-1
Die Grafik zeigt das p,v-Diagramm eines realen Fluids, wie es in einem
Experiment gemessen werden könnte.
Alle Zustandsvariablen sind auf Größen im kritischen Zustand K bezogen.
Im kritischen Punkt K gilt:
6.1-2
Theoretische Beschreibung des Realgasverhaltens
Ausgangspunkt:
Zustandsgleichung für ein ideales Gas:
1. Virialzustandsgleichung mit Realgasfaktor Z ≠ 1:
Entwicklung:
Die Koeffizienten B, C müssen so bestimmt werden,
dass spezielle Bedingungen erfüllt sind wie zum Beispiel
6.1-3
2. Van-der-Waals-Gleichung (1873) (vergl. Thermodynamik I)
Korrektur für endliches Volumen der Atome:
Die Größe b wird Kovolumen genannt.
Korrektur für Anziehungskräfte zwischen den Atomen,
hervorgerufen durch unsymmetrische Ladungsverteilungen
in der Elektronenhülle:
Johannes Diderik
van der Walls, 1837-1923,
Physiknobelpreis 1910
Die Größe a heißt Binnen- oder Kohäsionsdruck (Van-der-Waals-Bindung).
Zustandsgleichung
oder
Anwendung in der belebten Natur:
Geckos benutzen die van-der-Waalsschen Anziehungskräfte, um sich an glatten Wänden zu halten.
6.1-4
Beispiel für eine Anwendung der Van-der-Waals-Kräfte in der Natur:
Geckos benutzen die Van-der-Waals-Kräfte, um sich an glatten Wänden zum Beispiel
an Glas zu halten.
Dazu sind ihre Füße mit feinsten Härchen besetzt,
die eine große Kontaktfläche ermöglichen, sich
kleinsten Unebenheiten des Untergrundes anpassen
und so eine sehr große Kontaktfläche ermöglichen .
Trotzdem bleibt kein Staub an den Füßen haften, der die
Behaarung wirkungslos machen würde. Geckos putzen
ihre Füße nicht! Der Mechanismus, der dies verhindert,
wurde erst kürzlich geklärt:
"Proceedings of the National Academy of Sciences" (Bd.
102, 2005, S. 385)
Gecko
Die freien Parameter der Van-der-Waals-Gleichung werden aus den
Bedingungen am kritischen Zustand ermittelt. Aus den Bedingungen
folgt:
Damit ist die Van-der-Waals-Gleichung für jedes reale Gas angebbar:
mit
6.1-5
Diskussion der Van-der-Waals-Zustandsgleichung
1. Vergleich mit der Virialzustandsgleichung:
Van-der-Waals-Zustandsgleichung am kritischen Punkt K:
Einsetzen von a und b liefert:
Vergleich mit Messwerten für verschiedene Gase:
6.1-6
2. Kurvenverlauf der Isothermen nach der Van-der-Waals-Gleichung im p,v-Diagramm
Experiment zum Vergleich:
Der Verlauf der Isothermen im Nassdampfgebiet entspricht nicht dem Experiment,
die Grenzen des Nassdampfgebietes (Siede- und Taulinie) werden nicht festgelegt.
6.1-7
3. Unterkühlter Dampf und überhitztes Wasser
Verlauf der Isothermen nach der Zustandsgleichung von Van-der-Waals
Im Widerspruch mit der Alltagserfahrung fallen im Zweiphasengebiet bei der
Van-der-Waals-Gleichung Isotherme und Isobare nicht zusammen.
6.1-8
Die Zustände zwischen Siede- und Taupunkt sind metastabil oder instabil.
Experimentell lassen sich die Zustände zwischen 1 und a (überhitzte Flüssigkeit)
und zwischen 2 und c (unterkühlter Dampf) bei sorgfältigsten
Versuchsbedingungen tatsächlich erreichen.
Bei kleinsten Störungen (Erschütterungen, Kondensationskeime) zerfallen diese
Zustände dann jedoch in sehr kurzem Zeitraum in die beiden Phasen trockener
Dampf und siedende Flüssigkeit (z.B. Siedeverzug).
Bei Zuständen auf dem Kurvenast a über b nach c steigt das Volumen
unphysikalisch mit zunehmendem Druck.
Diese Zustände werden experimentell tatsächlich nicht beobachtet.
6.1-9
4. Konstruktion von Siede- und Taulinie
Der Kurvenverlauf der
van-der-Waalsschen Zustandsgleichung
ermöglicht jedoch trotzdem die Festlegung
von Siede- und Taupunkt
auf der Isothermen und damit die
Konstruktion der Siede- und Taulinie.
Dazu stehen
1. und 2. Hauptsatz der Thermodynamik
zur Verfügung.
6.1-10
Festlegung von Siedepunkt 1 und Taupunkt 2 auf einer Isothermen
Nach dem 1. Hauptsatz und wegen der Reversiblität des
Phasenübergangs gilt:
Es folgt daher für isotherme Zustandsänderung:
Diese Bedingung ist gleichbedeutend mit der
Gleichheit der im Diagramm farbig
hinterlegten Flächen über und unterhalb der
jeweiligen Isothermen (Maxwell-Clausius):
6.1-11
6.2 Allgemeine Beziehungen zwischen Zustandsgrößen
Totales oder vollständiges Differential einer Zustandsfunktion f (x,y) :
Die Größe
ist
die Steigung der Geraden A:B in
nebenstehender Skizze.
Analog:
6.2-1
Grundsätzliches:
1. Wir finden für jede beliebige Zustandsfunktion f (x,y) unter der Bedingung
wegen
die allgemeine Beziehung
oder in zyklischer Schreibweise
6.2-2
2. Gemischte Ableitungen:
Wenn dies gilt, dann ist df ein totales oder vollständiges Differential der
Funktion f (x,y) und die Funktion eine Zustandsfunktion.
Die Bedingungen heißen deshalb auch in der Mathematik ganz allgemein
Integrabilitätsbedingungen.
In der Thermodynamik: Mit den Fundamentalgleichungen von Zustangsgrößen
erhält man unter Ausnutzung der Integrabilitätsbedingungen die
Maxwellschen Relationen.
6.2-3
Maxwellsche Relationen
Ausgangspunkt Fundamentalgleichungen:
Innere Energie u:
Enthalpie h:
Freie Energie (Helmholtz) a = u - T s :
Freie Enthalpie (Gibbs)
g=h-Ts:
6.2-4
Fundamentalgleichung
Maxwell Relation
Von besonderem Interesse sind die Relationen, nach denen kalorische Zustandsgrößen nur durch thermische ausgedrückt werden können (farbig markiert).
6.2-5
Weitere Zusammenhänge
Vollständiges Differential:
Fundamentalgleichung:
Wegen
liefert der Vergleich von (**) mit (*)
die Beziehungen:
6.2-7
Übungsaufgabe
Zeigen Sie, dass für die Entropiefunktion s = s(T,v) folgende Beziehungen gelten:
6.2-6
Beispiel 1:
Für ein Van-der-Waals-Gas mit
sind die Zustandsgleichungen
u(T,v) und s(T,v) zu bestimmen.
Lösung: Im vollständigen Differential der Inneren Energie
kann die erste partielle Ableitung durch die Definition der Wärmekapazität bei constantem
Volumen
und die zweite partielle Ableitung durch Vergleich mit dem
vollständigen Differential der Entropie unter Nutzung der Fundamentalgleichung und der
Maxwellbeziehung
ersetzt werden
Vollständiges Differential der Entropie:
Fundamentalgleichung:
6.2-8
Es ergibt sich allgemein
Für das Van-der-Waals-Gas ist
und deshalb
Mit diesen Zusammenhängen können die partiellen Ableitung im vollständigen Differential der
Entropie ersetzt werden
Für das Van-der-Waals-Gas gilt dann
6.2-9
Beispiel 2: Modellansatz für die thermische und kalorische Zustandsgleichung
Für ein Photonengas werden für die Zustandsgleichungen folgende Modellansätze formuliert:
Ges.:
a) Welcher Kopplungsbeziehung zwischen
und
müssen die Ansätze gehorchen?
b) Für welche Wahl der Exponenten α und β wird die Kopplungsbeziehung erfüllt?
6.2-10
Lösung:
a) Auf der rechten Seite der Kopplungsbeziehung wird die Funktion u = u(T,v) betrachtet.
Für ihr vollständiges Differential gilt
Aus der Fundamentalgleichung
erhält man mit dem vollständigen Differential
nach Einsetzen der Differentiale du und ds in die Fundamentalgleichung das Zwischenergebnis:
6.2-11
Wegen der gesuchten Zusammenhänge betrachten wir außerdem die Funktion u=u(s,v).
Mit dem vollständigen Differential und der Fundamentalgleichung und
Vergleich der Koeffizienten liefert:
Die Gleichheit der gemischten Ableitungen liefert die Maxwell-Relation:
Mit der Vertauschungsregel
gilt
6.2-12
Darin wird die partielle Ableitung
durch die Maxwell-Relation
ersetzt und man erhält
so dass wir die gesuchte Kopplungsbeziehung
erhalten.
6.2-13
b) Vorgeschlagene Zustandsgleichungen:
Prüfen der Kopplungsbeziehung
durch Ausrechnen der partiellen Ableitungen
sowie Einsetzen und Gleichsetzen:
Dimensionsanalyse und Exponentenvergleich liefert: α = 1 und β =1
Vorgeschlagenes Gasmodell:
6.2-14
6.3 Der Joule-Thomson-Effekt und die Gasverflüssigung
Der erste Hauptsatz für das Bilanzzsystem liefert unabhängig vom strömenden
Medium:
Strömung konstanter Enthalpie
Frage:
Ändert sich die Temperatur mit dem Druck unter der Voraussetzung
konstanter Enthalpie?
Bekannt:
6.3-1
Wegen der Vertauschungsregel
und
gilt
Mit
und der Maxwell Relation
folgt
Eine Beziehung zwischen ausschließlich thermischen Zustandsgrößen!
6.3-2
Mit
folgt
Für ideale Gase ( Z = 1 ):
Das Bild zeigt den Joule-Thomson-Koeffizient
μJT für Luft.
In weiten Bereichen gilt
,
also Abnahme der Temperatur über die
Drosselstelle.
Dies wird beim Linde-Verfahren zur
Gasverflüssigung genutzt (Übungsaufgabe).
6.3-3
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