Anatomie für die Tiermedizin Enke-Tiermedizin im MVS von Franz-Viktor Salomon, Hans Geyer, Uwe Gille 2., überarb. Aufl. MVS Medizinverlage Stuttgart 2008 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 8304 1075 1 Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG 828 14 Anatomie der Repitilien 14.5 Anatomie der Schlangen 14.5.1 Topographische Anatomie der Schlangen Schlangen besitzen eine einheitliche Leibeshöhle, Coelom. Ihnen fehlt, wie allen Reptilien, das Zwerchfell. Die Lage der Organe im Schlangenkörper wird in Prozent der Strecke zwischen Rostrum (vorderstes Ende des Mauls) 14.15 Situs eines weiblichen Tigerpythons, etwa 3 Meter lang 1 Herz 2 Leber 3 Magen 4 Gallenblase 5 trächtiger Uterus 6 Cecum und Kloake angegeben. Die Länge des Schwanzes wird nicht berücksichtigt, dieser ist bei männlichen Tieren auch etwas länger als bei weiblichen (siehe Kapitel Harn- und Geschlechtsorgane). Alle Organe sind länglich oder spindelförmig und passen sich damit der Form des Schlangenkörpers an. In der 14.14 sind die Lageverhältnisse beim Königspython dargestellt. Den Situs eines weiblichen Tigerpythons zeigt die 14.15. Die Lageverhältnisse bei anderen Arten können sich deutlich von dem hier abgebildetem Beispiel unterscheiden. Das Herz von landlebenden Schlangen liegt beispielsweise 14.1 Lage der einzelnen Organe beim Königspython 14.14 Situs des Königspythons zur Darstellung der Organtopographie 1 Thyroidea 7 Gallenblase 2 Herz 8 Pancreas 3 Lunge 9 rechte Niere 4 Leber 10 linke Niere 5 Luftsack 11 Dünndarm 6 Magen 12 Dickdarm Organe In % der RostrumKloakenlänge beim Königspython In % der RostrumKloakenlänge, allgemeine Angaben Herz 35–40 22–33 Lungen 40–50 33–45 Luftsack 50–65 45–65 Leber 40–62 38–56 Magen 60–70 46–67 Dünndarm 71–85 68–81 rechte Niere 80–85 69–77 linke Niere 83–88 74–82 Dickdarm und Kloake 85–100 81–100 Salomon u.a., Anatomie für die Tiermedizin (ISBN 9783830410751) © 2008 Enke Verlag 14.5 Anatomie der Schlangen 14.16 Schädel eines Tigerpythons, linke Seitenansicht 1 Mandibula (aus mehreren Knochen zusammengesetzt) 2 Maxilla 3 Os pterygoideum 4 Os quadratum 5 Columella kranialer, bei 15–25% der Rostrum-Kloaken-Länge, als das Herz von wasserbewohnenden Arten, das bei 25–45% der Rostrum-Kloaken-Länge lokalisiert ist. In Tab. 14.1 sind die Verhältnisse beim Königspython allgemeinen Angaben aus der Literatur gegenübergestellt. 14.5.2 Bewegungssystem Schädel Die Hirnschale ist relativ stabil, aber die Knochen des Gesichtsschädels sind über elastische Bänder beweglich miteinander verbunden. Durch das Fehlen einer festen Verbindung der beiden Unterkieferhälften und dadurch, dass die Gelenke des Gesichtsschädels ausgerenkt werden können, sind Schlangen in der Lage, eine Beute zu verschlingen, die größer als ihr Kopf oder Körperdurchmesser ist ( 14.16). Beim Fressen können sie Ober- und Unterkiefer sowie die beiden Unterkieferhälften unabhängig voneinander bewegen. Dabei fixiert eine Mandibulahälfte die Beute, die andere greift nach vorn und schiebt sie dann in Richtung Esophagus. Skelett des Rumpfes Schlangen besitzen durchschnittlich 300 bis 400 Wirbel. Die einzelnen Wirbel weisen im Brust- Hals- oder Lendenbereich kaum Unterschiede auf. Nur bei Eier fressenden Schlangen gibt es ventrale Wölbungen an den Halswirbeln, mit deren Hilfe die Tiere die Eierschale in der Speiseröhre aufbrechen. Beim Aufrichten, z.B. bei der Drohgebärde, verleiht die Wirbelsäule dem Tier die Stabilität, indem sich Wirbelfortsätze verkeilen. Alle präkloakalen Wirbel außer dem Atlas können Rippen tragen. Dort setzt die kräftige Muskulatur des Körperstamms an, die der Fortbewegung, dem Nahrungstransport und der Atmung dient. Die Rippen enden frei, es gibt kein Sternum. Die auffälligste Besonderheit des Bewegungssystems der Schlangen ist das Fehlen der Gliedmaßen. Die Schultergliedmaßen sind vollständig zurückgebildet, doch findet man bei einigen Schlangen noch knöcherne Rudimente des Beckengürtels. Bei den Riesenschlangen (Boidae) kann man seitlich der Kloake kleine verhornte Fortsätze erkennen. Diese sogenannten Sporne (Singular: Sporn) 14.17 Becken einer Riesenschlange 1 Sporn 2 letzte Rippe 3 Kloake Salomon u.a., Anatomie für die Tiermedizin (ISBN 9783830410751) © 2008 Enke Verlag 829