Die Predigt zum Nachlesen

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Barbara Heyse-Schaefer
Gnade sei mit euch und Friede,
von dem der da ist und der da war und der da kommt.
Liebe Gemeinde!
Zunächst möchte ich mich ganz herzlich bedanken, dass ich eingeladen wurde, an der
Predigtreihe zum Interreligiösen Dialog mit dem Islam mitzumachen.
Die Evangelische Frauenarbeit beteiligt sich – wie Eingangs bereits erwähnt - seit
einigen Jahren an einem Interreligiösen Lernprojekt für Frauen. Über zwei Jahre hinweg
lernen und leben islamische und christliche Frauen aus unterschiedlichen Konfessionen
für je eine Woche in unterschiedlichen Ländern in Europa zusammen.
Dabei sind mir zwei Regeln sehr wichtig geworden:
- Einerseits der anderen Seite radikalen Respekt entgegen zu bringen und aufmerksam auf das zu hören, was sie zum Ausdruck bringen will. Dazu gehört es, die jeweilige
Selbstinterpretation einer Person zunächst stehen zu lassen.
- Andererseits den Versuch zu machen die Perspektive zu wechseln und sich in die
Schuhe der Anderen zu stellen.
Daher habe ich als weiteren Predigtgast Frau Dr. Lise Abid eingeladen, weil ich es für
unumgänglich halte, nicht nur über den Islam, sondern mit einer Vertreterin des Islams
zu sprechen.
Unser heutiges Thema ist: Als Mann und Frau geschaffen. Wir haben dazu zwei Stellen
aus den jeweiligen heiligen Schriften ausgewählt, nämlich aus der hebräischen Bibel 1.
Mose 1,27f und dem Qur’an die Sure 4, Vers 1.
Ich lese zunächst die Stelle aus 1. Mose 1,27-28a
Und Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes schuf
er ihn; als Mann und Frau schuf er sie. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen:
Seid fruchtbar und mehret euch.
Wie sie vielleicht wissen, haben wir in de Bibel zwei Schöpfungsberichte. In dem älteren
Bericht wird Eva aus der Seite (oder Rippe) Adams geschaffen. Daraus haben Christen
viele Jahrhunderte lang die Nachrangigkeit der Frau abgeleitet. Im jüngeren
Schöpfungsbericht, aus dem ich gerade diesen Vers vorgelesen habe, steht es anders.
Gott schafft Mann und Frau gleichzeitig „als Mann und Frau schuf er sie.“ Und er
segnete sie beide.
So schreibt auch Paulus an die Galater „Da ist weder Jude noch Grieche, weder Sklave
noch Freier, weder Mann noch Frau, sondern wir sind alle eins in Christus“.
Ich lese daraus, dass Gott uns gleichberechtigt geschaffen hat und als solche
gleichberechtigte Menschen segnet und uns so auch Christus in die Nachfolge ruft.
Natürlich gibt es auch andere, dem widersprechende Bibelstellen, doch davon später.
Nun aber wollen wir hören was im Qur’an steht und was uns Lise Abid dazu zu sagen
hat.
1
Lise Abid:
Liebe Gemeinde!
Auch ich möchte mich herzlich bedanken, dass ich hierher als Predigtgast eingeladen
wurde.
Quran Sure 4 Die Frauen (An-Nisa), Vers 1
„Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen. O ihr Menschen, fürchtet euren
Herrn, der euch aus einem einzigen Wesen erschuf und aus ihm seine Gattin erschuf
und aus ihnen beiden viele Männer und Frauen entstehen und sich ausbreiten ließ.
Und fürchtet Gott, in dessen Namen ihr einander bittet, und (achtet) die
Verwandtschaftsbande. Gott ist Wächter über euch.“
„aus ihm seine Gattin…“ wird nicht als Hinweis verstanden, dass Eva aus der Rippe des
Adam geschaffen sei. Vielmehr bedeutet es, dass Mann und Frau "von der gleichen –
menschlichen - Art" sind. Sie tragen die gleiche ethische Verantwortung, die der
Mensch durch seine "Menschwerdung", durch seine Statthalterschaft auf Erden,
übernommen hat. In dieser Hinsicht, im religiösen und ethischen Bereich, ist die Frau
dem Mann völlig gleichgestellt. Unterschiede ergeben sich lediglich in den biologischen
Funktionen, aus denen teilweise unterschiedliche soziale Funktionen abgeleitet werden.
Eine Zuschreibung starrer Geschlechterrollen wird aber von zeitgenössischen
islamischen Denkern/Denkerinnen weitgehend abgelehnt.
Wenn es im Koran Sure 4, Vers 32 heißt:
„Und begehrt nicht das, womit Allah die einen von euch vor den anderen
auszeichnete. Die Männer sollen ihren Anteil nach ihrem Verdienst erhalten, und die
Frauen ihren Anteil nach ihrem Verdienst.“ - so wird das heute im Allgemeinen
dahingehend interpretiert, dass Gott sowohl Männern als auch Frauen
geschlechtsspezifische Vorzüge verliehen habe, die trotz ihrer Unterschiede
prinzipiell gleichwertig sind.
Musliminnen und Muslime betonen hier speziell die gleiche Wertigkeit anstatt der
völligen Gleichheit (im Sinne einer Gleichmacherei) der Geschlechter. Der Islam geht
davon aus, dass Männer und Frauen einander ergänzen, dass aber die menschliche
Position und auch die soziale Funktion jedes der beiden Geschlechter gleich wichtig
und wertvoll ist. Wenn der Islam sozialer Hinsicht auf die natürliche Disposition von
Frau und Mann Rücksicht nimmt, so geht es eigentlich um „Geschlechtergerechtigkeit“,
die aber unter veränderten sozialen Bedingungen – wie Berufstätigkeit der Frau,
Männerkarenz usw. – auch verhandelbar sein muss.
Barbara Heyse-Schaefer:
Wie ich vorher schon angedeutet habe gibt es auch anderslautende Bibelstellen
Ich lese nur zwei davon vor:
- Kolosserbrief 3,18: Ihr Frauen, seid untertan euren Männern in dem HERRN, wie
sich's gebührt. Ihr Männer, liebet eure Frauen und seid nicht bitter gegen sie.
- Epheser 5,22-23: Die Frauen seien untertan ihren Männern als dem HERRN. Denn
der Mann ist das Haupt der Frau, gleichwie auch Christus das Haupt ist der Gemeinde,
und er ist seines Leibes Heiland.
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Der Kolosserbrief wird heute nicht mehr dem Paulus zugeschrieben, sondern seinen
Schülern. Die Haustafel dieses Briefes mit all ihren Ermahnungen und hierarchischer
Unterordnung steht in auffallendem Widerspruch zu dem, was vorher im Kap 3 steht,
dass in Christus alle trennenden Differenzen überwunden sind.
Auch der Brief an die Epheser stammt nicht von Paulus selber, so ist sich die
neutestamentliche Wissenschaft heute einig, sondern von späteren Anhängern der
paulinischen Theologie. Hier wird aus einem Kosmischen Verständnis des
Verhältnisses zwischen Christus und Kirche die hierarchische Beziehung zwischen
Mann und Frau abgeleitet.
Es sind insgesamt sehr späte Schriften des Neuen Testaments, die sogenannten
Pastoralbriefe, die so massiv frauenfeindliche Äußerungen tätigen. Man nimmt heute
an, dass dahinter Konflikte mit Gruppierungen liegen, die ein durchaus emanzipatorisches Frauenbild in den frühen Gemeinden vertreten haben, wo Frauen selbstverständlich Predigerinnen und Lehrerinnen des Evangeliums waren. Das können wir auch
indirekt aus den Paulusbriefen lesen, wie zum Beispiel aus der Grußliste des Paulus, an
die Gemeinde in Rom, wo Paulus Frauen in hohen Positionen der Gemeinde grüßt: als
Apostolinnen, Missionarinnen und Gemeindeleiterinnen.
Ich halte fest, auch in der christlichen Bibel und Bibelauslegung wurde nicht immer auf
befreiende Bild Rücksicht genommen wird, dass Mann und Frau von Gott gleich
geschaffen wurde.
Ganz zu schweigen von der späteren Angst der Kirche vor den Frauen. Der Heilige
Augustinus schreibt um 440 n. Chr.: „Die Seele der Frau ist zwar gottebenbildlich wie
der Mann, aber das Geschlechtswesen Frau ist dem Manne untergeordnet. Die Frau ist
die Gehilfin des Mannes, aber nur beim Gebären und bei der Aufzucht der Kinder; bei
allen anderen Dinge wie Freundschaft, Gespräch, Unterstützung bei der Arbeit wäre ein
Mann die bessere Hilfe.“
Nicht erinnern brauche ich Sie an die schwersten Verfolgungen der Frauen als Hexen
vom 13. bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. Die Zahlen werden heute mit etlichen
Hunderttausend geschätzt. Wahrlich keine Ruhmesgeschichte des Christentums!
Mit all diesem Wissen im Hintergrund, höre ich mit viel Nachdenklichkeit die oft
geäußerten Vorwürfe, der Islam wäre so frauenfeindlich. Viel davon ist sicher auch
christliche Projektion. Und wo liegt die Grenze zwischen Religion und Tradition? Ich bin
neugierig was Lise Abid uns zu erzählen hat.
Lise Abid:
Das traditionelle Rechtsverständnis muslimischer Gesellschaften hat bezüglich der
Interpretation der Rechte der Frau und ihrer gesellschaftlichen Position sehr viel
aufzuholen. Erstarrte Traditionen haben viel von der ursprünglichen Offenheit des Islam
überdeckt, und heute gibt es eine große Kluft zwischen islamischen Idealen und
gesellschaftlichen Realitäten. Und weil in der sog. „islamischen Welt“ die Auslegung der
heiligen Texte Jahrhunderte lang weitgehend von Männern monopolisiert wurde,
möchte ich als Beispiel den zweiten Teil von Vers 34 der 4. Sure des Koran anführen,
der in traditionellen Lesarten lautet:
„Die Männer stehen über den Frauen, weil Allah die einen vor den anderen
ausgezeichnet hat und weil sie von ihrem Vermögen hingeben. Darum sind
tugendhafte Frauen die Gehorsamen und diejenigen, die (ihrer Gatten) Geheimnisse
mit Allahs Hilfe wahren. Und jene, deren Widerspenstigkeit ihr befürchtet, ermahnt
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sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie. Wenn sie euch dann gehorchen, so sucht
gegen sie keine Ausrede. Wahrlich, Allah ist erhaben und groß.“
Eine neue und frauenfreundliche Lesart ist folgende:
„Die Männer stehen ein für die Frauen, wegen dem womit Allah die jeweils einen vor
den jeweils anderen ausgezeichnet hat, und weil sie (die Männer, als die
Unterhaltspflichtigen) aus ihrem Vermögen ausgeben. Darum sind loyale Frauen
(Allah gegenüber) ergeben. Sie sind diejenigen, welche die Geheimnisse (der Ehe)
gemäß Allahs Weisung bewahren. Und wenn ihr annehmt, dass Frauen einen
Vertrauensbruch begehen, besprecht euch mit ihnen und (falls keine Veränderung
eintritt) zieht euch (aus dem intimen Eheleben) zurück und (als letztes) trennt euch
von ihnen. Wenn sie zur loyalen Haltung zurückkehren, so sucht gegen sie keine
Handhabe (um ihnen zu schaden). Wahrlich, Allah ist erhaben, größer (als alles
Vorstellbare).„
Barbara Heyse-Schaefer:
Vielleicht unterscheiden sich Christentum und Islam in diesem Punkt gar nicht so sehr,
wie wir immer denken.
Hebräische wie arabische Worte, also die beiden sprachen aus den das 1. Testament
der christlich-jüdischen Bibel und der Qur’an geschrieben wurden, diese Worte haben
eine ziemliche Bandbreite an Bedeutung: schlagen – trennen. Und das Leben des
Propheten ein Kriterium zum Verständnis des Islam ist. – Ähnlich wie bei Luther, der
meinte, wir müssen die Bibel von dem her lesen, was Christus treibet, und der hat
Frauen nicht diskriminiert.
Ebenfalls gleich ist: Bibel und Qur’an wurden jahrhunderte lang nur von Männer
ausgelegt. Erst in letzter Zeit hat sich da etwas geändert.
Ein Punkt, an dem wir uns aber dennoch unterscheiden, ist die Begründung für die
Gleichwertigkeit von Männern und Frauen.
Die in unserer Bibelstelle genannte Gottebenbildlichkeit: „Und Gott schuf den Menschen
nach seinem Bilde, nach dem Bilde Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau“.
Gemeint ist nicht, dass Gott wie ein Mensch aussieht. Solche Bilder sollen wir uns von
Gott nicht machen. „Bild“ meint hier Gleichheit nicht plastische Nachbildung. Vielmehr
leitet die christl. Theologie von der Gottebenbildlichkeit die Würde und die Gleichwertigkeit der Menschen ab.
„Wie groß immer der Unterschied von Mensch zu Mensch ist, die Gottebenbildlichkeit
ist ihnen allen Charakter, ist ihnen allen gemeinsam: sie ist es, die den Menschen zum
Menschen macht, ihn als Menschen bezeichnet.“, so Leo Baeck, der große jüdischer
Religionsphilosoph.
Dieser Jüdisch-christliche Gedanke ist dem Islam ganz fremd. Warum?
Lise Abid:
Fremd ist dem Islam hier nur die Assoziation mit dem Bild (auch wenn dies im
übertragenden Sinn gemeint ist!). Die Gleichheit und Würde der Menschen wird im
Islam ganz deutlich betont. In Sure 49, Vers 13 heißt es:
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"Oh ihr Menschen, Wir haben euch als Mann und Frau erschaffen und euch zu
Völkern und Stämmen gemacht, auf dass ihr einander kennen möget. Wahrlich, der
Angesehenste von euch vor Allah ist der, welcher der Gottesfürchtigste ist." (49:13)
In seiner berühmten Abschiedsansprache kurze Zeit vor seinem Tod sagte der Prophet
Muhammad:
"Ein Araber ist nicht besser als ein Nicht-Araber, und ein Nicht-Araber ist nicht besser
als ein Araber. Ein Weißer ist nicht einem Schwarzen überlegen, noch ein Schwarzer
einem Weißen. Ihr seid alle Kinder Adams, und Adam wurde aus Erde geschaffen."
(zitiert nach Sahih Muslim, Kitab al-Hadsch)
Muhammad sagte auch: „Die Menschen sind gleich wie die Zähne eines Kammes.“
Wir können daraus entnehmen, dass Menschen – Männer, Frauen, Angehörige
verschiedenster Völker – grundsätzlich gleich in ihrer Menschenwürde sind.
Unterschiede ergeben sich lediglich aus verschiedenen Anlagen und Talenten des
Menschen, und was er oder sie daraus macht (oder in seiner/ihrer jeweiligen Situation
machen kann!). Daraus folgt auch, dass alle Menschen grundsätzlich
Chancengleichheit haben sollen - mehr noch: dass die Benachteiligung nicht nur von
Frauen, sondern ganzer Bevölkerungen auf unserem Globus dem Islam diametral
widerspricht (wenn wir hier über Verteilungsgerechtigkeit sprechen, kommen wir noch
auf ganz andere Themen, die wir diesmal aussparen wollen …).
Die menschliche und religiöse Gleichheit von Mann und Frau kommt sehr schön in
Koran 33/35 zum Ausdruck:
„Die muslimischen Männer und die muslimischen Frauen, die gläubigen Männer und
die gläubigen Frauen, die (Gott) gehorsamen Männer und die (Gott) gehorsamen
Frauen, die wahrhaftigen Männer und die wahrhaftigen Frauen, ........ die
standhaften … demütigen …Almosen spendenden …. Fastenden …. ihre Keuschheit
wahrenden …. Gottes häufig gedenkenden Männer und Frauen … Allah hat ihnen
Vergebung und großen Lohn bereitet.“
Zum Abschluss sei noch Koran 3/195 zitiert:
„Seht, ich lasse das Werk des Wirkenden unter euch, ob Mann oder Frau, nicht
verloren gehen. Die einen von euch sind ja von den anderen.“
Barbara Heyse-Schaefer
Von Gott sind wir gleichwertig geschaffen: Männer und Frauen, Christen und Muslime.
Der Friede Gottes sei mit uns allen.
Amen.
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