Elektrische Leitung von Metallen und Supraleitern

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Doris
Samm 2008
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Elektrische Leitung von Metallen und
Supraleitern
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Der Versuch im Überblick
Legt man an einen Leiter eine elektrische Spannung, so fließt ein elektrischer
Strom. Der Strom I steigt linear mit der Spannung U an, es gilt das wohlbekannte
Ohm’sche Gesetz
I=
1
U .
R
Der Ohm’sche Widerstand R ist eine materialabhängige Konstante und stellt ein
Maß für die Güte der elektrischen Leitung dar.
Der Widerstand hängt nicht nur vom Material ab, sondern auch von der Temperatur des elektrischen Leiters. So sinkt z.B. bei Metallen der Widerstand mit
abnehmender Temperatur. Im Extremfall kann der Widerstand bei sehr tiefen Temperaturen schlagartig zu null werden, der Leiter wird supraleitend.
Der Effekt der Supraleitung wurde bereits im Jahr 1911 von H. KammerlinghOnnes entdeckt. Er untersuchte die elektrische Leitung von Quecksilber und fand,
dass der Widerstand bei einer Temperatur von 4,2 K schlagartig null wird.
Lange hatte man sich mit der Feststellung zufrieden geben müssen, dass es sich bei
der Supraleitung um einen typischen Tieftemperatureffekt handelte. Zur Kühlung
war stets flüssiges Helium notwendig.
In jüngster Zeit fand man komplizierte oxydische Materialien, die bereits bei wesentlich höheren Temperaturen supraleitend werden, Hochtemperatur-Supraleiter
genannt. Der Rekord liegt zur Zeit bei ≈ 165 K.
Um Hochtemperatur-Supraleiter in den supraleitenden Zustand zu überführen,
benötigt man zur Kühlung nicht mehr flüssiges Helium, sondern es genügt der
wesentlich billigere flüssige Stickstoff (Siedetemperatur 77 K).
Da Supraleiter keinen elektrischen Widerstand haben, können Ströme verlustfrei
übertragen werden; eine Eigenschaft, die man zur Erzeugung starker Magnetfelder
nutzt. Beispiele hierzu sind die Ablenkmagnete bei Teilchenbeschleunigern oder die
Magnete zur medizinischen Diagnostik in der Kernspintomographie (Abb. 1).
Supraleiter haben noch andere erstaunliche Eigenschaften. Zum Beispiel verdrängen
Supraleiter vollständig äußere Magnetfelder aus ihrem Innern. Diesen Effekt nutzt
man z.B. bei der japanischen Magnetschwebebahn (Abb. 2).
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Abbildung 1: Magnetfelder richten die Kernspins aus. Beim Umklappen der Kernspins werden Wellen erzeugt, die zu einem Bild des Gewebes führen.
Abbildung 2: Ein äußeres Magnetfeld wird von einem Supraleiter vollständig verdrängt. Er schwebt in einem äußeren Magnetfeld.
Im Rahmen des Praktikumsversuchs sollen Sie die elektrische Leitung eines HochtemperaturSupraleiters im Vergleich zu einem Metall (Kupfer) untersuchen. Die Messungen
im Einzelnen lauten:
1. Messen des Widerstands eines Hochtemperatur-Supraleiters und eines Metalls in Abhängigkeit von der Temperatur.
2. Bestimmung der Sprungtemperatur eines Hochtemperatur-Supraleiters.
3. Messen der kritischen Stromstärke eines Supraleiters.
Weiterhin sollen Sie einen Hochtemperatur-Supraleiter in einem Magnetfeld zum
Schweben bringen und somit den Meißner-Ochsenfeld-Effekt demonstrieren.
Benötigte Kenntnisse: Grundlagen der Mechanik, Grundlagen der Thermodynamik, Grundlagen der Elektrodynamik.
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Grundlagen
Zur Beschreibung der elektrischen Leitung fester Stoffe ist es notwendig, auf das
Modell der Kristallelektronen zurückzugreifen. Dies ist ein kompliziertes Unterfangen, da es fundierte Kenntnisse der Festkörperphysik erfordert.
Es gibt Modelle, die die komplexen Vorgänge bei der elektrischen Leitung vereinfachen, und somit eine mathematische Beschreibung der Leitungsvorgänge ermöglichen. Ein Beispiel ist das Modell des Elektronengases, welches von Drude entwickelt
wurde. Es geht davon aus, dass die Leitungselektronen sich frei im Kristallverband
des Metalls bewegen können, keinen gegenseitigen Wechselwirkungen unterliegen
sondern lediglich Stöße mit den Rumpfionen oder anderen Elektronen durchführen.
Zum tieferen Verständnis der Leitung von Metallen und der Supraleitung benötigt
man fundierte Kenntnisse der Quantenmechanik.
Wir beschränken uns auf eine phänomenologische Beschreibung mit wenigen Vorgriffen auf die Festkörperphysik.
2.1
Das Ohm’sche Gesetz
Leitfähigkeits- und Hallexperimente zeigen, dass der Stromtransport in den meisten
Metallen von den negativ geladenen Elektronen getragen wird.
Legt man an einen elektrischen Leiter eine Spannung U , fließt ein elektrischer
Strom I. Den Zusammenhang zwischen Strom und Spannung gibt das Ohm’sche
Gesetz. Es lautet:
U =R·I
mit R = konst. ,
(1)
wobei die materialabhängige Proportionalitätskonstante R Ohm’scher Widerstand genannt wird.
Die Spannungs-Stromkurve ist eine Gerade, deren Steigung durch den Widerstand
bestimmt wird. Der Widerstand ist konstant und somit unabhängig von der Spannung oder dem wirkenden elektrischen Feld.
Durch Messungen wurde festgestellt, dass der Widerstand R proportional zur
Länge l des Leiters und umgekehrt proportional zur Querschnittsfläche A ist:
R=%
l
,
A
(2)
wobei der spezifische Widerstand % eine materialspezifische Konstante ist.
Das Ohm’sche Gesetz kann man ebenfalls mit Hilfe des elektrischen Feldes darstel~ homogen, gilt für die Spannung eines elektrischen
len. Ist das elektrische Feld E
Leiters der Länge l
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U = El .
(3)
Setzt man Gl. (2) und Gl. (3) in Gl. (1) ein, erhält man die Verknüpfungen des
elektrischen Stroms mit dem Feld:
I=
1
El
= EA .
%l/A
%
(4)
Der reziproke spezifische Widerstand 1/% ist die spezifische elektrische Leitfähigkeit
κ, eingesetzt in Gl. (4) ergibt:
I = κEA .
(5)
Das Resultat zeigt, dass der elektrische Strom proportional zum angelegten elektrischen Feld ist. Der spezifische Widerstand bzw. die spezifische Leitfähigkeit sind
materialabhängige Konstanten und unabhängig vom elektrischen Feld.
Das Ohm’sche Gesetz ist ein rein phänomenologisch gefundenes Gesetz. Es erklärt z.B. nicht, warum Materialien wie Kupfer oder Silber dem Ohm’schen Gesetz
gehorchen. Auch macht es keine Aussage über die Temperaturabhängigkeit der
elektrischen Leitung.
Im folgenden Abschnitt wird ein Modell zur Erklärung der elektrischen Leitung
beschrieben.
2.2
Die klassische Elektronentheorie nach Drude
Das erste mikroskopische Modell zur Erklärung der elektrischen Leitung wurde im
Jahre 1900 von P. Drude vorgeschlagen und von H. Lorentz weiterentwickelt. Es
basiert in Analogie zum idealen Gas auf folgenden Annahmen:
• Ein elektrischer Leiter ist ein dreidimensionales Ionengitter.
• Die Elektronen bewegen sich wie ein freies Elektronengas.
• Die freien Elektronen befinden sich mit den Gitterionen in einem thermodynamischen Gleichgewicht.
Mit Hilfe dieses Modells ist es möglich, die zunächst nur experimentell bestimmbare
Konstante % auf mikroskopische Eigenschaften des Leiters zurück zu führen.
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2.2.1
5
Die Driftgeschwindigkeit
Aufgrund der Temperatur sind die Elektronen immer in Bewegung, auch wenn kein
elektrisches Feld wirkt. Wegen der thermischen Bewegung tauschen die Elektronen
durch Stöße ständig Energie und Impuls aus.
Die Richtungen der thermischen Geschwindigkeiten der einzelnen Elektronen sind
statistisch verteilt, also rein zufällig. Somit ist die mittlere Geschwindigkeit (addiert über die Geschwindigkeitsvektoren) null. Da es keine gerichtete Bewegung
der Elektronen gibt, fließt auch kein Strom.
Abbildung 3: a) Ohne Feld: Die Temperatur bewirkt eine rein zufällige Bewegung.
b) Mit Feld: Das elektrische Feld führt zu einer resultierenden Driftbewegung.
Anders ist es, wenn ein äußeres elektrisches Feld an den Leiter gelegt wird. Das
Feld beeinflusst die Bahnkurve der Ladungsträger. Auf die Elektronen der Masse
m wirkt die Kraft
~ .
F~ = m~a = q E
(6)
Die Elektronen werden in Richtung des positiven Pols beschleunigt. Der thermischen Geschwindigkeit vth wird durch das Feld eine gerichtete Geschwindigkeit vE
überlagert. Das Resultat ist, dass die Elektronen eine konstante gerichtete Geschwindigkeitskomponente antiparallel zum wirkenden Feld erhalten. Es fließt ein
elektrischer Strom.
Obwohl die Elektronen ständig durch das elektrische Feld beschleunigt werden, ist
ihre Geschwindigkeit im Mittel konstant. Warum?
Die Antwort ist, dass der beschleunigenden Kraft eine geschwindigkeitsabhängige
Reibungskraft entgegenwirkt, die durch Stöße mit anderen Elektronen bzw. den
schwingenden Gitteratomen hervorgerufen wird. Die Geschwindigkeit vE nimmt
solange zu, bis sich Beschleunigungs- und Reibungskraft kompensieren und sich
ein stationärer Zustand einstellt.
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Abbildung 4: Die Elektronen verlieren bei den Stößen vollständig ihre Energie.
Zur quantitativen Erklärung der elektrischen Leitfähigkeit machen wir folgende
Annahmen:
• Zwischen zwei Stößen bewegen sich die Elektronen auf geraden Bahnen, ohne
von den positiv geladenen Ionen beinflusst zu werden.
• Die Stöße erfolgen abrupt und die Elektronen ändern dabei schlagartig ihre
Bewegungsrichtung.
• Bei einem Stoß verlieren die Elektronen die Energie, die sie bis dahin aus
dem elektrischen Feld gewonnen haben.
• Die mittlere Wegstrecke, die die Elektronen zwischen zwei Stößen zurücklegen, die sogenannte mittlere freie Weglänge λ, ist von der Größenordnung
des Ionenabstands.
Nun können wir Gleichung (6) nutzen. Sie liefert uns die Beschleunigung, die zwischen zwei Stößen wirkt. Für den Betrag der Beschleunigung gilt:
a=
qE
.
m
(7)
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Die mittlere Zeit zwischen zwei Stößen nennt man mittlere Stoßzeit τ . Während
dieser Zeit wirkt die konstante Beschleunigung, und die Elektronen haben nach der
mittleren Stoßzeit die mittlere Geschwindigkeit < vE >:
< vE >=
eE
τ .
m
(8)
Da die mittlere thermische Geschwindigkeit null ist
< vth >= 0 ,
wird das kollektive Driften der Elektronen, Driftgeschwindigkeit vD genannt, nur
durch den Feldanteil bestimmt
vD =< vE >=
qE
τ .
m
(9)
Durch Einführen einer neuen Konstanten, der Beweglichkeit µ = vD /E, kann man
Gleichung (9) umschreiben zu
vD = µE .
(10)
Die Beweglichkeit ist somit die Driftgeschwindigkeit bezogen auf das elektrische
Feld.
Mit Hilfe des gewonnenen Ausdrucks für die Driftgeschwindigkeit können wir den
spezifischen Widerstand durch bekannte mikroskopische Größen ausdrücken, wie
im nächsten Abschnitt gezeigt wird.
2.2.2
Mittlere Stoßzeit und spezifischer Widerstand
Zur Beschreibung des spezifischen Widerstands über bekannte mikroskopische Größen
betrachten wir einen Leiter der Querschnittsfläche A (Abb. 5).
Durch den Leiter bewegen sich die Ladungsträger der Dichte n = N/V mit der
Driftgeschwindigkeit vD . In einem Zeitintervall ∆t driften die Ladungen im Volumen Avd ∆t durch die Querschnittsfläche A. Für die Zahl N der Ladungsträger im
Volumen V gilt:
N = nV = nAvD ∆t .
(11)
Damit gilt für die Gesamtladung ∆Q:
∆Q = enAvD ∆t.
(12)
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Abbildung 5: Schematische Darstellung eines Leiterstücks der Querschnittsfläche
A.
Dividiert man Gl. (12) durch ∆t und ersetzt die Ladung q durch die Elementarladung e folgt für den Strom
I=
∆Q
= neAvD .
∆t
(13)
Ersetzt man die Driftgeschwindigkeit durch Gl. (9) erhält man
I=
ne2 τ
EA .
m
(14)
Durch Koeffizientenvergleich mit dem Ohm’schen Gesetz (Gl. (4)) erhält man für
den spezifischen Widerstand
%=
m
.
ne2 τ
(15)
Der spezifische Widerstand ist nach dem Ohm’schen Gesetz konstant, unabhängig
vom elektrischen Feld. Dies muss aus Gl. (15) erkennbar sein.
Die Masse, die Teilchendichte und die elektrische Ladung lassen sich offensichtlich
nicht durch ein elektrisches Feld beeinflussen.
Aber wie ist es mit der Stoßdauer? Sie müsste durch ein größeres Feld und somit einer größeren Beschleunigung geändert werden. Dies ist aber nicht der Fall!
Warum?
Die mittlere Zeit, die zwischen zwei Stößen vergeht, wird nicht durch die Driftgeschwindigkeit sondern durch die thermische Geschwindigkeit bestimmt. Da die
thermische Geschwindigkeit aber deutlich größer ist, verglichen mit der Driftgeschwindigkeit, hat selbst ein starkes elektrisches Feld keinen nennenswerten Einfluss auf die mittlere Stoßzeit.
Zusammenfassend können wir somit festhalten:
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• Der spezifische Widerstand % kann durch mikroskopische Größen quantitativ
angegeben werden.
• Der spezifische Widerstand % ist unabhängig vom elektrischen Feld.
Die theoretische Berechnung von spezifischen Widerständen ist somit möglich. Nun
ist die mittlere Zeit zwischen zwei Stößen nicht leicht zu messen. Man kann den
spezifischen Widerstand alternativ mit Hilfe der mittleren freien Weglänge berechnen.
2.2.3
Mittlere freie Weglänge und spezifischer Widerstand
Die mittlere freie Weglänge λ wird durch das Produkt aus der thermischen mittleren Geschwindigkeit < vth > und der mittleren Zeit zwischen zwei Stößen τ
bestimmt
λ =< vth > τ .
(16)
Damit erhält man für den spezifischen Widerstand
%=
m < vth >
.
ne2 λ
(17)
Die mittlere freie Weglänge kann man berechnen, wenn man die Ausdehnung des
Elektrons vernachlässigt und unterstellt, dass die Bahnkurven geradlinig sind.
Unter diesen Annahmen kollidiert ein Elektron mit einem Ion, falls der Abstand
zwischen Elektron und Ion dem Radius r des Ions entspricht. Im Zeitintervall t legt
das Elektron die Strecke vt zurück und kollidiert mit allen Ionen im zylindrischen
Volumen V = πr2 vt (Abb. 6).
Im Volumen V befinden sich nπr2 vt Ionen, wobei n die Ionendichte ist. Die gesamte
zurückgelegte Weglänge dividiert durch die Zahl der Stöße ist gleich der mittleren
freien Weglänge. Somit erhält man für die mittlere freie Weglänge
λ=
2.2.4
1
vt
=
.
nπr2 vt
nπr2
(18)
Temperatur und spezifischer Widerstand
Für den spezifischen Widerstand folgt, wenn man Gl (18) in Gl. (17) einsetzt
mπr2
%=
·
e2
s
8kT
.
m
(19)
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Abbildung 6: Elektron kollidiert mit den Ionen im Metallgitter.
Der spezifische Widerstand ist somit proportional zur mittleren thermischen Geschwindigkeit. Es ist also so, dass die thermische Geschwindigkeit und nicht die
Driftgeschwindigkeit den spezifischen Widerstand bestimmt.
Somit liegt die Vermutung nahe, dass die Ursache der Temperaturabhängigkeit der
elektrischen Leitung mit der Temperaturabhängigkeit der thermischen Geschwindigkeit gekoppelt ist.
Führt man die Analogie zum idealen Gas weiter durch, kann man die Maxwell’sche
Geschwindigkeitsverteilung eines idealen Gases auf das Elektronengas anwenden.
Für die mittlere Geschwindigkeit von Gasen gilt (ohne Beweis)
s
< vth >=
8kT
,
m
(20)
mit k der Boltzmannkonstanten und T der absoluten Temperatur.
Eingesetzt in Gleichung (19) ergibt sich
mπr2
%=
·
e2
s
8kT
.
m
(21)
Der spezifische Widerstand sollte proportional zur Wurzel der Temperatur sein.
Wenn Sie den Praktikumsversuch durchführen, werden Sie aber feststellen, dass
dieser Zusammenhang nicht stimmt.
Was ist falsch gelaufen? Man muss im Rahmen der Festkörperphysik die Quantenmechanik nutzen, die klassische Physik reicht nicht mehr zur Beschreibung aus.
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Ein wesentlicher Aspekt der Quantenmechanik ist, dass - im Gegensatz zu den
Gasatomen - nicht beliebig viele Elektronen in einem gebundenen System dieselbe
Energie haben können. Man darf somit nicht die Geschwindigkeitsverteilung der
Gase auf die der Elektronen übertragen.
Im Folgenden werden wir uns nur auf die Beschreibung der Effekte beschränken,
ein quantitatives Hinterfragen ist nicht mehr möglich.
2.3
Temperaturabhängigkeit der elektrischen Leitung
Man findet quantitativ, dass bei reinen Metallen der spezifische Widerstand unterhalb einer bestimmten Temperatur - Debye-Temperatur ΘD genannt - zunimmt
gemäß
%(T ) ∼ T 5 .
(22)
Oberhalb von ΘD , und damit im Bereich der Raumtemperatur, ist der spezifische
Widerstand proportional zur Temperatur
%(T ) = %(ΘD )
T
ΘD
für T > ΘD ,
(23)
wobei %0 (ΘD ) der spezifische Widerstand bei der Debye-Temperatur ist.
Bei realen Kristallen muss dem spezifischen Widerstand des reinen Kristalls % ein
temperaturunabhängiger Restwiderstand %R hinzugefügt werden (Abb. 7). Es gilt
%ges (T ) = %R + %(T ) = %R +
%(ΘD )T
.
ΘD
(24)
Abbildung 7: Temperaturverlauf des spezifischen Widerstands.
Der Restwiderstand macht sich erst bei sehr tiefen Temperaturen bemerkbar (< 10
K).
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Im Bereich der Raumtemperatur als Bezugstemperatur T0 (T0 = 293 K) kann die
Temperaturabhängigkeit des spezifischen Widerstands metallischer Leiter vereinfacht mit Hilfe des Temperaturkoeffizienten α beschrieben werden
%(T ) = %(T0 )(1 + α(T − T0 )).
(25)
Für z.B. Kupfer gilt
αCu = 3, 9 · 10−3 K−1 .
2.4
Supraleiter
Einige Metalle, Legierungen, Halbleiter oder Keramiken zeigen bei tiefen Temperaturen einen von Abb. 7 abweichenden Widerstandsverlauf: Ihr Widerstand bricht
bei einer charakteristischen Temperatur, der sogenannten kritischen Temperatur TC (auch Sprungtemperatur genannt), auf null zusammen (Abb. 8). Diesen
Zustand nennt man Supraleitung.
Abbildung 8: (a) Schematischer Verlauf des spezifischen Widerstands als Funktion der Temperatur. (b) Originalmesskurve von Quecksilber, gemessen von
Kammerlingh-Onnes im Jahr 1911.
Die höchsten Sprungtemperaturen erreicht man mit Legierungen. So werden supraleitende Spulen z.B. aus Nb3 Sn hergestellt. Andere Beispiele für supraleitende Materialien sind komplizierte oxydische Materialien wie Y1 Ba2 Cu3 O3+x , auch
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Ybacu“ genannt, mit Sprungtemperaturen um 90 K. Der Rekord liegt heute bei
”
≈ 165 K. Damit genügt der wesentlich billigere flüssige Stickstoff (Siedetemperatur 77 K) zur Kühlung, um den supraleitenden Zustand zu erreichen, und somit
besteht die Möglichkeit, die Supraleitung mit Hilfe eines Praktikumsversuchs zu
untersuchen.
Supraleiter zeichnen sich durch folgende Eigenschaften aus:
1. Unterhalb einer materialabhängigen Sprungtemperatur TC haben die Stoffe keinen messbaren Widerstand mehr.
2. Im Zustand der Supraleitung werden äußere Magnetfelder vollständig aus
dem Supraleiter herausgedrängt. Diesen Effekt nennt man
Meißner-Ochsenfeld-Effekt.
3. Im Zustand der Supraleitung haben die Stoffe eine vernachlässigbare Wärmeleitung.
Wir wollen nun versuchen die Punkte 1. und 2. etwas genauer zu verstehen.
2.4.1
Die kritische Temperatur
Zur Erklärung der Supraleitung ziehen wir uns auf einfache modellhafte Vorstellungen zurück.
Die Frage ist zunächst: Wieso zeigen sich die Elektronen so wenig beeindruckt
von den Coulombkräften, die durch die anderen Elektronen bzw. die Ionenrümpfe
wirken? Es muss etwas mit den Elektronen passieren, damit das Kristallgitter für
Elektronen noch durchlässiger wird, als es bei guten metallischen Leitern ohnehin
schon der Fall ist. Dort hatten wir ja gesehen, dass sich die Elektronen untereinander nicht beeinflussen, sondern nur durch die Gitterionen eine Streuung erfahren.
Was tun die Elektronen, damit die Störungen durch das Gitter nicht wirksam
werden? Sie erreichen dies durch Verkopplung von jeweils zwei Elektronen zu einer
Art Zwei-Elektronen-Verbindung, den sogenannten Cooper-Paaren.
Durch ihre Bildung geht das Gesamtsystem in einen energetisch niedrigeren Zustand über. Wie aber kann dies geschehen? Schließlich sind die Elektronen gleichnamig geladen, und die wirkenden abstoßenden Coulombkräfte müssten jede Bindung
zwischen Elektronen verhindern.
Folgende Vorstellung hat sich durchgesetzt: Die Bindung der Elektronen kommt
durch die Wechselwirkung mit dem Gitter der positiven Atomrümpfe zustande
(Abb. 9). In der Nachbarschaft eines Elektrons werden die Ionen ein wenig zum
Elektron hingezogen, das Gitter wird verzerrt: Es wird polarisiert. Das zweite Elektron spürt diese Verzerrung und wird dadurch an das erste gebunden (Abb. 10).
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Abbildung 9: Durch die Coulombkräfte zwischen den positiven Gitterionen und den
Elektronen wird das Gitter verzerrt.
Abbildung 10: Durch die Verzerrung des Gitters werden zwei Elektronen gebunden.
Es passiert somit Erstaunliches: Im Elektronensystem eines Supraleiters werden je
zwei Elektronen mit entgegengesetztem Impuls p~ und entgegengesetztem Eigendrehimpuls (= Spin) miteinander verkoppelt.
Die quantenmechanische Konsequenz dieser Verkopplung ist drastisch: Alle CooperPaare müssen in allen physikalischen Eigenschaften übereinstimmen:
• Alle Cooper-Paare besitzen den gleichen Spin, und zwar ist der Gesamtspin
des Cooper-Paares null.
• Alle Cooper-Paare besitzen den gleichen Impuls, nämlich ebenfalls null, da
die beiden Elektronen jeweils Impulse des gleichen Betrags aber entgegengesetzter Richtung besitzen.
• Alle Elektronen besitzen die gleiche Energie. Dies ist sehr erstaunlich, denn
es gibt eine Regel für gebundene Elektronen (z. B. in einem Atom): Für Spin
1/2 Teilchen gilt das Pauli-Verbot. Dieses besagt, dass sich die Elektronen
durch mindestens eine Quantenzahl voneinander unterscheiden müssen. Eine
der Quantenzahlen - die Hauptquantenzahl - betrifft die Energie. Es kann
somit nicht sein, dass alle Elektronen dieselbe Energie haben.
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Da aber Cooper-Paare den Gesamtspin null haben (Abb. 11), somit keine
Fermionen, also keine Teilchen mit Spin (genauer Spinquantenzahl) 1/2 sind,
gilt hier das Pauli-Verbot nicht! Dies hat zur Konsequenz, dass alle CooperPaare in den energetisch tiefsten Zustand übergehen.
Abbildung 11: Cooper-Paare bestehen aus zwei gebundenen Elektronen mit entgegengesetztem Spin.
Wird nun an einem Leiter mit diesen Ladungsträgern ein äußeres elektrisches Feld
angelegt, werden die Cooper-Paare beschleunigt und zwar erfahren alle die gleiche
Beschleunigung. Ein Paar allein kann nicht mit dem Gitter der Ionen wechselwirken und mit ihm Impuls oder Energie austauschen, ohne aus dem Verband
auszubrechen und somit seinen Sonderstatus als Cooper-Paar zu verlieren. Das
aber hat zur Konsequenz, dass keines der Paare mit dem Gitter wechselwirken
kann, wenn nicht die Energie zum Aufbrechen der Paare bereitgestellt wird: Das
Material wird supraleitend.
In mathematischer Schreibweise gilt das Ohm’sche Gesetz in sehr einfacher Form:
~
~ = 1 ·E
~j = κ · E
%
mit κ = ∞ bzw. % = 0 .
(26)
Damit wird aber auch ein weiterer experimentell beobachteter Effekt verständlich.
Man kann in einem Supraleiter kein magnetisches Feld erzeugen. Wir kommen
somit zum 2. Punkt.
2.4.2
Der Meissner-Ochsenfeld-Effekt
Zur Erklärung des Herausdrängens magnetischer Felder betrachten wir eine zylindrische supraleitende Probe (Abb. 12).
~ a ein, entstehen per Induktion sofort SupraleiterSchaltet man ein äußeres Magnetfeld B
Ringströme ISL , die nach der Lenzschen Regel so gerichtet sind, dass ihr Magnet~ SL das B
~ a im Inneren zu kompensieren versucht. Da die Supraströme in ihrer
feld B
Stärke im Innern des Leiters nicht nachlassen, bleibt diese Kompensation perfekt:
Das Innere des Leiters bleibt feldfrei:
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Abbildung 12: Ein äußeres Magnetfeld wird durch Gegenfelder herausgedrängt, welche durch Induktion entstehen.
~m = B
~a + B
~ SL = 0 .
B
(27)
In diesem Sinne sind Supraleiter perfekte Diamagnete, sie besitzen die kleinstmögliche Permeabilität, nämlich null.
Der Meissner-Ochsenfeld-Effekt führt dazu, dass Supraleiter über einem Magneten
schweben (Abb. 13).
Abbildung 13: Ein Supraleiter schwebt über einem Permanentmagneten.
Supraleitung und Diamagnetismus sind nicht unabhängig voneinander. Oberhalb
einer materialspezifischen kritischen Flussstärke BC bricht die Supraleitung zusammen. In Abb. 14 ist das magnetische Feld Bm als Funktion des äußeren Feldes
Ba schematisch dargestellt. Bei nicht allzu großen äußeren Feldern wird das Feld
im Innern des Supraleiters exakt auf null kompensiert. Ab einer bestimmten kritischen Feldstärke BC schafft der Supraleiter die Kompensation nicht mehr und
geht in den normalleitenden Zustand über. Das äußere Feld kann ins Innere eindringen. Dann gilt
Ba = Bm .
(28)
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Abbildung 14: Magnetfeld im Innern eines Supraleiters.
Bei Supraleitern 1. Art geht das Material beim Erreichen eines kritischen äußeren Feldes sprunghaft in den normalleitenden Zustand über. Bei einem Supraleiter
2. Art erfolgt ein allmähliches Eindringen des äußeren Magnetfeldes (Abb. 15).
Abbildung 15: Beim Supraleiter zweiter Art dringt ein äußeres Magnetfeld
allmählich in den Supraleiter ein.
Die Supraleitung kann nicht nur durch äußere magnetische Felder zerstört werden,
sondern auch durch die Felder, die ein supraleitender Strom selbst erzeugt: Ab
einer bestimmten kritischen Stromstärke ist das magnetische Feld so groß, dass
der Supraleiter selbst seine Supraleitung zerstört (Abb. 16).
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Abbildung 16: Beim Überschreiten einer kritischen Stromstärke wird der Supraleiter normalleitend.
3
Versuchsanordnung
Bei der Durchführung des Versuchs werden Sie mit zwei Versuchsanordnungen
konfrontiert. Die Versuchsanordnung 1 ist in Abb. 17, Versuchsanordnung 2 ist in
Abb. 18 dargestellt.
Abbildung 17: Anordnung 1 zur Untersuchung der Temperaturabhängigkeit des
elektrischen Widerstands.
Versuchsanordnung 1 besteht aus einem Hochtemperatur-Supraleiter mit integriertem Thermoelement und einem Messadapter, der den Widerstand und die Temperatur als analoge Signale ausgibt. Über eine Schnittstelle werden die analogen
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Abbildung 18: Anordnung 2 zur Untersuchung der Temperaturabhängigkeit des
elektrischen Widerstands.
Signale in digitaler Form an einen Computer weitergeleitet. Der Monitor dient zur
Darstellung des Widerstands als Funktion der Temperatur. Der Supraleiter wird
in der Experimentierwanne mit flüssigem Stickstoff gekühlt.
Die zweite Versuchsanordnung besteht aus verschiedenen Leiterproben mit integrierten Thermoelementen, einem sogenannten Betriebsgerät, das den Widerstand
und die zugehörige Temperatur anzeigt, sowie einer Experimentierwanne, in der
die Proben mit flüssigem Stickstoff gekühlt werden.
Zu beiden Versuchsanordnungen gehören Schutzbrillen und Handschuhe.
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Versuchsdurchführung
Sie sollen das Verhalten des elektrischen Widerstands von Kupfer und einem HochtemperaturSupraleiter in Abhängigkeit von der Temperatur untersuchen. Weiterhin soll die
kritische Stromstärke eines Supraleiters gemessen und der Meißner-OchsenfeldEffekt durch einen schwebenden Magneten demonstriert werden.
Beachten Sie unbedingt die folgenden
Sicherheitshinweise!
Sie müssen bei diesem Versuch mit flüssigem Stickstoff (-196◦ C) arbeiten. Zu
Ihrer Sicherheit ist es daher notwendig, dass Sie bei der Versuchsdurchführung
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eine Schutzbrille tragen. Beim Umfüllen des Stickstoffs benutzen Sie unbedingt die
bereitgestellten Handschuhe. Beachten Sie genau die von Ihrem Betreuer
gegebenen Anweisungen! Achten Sie auf eine gute Durchlüftung des
Praktikumsraums.
4.1
Sprungtemperatur eines Supraleiters
Sie können sowohl mit Anordnung 1 als auch mit Anordnung 2 die Sprungtemperatur eines Hochtemperatur-Supraleiters bestimmen. Die Temperaturabhängigkeit
des Widerstands von Kupfer und die Bestimmung des kritischen Stroms müssen
Sie mit Hilfe der Versuchsanordnung 2 messen.
4.1.1
Messung mit Versuchsanordnung 1
Zur Messung der Sprungtemperatur wird der Versuch gemäß Abb. 17 aufgebaut.
Abbildung 19: Widerstand mit Experimentierwanne (links) und Anschlüsse des
Widerstands an den Messadapter und die Schnittstelle (rechts).
Der Supraleiter wird in die mit flüssigem Stickstoff gefüllte Experimentierwanne
eingetaucht (Abb. 19). Die Probe kühlt ab und der Widerstand wird als Funktion
der Temperatur auf dem Monitor dargestellt. Speichern Sie nach dem Erreichen der
Sprungtemperatur die Daten auf Diskette und drucken Sie die Daten zum Verlauf
des Widerstands als Funktion der Temperatur aus. Fragen Sie zur technischen
Durchführung Ihren Betreuer.
Bestimmen Sie die Sprungtemperatur.
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4.1.2
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Messung mit Versuchsanordnung 2
• Zur Messung der Sprungtemperatur eines Hochtemperatur-Supraleiters wird
der Versuch gemäß Abb. 18 aufgebaut. An das Betriebsgerät wird die (sogenannte) R(T )-Probe angeschlossen. Sie wird mit dem Kopfende in die Experimentierwanne eingetaucht (Abb. 20).
Abbildung 20: Der Supraleiter in der Experimentierwanne mit dem Betriebsgerät
zur Anzeige der Temperatur und des Widerstands.
• Schalten Sie das Betriebsgerät ein.
• Füllen Sie die Kammern der Experimentierwanne vorsichtig bis zum Rand
mit flüssigem Stickstoff. (Der Betreuer muss bei diesem Vorgang und
jedem weiteren Nachfüllen unbedingt anwesend sein!) Warten Sie
etwa 5 Minuten, der supraleitende Zustand ist aus dem angezeigten Widerstandswert von 0,000 mΩ ersichtlich. (Abweichungen von wenigen Digits sind
möglich.)
• Ergänzen Sie eventuell durch Nachfüllen den für den Abkühlvorgang verbrauchten flüssigen Stickstoff.
• Ziehen Sie vorsichtig die Probe soweit aus der Wanne, bis der Supraleiter
sich dicht oberhalb der Stickstoffoberfläche befindet. Die Vergleichslötstelle des Thermoelements im Fuß der Probe muss in den flüssigen Stickstoff
eintauchen.
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• Während der nun eingeleiteten Erwärmungsphase wird der Probenwiderstand
als Funktion der Temperaturdifferenz ∆T gemessen und am Betriebsgerät
angezeigt. Beim Erreichen einer Differenz von etwa 50 K wird die Messung
beendet.
4.2
Widerstand von Kupfer als Funktion der Temperatur
Die Temperaturabhängigkeit von Kupfer messen Sie mit Hilfe der Anordnung 2
(Abb. 18).
Die Messung wird, genau wie unter Abschnitt 4.1.2 beschrieben, durchgeführt.
Allerdings verwenden Sie hier die Cu-Probe.
4.3
Bestimmung der kritischen Stromstärke
Dieser Versuch wird mit Hilfe der Anordnung 2 durchgeführt.
• Schließen Sie die (sogenannte) U (I)-Probe an das Betriebsgerät an. Der übrige Aufbau entspricht dem von Abb. 18.
• Füllen Sie die Experimentierwanne mit flüssigem Stickstoff und warten Sie
ca. 5 Minuten, bis die Probe abgekühlt ist und die rechte Anzeige 0,000 mV
anzeigt.
• Starten Sie den linear anwachsenden Strom I durch Drücken der Taste Start/Stop
am Betriebsgerät.
• Beobachten Sie den Spannungsabfall auf dem rechten Display. Trotz der ansteigenden Stromstärke bleibt der Spannungsabfall an der supraleitenden
Probe unverändert beim Wert null.
• Sobald der Spannungsabfall abrupt ansteigt, ist die kritische Stromstärke
erreicht; den Wert müssen Sie protokollieren.
Diskutieren Sie Ihre Messwerte und geben Sie den Fehler der Messwerte an. Vergleichen Sie (soweit möglich) Ihre Messwerte mit den Literaturwerten. Diskutieren Sie
insbesondere, ob die Drude-Theorie oder die quantenmechanische Theorie durch
Ihre Messungen bestätigt wird.
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