Matthias Tröltzsch, Markus Tröltzsch, Stefanie Kriegelstein ALLGEMEINMEDIZIN Prostatakarzinom – die häufigste bösartige Neubildung beim Mann Ein Überblick über Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Prognose Indizes Prostatakarzinom, PSA-Screening, bildgebende Verfahren, Prostatastanzbiopsie, radikale Prostatektomie Zusammenfassung Das Prostatakarzinom ist der häufigste maligne Tumor des Mannes. Es wird geschätzt, dass etwa die Hälfte aller Männer über 50 Jahre histologisch bereits an einem Prostatakarzinom erkrankt sein könnte. Sensitive Früherkennungsuntersuchungen ermöglichen in vielen Fällen eine rechtzeitige Behandlung und eine günstige Prognose der Erkrankung. Durch schonende Behandlungstechniken und effektive Rehabilitationsmaßnahmen können die eventuellen Nebenwirkungen der Therapie wie Inkontinenz und Impotenz gering gehalten und gut behandelt werden. Einleitung und Epidemiologie Praxis Dr. Dr. V. Tröltzsch Maximilianstraße 5 91522 Ansbach E-Mail: [email protected] Markus Tröltzsch Dr. med. Dr. med. dent. Assistenzarzt Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie der Ruhr-Universität Bochum Knappschaftskrankenhaus Bochum-Langendreer Stefanie Kriegelstein Dr. med. Seit etwa 20 Jahren ist das Prostatakarzinom der häufigste bösartige Tumor des Mannes2. Mit einer Inzidenz von fast 60.000 Erkrankungsfällen pro Jahr liegt das Karzinom in der Häufigkeit des Auftretens vor bösartigen Neubildungen des Darmes und der Lunge2,21 (Abb. 1). Autopsiestudien lassen vermuten, dass bei fast der Hälfte aller Männer über 50 Jahre histologisch bösartige Veränderungen in der Prostata vorliegen und dass die Zahl der Betroffenen im höheren Lebensalter weiter ansteigt2. Die hohe Inzidenz des Prostatakarzinoms kann zum einen durch dessen große biologische Häufigkeit, zum anderen aber auch durch die sensitiven Früherkennungsuntersuchungen mit Bestimmung des prostataspezifischen Antigens (PSA) im Serum erklärt werden2,15,22. Bei PSA handelt es sich um ein Enzym, das sowohl in benignen als auch in malignen Drüsenzellen der Prostata exprimiert wird26. Eine PSA-Erhöhung ist nicht unbedingt spezifisch für eine maligne Erkrankung, da es auch als interindividueller Normunterschied bei der benignen ProstatahyQuintessenz 2012;63(6):795–800 Matthias Tröltzsch Dr. med. dent., cand. med. Assistenzärztin Zentrum für Fuß- und Sprunggelenkschirurgie Schön Klinik München Harlaching 795 ALLGEMEINMEDIZIN Prostatakarzinom – die häufigste bösartige Neubildung beim Mann perplasie, der Prostatitis und anderen Erkrankungen zu einer solchen Erhöhung kommen kann5. Der große Nutzen des PSA-Screenings für die Senkung der Mortalität des Prostatakarzinoms scheint jedoch trotz kritischer Beurteilung in der letzten Zeit15 in neuesten Studien bewiesen23. Risikofaktoren, Früherkennung und Diagnostik Für das Prostatakarzinom wurden zwei Hauptrisikofaktoren identifiziert. Neben dem fortgeschrittenen Alter des Mannes spielt die familiäre Belastung offenbar die Hauptrolle bei der Entstehung des Karzinoms2. Da das Prostatakarzinom über einen langen Zeitraum asymptomatisch wächst8, stellen klinische Symptome wie Harnverhalt, Hämaturie oder Schmerz Spätsymptome dar22. Folglich ist die Vorsorgeuntersuchung, die die digital-rektale Untersuchung (DRU), die PSA-Bestimmung im Serum und eventuell eine Ultra- Bauchspeicheldrüse 3% Hoden 2% Leukämie 2% Speiseröhre 2% schalluntersuchung beinhaltet, die einzige effektive Möglichkeit, einen bösartigen Tumor frühzeitig zu erkennen22,25. Sollten diese Untersuchungen die Grundlage für einen Verdacht auf ein Malignom liefern, so müssen sich zusätzliche diagnostische Schritte anschließen22. Neben weiteren Ultraschalluntersuchungen (mit nur geringer Aussagekraft) hat sich in letzter Zeit die Magnetresonanztomographie (MRT) als bildgebendes Verfahren mit guter Sensitivität und Spezifität durchgesetzt13,14. Zur endgültigen histologischen Sicherung der Diagnose ist stets eine Prostatastanzbiopsie durchzuführen14,22. Hierbei wird heute in der Regel ultraschallgesteuert eine unterschiedliche Anzahl an Stanzbiopsien aus der Prostata entnommen22. Sollte sich dabei ein Prostatakarzinom bestätigen, muss die Tumorausbreitung im Körper durch Staginguntersuchungen festgestellt werden18,22. Die Anatomie der Prostataloge und die bevorzugten Orte der Tumorentstehung sind in Abbildung 2 dargestellt. Andere 3% Melanom der Haut 3% Non-Hodgkin-Lymphome 3% Mundhöhle und Rachen 3% Prostata 27 % Niere 5% Magen 5% Darm 17 % Harnblase 10 % Lunge 15 % Abb. 1 Inzidenzen bösartiger Tumorerkrankungen des Mannes21 796 Quintessenz 2012;63(6):795–800 ALLGEMEINMEDIZIN Blase Ha rnr 2 Re ktu m Prostatakarzinom – die häufigste bösartige Neubildung beim Mann 3 1 öhr e Anus Abb. 2 Anatomie der Prostataloge mit möglichem Ort der Tumorentstehung (rote Markierung). 1 = Prostata, 2 = Samenblase, 3 = Kreuzbein Therapeutische Ansätze und Prognose In vielen Fällen ermöglicht die frühe Diagnose des Prostatakarzinoms eine Therapie noch im lokal begrenzten Stadium23. Als lokal begrenzt wird ein Karzinom bezeichnet, das weder die Samenblasen infiltriert noch die Prostatakapsel überschritten hat und klinisch keine nachweisbaren Lymphknoten- oder Fernmetastasen aufweist18. In diesen Fällen kann in kurativer Absicht behandelt werden18. Neben der Operation stehen auch Techniken der Strahlentherapie zur Verfügung1,3,4,7,16,17. Ziel der operativen Therapie ist die Durchführung einer radikalen Prostatektomie. Dabei werden die Prostata, die anhängigen Samenblasen und die lokoregionären Lymphknoten entfernt18. Neben der offen operierten radikalen Prostatektomie lassen sich noch laparoskopische Methoden und roboterassistierte Verfahren einsetzen1,3,7,12,16. Sowohl die onkologische Sicherheit als auch das Nebenwirkungsspektrum sind bei den genannten Verfahren ähnlich1. Als weiterer kurativer BehandQuintessenz 2012;63(6):795–800 Skrotum lungsansatz kommt die perkutane Strahlentherapie oder die lokale Strahlentherapie (Brachytherapie) durch Implantation sogenannter Seeds in Frage4,17. Während beide Therapiemodalitäten gute Langzeitergebnisse liefern, scheint die operative Therapie gerade bei Hochrisikotumoren (Tumoren mit schlechter histologischer Differenzierung und großer Ausdehnung) zu einem etwas besseren Langzeitüberleben zu führen als die Strahlentherapie27. Hauptnebenwirkungen aller kurativen Behandlungen sind Funktionsstörungen des Darms, Harninkontinenz und Impotenz18,19. Trotz schonender Technik scheinen Inkontinenz und Impotenz nach radikaler Operation initial etwas häufiger aufzutreten als nach Strahlentherapie. Diese Zahlen nähern sich aber in der Langzeitbeobachtung einander immer mehr an, so dass nach 5 Jahren die genannten Nebenwirkungen fast in gleicher Häufigkeit bei beiden Therapieansätzen zu finden sind19. Nach aktuellem Wissensstand führt die frühzeitige Therapie unmittelbar nach der Diagnose zu einem 797 ALLGEMEINMEDIZIN Prostatakarzinom – die häufigste bösartige Neubildung beim Mann Abb. 3 Panoramaschichtaufnahme mit osteoplastischer Metastase im rechten Kiefergelenkköpfchen24 besseren Langzeitüberleben als eine abwartende Haltung, bei der trotz gesicherten Karzinoms erst im Fall einer Tumorprogression eine Therapie eingeleitet wird11. Durch die Erfolge in der Früherkennung und Therapie werden 10-Jahres-Überlebensraten von deutlich über 80 % erreicht18. Komplikationen In aller Regel wächst das Prostatakarzinom langsam und verursacht erst spät klinische Probleme18. Dieses biologische Verhalten führt dazu, dass die Gefährlichkeit des Karzinoms unterschätzt wird. Trotz guter Erfolge in der Früherkennung und Therapie berichten epidemiologische Studien von etwa 11.000 Todesfällen pro Jahr infolge einer fortgeschrittenen Prostatakarzinomerkrankung2,21. Damit liegt das Prostatakarzinom an dritter Stelle der tumorbedingten Todesursachen in Deutschland2,21. Ein kurativer Therapieansatz ist bei organüberschreitendem Wachstum des Tumors oder bei Manifestation von Metastasen nicht immer möglich18. Allerdings stehen auch in palliativen Situationen verschiedene Optionen der endokrinen und der Chemotherapie sowie der Strahlentherapie zur Verfügung, welche das Überleben verlängern und die Lebensqualität verbessern können10,18. 798 Abb. 4 Dentale digitale Volumentomographie der oberen Halswirbelsäule mit osteoplastischer Metastasierung24 Als erste Station der Metastasierung kommen die lokoregionären Lymphknoten in Frage, die bei einer operativen Therapie regelhaft entfernt werden16. Im weiteren Verlauf ist vor allem das Skelett bevorzugtes Metastasenorgan6,18,22. Die Metastasen können sich sowohl als osteolytische (seltener) wie auch als osteoplastische Läsionen (häufiger) im Röntgenbild darstellen12. Die Abbildungen 3 und 4 zeigen osteoplastische Metastasen eines Prostatakarzinoms24. Zur Therapie derartiger Metastasen werden u. a. Bisphosphonate mit gutem Erfolg eingesetzt9. Es ist zu beachten, dass in unterschiedlicher Häufigkeit auch über das Auftreten von Metastasen des Prostatakarzinoms im Kieferknochen berichtet wird6. In einer kanadischen Stichprobe wurde bei 21 % aller männlichen Patienten mit Kieferknochenmetastasen als Ursache ein metastasiertes Prostatakarzinom festgestellt6. Folglich sollte der Zahnarzt/Arzt bei verdächtiger Läsion im Röntgenbild, auffälliger Klinik oder positiver Anamnese an Metastasen eines Prostatakarzinoms denken und eine weitere diagnostische Abklärung einleiten. Die zahnärztliche Betreuung von Patienten, die an einem ossär metastasierten Prostatakarzinom leiden und mit Bisphosphonaten behandelt werden, muss mit größter Sorgfalt erfolgen, um das Auftreten einer bisphosphonatassoziierten Osteonekrose zu verhindern20. Quintessenz 2012;63(6):795–800 ALLGEMEINMEDIZIN Prostatakarzinom – die häufigste bösartige Neubildung beim Mann Resümee Wegen der Häufigkeit des Prostatakarzinoms und der Gefahr eines ungünstigen Verlaufs bei später Diagnose ist die Inanspruchnahme von Früherkennungsuntersuchungen für Männer ab dem 40. Lebensjahr zu empfehlen18. Bei konsequenter Durchführung solcher Untersuchungen kann das relative Risiko, an einem Prostatakarzinom zu versterben, um fast 30 % reduziert werden23. Die bessere Prognose bei frühzeitiger Therapie ist unstrittig11. Neue Therapieverfahren sowohl der urologischen Chirurgie als auch der Radiotherapie ermöglichen ein akzeptables Nebenwirkungsprofil bei guter onkologischer Sicherheit18. Die Mitarbeit des Zahnarztes spielt eine Rolle in der Erkennung ossärer Metastasen im Kieferknochen und der Betreuung von Patienten, die unter Bisphosphonattherapie stehen. Danksagung Die Autoren danken Herrn Prof. Dr. med. R. Kühn (Chefarzt der urologischen Klinik im Krankenhaus Martha-Maria in Nürnberg) für die Durchsicht des Manuskripts und die fachliche Unterstützung. CHECKLISTE Bewahren Sie diese Aufstellung leicht zugänglich auf oder fügen Sie sie Ihren QualitätsmanagementUnterlagen bei. 1. Epidemiologie tIÊVmHTUFSCÚTBSUJHFS5VNPSEFT.BOOFT tESJUUIÊVmHTUFUVNPSCFEJOHUF5PEFTVSTBDIFEFT.BOOFT 2. Diagnostik t*OBOTQSVDIOBINFEFS'SàIFSLFOOVOHTQSPHSBNNF tKÊISMJDIF%VSDIGàISVOHEFT14"4DSFFOJOHTBCEFN -FCFOTKBISKFOBDIJOEJWJEVFMMFN3JTJLP 3. Therapie 4. Prognose tCFJSFDIU[FJUJHFS5IFSBQJFHVU t+BISFTÃCFSMFCFOTSBUFKFOBDI4UVEJFàCFS 5. Bedeutung des Zahnarztes t'SàIFSLFOOVOHWPO.FUBTUBTFOJN#FSFJDIEFT,JFGFS knochens tGBDIHFSFDIUF#FUSFVVOHWPO1BUJFOUFONJUPTTÊS metastasiertem Prostatakarzinom, welche unter Bisphosphonattherapie stehen tLVSBUJWF5IFSBQJFNÚHMJDITUGSàI[FJUJH tPQFSBUJWFVOETUSBIMFOUIFSBQFVUJTDIF7FSGBISFO tJOEFS-BOH[FJUCFPCBDIUVOHHMFJDIFT/FCFOXJSLVOHT potenzial Quintessenz 2012;63(6):795–800 799 ALLGEMEINMEDIZIN Prostatakarzinom – die häufigste bösartige Neubildung beim Mann Literatur 1. Barry MJ, Gallagher PM, Skinner JS, Fowler FJ Jr. Adverse effects of roboticassisted laparoscopic versus open retropubic radical prostatectomy among a nationwide random sample of medicare-age men. J Clin Oncol 2012;30:513-518. 2. Becker N. Epidemiologie des Prostatakarzinoms. Radiologe 2011;51:922-929. 3. Bianco FJ. Robotic radical prostatectomy: present and future. Arch Esp Urol 2011;64:839-846. 4. Budaus L, Bolla M, Bossi A et al. 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